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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931219026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893121902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893121902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-12
- Tag1893-12-19
- Monat1893-12
- Jahr1893
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Anzeigerr.PreiL die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem SiedactionSslrich («ge spalten) bO^> vor den Faimlicnnachrichtkn (6 gespalten) 40 ^. Krögere Schritten laut unserem Preis, vcrzeichnib- Tabellariicher und Ziffern^ nach höherem Tarif. Eetra-Veilaarn (gesalzt», nur mit der Morgen-Au«gabe. ohne PoslbesSrderung M —, mit Postbesordrrung ^ 7V.—. > o»o > Tiauatsmeschlnk für Anzeiren: Lbead»7lu«gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen- Au-gab«: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn, »nd grsttag« früh Uhr. Lei he» Filialen und «nnadmestellr» je ein« halbe Stund« früher. Anzrtgr» sind stet« «, dir ErtzeKsti«« zu rtchtru. Druck und Verlag von V. Pol« i» Leipzig ä- 6l6. DienStag den 19. December 1893. 87. Jahrgang. „Vis Deutsche Reich zur Jett Sismarck's". i. Unter obigem Titel ist bekanntlich ein Buch erschienen*), welche« »itZkecht da« allgemeinste Interesse aus sich gewiM hat. Da« ,«tzt Aussehen, welche« dasselbe alsbald i» weitesten Kreisen M selbst im ÄuSlande erregte, fand seinen Grund und seine -mckligung in den Worten, mit denen der Bcrfasser im .-orwort" sein Werk cinleitcle nnd durch welche er dasselbe rü ein ron allen andern Geschicht«wcrlen über diese Zeit «stiillich verschiedene« kennzeichnete. Ties« Worte lauten: .Al» Quellen sind, wo immer möglich, nur amt liche benutzt. Dabei wurde dem Bersasser die ltllene Gunst zu Tkeil, auch von dem Hero« lt« Jabrbundert«, dessen Bild und Wirken tust« Buch zu zeichnen sucht uud der dank bar«» Bewunderung der Mit- und Nachwelt Mellt, in diesem Unternehmen Unterstützung :»«rsabren. Denn Fürst Bismarck gestattete dem ktrsasser mündliche Fragen über Ereignisse und birhrltnisse de« in diesem Werke dargestelltcn Zeitraums und gab daraus persönlich und mUnd- lit eingehende Antworten unv Erläuterungen, ktt bohe Vertrauen, Welche« der Fürst dem Bersasser durch tieit Mlthcilungen brwic«, verbot selbstverständlich, in dem Lirle irgendwie und irgendwo auf diese Eröffnungen direct ?ezug zu nehmen und dadurch den Fürsten gleichsam in eine mireitvillige Mitarbeiterschaft zu versetze» oder ibin eine Atuhening beizumessen, für welche — bei dem Mangel stcno grapbischer und protokollarischer Niederschriften — eine Go vsbr niibt hätte übernommen werden können. Dock sind kiese in den Zähren 1892 und 189.1 erfolgten mündlichen Äiltbeilungen sowohl für die thatlächlichc Darstellung wie sür die geschichtliche Beurtbcilunz über die nachstehend er- ;Utea Ereignisse von unschätzbarer Wichtigkeit gewesen, zumal t, der Verfasser naturgemäß seine Fragen vorz»g«wciic aus Äch« Geschehnisse richtete, deren Verlaus oder Bcurtbeilnirg turch die bi« jetzt bekannten amtlichen Quellen noch nicht rellkommcn klargrstrllt war." , „Selbstverständlich"^ fährt vr. Blum fort, „drang keine bitser Fragen über die Grenzen hinaus, welche behütet sind vs« dem amtlichen Gebeimniß im Interesse de« Reick« und der skätlichc» Ordnung. Gleickwobl wird gerade der genaue Hemer unserer jüngsten Geschichte, unserer nationalen Ent- iricklmg uud unserer internationalen Aeriebungcn in dem rcrliegendcn Werke viele neue und wichtige Ausschlüsse finden." Die von manchen Blättern geäußerte Vermuthung, da« blum'sche Duck habe „vor seiner Veröffentlichung dem Fürsten Li-Märck zur Verbesserung und Vervollständigung Vorgelegen", :nrd in den „Hamburger Nackrichten" (Abendausgabe vom tt. November) als irrig bezeichnet. Dir haben cS also hier mit einem Werke zu thun, dessen ?ersisser nicht blo« durch da« eigne gewissenhafte Studium rer besten, insonderheit amtlichen Quellen sick i» den Stand Mt hat, über das Deutsche Reich zur Zeit BiSmarck'S sach lustig und eingehend zu sprechen, sondern überdies infolge seit persönlichen Mitibeilungen des Fürsten Bismarck be- Äigt ist, auch über solche Vorgänge der Zeit von l871 bi- *> „Da« Deutsch« Reich zur Zeit Bismarck s". Politische Ge. Hichle von 1871 bis 1890. Von vr. HanS Blum. (Mit eine», ch guten Portrait Vismarck's mit dessen eigener Unterschrift.) keirzig und Wien. Bibliographische« Institut, 1894. Preis 5 -/i 1890, die bisher tbeilS nicht völlig aufgeklärt, theilS bestritten waren, Licht und Gewißheit zu verbreiten. Daß sür die zuverlässige Kennkniß eines so hochwichtigen Zeitraum« uustrcr vaterländischen Geschichte, wie der hier in Frage stehende ist, ein aus einer derartigen allererste» Quelle gespeistes GeschicktSwcrk als eine ganz außerordent liche Bereicherung begrüßt werden muß, braucht kaum gesagt u werden. Man darf nicht vergessen, daß daS Deutsche Reich zur Zeit BiSmarck'S nickt bloS n> seiner Begründung, sondern auch in seiner Befestigung nach außen und seinem Ausbau nach innen ganz wesentlich das eigenste Werk und die eigenste Schöpfung Bismarcks war, nnd ^rar in einem Maße, wie cs wohl von keinem anderen ^taatSwcscn unter keinem anderen Minister gesagt werden kann. Ta ist cS denn selbst verständlich, daß über alle nur irgend wichtigere» Vorgänge dieser Zeit, über alle, auch die vcrwickellstcn diplomatischen Verhandlungen, über alle Wendungen und Wandlungen der innere» Politik während der slanzlcrschast BiSmarck'S dieser eine Mann, und allermeist nur er, die sicherste und zweifel loseste Auskunft geben kann. Höchsten« die Frage könnte noch von Zweiflern anf- geworsen werden: ob denn auch der Verfasser diese» BncbeS die ihm von einer so hoben Autorität anrcrlrautcn Mil- tbeilungen inSgcsamml richtig verstanden unv wicdcrgcgcbe» haben möge. Tie Probe darauf würde leicht zu machen sein. Angenommen, Dr. Blum hätte über einen Vorgang, bei welchem Fürst BiSinarck persönlich bclbciligt gewesen wäre und der ihm daher unmittelbar bekannt sein müßte, nicht ganz genau so berichtet, wie der Fürst cS ibm initgetheilt, so würde zweifelsohne der Fürst schon im eigenen Zntcrcsse eS angczeigt sinken, eine solche nickt zutreffende Schilderung durch eines seiner Organe in der Presse richtigzustellcn. Tie Probe ist aber auch schon gemacht, fic ist gemacht in Bezug auf einen der wichtigsten, ja den allcrwichiigsten Vor gang jener Zeit, denjenigen, womit dieselbe abschließt, nämlich den Rücktritt de« Fürsten von seinem Koben Amte. Und diese Probe ist vollständig zu Gunsten de« Iw. Blum ausgefallen! Die betreffende Stelle de- Blum schen BuchcS wird bereit« auSsührlich im „Leipziger Tageblatt" (Nr. 195) wieder gegeben, und wir kommen deshalb nicht darauf zurück. Die „Stölnische Zeitung" beeilte sich, den Bericht Blum« Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. December. Die Ltcuerprvircte der verbündeten Regierungen, die alsbald nach Wiedereröffnung der ReichSlagSsttzungen zur parlamentarischen Verhandlung und dann zur Enrschc.tiiiig kommen werten, haben das Volk seit Woche» und Monaten in ungcwölnilich starker Erregung gehalten. In der Tbat werden dadurch ja auch die weitesten Erwerbskreise und wichtige Gebiete des Verbrauchs- und VerkcbrS des großen PublicumS berührt. Tic Aufregung und der Widerspruch >n so weiten Kreisen sind gewiß erklärlich und in mancher Hinsicht berechtigt, wenn auch die Agitation sich vielfacher Uebcrtrcibuiigcn und Maßlosigkeiten schuldig gemacht bat und ihr Streben turch größere Rübe und Sachlichkeit vielleicht mcbr gefördert hätte. IebcStcucr, namentlich jede solche, dien»Reich iuFragckoinme» kann, verletzt zahlreiche besondereErwcrbSiiiteresscn oder belastet die Bedürfnisse des täglichen Verbrauchs und Verkehrs. DaS «bun alle, auch die bestehenden RrichSsteuern, von denen wir längst keinen Druck mehr empfinden. Weil das aber so ist und Äicmand die unerläßliche Nolhwcndigkcil neuer RcickS- cnniabmen bezweifeln kann, ist mit der bloßen Verneinung nichts gelbaii, sonder» da« Bestreben verständiger, besonnener unv valrwNschcr Männer sollte nur dabin gebe», die Lasten mög lichst erträglich zu machen, nnuötkige Härten und Belästigungen zu beseitigen, berechtigten Beschwerden abzukelscn. Unter Lcni heftigen Widerspruch gegen die vorliegenden Prcjcclc ist diese« Streben blöder nicht in gebührendem Maße kerr'orgclrctcii. Wir haben in den zahllosen Eingaben, Versammlungen und Beschlüssen aller Art, die sich mit der Steucrfrage beschäf tigten, fast nur von einsack>cr Ablehnung gekört, nickt von Abänderung oder Milderung. Auch ist nirgends ein gangbarer Weg gezeigt Worten, durch Heranziehung anderer Steucrvbjcclc dem Ledürsniß abzubelken. Was in dieser Hinsicht vorgcbracht worden ist, cntspraug nur der Verlegenheit und dem Streben, den Schein einer positiven Mitwirkung zu wahren. Direkte ReickSstcucrn, Abschaffung der sogenannten Liebesgabe» bei Branntwein unv Zucker, Inseratcusteucr u. s. w. könne» unter den heutige» Ver hältnissen unseres Erachte»« au« osterörterten Grünten über den sraglichen Vorgang al« schlechterdings un„ickt ernstlich in Betrackl kommen und würden da« richtig zu bezeichne». Da erschien alsbald in den „Hamburger Nachrichten" (Abendausgabe vom 2>. No vember» unter dem Titel: „Legcnreubildung'^) ein Artikel, welcher die Blmn'schc Darstellung in alle» Hanplpnnctcn als dem Sachverhalt entsprechend bestätigte und nur in Beziehung auf Nebensachen (z. B. eine angebliche Acußcrung des Ministers v. Boctticher) die Vertretung dem vr. Blum über ließ. Letztere« mag vielleicht auch noch in anderen Fällen, wo gegen einzelne Stellen des Blum'schcn Buche« Recla- mationcn erfolgen, geschehen, entweder weil (wie in jenem Falle) der Fürst nickt unmitlclbar dabei beteiligt ist, oder weil er in seiner dermaligcn Stellung al« Privatmann nickt über gewisse urkundliche Beweise versügk. Man wird aber aus dem Ausbleiben einer solchen Vcr- thcidigulig einer angefochtenen Blum'schcil Anführung (wie jener in den „Hamburger Nachrichten" vom 21. November) nickt alsbald aus eine Unrichtigkeit dieser Ansükrung schließen dürfen» vielmehr abwarlcn müssen, ob nicht Vr. Blum im eigenen Namen und nach andern Quellen die Beweisführung sür da« von ihm Gesagte unternimmt und inwieweit ibm dir« gelingt. Karl Biedermann. Volk i», Ganze» und wichtige Erwcrb«inlcressen insbesondere mindestens ebenso schwer mit Schädigungen und Belästigungen treffen. Von den vorgeschlagencn Steuern bat bisher nur diejenige auf die eigentlichen Börsengeschäfte uud die Lotterie loose gute Aussichten auf Annahme, taü würde aber nach der Schätzung der Regierung nicht mehr als 2V Millionen Mark ergeben, und selbst dieser Ertrag dürfte bei der jetzigen ge druckten Lage dieser Geschäfte zweiselbast sein. Tamil allein ist schlechterdings, auch bei der Beschränkung aus das dringendste Bcdnrfniß, nicht« zu macken. Wir wollen hoffen, daß die Zeit der leichten, aber unnützen, lediglich verneinen den Kritik jetzt vorüber ist und eine Periode ernster positiver Arbeit beginnt. Belgien scheint vor einer EabinetSkrisiS, wenigstens vor einer tbcilwc>ien Umgestaltung seines klerikalen Ministerium« zu stebc». Zwischen dem Eonfcilpräsiecnten Beernaert und einen, Tkeil der „katholischen" Kaniiiicrmckrdcit, der von dem früheren Minister Woeste geführten ertrem klerikalen Gruppe, war cS seit längerer Zeit schon zu MciiningSverschieden beiten und Reibungen gekommen, die zur Verschleppung der VcrfassnngSrcvision wefentlicb beitrugen. Jetzt, wo cS sich darum handelt, das mit Notk und Mühe zu Stande ge brachte Werk durch ein neue« Wahlgesetz zu beendigen und zu krönen, tritt der Bruch zwischen den beiden führenden Männern so schroff hervor, daß alle Versuche, ihn noch länger zu bemänteln, al« unmöglich sich erweisen. Ta« vom Ministerpräsidenten Beernaert vorgeschlagene System der proportionalen Vertretung der Wähler, bezw. der Parteien, wird nämlich von Woeste mit aller Eni schicdenbcil zurückgcwiesen. Durch die Reihen der klerikale» Rechten gebt m Folge dessen eine tiefe Spaltung und Niemand vermag sicher zu sagen, nach welcher Seile dir Mehrheit sich neigen wird. Unter diesen Verhältnissen bat Beernaert seinen Eollegcn, die am Sonnabend zu einem Miiiisterralh zusammengclrcten waren, brieflich angezcigl. daß er beule seine Demission einreicben werte, da er keine Gewißheit kabe, daß die Rechte sich dom Princip der proportionalen Vertretung in dem neuen Wahlgesetz an- schlicßcn wert». Aus einer im heutigen Morgenblatte mit- gclhciltcn Brüsseler Privatdepesche scheint nun bcrvorzugebeu. daß der gesammle Miuislcrrath zu demissioniren beabsichtige, wenn die Reckte nickt ein proportionale« Wahlgesetz durch setz». Bei der geringen Einigkeit de« EabinclS ist e« aber noch fraglich, ob ein solcher Entschluß auch wirklich zur Aus führung kommt; jedenfalls muß die Entscheidung m Kürze fallen. Tic Lage d cS französischen CabinetS bat sich durch die letzten Abstimmungen der parlamentarischen Körperschaften nickt verschlechtert. Tic Mehrheit fiir die gegen verbrecherische Verbindungen gerichteten Gesetze ist ungemein stark geblieben und würde in jedem anderen Lande eine leidlich sichere' Gewähr für eine ans die Sicherheit de» Bestände« der Regierung gegründete energische innere Politik sein. Diese Gewißheit bat man aber in Frankreich nickt und man gicbt sich für die Zukunst reckt düsteren Spreulationcn bin. Ein gutes Zeichen ist c« auch keineswegs, daß Ionnart, »ach einer von ikm im Ministcrratbe gemachten Mittbsilung, der Nordbabn die Ermächtigung entzogen hat. Arbeitern belgischer Nationalität die ibnen bisher bc willigten Fahrtbcgüusliguiigcn auch weiterhin zu gewähre». Das sieht nach einer Eonnivcnz gegen engherzige radikale Forderungen aus. die da» Vertrauen in die Festigkeit der Regierung zwar nicht crschültrrt, ater doch zu einem weniger unbedingten macht. Es scheint, al« ob die Regierung geneigt wäre, ihre» Widerstand in größeren Dingen durch kleine Conccssioncn erträglicher zu macken; da« ist aber ersahrungS gemäß der Anfang eine« abschüssigen Wege-, den eine wirklich telbstbewiißte Regierung zu betrete» vcrincircn sollte. — Tie Aliarchisten setzen trotz aller gegen sic ergriffenen Maß regeln ihre Tbäiigkcit fort; in Marseille scheint sogar so etwa» wie eine -Hochschule für Anarchisten zu bestehen; der Anarchist Lnauthicr, der len früheren serbischen Gesandten Georgewitsch verwundet batte, und der Kammersprengcr Vaillanl kabe» wenigsten« in anaristischrn Kreisen von Marseille ihre höhere Ausbildung genossen. Wie der „Figaro" mitzutyeile» weiß, bilden die Anarchisten in Marseille drei Gruppen. Tie bedeulendste besteht aus Männern der Wissen schaft, au« Ingenieuren nnd Professoren; die beiden anderen aus Arbeitern und Angestellten. Alle drei stehen unter ein ander in Verbindung und tan» mit den italienischen Anar chisten und den Parisern, welch letztere ihnen neue Spreng- ersilidungcn zum Erlernen zugcben lassen. Wie dieser Ver kcbr der Gruppe» untereinander eingerichtet ist, weiß man neck nicht. Bei Frau de Sainl-Remn »nd bei verschiedenen Genossen hat man beispielsweise Stücke von Briefen ge sunden, die tagtäglich einlrcsscn. Aber nicht durch die Post werden diese Briefe versandt, sondern durch bestimmte „Tante Therese". DcihnachtSgeschichte von ILlisabth Hosmann, Ij Bersasserin von „Aschenbrödel"*). rcrdelm. .P-ka!" .Da« denn, Friede!'?" »Ist« noch nicht bald zwei Uhr?" .Nein, e« fehlen noch dreißig Minuten. Aber Tu fragst che» zum dritten Mal. mein Junge, wird Dir die Zeit beut' i» lang bei Papa? Nimm Dir ein Buch dort und sieh Dir tit Bilder an!" .Tie habe ich alle schon gesehen, Papa. Malst Du noch "»ver den Rhein?" .Gewiß, Friede!! So lange muß ich frische Farben aus- lczc>. bi« der alte Vater Rhein die richtige „Ter Rhein ist ein Vater?" unterbrach Friede! sogleich, k siand in seiner ganzen Größe auf dein Teppich unv riß be obmdieS schon großen Blauaugen noch mcbr aus. DaS taze Serlchen im braunen Sammclanzug war «ine Er- «Nlltlg. Der berühmte Maler Professor Bollbrecht lachte laut »rs über sein drollige« Söhnchcn. Ader damit war dem »Ge-ierigen Fried«! nicht gedient, er guckte unverwandt den bitte an. diesem ward heiß, wa« sollte er schnell sagen? .Siehst Tu, Friedet", begann er nnd sah seinen Jungen nchl an, sondern malte weiter, ohne indeß die richtigen Töne ,»tnssen, „man nennt den Rhein den Vater von Deutschland, «i> er e« begleitet —" Friede! guckte immer noch, da« leuchtete ihm nicht ein. „Iber ein Vater hat dock einen Kopf nnd zwei Beine, »e Dn. Papa!" rief er fast weinend» „und der Rhein, der ndei», der bat doch —" Hvedel, es ist sogleich zwei Ubr!" rief der Proseffor «M, aller Wahrheit in« Gesicht schlagend, „Du kommst zu m den Kindergarten und dir Tante wird böse!" „Die Tante ist nie böse, Papa!" sagte der Kleine sehr be ^>1. vom Valer Rhein war er glücklich abgcbrackl. Er «»t« hinaus, uni sich für den Kindergarten anzirben zu 1«chr»ch«n tu Nr. bSI d. Vl. „Merkwürdig", dachte der Proseffor, „wie der Junge an dieser alten Kindergartentante bängt!" Seit einem Monat besuchte Friede! die Spielsckule. Voll- brcchl batte bei seine», anstrengenden Künstlcrberus nickt die Zeit, den ewig fragenden kleinen Schn von früh bis Abends zu beschäftigen. Seine Mutter war schon einige Iabre lodl. — Die Hausbälteriu aber, welche ihre Stelle vertreten sollte, besaß wenig Talent zur Kindererzickung Sie sübrte freilich tadellos die Wirtbckasl, c« gab nie versalzenes Essen, keinen anacbrannteu Braten, man sab kein vorwitzige« Stäubchen auf den Möbeln, — kurz, Fräulein Wisch war da« Muster einer Wirtbschasterin —. aber eines fehlte ihr. Herz und Gcmütb. Sie batte nicht jenes echt weibliche Gesübl, ra« fast allen Mädchen eigen: Die Liebe zu Kindern, die hilflos der Mutter entbehren. Sie scbnte sich nickt, dem schönen, geweckten Knaben durch doppelte Liebe die Mutter zu ersetze», sie hatte nie den raschen Impuls gesuhlt, den ganzen kleinen Kerl stürmisch an« Herz zu drücken. Tadellos besorgte sie den Friedcl, er war stets sauber gekleidet, auf seinen Sammet- anziizcu lag kein Stäubchen, sie weckte ibn früh stet« pünct- lich, aber nur mit einem geschäftsmäßigen: „Sick' aus, Fritz, cS ist Zeit!" Jene« süße Kosen, wen» die Mutter ihr Kind wachgelüßt, das kannte der kleine Friedcl nickt. Seine Mama war eine stolze, vornehme Frau gewesen. Er konnte sich nur noch erinnern, daß sie ibn manchmal zu sich holen ließ oder ibn besuchte in seinem Kindcrzimmer. Dan» hatte sie stets seidene Kleider an. Da» hatte fo kübl zcraschelt. Dann war eine« Tage« die Mama gestorben, so batten ihm die Leute gesagt. Papa batte ibn zur tobten Mutter geführt. Viel Lichlcr und Blumen batte daS Kind gesehen, die Mama batte ganz weiß auSgcscbr», und alle Leute waren schwarz ange- zoge» gewesen und hatten geweint. Da hatte Friede! auch mit geweint. Hann war da» Fräulein gekommen. Friedet zählte jetzt fünf Iabre. — Eines Tage» batte Fräulein gesagt: „Schicken Sie ihn doch in den Kindergarten, Herr Proseffor, da ist er gut aufgehoben!" „Da- wäre sür mich selbst auch eine wahre Doblthat", backte sie dabei, denn wenn sie eifrig bei der Arbeit war. z. B. Gardinen bügelte, so stand der Friedcl dabei und fragte: „Deshalb thitt man Gardinen au die Fenster?" - „Damit c« hübscher au-sicht. Lickt kann noch genug Herrin!" „Woher kommt da« Licht?" „von der Sonne." „Woher ist die Sonne?" „Gott hat sie geschaffen." „Wer ist Gott?" O ja, Fräulein athmete aus, al« der Professor sich bereit erklärte, Friedcl in die Spielschule zu schicken. Einige Kinder einer Freunde waren auch dort und fühlten sich sehr wobl. Er erkundigte sich, wa» Friede! mitzubringcn hatte. „Nur ein Frühstück in einer Bleckkapsel". hieß cS. Friedcl schrie und weinte, er wollte durchaus nickt in den Kindergarten. Aber da half kein Weinen, eines Morgen« zog ihm Fräulein sein Mäntelchen an. kleine Handschuhe über die dicken Händchen und hing ihn, die grüne FnihstückS- kavfcl uni, aus der „Guten Appetit!" siand. Dann ging « fort. ,,Königstraße 12. Gartengebäutc", so sagte da« Fräu lein unterwegs und suckle. Richtig, da, Nr. 12. E« ging einen schmalen Weg entlang, zur Linken war ein Garten mit einer Laube. Ein zerplatzter, bunter Gummiball lag dort, wahrscheinlich spielte daS alte Fräulein mit den Kindern im Sommer dort. Jetzt umwickelte ein Mann Roscnstämme. „Warum -"'fragte da« lebendige Fragezeichen neben Fräulein. „Damit sie nicht erfrieren im Winter!" Kindcrstiiiimcn, die lebhaft durcheinander slangcn, wurde» laut. Das muß auch rin Vergnügen sein, dachte Fräulein, aus das Garlengcbäute zuschreitend, sich mit soviel Kindern beruinzuplagcn, kein Wunder, wenn da der Mensch gelb vor Acrger wirk, beizeiten graue Haare und Runzeln bekomm«. Sie la« da« Schild: ,Therese Brückner. Kindergarten." — Da man ibr Klopsen nickt gekört zn haben schien, öffnete sie die Tliiir. Etwa zwanzig Kinder waren in dem großen treisenstrigen. bebaglick warmen Zimmer versammelt. Ein kleine« Märchen tanzte mit seiner Puvve herum, zwei andere haschten fick, zwei Jungen zankten sich, ein kleiner Dicker beulte in seine leere Brodkapiel hinein, weil er sein Frühstück daraus verloren batte. Eine Kleine spielte Ball, eine andere blie« in einen zerplatzten Guinmiball hinein. Und mitten in dieser bunte» Kinderschaar siand ein schlanke-, junge« Märchen, den schönen Kops vorgeneigt und aus ein kleines Mädchen lächelnd hörend, da« irgend rin große» Leid klagte. An jedem Arm de« jungen Mädchen« hingen sich kleine Hänte, »in ihre Taille jchlangen sich die Acrincken. L-ewiß eine Verwandte von Fräulein Brückner, tackte Friedet'« Begleiterin und fragte mit ihrer lauten, harten Stimme: „Kann ich die Vorsteherin sprechen?" „Tie bin ich selbst!" anwortctc eine Weiche Stimme vcll snnrpalil'chen Klange». Das junge Mädchen gebot Ruhe und trat an« kein KrciS heraus. Fräulein Wisch blieb da« Wort im Munde stecken. Ta« war die Kindergärtnerin? Wo war da« gelbe Gesicht mit den rübzcitigcn Runzeln? E« war ein junges Mädchen von höchsten« fechSundzwanzig Iabren, zwar ein wenig blaß und ein bischen Schatten unter den schönen braunen Augen, aber da« längliche, eine Gesicht voll Anmutb. Sic trug ein einfache« graue» Kleid, da» tadellos saß und den Hals bi« bock hinaus um schloß. vorn mit einer steinen Brosche aus Korallen gehalten Die höbe Stirn war frei, nur zu beiden Seiten lösten fick einzelne Löckchen de» leicht gewellten hellbraunen Haare», daS am Hinterkopf zu cincm Knoten geschlungen war. Friede! batte sich vor den vielen Kindern, die ihn alte angucklcn, gefürchtet und hinter Fräulein« faltenreiches Kleid versteckt. „Ich wollte den Kleinen anmclten, Fräulein! Fritz, komm' doch vor!" Aber dieser duckte sich nur noch mekr. „Kinder, sucht Eure Plätze, und Elärcken, hole die Flechtarbeiten!" befahl Therese. Sogleich geriest, Leben in die kleine gaffende Gesellschaft. Zu Friede! aber, in dessen Angen noch Tbränen glänzten, beugte sich ei» liebes Mädcken hernieder. Voll aninulhiger, gewinnender Herzlichkeit umfaßte sie den Knabe». Ihre weiche Hand streichelte seine Wange »nd mit einem wie Veilchen duftenden Taschentuch trocknete sie ihm die Tkränr». Nock nie in seinem junge» Leben nmßle dem Kind Jemand so genaht sein, er blickte ernst und groß, »nd langkam wich der trotzige Ausdruck. — Therese erschrak vor dem große» Blick dieser blauen Auge», da« ganze Gesichtcken. ron den» dunkelblonten Gclock umrahmt, weckte eine Erinnerung in ibr. süß und schmerzlich zugleich. Ost ist eS ein Ten, eine Melo die, welche versunkene Geküblc au« der Tiefe der Seele wecken, hier war c« ein Kinde« Antlitz. „Willst Tn alle Tage zn mir kommen?" fragte die sanfte Mäbchciistiiniiie, und der Mund neigte sich zn Friedet'» kleinem Obr. Ta geschah hinter dem Rücken de« Fräulein Wisch, da« sich neugierig im Zimmer unisab, ei» Wunder: Friedcl legte die Arme m» den Hals de« vor ibm sineenden Mädchen« und sein Köpfchen voll Zutrauen an ihre Schulter. Die ein Wunder faßte cS Tbercse auch aus, sie rübrte sich nicht. Sie sog den Tust ein, der von dem blonden
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