Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931218029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893121802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893121802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-18
- Monat1893-12
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vez»-*P«r- Utz» «d«e tzo» t« Gt»tz«. Vckck «d den Vor««»« errichteten An«- 2estckl»» abgeholt: vierteljädrkichXS.bO. K zweimalige: täglicher Zustellung in« tzn« ^ ü-öi) Durch die Post bezogen sür -Ächta»d und Lefterreich: vier»eli<tdr>ich -II —. Direrre täglich» Kreuzbandkenoung ich» Voland: monatlich 7.SO. rieVoegen^lasgab» erscheint täglich'/,7 Uhr, U, Identz-Aa-gadr woch»ntag« L Uhr. Urkrliim m»d Lrpetiti-, F-tz-ttttE-GitAa Ne-rvedtrion M Wochentags unmiterbrochea geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: ktt» Mt»«'» Lorti«. (Alfred Hatz«), Unlversitätsstraße l. LouiS Löfchr, >»ch«ri,»«sti. I«, par«. und Söni»«»l«tz 7. Abend. Ausgabe. nWgtr.TlUMaü Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd GeschSstsverkehr. . A»zrige«.Preis - die -gespaltene Petitzeile SO Pfg. Reklamen unter dem Redacttoa-ftrkch (»ao» spalten) Sv ^, »or den gamiliennochrtchten lft gespalten) «v>^. Gröbere Schriften laut nuferem BreiS- verzeichniß. Ladellarffcher und Ziffern in, nach höherem Tarif. Extra-vrilagen (gesalzt), »>r mit de, Morgen.Anögab», ohne Postbeförderung ^lt SV—, mit Poftbesorderung 70.-. Arntllhmeschluß für Anzeizea: Abend-AnSgab«: Vormittag- 10 Uhr Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4lU»r. Sonn- und Festtag- früh '/^t Uhr Vei den Filialen und «anahmeftrllen je »in« halbe Stunde früher. Anjkige« sind stet« an di« Expetzttia« zu richten. Druck und Verlag von T. Polz l» Leipzig- Montag den 18. December 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. December. Auch unsere Officiösen können bei ihren Betrachtungen aber die aaarchiftischr« Attentate nicht umkin, die social - demo kr «tischen Hetzblätter und Hetzredner mitverant wortlich flir die Gefahr zu machen, die von den fanalisirlen Anhängern de- Anarchismus allen Eulturstaaten droht. Diese» Zugeständniß ist leider, bei Lichte betrachtet, eine An klage gegen den neuen EurS, der nicht nur den social- demokratischen Hetzereien und Aufstachelungen gegenüber eine große Geduld bewahrt, sondern auch seine ganze Politik so einrichtet, daß sic nicht selten aus die socialdrmo- kalische Fraktion im Reichstage sich stützen muß. An der letzteren Thalsache tragen allerdings auch jene Parteien einen Theil von Schuld, die in der hitzigen Verfolgung von Sonder- mleieffeo das Ganze aus den Augen verlieren und dadurch eine parlamentarische Situation erzeugen, die der social- temokratischrn Fraction eine ausschlaggebende Bedeutung sichert. Ader fehlte dem neuen Eurse nicht jener große nationale Zug, der die staatSerhaltcnten Elemente mit sich reißt, so würde uns auch da« bedenkliche Schauspiel erspart bleiben, das die Sociat- demokralie an der Seite,' der RegicrungSverlrelcr zeigt, die mit Mühe des Ansturms der „berufensten Stützen «i Thron und Altar" sich erwehren. Auch die „Hamb. Üichr." beschäftigen sich mit diesem Schauspiele und weisen Maus hin, daß cS weite Kreise blind macht gegen die mchre Natur der Socialdemokratie und ihres Einflusses aus da« Anwachsen dcs Anarchismus Schon dadurch, jührt da« Lriborgan des Fürsten BiSmarck aus, daß die Social demokratie im öffentlichen Bewußtsein nickt mehr da» ist, al« waS sie unter der Herrschaft des Socialistenzcsctzc« erschien und was sie thatsächlich noch heute ist: eine auf den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung hinarbei- leadr Revolutionspartei — schon dadurch werde eine Gefahr geschaffen. Dann heißt eS weiter: „Diese Auffassung ist jetzt in den Hintergrund getreten, die Social, demokrati» gilt als Partei wie jede andere; sie stimmt jür die Sic gimtngsvorlagen, bildet den Kern der Majoritäten sür die Regie rmig und nächstens erleben wir eS wohl, das, die Herren Bebet und Genossen auf den parlamentarischen Soirtrn des Grasen Caprivi als Gäste erscheinen. Weiche große Gefahren sür die Zukunft durch eine solche Behandlung der Socialdemokratie entstehen, liegt aus der Hand. Die Locialdemokralen lassen sich dir jetzige gute Behandlung, di« itzaen mehr nützt, alS alle eigenen Anstrengungen früherer Zeit, natürlich sehr gern gefallen und erweisen der Regierung sogar GegenLieoste, ober etwa in demselben Sinne, wie dies die Polen ldaa, nämlich mit dem Hintergedanken, die bestehenden Zustände damit um so schneller zu Falle bringen zu können. Die Heuchelei ist plump und durchsichtig, -der wenn sie von den leitenden Kreisen aus Kurzsichtigkeit «ad Maiigkl an Fähigkeit, z» kämpsen, acceptirt wird, jo wäre eS von der SocialLemolratie thorich«, sie preiSzugeden. (Lharakieristisch ist in dieser Beziehung das Wort, La« dem Abgeordneten Bebel aenlich entschlüpfte: die Socialdemokratie habe kein Inter esse daran, gegen die Auswüchse der bürgerlichen Gesellschaft feindlich aufzutreten, da diese da- durch um so eher zu Grunde gerichtet würde. Sir sagen: die Socialdemokratie bat kein Interesse daran, der Regierung Schwierigkeiten zu machen, weil die zetzige Politik dea Niedergang der bestehenden Gewalten mehr fordert, «l» die Socialdemokratie eS bei aller Anstrengung vermöchte. Tie Regierung findet in dem Beisolle, der ihr von jocialdemokratischer ivie von sortfchriltlicher, polnischer und ähnlicher Seite zu Theil »ird, nichts Bedenkliches; sie glaubt die nnerbittlichen Gejetze der politischen Naturgeschichte ousheben und durch idre BrriöhoungS- politik Füchse in Tauben verwandeln zu können. Unseres Erachtrn- ift es die höchste Zeit, mit dieser geiShrlichen Fiction zu brechen." Leiter bat da«, wa- als Meinung und Warnung de« Fürsten BiSmarck gilt, am wenigsten Au-sickt aus Wirkung. Daß die Anmaßung und lleberhebung der P«Iru in letzter Zeit ganz erheblich zugcnommen bat, ist bekannt; bis zu welchen, Puncte sie aber gedieben ist, dafür liefert folgende Geschichte, die uns von vorzüglich insormirter Seite mitgerl,eilt wirk, eine:: »ressenden und schlagenden Beweis. Bekanntlich besuchte vor nickt zu langer Zeit Eardinal Kopp den Erzbischof von StablewSki in Posen. Dieser gab zu Ehren seines Gaste« rin glänzende« Diner, zu dem die Spitze» der Behörden Einladungen erhallen ballen. Bci dem Diner nun erhob fick der Erzbischof v. StablewSki, um de» Toast auf seinen Gast, den Eardinal Kopp, au-znbringrn In demselben Augenblicke erhob sich der Weibbischoj, und die gesammte lalbolisch-polnische Geistlichkeit folgte. Verwundert schaute die deutsche Gesell schaft mit dem eommandireuden General dcS V. ArmeecorpS v. (Treckt an der Spitze darein. Es war llar: die Polen hatten ein sein auSzcdachteö Manöver beabsichtigt; sie wollten, baß auch die deutsche Gesellschaft den Toast des Herr» v. StablewSki siebend anbörtc und damit gleichsam ihre Reverenz vor dem Erzbischof und dem Polentbum machte. Aber General von Seeckt halte dir Situation sehr richtig erkannt, er blieb sitzen und mit ihm, wie cS ja nun selbstverständlich war, die ganze deutsche Ge sellschaft. Tic Tafel bot in diesem Augenblick ein sebr eigcn- tbümlicveS Bild: Tic polnisch klerikale Gesellschaft stand und die deutsche saß: die Absicht der Polen war also gescheitert. Weiter stellte fick heran-, daß da- Berbältniß zwischen den beiden Bischöfen nicht gerade das allerbeste ist. In seinem Toast aus Eardinal Kopp schlug Erzbischof v. StablewSki einen elwaS berablasscnden Ton an. er redete etwa- vätrr lich von seinem lieben Freund und Nachbar. Dem Eardinal Kopp entging dieser Ton nicht; in seiner Erwiderung bvb er hervor, daß er zu seinem lieben Freund und Nachbar gewisser maßen in einem väterlichen Verhältnisse siebe, da er ihn consecrirt habe. Der ganze Vorgang zeigt, wie stol^ und siegesbewußt die Pole» austreten; wer weiß, welche Frückte kiese- Siegesbewußlsria noch zeitigt, wenn eS von der preußischen Regierung noch weiter genährt wird. I« den Straßen von Zürich ist dieser Tage rin anarchi stische- Flugblatt rcrtbeill worden, betitelt: „Ausruf an alle Arbeiter »nd Genossen". ES enthält u. A. folgende Stellen: Alle Anzeichen deuten daraus bin (Spanien, Rußland, Italien re.) daß die soeiale Revolution im Anzuge ist. — Darum ist e« an der -seit, daß auch die deutschen Arbeiter sich rüsten, um mit ihre» Mördern und Ausbeutern aiiszuräuinen. Ta aber der Hunger drobt, vorher Biele aus unser» Reibe» dahinzurassrn. so rufen wir Euch zu. ehe Ihr verbungert: „Zeig!, Laß Ihr den Dolch, das Gist und die Bombe an Euren Mördern zu gebrauchen versieht. Lieber ausS Schassot, als den Hungertod zu sterben! TaS sei unsere Losung' Darum, liebe Schwestern »nd Brüder, macht Euch bereit, sie naht heran, die Stunde des Ge> richts, uxlcke unS Brot und Freiheit, za, volle Freiheit bringen muß. — Die in letzter Zeit staitgesundene Berliner Demonstration ist ein Beweis, datz Idr noch nicht ganz verknechtrt seid! Ein Bravo den Denionstranien! Es ist aber mit einer Demonstration noch nicht geholfen; durum frisch aus zu neuen Thaten, zur Revolte! — Sprengt sie in di» Lust, die Baslille» und göttlichen Scdasställ», dann werden Tausende Arbeit und Brod erhallen. Nehmt von dem llrberslusse »nd sättigt Euch!! Nicht Jene, die Euch mit Phrasen und Stimmkastrn ködern wollen, sind fähig. Eurem Eiend Einbatt zu gebieten, sondern Idr müßt — wo es nicht Einer kann, thut Euch zusammen — Eure Noih selbst verschwinden lnsien! Di« Welt dielet genug Freude, Friede, Freideit und Brod für Alle. Darum ans! Entfaltet die schwarze Hungersabne! Vernichtet alle Institutionen, welche Euch zmn Ver derben dienen, und darnach lebl wie Brüder unlereinandcr. Aus zur Revolution! Hock die Anarchie! Der Findigkeit der Züricher Polizei wird es hoffentlich gelingen, die Verbreiter dieses MordausruseS zu ent decken Jedenfalls könnte die Staatsanwaltschaft sie dann fasse», wenn auch dic Züricher Eriminalgeseygebung hinter der modernen VcrhrechenStecknik zurückgeblieben und aus anarchistische Vergehen nicht eingerichtet ist WaS unsere kraiizüsischen Nachbarn mit deutschen Ossiciercn angesangcn hätten, wenn solche aus fran- zösischem Boten als Spione abgesaßt worden wären, erörtert eine Zuschrift an die „Staatsbürger-Ztg", in der aus die einschlagendrn Bestimmungen des fran zösische» Spionagegesetzes hingewiescii wird. Dic Zuschrift gebt allerdings von der falschen Voraussetzung a»S, daß die beiden vom Reichsgericht vernrtheilte» sran jösischeu Spione auf Grund teS is. !>2 tcS R. Str. G B. mit den zuelkaiinten Strafe» belegt worden seien: aber dieser Irrtkum erstreckt fick nicht auf dic solgende, durchaus zu treffende Aussübrniig: Zu dem srauzösijcheu Spionagegesetz wird die Todesstrafe festgesetzt: V Gegen jede», der mittelst Verkleidung oder mittelst Beilegung eines falschen Namen« und Stande« oder mittelst Ver- heimlichnng seine« Standes vder Berufes oder seiner Staalsange- Hörigkeit sich Eingavg verschafft in »ine Festung, eine» Kricgsdasen, ein verschanztes Lager, in ein beliebiges Festungswerk, ein Staatsjchiss oder eine dein Landdeer oder der Marine gehörige Fabrik, — und dort rum Zwecke der Spionage Nachrichten entwendet oder ge sammelt hat, welche sür die Landesverlheidigung oder dic äußere Sicherheit des Staates von Wichtigkeit sind. — Für den Nicht- ossicier treten einig« Milderungen ein, und zwar lebenslängliche Zwangsarbeit sür denjenigen, „der zum Zwecke der Spionage topo- oraphifche Ausnahmen oder Arbeiten fertigt" rc. — Es würden '«mit deutsche Lssiciere, die in Frankreich abgesaßt wären, unter dieGiiillotine gebracht, rrspectivr erschossen wcFdeu — nämlich nach französischem Gesetz! — Es ist recht nützlich, wen» man dem guten Deutschen, der dem Franzmann alle Angendticke die Beriöhnungshand biete», die der dann brutal zuriick- zustoßen das Vergnügen sich bereitet, jo ab und zu in nicht zurück- zuiveijender Art klar macht, wie der Haß der Franzose» gegen ih» seit I87l nicht nur nicht abgenvinmen da», sondern beständig wächst, weil er sorgsam geschürt und genährt wird. Wir können uns daraus verlassen: sangen di» Franzosen einen activen deutschen Llfficier alsSpion ab, so lassen sie ih» dic volleWucht ihrer Gesetze fühlen!" Im Vattc-N bat sich sorben ein für bie Parleiverliällnisse und bcn Intrigurntricg innerhalb der Eurie wichtige« Er eigniß vollzogrn Der gemäßigte und von Rampolla ange- feindele Eardinal Serasino Vannntclli, früher Nunl'iu« m Wien, der bei dem Papst in Ungnade gefallen war, als rr da« ErzbiStbiim Bologna auSschlng und in Rom verblieb, »nd der seinerzeit das Secrctariat der Breven abgeben mußte, ist nun z»m Präsectrn der Eongregatio» sür de» Inde^ ernannt worden. Bei dieser Grlegenbeit wurde er voni Papst rmpsangen. Dic Audienz soll von längerer Dauer und durch das überaus brrzlicbe Entgegenkommen de« Papstes bemerlenswcrth gewesen sei». Zusammengebalten mit der langen Audienz, welckr dem Eardinal Galimberti vor einigen Woche» vom Papst gewährt wurde, gewinnt dieser Vorgang eine nickt zu unterschätzende Bedeutung Er deutrt aus rin Schwinden dcS Rampolla'sckcn Einflüsse- bin, an» das Ende der Alleinherrschaft, welche der f'ranzosensrcundliche StaatSsecrelair mit srinrni Anhänge in den vaticanischen Kreisen in letzter Zeit zu üben vermocht batte. In («NGlan- wird da- Unterhaus morgen in eine interessante und vielleicht folgenschwere Debatte «iolrrten. Bekanntlich schüre» dic Eonservativen die im Lande herrschende Bcsorgniß, daß dic englische Flotte ihrer Ausgabe nickt mehr gewachsen sei, und suchen diese Brsorgniß gegen da« Eabinet Gladstone auszubenlen. Hamilton hat daher de» Antrag aus schleunige und sebr beträcht liche Verstärkung der Flotte eingebracht, einen Antrag, der seinem Ekarakler »aä, einem Mißtraucu-volum gleick kommt, den» offenbar ist c« Sache der Regierung, au« eigner Initiative die Seemacht in genügender Stärke zu erhalten. Das fühlt Herr Gladstone auch, er will deshalb dem Anträge Hamilton, der sür »porgeii ans die TageS orduuug gestellt ist, einen Unterantrag gegciiüberstellen, „eS sei die erste Pflicht de« verantwortlichen Ministers, bin reichende Maßregeln zu treffen, um die Flotte für dir Ver- lheitigung des Lande« und den Schutz der Interessen de« ReickeS »i Stand zu setzen. Da« Hau- vertraue dem Ministerium, daß e« zur gehörigen Zeit dem Parla mente die geeigneten Vorschläge macken werde." Zn der Sacke kommt dieser Unterantrag allerdings so ziem» lick aus dasselbe hinan«, wie der Antrag Hamilton; eS ist also nickt unmöglick. daß die Mehrheit aus den Antrag Glad- stone sich vereinigt. Bei der Thalsackc aber, baß kaum ein Tag vergeht, an dem nickt neue Mißständc in der Marine ausgetcckt werten, daß die Londoner Bühnrn die Marine ungeschcut verspotten und kein Festredner zur Zeit bei einem Trinkspruche aus die Flotte da« beliebte ..Urituoniu rnlv >I,e cvuvo!," auSsprecken lönnte, ohne sich lächerlich zu mache», ist auch dic Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Eonservativen mit ihrem Verlangen kurckdringen, cS seien dem Parlamente sofort die geeigneten Vorschläge zu macken. Ll> da« Eabinet im letzteren Falle zurückzutretrn ent schlösse» ist, läßt sich noch nicht mit Bestimmtheit erkennen. Deutsches Reich. U Berti». 17 December. Im preußischen Staat«- bauSkaltSetat sür 1bä»sist die vollständige Durch sükruug de« biSber für die Uiiterbeaniten, die Kanzlei beamten und einen Tbcil der Subalternbeamten ringe führten SnstemS deS Aussteigeil« im Gehalt naä> dem Die» staltrr in Aussicht genommen. Neben audcreu Vortbeilen wird damit eine größere Gleichmäßigkeit in der Erreichung der höheren EKballsslufen herbeigesüdrt. Die« gilt insbesondere auch von den in den Ministerien an- gestellten Beamten aller Art, bei denen die größten Bei fchictrnl'eilen in Bezug ans die Höbe de« Gehalt« im Vergleich zu dent Dienstalter ol'walieteu, weil hier mehr al» bei anderen Behörden der Zufall der Vacanzen sich geltend macht. Nickt selten befinde» sieb in einzelnen Erntral- stellen Beanilc »ack längerer Dienstzeit in den Ministerien »ock aus niedere» Gehaltsstufen, während anderwärts ,kre Feuilleton. Leben um Leben. R! Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nachdruck derb kirn. (Fortsetzung.) „Meine Großmutter, kaS ist ziemlich nabe Verwandtschaft, teilte ick. Aber Sie brauchen nicht aufzuhrechen, meine Herren' Die alte Dame war über achtzig, und wir waren vorbereitet." Hildegard stand auf und ging zu Waldemar hinüber. Er balle den kleinen Aldo im langen weißen Nachtröckcken ror sick ans dem Tisch sitzen und plauderte mit ibm, in den zärtlichen, lallenden, sinnlosen Koscworte der Kindersprackc, oie für Beide ein Mittel vollkommener Verständigniig zu sein schien. „Hilde, komm' mal her, bör' mal, wie er jetzt da« L und dis W au-sprickt. Und da möckte Bertha ihn zum Trottel milchen!" Er batte Hildegard s Hand mit nervösem Truck ersaßt, zog sie neben sich auf da« Sopha und setzte den Kleinen zwischen sich und sie. „Na, waS sagst Du zu der Menagerie drüben? Gut ab- znlchtet, waS? Fressen Alle aus der Hand. Wunderst Dich wobl ein biScke», daß cS Deiner klugen Schwester Spaß macht, diese manierlichen Bestien aus zwei Beine» tanzen zu lasten?" „Eder sollte ich mich doch Wundern, daß Du sie Dir ge fallen läßt", sagte Hildegard. „O, waS denkst Du, ich schätz« sie unendlich und lade sie immer dringend zum Wiederkommen ein. Sie rauckrn meine Eigarren »nd trinken meinen Wein, aber sie strecken wenigsten« keine Spitzbubensinger nack meiner Ebre au«. Dazu haben sie denn allerwege doch nickt das Zeug. Du sichst, ick bin ein galanter Ehemann. Braucht meine schöne Frau Eour- maLer, so liefere ich sie ihr. nach meiner Wahl. Tenn ihr Gesckmack convcnirt mir nicht " Hildegard dachte an den Kirchbos von Woblau und das Gespräch mit ihrer Schwrstcr, und fühlte, daß der grimme Galgenhumor ihre-Schwager« au- todtwundem Herzen kam. „Waldemar, laß mick Aldo binüberbringen. E« ist kchlasenSzeit für ibn und ick muß nock mit Dir reden " Hm — wenn » denn nicht ander« sein kann." Der Tod der Großmutter halte in diesem Augenblick kaum hi« Bedeutung «me« betrübenden Familienereigniffe« — konnte er dock Rettung sür Heinz in letzter Stunde sein. Wie groß da« Vermögen der Großmutter sei, wußte Hildegard nickt. Wahrscheinlich ging eS in drei Theile, da noch eine Tocktcr lebte, und eine zweite, verstorbene, einen Sohn hinterlassen batte. Immerbi» würde der Antlieil, der auf dic Mark- wald'scken Kinder voraussichtlich entfiel, reichlich genügen, Ersatz für dic durch Heinz entfremdeten Summen zu leisten und ihn wieder ehrlich zu mache». Ja, cS war vielleicht nur nöthig, daß ein jedes der Geschwister auf einen Tbeil seines Erbes zu Gunsten des verirrten Bruders verzichtete Au» Alma war sicher zu zählen, ebenso aut Oskar, der sei» Asscssor- cramen kürzlich bestanden batte. Dazu kamen dic vollen Anlbeile von Heinz und Hildegard, und, wenn Waldemar als Vormund seine Zustimmung gab, Beiträge der drei Jüngste», dir gewiß bereit sein würden, die Summe zu vervollständigt». Mit glänzende» Augen und ncuerwachtem Hoffnung«»»»!' hatte Hildegard ihre Eombinalion daraclegt Aber als sie so weil gekommen, traf sie auf festen Widerstand. Waldemar erklärtc, er müßte unsinnig sein, einem verlorenen Menschen zu Liebe, dessen Leben in seinen Auge» kaum den Schuß Pulver werth sei, der ibm ein Ende machen könne, seine Mündel zu berauben Himmelschreiende Gewissenlosigkeit würde das sei» Und außerdem libertarire Hildegard immer seine Grcßliintb und Dpserwilligkcit. Tie Erbschaft käme gerade zu paß, ihn von Leistungen zu entheben, die ihm bereits sebr drückend wurden. Trotzdem wagte Hildegard noch einen Appell an diese, von ihm selbst verleugnet« Großmntk. „Waldemar, Du bist so reich gesegnet mit Glücksgütern, D» Haft nur da« eine, einzige Kind —" Er wurde sebr rotb und stieß heftig hervor: „Und Du meinst, ich solle die« einzige Kind auch »och bestehle», nachdem ick eS zum Idioten gemacbk. Verzeih' — da di» ich anderer Ansicht. TaS Einzige, was ick sür mein Kind tlmn kann, ist, seine Zukunft sicher zu stellen, da eS wahrscheinlich nie im Staude seui wirk, fick» selber eine Stellung und rin Vermögen zu schaffen. Jeder Groschen gehört Aldo — jeder Groschen! — Und wa« jetzt verschwendet wird, Bertha zu Gefallen, das wird durch Ersparnisse und Mehreinnahmen gedeckt — ich führe genau Rechnung sür Aldo. Ich habe auch schon ein Testa ment gemacht. Mir ist immer, als könne e- einmal rasch mit mir zu Ende geben, Hilde " Als Hildegard sich erhob, tbat Götz desgleichen und kielt sie mit der hastig gemurmelten Frage zurück: „Sag', Hilde, weiß Tu wa- von Lüderitz? — Er soll wieder auf Urlaub ia Rothensee sein. Läßt rr sich in Döhlau blicken? Hat rr Euch drsucht?" Hildegard degnügtr sich, die letzte Frage zu verneine». „Jbr werdet auch nickt für ibn zu Hause sein. Darauf verlast" ick mich, Hilde. Glaub' mir. ick weiß, wa« ich ltme. Ich bin sein — sebr nachsichtig gegen Bertha, aber in dieser Sacke versteh ich keinen Spaß. Du leimst mick ungefähr. Zind' ick den Sckust in meinem Wege, sv fließt Blut — und wir wollen von Glück sagen, wenn eS mir seines ist." Hildegard balle sich entschlossen, die Nacht i» Dannenberg ru bleiben, um am andern Morgen nach Griimbebnen zu fahren und mit Richard »nd Alma zu rathscklagcn Al« fic früh von ihrem Schlafzimmer hcrunterkai», wurde sie aus der Treppe noch Zeuge einer kleinen, peinliche» und bedeutungs vollen Scene. Der Kutscher August kam i» seiner Livree die Treppe des Souterrain« heraus, wo die WirthsckastSräume lagen, eine Brieftasche in der -Hand, die er im Begriff war. einzusttcke», al« die Hau-tbür rasch geöffnet wurde und Waldemar hereiii- und aus ihn zutrat. „Wa« ist da»? WaS hast Tu da?" fragte er in seiner scharfen, hastigen Weise den Mann, der, etwa« betreten, mit der Antwort zögerte. „Ick soll sür die Mamsell waS milbringen. Kasse«, denk ick, und Gewürz. Sie bat« mir ausgeschrieben." „Gieb her. Ich fahre nack der Stakt. Werk « selbst le sorgen. Du fährst mit dem gnädigen Fräulein nach Grum- behncn." „Aber, gnädiger Herr, ich muß mit der Schimmelstute zum Doclor." „Gieb Herl" herrschte Waldemar ungeduldig. Uuv da August etwa» umständlich »ack dem Bestellzettel in der Brief tascke kramte und d»ese einznsteckcn versuchte, riß Waldemar sie ibm au« der Hand, wobei ein Brief auf de» Boden siel, auf welchen er sofort den Fuß stellte. „Gnädiger -Herr! der Brief gehört mir!" ri«f August bestürzt. Ohne aus diese» Protest zu achten, pruste Waldemar den Inhalt der Brieftasche, nahm noch eine» Zettel heran« und warf sie dann dem Kutscher vor die Füße „Solck'nc Behandlung", murrte dieser, indem er sich widerwillig bückte. „Das wird ja alle Tage schöner hier Da- brauch' ich mir nicht gefallen zu lassen." „So sckcer' Dich zum Teufel, HunkSsolt! Aus der Stelle!" „Nein, gnad'ger Herr, Nrujabr ist Ziehzeit. Dann wird ich gehen. Fortjagen lass' ich mich nickt." Ein wüthender Drobdlick von der einen, rin tückischer Trotz- blick von der anderrn Seite trafen aufeinander. Waldemar wies ftmnm nach der Thür, »in Wink, de» August eiligst zu befolgen für gut fand. Sobald er verschwunden, hob Walde mar den Brief aus. Hildegard ging nahe an ihm vorüber, ohne daß er sie bcmrrllc. Mit bleichen, groß verzerrten Zügen starrte er aus dic Adresse, die der elegante, durch seine Slieseffohle beschmutzte Umschlag trug. Dreizehnte« Eapitel. Eine klare Morgcnsonnc überstrahlte die herbstliche Land schast mil ihren hellgrünen Saatfeldern und dunkeln frisch bestellte» Ackerstrecken. Durch die blaue stille Lust zitterte Glockengeläut. Vor dein Kirchlein vo» Grumbebnen schaarten sich die Landlcute iu schlichter Tracht, die Frauen hatten vor drm Dorf Schuhe »nd Strümpfe angelegt, dic Kinder liefen larsuß — In dem Gärtchen vor dem Psarrbause blühten »ock einige vcrspätcle Astern und Georginen, und die junge Frau Psarrerin kam im MorgenNeidcken von blauem Kattun, da- zu ihren rosigen Wangen und goldigen -Haaren die fckönlie Folie bildete, vor die Tkiir gelaufen, nm ibre in der Dannen bcrger Eanipage verfahrende Schwester ;u dcgriiIen „Ack, Hiide, wie schön, wir babcn Dick eine Ewigkeit nickt gesehen! Komm schnell, die Kleine soll eben gebadet weide», und dann — gehst Du in die Kirche? Richard darf nickt mehr gestört werten — verzeih' also." Allein Rickard kam trotzdem und schüttelte drm Gast die Hand. „Du sichst angegriffen aus, Hilde — dock nicht- Un angenehme-?" „Die Großmutter ist gestorben", sagte Hildegard. Tie Beiden versuchten, angemessen betrübte Gefickter zu machen, aber ein Verlust, der eigentlich keiner war, vermochte ii cht, einen ernstlichen Schatten auf die sonnige Klarheit ihrer SonntagSmorgeiistimniung zu werfen. „Sie war über achtzig, nickt wahr?" fragte Rickard. »nd Alma fügte bin;»: „Ick kannte sie kaum." „Komm, wir wolle» Lisa baden", sagte Hildegard. „Dann gebe ick in dic Kirche — Du auch'?" „Ack »ei» — unser SountagSbraten! — TaS Mädel ist nock so dumm, verstcbt rein gar nicht-, und bei einem lieben Gast will mau doch Ebre einlegen." „Nur nickt wieder solch' beiße Wangen und müde Augen bei Tisch, Liebckcn, sonst kann ick nicht« essen", sagte Richard und legte teil Arm zärtlich um sein junge- Weib. Sie bot ihm ihre frische» Lippen: „Ick> freue mich so, daß Hilde Dich beute hört Deine schönen Predigten — und Niemand, der sie zu würdigen vermag — nickt mal ich habe Zeit für die Kirche" .Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite