Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931212021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893121202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893121202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-12
- Monat1893-12
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
»»» -«rpt^pedstio, ode» de» i» St»»t- tzMkl L»d d» Bororten errichtete» dlllt- 2ch«ll»» abgeholt: vierteljährlich ^l4-Ä0. F^veüualiger täglicher Zustellung ins yul SLt). Durch die Post bezogen für ^tschlaud und Oesterreich: vierleljäbrUch . Direct» tägliche Krenzbaudiendung ÜX Autland: mouatlich .et 7,50. xieNorgen-Aurgab« erscheint täglich'/,7 l>h^ di« Lbeud-Ausgabe Wochentags s Uhr. Leduliir» uv- Lr»e>itioa: JohanueSgafie 8. Heirveditio» ist Wocheetag« ununterbrvche» geöffnet voa früh 8 dit Abend« 7 Uhr. Filiilea: vtt« Le«m'» Sorti». (Blsre» Hatz»), UniversitätSstraße 1, Loui» Lösch«. itetharinenstr. 14, pari, und -öuigkplah 7. Abend-Ausgabe. T «Malt Anzeiger. Lrgan fiir Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. AazeigenoPreiA die 6 gespaltene Petitzeile SO Psg. Reklame» uuter deinRedactiouSftrich (4ge. spalte») LOH, vor den Familienaachrichte» iü gespalten) 40^. Größere Schritten laut uuserew Preis- vcrzeichuib- Tabellarischer und Ziffern!«? vach höherrm Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur m,t der Morgen«LuSgabe, ohne Postbesörderuuz ^4 Ä).—, mit Postbeforderung 70.—. ^nnahmeschlak fir Anzeigen: Abend-AuSgabe: DorinittagS 10 Ubr. Margen-Äu-gabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- und Festtags früh ' ,8 Uhr Bei deu Filialen und Annahmestellen p eine halbe Stund« früher. 8»zeige« find stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. «33. Dienstag den 12. Decembcr 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 12. Tecember. Wahrend gestern die französisch« Trpittirtellkauttiitr über die von der Regierung infolge deS Vaillant'schcn Bombenattentats schleunigst eingebrachlen Gesetzent würfe zur Verhütung und Unterdrückung anar chistischer verbrechen berietst, ereignete sich in Berlin üii Borsall, über de» uns das Hirsches che Telcgrapstcn-Burcau imle Folgendes melde!: „Einer Familie in der Wilhelinstraße wurde eine Zivile sendet, die beim Oeffnen seitens de-, Hcnisberrii rxplodirt« und M Personen leicht verletzte. Ter Absender zeichnete als n, gewisser Or. .stöhn in der Wilhelnistraße. Tie Nolle war mit -lechslücken gefüllt." Nach einem Telegramm deS „Wolss'schcn Bureaus" stellt der Bcrlüur „Local-Anzeiger" den Borsall etwas anders und zwar solgenderinaßen dar: „Eiue>n hiesigen Ksusina»» wurde gestern Mittag per Post eine Rolle zuaejaiidt. Dieser übergab die Rolle der Erzieherin i«i««r Kinder zun, Oessiien. Beim Oessuen erfolgte eine Ex- zlösio«. «leine Blechstückc wurden in der Stube »mher- Meudcrt. Ten, Fräulein wurden die Augenbraue n versengt »d das Gesicht durch Pulver grschwurzl. Ein dreijähriger r«sn des Kaufmanns erlitt leichte Eontusione» Tic Unter- >ch>ng wurde sofort von der Polizei eingeleiiet. Man rermuthet Racheact." Ans alle Fälle bestätigen die Vorgänge aufs Nene die alle Erfahrung, das; Verbrechen ansteckend wirken und daß diese Ansteckung durch keine noch so grosse Enlsennmg abgeschwächt wird. Der Vorgang, der gestern die französische Texulirlenkammer beschäftigte, ist dastcr von internatio naler Bedeutung und predigt dieselben Lehren, die er der französischen Republik erlheilt, auch den deutschen Regie rungen und dem ganzen denlschcn Volke. Dem letzteren ganz besonders. Erklärte doch vor einigen Tagen Herr Liebknecht >m deutschen Reichstage den französischen Mord- und Brand- anarchisten Ravachol für einen Lockspitzel, der im A»s- lraze derBourgc oisie gearbeitet stabe. Gleichzeitig wurde im .BorwärtS" höhnisch angedcutel, der dem deutschen Kaiser wd dem Grasen Eaprivi inS Haus gesandte „Radieschen- !«en" sei bestellt gewesen, lieber das Attentat auf den öetsächlichen französischen Souvcrai», die Alvordnete»- stmnier. werde» wir wohl heute in der soeialdemo'rcttiscben schsse lesen, cs sei im Interesse der antisocialistischen Pläne dl eben jetzt aus dem Anite geschiedenen Herrn Dupuy in- mirt worden, die Ausführung stabe sich aber nnlicbsam mzögerl. Ein Tbril der von der Socialdemokratie Hypnoti- mim wird auch diese» Unsinn glauben, obwohl Dupuy als Minister ebenso gut Kälte „mitgehe»" können, wie er a!S Lammerpräsident bcinastc gctödtct worben wäre: aber cS Ismmt nun nicht mebr daraus au, wa- der soeialkemokralische Troß sich cinrcdcn läßt, sondern waS ist. Und die That- iachk, mit der man sich abfinden muß, ist die Häufung von anarchistischen Verbrechen als Folge der social- limokratischen Aaitatio ». Die Attentate in Spanien und Belgien glaubte die Socialdemokratie noch mit dem Umstande kcklären zu dürfen, daß in diesen Landen der Arbeiter der Politi ken Rechte entbehre, die Bombe der Protestschrei dcr politisch Mndlvdtgemachtcn sei. Das gilt nickt für die Länder mit allgemeinem und gleichem Stimmrecht, mit einer gesetzlich und administrativ in keiner Weise einge- -chranklen socialdemokratischen Organisation und Agita- imi. Allgemeines Stimmrecht und Socialdemokratie, er- zeigt sich immer mehr, bilden nicht »ur kein Ventil gegen anarchistische Gräueltstatcn, die Socialdemokrale» ver galten sich vielmehr zu dem anarchistischen Terrorismus wie die Ursache zur Wirkung. Daß Leben um Leben. Slj Roman in zwei Bänden voa M. Gerhardt. Naittruck verboten. (Fortsetzung.) „Warten Sie — erlauben Sie — haben Sie das Buch bei per Hand?" „sich will cs holen." .Semiiden Sie sich nicht, verehrte Freundin. In Capitel acht und neun sind die Stellen enthalten — es ist mir sehr fchmerzlich — ick glaubte Sie unterrichtet — hätte ich .fealmt —" „Entschuldigen Sie sich nicht, Herr Professor — ich bin ahnen dankbar." a> S -ft Professor Wendeln, statte sich cnipsostlcn und Antonic saß zufammcngekauert, mit schmerzlich verzogenen, welken Zügen und im Schooß gefalteten Händen da. Das statte er ihr angcthan. Co tödtlich batte er sie ver kanten können. Antonie batte ihren Vater von ganzem Herzen verehrt, aber jetzt war eS nicht die Entweihung seine- AnfehenS. waS de ins Innerste traf, sondern cS war die rücksichtslose Grau- 'amkeit, die ihren eigenen Gefühlen Hohn sprach. Tie nahm das vcst ans, versuchte darin zu lesen. Die witzige Bosheit einiger Sätze berührte sie wie Nadelstiche. 2» hatte noch Niemand über ihren Mann zu schreiben z-wagt. E« war Antonie nicht gleichgiltig, daß sein neues Werk — ein Werk, da- lange vor seinem Erscheinen die Aufmerksam- ieit und Erwartung gelehrter kreise erregt — eine» unstreitigen Rißerfolz bedeutete Viel schlimmer war cS» daß sie sich im Hebcimen auf die Seite derer stellen mußte, die diesen Miß- cholg billigte». Ware» seine neuen Lehren bimmelstürmeake «obrhriten, war cS funkelnder Trug, wie der Mann hier t huptet« — Antonie wußte cS nicht- Sie balle gar kein 1 erbest mehr über diese Tinge. Ta- Buck ibreS Mannes loar sein Puch, sonsi nichts — waS ging sie jetzt noch alle Gelehrsamkeit der Welt an? — Aber sie haßte kies Buch, batte e« gehaßt von Anbeginn. — Denn ihr zu Leide hatte er r« -«schrieb«». Es war der Zeuge, der körperliche Bewei- Socialdcmolratie und Anarchismus nicht miteinander rathen und tstaten, daß die Eoeialdcmokratic de» Anarchismus als ihren Feind betrachtet, ist ja wostl im All gemeinen richtig, obwobl die Grenzen dcr beiden Richtungen zweifellos ineinander fließen. Aber die Feindschaft der Soeial- dcinvkraiie ist die gegen den ans dcr früheren Gemeinschaft ansgcschicrciieii und zur Etastlirung eines eigene» Ge schäftes geschrittenen S ociuS. Die heutigen Anarchisten sind so wenig Jünger Bakuiiiu'S, wie die heutigen Sccialdcmolraten Jünger deS „überwundenen" Lassallc, sie sind anü der socialdemokratischen Schule bervorgegangcn. Herr Landauer, dessen Organ sich von Lust über die Allenlate der letzte» Wochen erfüllt zeigt, war Soeialdcmvlrat und 2 ocialdcmo traten waren alle, die zu ist:» stehen. Und dcr Pariser Massenmörder Vaillant war »ach dem Zeugniß dcü socialislische» FiibrerS GiieSte ebenfalls Soc ial dem okra t, dcr sich, »in mit Herrn Bebel zu reden, allmählich zum anarchi stischen Bomstciiwerfer weiter „gemausert" stat. Ucbrigcus war cs nicht Graf Krapcltin, sonder» Herr Paul Singer, dcr erklärt und zwar im deutschen Reichstag erklärt hat, der „Anarchismus sei eine Weltanschauung, wie jede andere." Die heutigen deutschen Anarchisten stammen lcincSwegS aus dem -kreise der Londoner „Autonomie", in dem das Spitzeln,»,» nicht unvertretcii gewesen sein mag, sic sind eine Blülbc dcr heimischen Socialdemokratie und zicstcn Nahrung aus dcr unbeschränklen socialdemol,atischen Agitation, die alle revolntionaircii Begierden weckt, ihre Befriedigung astcr der Zukunft anstcinistcftl. Die Anarchisten sind ungeduldig gewordene Socialdemokratcn. Im Uiimulh über das AnSstleibcn der versprochenen all gemeine» sociale» Revolution führe» sie den Guerillakrieg gegen die Gesellschaft. Die Bebel und Singer reden Dolche und Nitroglyccrinboiibcn, die Genossen dcr Landauer zücken und werfen sic. Wo man auch über Maßregel» ;»in Schutze der Gesellschaft gegen anarchistische Attentate bcratsten mag: nirgends wird man etwas erreichen, wenn man nicht zugleich dem gesprochenen nnd ge schriebenen Dynamit seine Sorge zuwcndct. Von der tiefen Erregung, welche im ganzen protestantischen Deutschland die Icsuitensrage hervorgebrachl bat. geben andaucrild die Petitionen gegen die Zulassung des Ordens Zeugniß, welche i» solchen Masten laduiige» »och in keiner Angelegenheit jemals im Reichstag cingetrosscn sind. Nachdem schon in früheren Verzeichnissen zahllose Eingaben dieses Inhalts iiiitgclstcill worden, besten wir auS der neuesten Liste wieder Petitionen ans Großen hain mit 5978, Ulm mit 2l>!>!>, Wernigerode mit 22!»!>, Augsburg mit 4 Darmstadl nndHcssen mit 1 l 152, BreSlan nnd Schlesien mit 52 .'it5, Eisenach mir 7205, Dessau mit II! 85:> Unterschriften hervor. Aus verschiedenen Landschaften Deutsch lands wird berichtet, daß gegen Vertreter, die in dieser Frage dem Eentrni» Hilfe geleistet oder sich der Abstimmung ent zogen babcu, heftiger Unwillen herrscht, so namcnllich auch in Wahlkreisen mit conscrvalivcr Vertretung. Ten» daß die Eonservaltven mit ihren tzl fehlenden Stimmen die Ent scheidung hauptsächlich mitverschultct, kann nicht vergessen werden und ist in ihren eigenen Kreisen mit gerechtem Be fremden vernommen worden. Auch in dem ganz überwiegend protestaiitischcu Land Württemberg bat cS begreifliche Erregung hervorgerufen, daß die Demokraten, die ja leider die parlamen tarische Vertretung deS Landes im Reich ganz überwiegend in Händen habe», tbcilS temEcntrumSantrag zugestimmt, tsteils sich mit edlem ManiieSmurh bei der Abstimmung gedrückt stabe». Am größten vielleicht ist, wie uns berichtet wird, die Erbitterung im Wahlkreis Eisenach. Dieser zu 89 Proe. cvangetischc Wahlkreis, an de» sich so stolze Erinnerungen an die Rcsor- seiner wachsenden Entfremdung. Sie kannte es kaum, sollte cS auch nicht kennen. Und jetzt wußte sie, weshalb. Eapitel acht und neun. Antonic raffte sich aus nnd ging, das Heft in dcr Hand, in ihres Mannes Studirslube. Er hatte ihr gesagt, daß er den Abend nicht »ach Hause kommen würde, so war sie vor Ueberraschung sicher. Das war jetzt nichts Ungewöhnliches. Er war viel au-, brachte halbe und ganze Nächte außer dem Hanse zu. Sie fragte ibn nicht mehr nach seinen Wegen, flehte ihn nickt a», bei ihr zu bleibe». Wozu auch? — Ihn sich zurück zu erobern hoffte sie nicht mehr. Zerrüllct. wie ikr eheliches Leben, sühlte sie ihr ganzes Sein und Wese». In einsamem Grübeln, in untbätiger gedankenloser Sclbst- quälerci schleppte» sich ihre Tage hin. — Den Schein nach außen bin zu wahren, dazu statte dcr Stolz noch Kraft ge geben. Jetzt war auch dcr gebrochen. Woraus sollte sie noch stolz sein? — Festhalten, waS sie besaß, das war das Einzige, Letzte, worauf sich Denken und Wollen krampfhaft eonecntrirlc. Aber waö besaß sie denn noch? Eapikcl acht und neun. Sie batte das Buch ausgeschlagcn vor sich, aber die Zeilen flirrten nnd schwankten ikr vor de» Augen. Der Sinn dieser compacten, wie in blanken Stahl geharnischten Sätze wollte sich nickt fassen und halten lassen. Sie halte seine Arbeiten doch früher verstanden! — Früher, wo er neben ihr gesessen, ihr anSgcwäblt, erklärt hatte, was für sie paßte! Das war nicht mehr für sie. Ta gab cS jetzt eine Andere. Antonie blickte scheu umher, sic war allein — die ge spenstischen. kuschende» Schalten in den dunkeln Ecken fürchtete sie nickt, die waren ikr vertraut, verrietben sie nickt. Sir versuchte die Schiedlade des Schreibtisches zu össncn, fand sic jedoch verschlossen. Frübcr pflegte dcr Schlüffel zu stecken. Seit zwei Jahren vergaß Alfred selten abzuschlicßcn. Verstohlen, scheu vor sich selbst, zog Antonie einen Schlüssel au- der Tasche und öffnete das Schiebsach. Sic wußte unter deni Vielerlei von Papiere», Briese». Notizen. Geld gut Be scheid. Hier, rechts, ganz Hinte», pflegten Hildegard s Briese zu liegen. Sic hatte jeden einzelnen gelesen, sich bcsättigt mit Web und Bitterkeit an jedem innigen Satze. Diese Briefe strömten über von jugendlicher berzenSwarmer Begeisterung, die sich mitunter zu wirklicher Poesie steigerte. Etwa- Ver brecherisches balle Antonie in keinem zu sinken vermocht, außer daß sie ihr verheimlicht wurden. Teil dem Sommer war kein Brief mehr gekommen — vielleicht hatte aber Alfred mation knüpfen, besitzt in dem volkSpartcilickc» Abgeordneten Easselmaiin einen Vertreter, dcr cS über sick vermocht hat, für die Jesuiten zn stimmen. Dieser Man» ist nur mit zcbn Stimmen Mcstrbeit über eine» Nationaltistcrale» gewählt worden. Wen» die aiigefochlenc Wahl für >».gütig erklärt wird, dann mag der würdige Hüter dcr Wartburg ziüchen, ob er das Mandat wieder erlangt. Tic CabinctSkrisis in Italien darf nun endlich als abgeschlossen gelte», wenn auch die Vergebung von zwei oder drei Portefeuilles, zu denen dasjenige des Auswärtigen gehört, zur Stunde noch nickt cndgiltig erfolgt ist. Ob dcr derzeitige Botschafter in Paris, Ncßma», oder Mordini oder ein Anderer Brin'S Erbschaft antritt, ist jcteilsaUS ziem lich gleichgiltig; de»» de» EurS des »cne» Ministeriums auch auf dem Gebiete der auswärtige» Politik wird obuc Zweifel der Eoiiscilpräsitcnl Erispi bestimmen, dcr »eben der Gesammtleitliiig das Portefeuille des Innern übernimmt. Sein Eabinel unterscheidet fick von dem jenigen, wclckeS Zanardclli in Vorschlag gebracht batte, ras vor de» Auge» tcö Königs jedoch keine Gnade fand, in erster Linie zwar dadurch, daß cs fast ausnahmslos aus Männern von Ruf und Erfahrung besteht: ei» so ziel- und selbstbewußter Eonseilpräsidcnt aber, wie Erispi, wird dcsicn ungeachtet dcr seinen Namen tragenden Eombinatio» uiiscbl bar Nock de» Stempel seiner Eigenart anfprägc». Lcickl mag eS dem König Hnmbert nicht geworden sei», »ach den Ent hillliiiige» des Sicbciici Ausschusses, dessen Bericht auch ans Erispi als Staats-und Privatmann eine» Schatten fallen läßt, den bejahrten Führer dcr legalitärc» Linken mit der Eabinets bilduug zu betrauen; »ach dem Mißerfolge des Ka»»iicrpräsi> keilten Zanardclli und dcr Weigerung des SciiatSprästdcnle» Farini, in die Bresche zu trete», blieb ihm jedoch keine andere Wahl; denn unter den gegenwärtigen kritischen Verhältnisse» ist cö mit Größe» zweiter oder dritter Ordnung, mit dc»c» Zanardclli sich zu behelfen gedachte, nickt gcthaii. Tic schmierigste Aufgabe wird dem Finanzmiuister Sonnino Zufällen, der »nnmebr Gelcgcnbcit findet, seine trefflichen sinaiizpolitischcn Theorien in Lic Prari-Z zu übertrage». Im AuSiande wird die Wicderbcrusung EriSpi'S zur Leitung dcr italienischen Staatsgeschäfte sehr verschiedenartig bcurthcilt werden; specie» in Frankreich dürfte man ihm mit cincm gewissen Mißtrauen begegnen, da man ibn dvrl stet« als einen entschiedene» Treib»,idsfrennd und Gallophobcn be handelte. Man wird aber — wie der römische Cvrrcspondcnt der Münchner „AUg. Ztg." schreibt — i»i AuSlandc gut tlm», sich der Programmrcde zu erinnern, die Erispi vor etwa einem Jahr in Palermo bielt und i» welcher er gewisse Irr- rhiinicr seiner niiiiistcrillcn Dbäligkcit bedauerte, seine Rück kehr zn den streng demokratischen Idealen verkündete und seinen lebhaften Sympathien für Frankreich Ausdruck gab, indem er zugleich daraus hinwicS, daß er den Dreibund nickt mit inS Leben gerufen, sondern als vollendete Dbatsachc s. Z. vorgesunden habe. Gewiß wird der Macktbesitz auch a» diesem Programm wieder Manches verändern; imincrbiii muß man daraus gefaßt sein, daß Er>Spi kein bcguenicS, unbedingt gefügiges Organ des Dreibundes sein wird. Ei» Mann von niigezähmtem Selbstgcfübl, wußte er dennoch die Größe Bis marcks zu verehren; sonst gekört cs nicht zu seinen Gewohn heiten, sich imponircil z» lassen. Das Zustandekommen der im englische» Parlamente von Gladstonc eingebrachten Haftpflicht!) ill ist durch den Beschluß des Oberhauses in Frage gestellt, daß cS den Arbeitern nach wie vor frei stehen solle, aus privaten, Wege sich mit den Arbeitgebern über Entschädigungen :c. bei U» fällen zu einigen, und daß aus Betriebe, in welchen die An gelegenheit auf diese Weise unter Zustimmung von zwei Dritteln dcr kort beschäftigten Arbeiter geregelt worden sei, die Haslvslichtbill keine Anwendung finden solle. Die conser- valirc Presse ist der Meinung, daß diese Acnderunz der Glakstone schen Bill des Beifalls dcr Mehrzahl der Arbeitcr sickcr sei. die radicale dagegen gicbt die« »ur für ein Paar Arbeilertategorieii zu und spricht ihre Freude darüber aus. daß das Oberbaus selbst dcr angeblich jetzt gegen dasselbe sicher loSbrcchcntcn Bewegung freie Bahn geschahen habe. Die scheu vom Delegrapben gemeldete Mittbeiluiig der „Krenzzlg " über das Proftcl der Verlobung deS russischen Tlnoiikolgrrs mit der Prinzessin Helene von Orleans lautet wörtlich: „Es ist tauiii ein Zweisel mehr möglich, daß di« Ver lobung des Großfürslen-Throilsolgers von Nullland und der Pciu zefsiii Helene von Orleans i» Aussicht genommen ist und dai; die Familie Orleans nur die Bedingung daran geknüpft hat. in Iirckiiüicr Beziehung die Gutheißung des Papstes dafür zu erlangen. Allein böchsnvahrfclieinlich wird der Plan scheitern. Gegen LenUeder- trilt dcr Prinzeß Helene zur griechisch-uuirten «irch« würde zwar der Pap» nichts zu erinnern habe». cS fragt sich aber, ob den Ni, fte» damit gedient wäre. Ti« gricchisch-unirt« Kirche wird >a von der ruffiickc» Regierung am allcrbittersten verfolgt. Ein Katholik, der zur griechifch-mnrtcn Kirche übcrlrnt, ändert seinen Glaube» »ich!, er hat sich nur neuen RitnSformen zu accomuiodirrn. Tic Lchwieiigkcit liegt i» der Trauung und der Erziehung dec Kiiider. Rom kau» nie zugebcu, daß süinmtlichc «nider nicht taiholifch erzogen werden, aber der Zar wird daraus bestehen." Wir »icinc», daß die Verbindung gar nickt >» Aussicht gcnoiiiiiicu wäre, wen» uliüberwinktiche Schwierigkeiten siel» ibr ciitgcgenslelllcn, Schwierigkeiten noch dazu, Lic man dock von vornherein gekannt haben muß. Hat man trotz derselben Verhandlungen cingclcitet, so muß man ibre Uebcrwindung dock auch für möglich halten. Und daß Rom schon häufig i» dem einen Falle gekonnt bat, was cs im anderen Falle als nninöglich dezcichiietc, daß weiß man in Petersburg wie in Paris, und das sollte eigentlich auch die „Krcuzzcilung" wisse». Deutsches Reich. Bcrlr». I l. Dceembcr. Tic „Köln. Ztg." schreibt: „In würltcmbcrgischen und äußcrwiirttcmbergischen Zeitungen werden zur Zeit allerlei Vcrinnlhuugcir über die Ursachen des Rücktritts des wiirttembcrgischcn Gesandten v Moser vo» seinem Berliner Posten laut. Mit bcsviidcrcr Bcflimmt heit tritt das Gerücht auf, die Abstimmung Württembergs gegen die Wein st euer bade Anlaß zu einer unfreundlichen Stellung dcr maßgebenden Kreise gegen Herrn v. Moser ge gebe». AuchdcrFi»anzmiiiistcrlR-.Migncl soll de» Gesandten dies haben cnlgeltcn laste». Andrerseits wird dem Freiherr» v. Mit ln ackl daö Wort im BundeSratb zngeschriebrn, die Einbringung deö WeinstcuergesetzeS bedeute einen Bruch deS 1879 Württemberg crtbciltcn Versprechens. (Entstanden dürste diese Version daraus sein, daß Württemberg, wie wir einer ofsiciösen Darlegung des „Hamb. Eorr." entnehmen, seinen Widerspruch gegen die Wcinstcucr zunächst mit den Abmachniigc» begründete, die bei seinem Eintritt in das BunkcSvcrhällniß slallgcfunden hätten. Red. deS „Leivz. Tagcbl."X Wir sind in dcr Lage, diese sämmllichcii Bc hauplungcn auf Grund bester Oucllc» als ausnahmslos jeder Begründung entbehrend zu bezeichnen. InS besondere ist das Verhallen des I»r. Miguel gegen die würltcmhcrgische Regierung von Anfang bis zu Ende ein durchaus loyales und bundcslrencS gewesen und eine derartige Acnßcrung des Frhrn v. Miltnackt ist — wie kein Urtheilö- säbigcr jemals cS anders angesehen haben wird — niemals gefallen. Ans die Frage, weshalb Herr v. Moser zurück Sorge getragen, daß sic nicht in'S Haus gebracht wurden, und verwahrte sic an anderer Stelle. ES war ibr noch nicht gelungen, dahinter zn kommen. Ter Schreibtisch hatte noch einige ankere verschlossene Fächer. Sie versuche ibrcn Schlüssel, den sie sich batte für die Schub lade zurecht feilen lassen, an einem derselben. Er paßte in'S Schloß, wollte cS aber nicht öffnen und sich »ach öfterem Hin- und Hcrdreben auch nicht wieder hcrauSziehc» lasse». Nack vielem ängstlichen, zuletzt hastigen und gewaltsamen Ahmüben brach der Bart des SchlüstelS ab und blieb im Schloß stecken. Antonie war in peinlichster Verlegenheit. Das Schubfach stand offen, sie schichtete mit zitternde» Händen den Inhalt zurecht — Alfred merkte cS zum Glück nicht, wen» eine Kleinigkeit anders als vorder lag — schob zn und bolle ihren Scklüsseltorb, obgleich sie schon wußte, daß kein anderer Schlüssel paßte. Es blieb nichts übrig, als ein Märchen zu erfinden und schleunigst nach dem Schlosser zu schicken. Aber diese», das abgcnommcne Schloß »lirzugebcn, damit er heute noch eine» Schlüssel dazu machte, das wagte Antonie nickt. Es war spät geworden, der Handwerker mochte sie im Stich lassen, ikr Mann sie überraschen. Sie ließ das Schloß wieder befestigen und legte sich fiebernd und ganz erschöpft zu Belt. Roloff war srob, seine Frau nickt mehr anzutrcssen. als er nach Hause kam. Ein tragische« Ercigniß, das in den letzten Stunden stattgefundcn, Halle einen tiefe», erschütternde» Eindruck auf ihn gemacht. Ein Freund, der ihm im Lauf deS letzten Halbjahres besonders nahe getreten, batte seinem Leben durch Selbstmord ein Ende gemacht. Als junger Student war Rolosf der Lcbrer deS hochbegabte», aber trägen, vrrwöbntcn Knaben gewesen. Der einzige Sobn eine- sebr reichen GroßkausmanncS, durch den Willen deS VatrrS gegen seine Neigung demselben Berus bestimmt, »n glücklich vcrbeiralbet. dann von seiner Frau geschieden, war er nicht sobald durch deS Vater« Tod sein eigener Herr ge worden. al- er auch sein Vermögen flüssig gemacht batte und aus Reisen gegangen war. WissenSturslig. leben-durstig durch schweifte er die Welt, woblbekanitt in den Kreisen der lite rarischen nnd künstlerischen Bokcmc von Paris, Wien, Berlin, aus dem Genuß ein Studium, auS dem Studium einen Genuß mackend. Damals traf Rolon mit dem genial veranlagten, liebens würdigen Menschen wieder zusammen und gab ihm de» Anfloß zu einem ernstgemeinten Versuch, seinem Leben einen wertb- rolleren Inhalt zu geben. Politische, literarische BestreVungen fesselten ibn vorübergehend. Aber er halte bereits die Fädig keit verloren, sich mit volle» Kräften für eine Sache cinzusctzeu. Eine aiiShöhlende Skepsis, ein unheilvoller Drang, die absurde Kehrseite alles dessen hcrvorzukehren, was dem Menschenleben Zweck iiiid Inhalt gicbt, machie ilm zu einem höchst anregenden Gesellschafter für denkende Köpfe, aber zu einer absoluten Null im schassende» Leben. Krank, überdrüssig der Welt und seiner selbst, halte er i»i Herbst den Schauplatz seines bankerotten wurzellosen Lebens nach scincr Vaterstadt zurückverlcgt, um mit seinem, in zwischen berühmt gewordene» Freund Philosophie zu treibe» »nd ib» im Austausch die Kunst Le« Lebe»- zu lehren. Mit gieriger Hast führte dcr reise Sckülcr den Talnucl- tclch dcö SiiinengeiiusicS an die Lippen. Mochte sein Inhalt Gift sei», stillte er doch für den Augenblick die brennende O-nal des DnrslcS, schläferte die marternde Unrast seknsucklS voller Entbehrung ein, schasste vielleicht Betäubung — Vcr gcsscnbcit. Aber cm paar Monate batten genügt, die Wirtsamkcil des Nareotieums abzustlimpscn. Und dcr Pistolenschuß, dcr den, Dasein seines unselige» Gefährten ei» Ende machte, bildete de» schauerliche» Abschluß einer Epoche, die wie ein dunkler Abgrund »eben den lichtesten Höben seines Lebens ausklüftctc und die Zukunst für imnicr von der Vergangenheit schied. Roloss war nickt mehr so achtlos wie früher. Daß sein Schreibtisch verschlossen gewesen und jetzt offen stand, daß am Schloß gearbeitet worbe», daß fremde Hände den Inhalt durckwühlt, stellte er alsbald mit Sicherheit fest. Aus da« bewährte Dienstmädchen konnte lein Verdacht fallen. Seine Frau also fand cö nickt »ntcr ihrer Würde, um ibn herum ;» spionircu, ibr war kein Gcbcimniß heilig! — Ta« über rascktc ilm nicht besonders, hatte er Lcxd schon früher seine Mnikniaßungcn über dergleichen gehabt, neck war er augen blicklich m der Stimmung sich darüber zu erhitzen. Nur dcr Widerwille, mit den, er sein ganzes jetzige» Leben ertrug, er hielt einen schärferen Stachel. Ans dem Schreibtisch lag da« Pampblcl, das Wendrlin gebracht, sein Name stand mit Bleistift aus dem Umschlag. Roloss hatte die Schrift bereits durch den Verfasser selbst ;»- geschickt erkalten, aber nngelcsrn in den Papicrlorb geworfen Jetzt las er sie vo» Anfang bi« zn Enke, bevor er die Lampe auSlöschte. — Im Gr»»de tbal ibm dieser schmäbsiicktig ge bässiae Ausfall wobl. Da war dock endlich einmal ein Gegner, der sich stellte! Welche Wollust, ibn in seiner gemeinen Tücke zu zermalmen! Erst nachträglich fiel ihm rin, daß seine Frau
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite