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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960116026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896011602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896011602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1896
- Monat1896-01
- Tag1896-01-16
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Aber diese Hinausschiebung wird voraussichtlich für den Antrag Kanitz nicht nur eine sein Schicksal verzögernde, sondern auch eine dieses Schicksal besiegelnde Wirkung haben. Denn auf das Deutlichste geht aus der Thronrede hervor, daß die preußische Negierung fest entschlossen ist, das Shstein der sogenannten „kleinen Mittel" zur Hebung der Lage der Landwirthschast weiter zu verfolgen und auf Kanitzsche Experimente sich nicht einzu lassen. Mit größter Bestimmtheit wird in der Thronrede erklärt, daß die Regierung gewillt sei, „alle Mittel, welche zur Abhilfe geeignet sind und eine Besserung der Lage dieses für unsere wirthschafllichen Berhaltnisse so hochwichtigen Gewerbes gewährleisten, in Anwendung zu bringen". Einstweilen beschränkt sich die Actiou der Regierung i» dieser Beziehung auf den Enlwurs eines Gesetzes, betreffend das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedelungsgütern, welches die Erhaltung dieser Güter bezweckt; ferner sollen Vorschläge betreffs einer finanziellen Unterstützung der genossen schaftlichen Errichtuugvon Kor» Häusern an den Landtag gelangen. Der Gesetzentwurf über das Anerbenrecht der Rentengüter, ein schließlich der Ansiedelungsgüter in Posen und Weslpreiißen, ist unmittelbar nach dem Schluß der vorigen Session veröffentlicht worden. Er fand damals vielfach Widerspruch, namentlich in der liberalen Presse, angeblich weil er den Anschauungen des Bauernstandes nicht entspreche. In wie weit der an den Landtag gelangende Entwurf dem damaligen conform ist, bleibt abzuwarlen. Jedenfalls aber wird die Bestimmtheit, mit der die preußische Negierung zu jedem Entgegenkommen gegen die Landwirthschast, sofern cs zu wirklicher Besserung führen kann, sich bereit zeigt, auf die Conservaliven und das Centrum im Reichstage einen tiefen Eindruck machen und die -ohnehin zusammengeschlnolzeneZabl der Anhänger des Antrags Kanitz noch mehr verringern. Im klebrigen giebt die preußische Thronrede zu Bemertungen wenig Anlaß. Sie läßt im Zu sammenhang mit der Erinnerung an die Bcgrüuduiigsseier des Reiches die Mahnung zu einträchtigem Zusammen wirken ergehen, hat aber sonst kein allgemein politisches Gepräge; selbst eine die auswärtige Lage streifende Aus lassung, die in preußischen Thronreden nicht grundsätzlich vermieden wird, fehlt. Der über Erwarten, aber keines wegs absolut günstigen F iuanztage — auch der Voran schlag für 1806'.»7 schließt mit einem Fehlbetrag — wird ohne eine Bemerkung über die Nothwendigkeit der Neichs- sinanzrcform gedacht, was sich mit der durch die Zusammen setzung des Reichstags ausgezwnngcnen Resignation hinreichend erklärt. Außer den schon erwähnten Vorlagen sind an- aekündigt: das envarlcte Lehrerbesoldungsgesetz, ein Gesetz, betr. die Erweiterung des Staatseiscnbahn- netzes — dies ohne eine Andeutung, ob die Fortsetzung ter Unterstützung des Baues von Kleinbahnen beabsichtigt ist —, und eine Vorlage, durch die die Organisation der Handelskammern über das ganze Land erstreckt und turch Ausstattung dieser Körperschaften mit Corporations- rechten und Erweiterung ihres Geschäflskreises gekräfligt werden soll. Die Handelskammern sind bekanntlich zur Zeit in Preußen leine obligatorische Einrichtung und fehlen auch in einem sehr großen Thcile der Monarchie. Die bestehenden Vcrtrelungskörper des HandelsstandcS sind zudem nicht gleich mäßig organisirt und verschieden nach dem Umfang ihrer Be fugnisse. Auf eine Reibe von ihnen, so die von Berlin, Danzig» Stettin, Königsberg, Magdeburg, Altona u. a. O. bestehenden Körperschaften, die bereits Corporationsrechte besitzen, findet das Handelskammergesetz von 1870 keine Anwendung. Die Zahl und Natur der dem Landtage gestellten Ausgaben recht fertigt die in der Presse zum Ausdruck gekommene Erwartung nach einer kurzen Session. Die gähnende Leere des Rcichslagsfaals in der gegen wärtigen Session ist begreiflicherweise der „Präsidialparter", dem Centrum, besonders peinlich. Das Mittel aber, das nach der „Köln. Volks-Ztg." in Dortmund im Anschluß an den „praktisch-socialen CursuS" zur Beseitigung des Uebelstandes in Vorschlag gebracht worden ist, nämlich abermals auf die Bewilligung von Diäten zu dringen, scheint nicht einmal in der ganzen Centrumspresse Anklang zu finden. Kein Wunder; denn ein solches Drängen würde bei den ver bündeten Regierungen ebenso erfolglos bleiben, wie es bisher gewesen ist. Die Dortmunder Centrumspolitiker wollen sich zwar mit „Präscnzgeldern" begnügen, d. h. die Diäten sollen nur für die Zeit der festgestellten Anwesenheit ausgezahlt werden, was viel für sich haben und namentlich den im preußischen Abgeordneten-Hause bestehenden Zustand, daß die Diäten auch während der parlamentarischen Ferien gezahlt werden, vermeiden würde. Aoer man kann sicher sein, daß die Forderung von Reichstagsdiäten den Regierungen auch durch diese Einschränkung nicht schmackhafter wird. Man kann die Regierungen deswegen auch nicht tadeln. Mag man zu der Diätenfrage ursprünglich gestanden haben, wie man will, dar über kann man sich nickt täuschen, daß die allmählich auf- gekvmmene Häßlichkeit und Rohheit der Wahlagitation sich dann, wenn daS Reichstagsmandat mit einem Geldgewinne verknüpft erschiene, noch bedeutend steigern würde. Gerade in dieser Verrohung der Agitation aber liegt der eigentliche Krebsschaden. Sie hat zur Folge, daß die geistig und gemüthlich vornehmeren Naturen sich von den Wahlkämpfen allmählich ganz zurück ziehen, daß sie insbesondere zur Uebernahme von Candidaturen nur schwer zu bestimmen sind. An ihre Stelle treten ent weder die berufsmäßigen Agitatoren geringer und ge ringster Oualität oder brave Bürger, die zwar dem Bater- lande ein Opfer zu bringen bereit sind, aber für die hohe Aufgabe des Gesetzgebers weder über das wünschcnswerthe Matz der Befähigung, »och der Hingebung verfügen. Diese Letzteren sind es dann, wie der „Schwäbische Merkur" mit Recht ausführt, hauptsächlich, welche sich durch die in den Parlamentsverhandlungen eingerissene öde Klopfsechterei ent täuscht, abgestoßen, angewidert fühlen und deshalb den Weg nach Berlin von Jahr zu Jahr seltener und mit größerer Abneigung betreten. Elemente -dieser Art wird man auch durch die Einführung von „Präseuzgetdern" nicht anlocken. Auf der anderen Seite ist freilich nicht zu leugnen, daß in neuerer Zeit in größerer Zahl als früher Abgeordnete aus der Wahlurne hervorgegangen sind, welche den Mangel der Diäten schwer empfinden. Das deutsche Reich ver liert iudeß schwerlich etwas dadurch, daß ein Ahlwardt, statt an den ReichStagsarbeilen theilzunehme», im Lande herum oder gar über das große Wasser zieht, um seine politische Weisheit in klingende Münze umzusetze». Jedenfalls wird es den verbündeten Regierungen nicht in den Sinn kommen, solchen Parlamentariern zu Liebe Diäten einzu führen. Nein, das einzige wirksame Mittel gegen die Ver ödung der Reichstagssitzungen ist eine durchgreifende Er neuerung nicht nur des Geistes der parlamentarischen Ver handlungen, sondern unseres ganzen öffentlichen Lebens. Wenn diese nicht erreicht wird, so wird der Verfall des parlamen tarischen Wesens unaufhaltsam weiter schreiten. Durch die Gaunereien Saint-Ccre'S ist der Blick auf die französische Heeresverwaltung gerichtet worden; sie war bekanntlich 1870 ganz miserabel und scheint heute nicht viel bester zu sein, denn eS müssen Elemente in der Heeresver waltung thätig sein, die von dem echten soldatischen Geist nichts in sich haben; der französische Kriegsminister Cavaignae hat sich nämlich veranlaßt gesehen, folgenden Erlaß an die commaudirenden Generale zu richten (der Erlaß ist übrigens schon vor dem Bekanntwerden der Gaunereien Saint-Cöre'S ergangen): „Ich kenne den guten Geist, weicher die Inten da ntnr- beamten n»d die Verwaltungsofsiciere beseelt, die meisten unter ihnen, pflichttreu und durchdrungen von dem Gefühle der Verantwortung, welche sie zu tragen habe», scheuen keine Mühe, die ihnen gestellte Aufgabe zu erfüllen. Trotzdem muß ich zu meinem Leidwesen behaupten, daß in einigen Pnncten beklagens- werthe Neigungen zu Tage getreten sind, und daß einzelne Beamte und Osficiere, welche — und zuweilen sehr er» heblich — versäumt haben, ihre Schuldigkeit zu thun, von ihren Vorgesetzten mit übergroßer Nachsicht be- handelt werden. So sehr ich das natürliche Wohlwollen billige, welches die Vorgesetzte» bei der Beurteilung der Hand lungen ihrer Untergebenen diesen entgegenbringen, bin ich doch bei verschiedenen Gelegenheiten einer unleugbaren Schwäche in der Ueberwachung der Beamten und in der Ahndung von Unregel mäßigkeiten begegnet, welche Angestellte sich hatten zu Schulden kommen lassen und, was noch schlimmer ist, ich habe mich über zeugen müssen, daß Vorgesetzte, welche die nöthige Festigkeit hatten, eine derartige, ihnen zugefallene Obliegenheit streng Lurchzusühren, nicht immer diejenige Unterstützung gefunden haben, auf welche zu zählen sie ei» Recht hatten; es ist sogar vorgekommen, daß ihnen ein gewisses Mißfallen mit ihrer Handlungsweise zu erkennen ge geben wurde. Ich habe Maßregeln treffen müssen, welche geeignet waren, meinen festen Willen zur Unterdrückung solches an einigen Stellen hervorgetretenen Strebens durchzuführen, denn es ist von Be deutung, daß das Bewußtsein der Verantwortlichkeit nicht schwindet. Um keinen Zweifel über meine Absichten zu lassen, habe ich weitere hohe Beamte der Intendantur zur Dis position stellen müssen. . . So Herr Cavaignae, der französische Kriegsminister- es scheint in der Thal also sehr Vieles faul in der französischen Heeresverwaltung zu sein. In der TrattSvnalattgclcgcnhrit geben uns aus London fortgesetzt Mittheilungen und Zeitungsausschnitte zu, ans denen hervorgeht, daß die englische Presse in noch viel ge meinerer Weise über Deutschland und Kaiser Wilhelm sich geäußert hat, als bisher bekannt geworden ist. Wir verzichten darauf, dieses Fischweiber-Gekeif zu reproduciren, und ver sagen es uns besonders gern, mit den überhaupt nicht wieder zugebenden Rohheiten und Unftäthigkeiten, mit welchen einzelne englische Zeitungen, wie die „Bristol Times and Mirror", den Enkel der Königin von Großbritannien bewerfen, unser Blatt zu besudeln. Es klebt zuvielSchmutz der Gosse an diesen Anwürfen! In Transvaal scheint man sich keinen Besorgnissen über weitere Ruhestörungen hinzugebcn, da die Auslieferung Jameson's, seiner Offieiere und Mannschaften bereits in Gang gesetzt worden ist. So braucht man für die nächste Zeit alarmirende Nachrichten auS der Boeren- republik nicht zu erwarten und zwar um so weniger, atS die Seele aller Jntriguen gegen Transvaal, Cecil Rhodes, sich auf der Reise nach London befindet. Dort bedarf man offenbar seines guten RatheS augenblicklich nöthiger, als am Cap. denn zu festen Entschlüssen betreffs der Cardinalfrage: „Wie wird eS mit der völkerrechtliche» Stellung Transvaals?" scheint man in London noch immer nicht gekommen zu sein. Es liegt zwar wieder eine amtliche Aeußernng vor, aber auch sie ist unbestimmt und vieldeutig. Man telegraphirt unS auS London, 16. Januar: Ter erste Lord des Schatzes, Balfour, betonte in einer gestern in Manchester gehaltenen Rede die Nothwendigkeit von Ber- fassungsreformen in der Südafrikanischen Republik zu Gunsten der llitlander. Ohne solche Reformen sei an ein dauerndes Gedeihen dieser Republik nicht zu denken. Uebrigens sei die Südafrikanische Republik hinsichtlich der inneren Angelegen heiten eine freie und unabhängige Regierung, aber bezüglich der auswärtige» Beziehungen der Controle Englands unterworfen. Kein Land könne nach seiner Meinung diese Theorie bestreiten. Darüber, waS man im Cabinet Salisbury Alle« unter die auswärtigen Beziehungen Transvaals befaßt, äußert sich der Lord Schatzkanzter nicht, das aber ist gerade die Haupt sache. Daß man auch in den Niederlanden einer zu weit gehenden Interpretation des 188 ler Vertrags entschieden entgegentritt, haben wir schon erwähnt, auch daß die „niederländische südafrikanische Vereinigung" in Amsterdam sich in einem offenen Aufruf an das englische Volk gewandt und au das Ehr- und Gerechtig keitsgefühl desselben appellirt hat. Weiter aber sucht der selbe Verein, getreu seinem Programm, die materiellen und idealen Interessen der stammverwandten Republik bei jeder sich darbietrtzden Gelegenheit zu wahren, auf einen: äußerst wichtigen Gebiet seine Thätigkeit zu entfalten, indem eine Sprachen stistung inS Leben gerufen werden soll, die den Zweck hat, die holländische Sprache in Südafrika, die Sprache der Boeren, gegr» die mehr und mehr drohende Gefahr der Verengländerung zu schützen. Ter Verein ist aller dings in dieser Hinsicht schon seit seiner Stiftung (1882) thätig gewesen, indem er Stipendien für tranSvaalische Studenten, die bisher in Edinburg sludirt halten, an den niederländischen Uru- versitäten stiftete, Lehrer ausbilden ließ und auf seine Kosten nach Afrika schickte und in den Boerenfamilien holländische Bücher verbreitete. Allein theils wegen der beschränkten Mittel, theils aber auch in Folge ber geringen Unterstützung, die das Streben des Vereins bei der Regierung selbst fand, entsprach der Erfolg in keiner Weise der ausgewenbetcn Mühe. In dieser Hinsicht soll nun durch die oveu genannte Stiftung Wandel geschafft werden, der Kamps gegen das Eindringen der englischen Sprache soll von nun an nicht nur ein defensiver, sondern auch ein offensiver sein, kurzum, es sollen die Bande des Bluts und der Staminverwandtschaft enger und nachhaltiger geknüpft werden, als bisher. Dazu ist aber eine erkleckliche Summe nöthig, und diese soll nun auf dem Wege der öffentlichen Sammlung aufgebracht werden. Vom alicffinischeu Kriegsschauplatz liegen immernoch keine Nachrichten vor, welche aus einen für die Italiener günstigeii Ausgang der Campagne schließen lassen, im Gcgen- lheil wächst trotz der heldenmüthigen Vertheidigunz Makalles durch Oberstlientenant Galliano die Sorge um daS schließ liche Schicksal der Besatzung, da »och immer kein Ersatz von Massaua und Arigrat eingetroffen ist. Die fünf Bataillone des Obersten Albertone, welche a» letzterem Punkte nach Makalle unterwegs sind, haben, wie gemeldet wird, »ach FeniHetsir. ^nnalise's Pflegemutter. 12j Roman von L. Haidheim. Nachkruck verboten. „Ich muß mich aus Sie verlassen können, täuschen Sie sich oder mich, so ist unser Contract hinfällig," sagte sie scharf, und in ihren Augen lag ras nie ruhende Mißtrauen. „Das ganze Areal wird zur Arrondirung des Manöver- platzeS gebraucht, gnädige Frau; die Thatsache steht fest; daß ich sie früher erfuhr, als jeder Andere, ist eben eine Chance, die ich mir selber danke!" Er lächelte nicht gerade angenehm dabei. Sie nahm keine Notiz davon, dachte minutenlang nach und sagte bann überlegend: „Cr wird schwer von hier fortzubringen sein! Ich wollte der ganze alte Kasten stürzte zusammen oder brennte ab, dann mußte er Wohl wegziehen ; und ich kenne ihn, dann hat er auch schon nichts dagegen, mir das Terrain zu verkaufe», um ein Stück Geld in die Hand zu bekommen." „Die Gebäude sind alt, sein Schaden wärS nicht, wenn sie einmal abbrennen würden." Nach einem weiteren Hin und Her, welches sie sehr angrifs, befahl sie Marfa, die nähend in ihrem Nebenzimmer saß, ihren Schwager zu ihr zu rufen. Herr von Linowitz erschien augenblicklich, denn die Unruhe hatte ihn längst wieder bincingetrieben. Sein Herz schlug wie ein Hammer. Wollte sie ihm Geld geben'? Ihn erretten aus seinen Nöthen ? Als er cintrat, war die Karte von Ellern und eine Anzahl von Papieren, deren Einsicht Knitter ihr möglich gemacht batte, verschwunden ^ Nicht« verrieth, was Beide in diesen zwei tödtiich lange» stunden verhandelt hatten. Marfa hatte die Lampen augezündet, die hinter dem Kopfende des Ruhebettes auf einem Tische standen. »Tie haben mir gestern Ihre mißliche Finanzlage init- getheilt, Georg," redete Adele Jwanowna ihn gelassen an; doch hörte er, daß ihre Stimme bebte. „Ich berathe eben mit Herrn Knitter, wie Ihnen zu helfen sein möchte." Ein dankbarer, sehr dankbarer Blick de« Schloßherru traf Knitter'S wohlwollendes, breitlachendes und doch so ordinaireS Gesicht. „Und ich bin der Meinung, lieber Schwager, daß Ihnen nur gründliche Hilfe wirklich nutzen kann." „Adele Jwanowna! Wie soll ich Ihnen danken ?" „Geben Sie mir Eau de Cologne, Georg, ich fühle mich sehr angegriffen und möchte mir überflüssige Worte sparen!" „Befehlen Sie nur, Schwägerin!" Wie sein Herz in wilder Hast ihm das Blut zum Kopfe trieb. Wie es vor seinen Ohren sauste und zischte. Er wurde doch nickt gar schwach vor übergroßer Freude ? Eine ganze Perspective voll Sonnenschein, Herzensruhe, Behagen und Genuß breitete sich schon vor seiner Seele aus. „Sie haben, seit Sie das Gut in geordneten Verhältnissen von Ihrem Vater übernahmen, viel Unglück gehabt, sagten Sie, Georg?" fuhr sie fort. „Das weiß der Kuckuck!" „Aber Sie sind auch nicht eigentlich für den Beruf des Landwirths erzogen! Nicht wahr, so sagten Sie?" „Na, ich war Officirr. Wie viel Kameraden ziehen sich nach der Heimath auf ihre Güter zurück!" „Gewiß. Es fragt sich nur, mit welchem Erfolge. Jeden falls waren die Ihren sehr negativer Natur, armer Georg." „Das ist wabr genug!" „Ich habe mich entschlossen, Linowitz, Ellern von Ihnen zu kaufen; ein Theil der Hypotheken bleibt darauf, einen anderen Theil zahle ich ab, mit dem Nest der Kaufsumme ordnen Sie Ihre weiteren Schulden." „Und dann, Adele Jwanowna? WaS wird dann auS mir?" Er fragte cö mit vor Todesschrecken fast erstickter Stimme. „Mit dem Rest können Sie vielleicht nach Berlin oder irgendwo hinziehen!" „Rest ? Es bleibt kein Rest, jedenfalls nicht, um standes gemäß zu leben!" ries er. Sie schwieg eine ganze Weile. Die Augen des Gutsherrn bohrten sich beschwörend aus das Gesicht des völlig stumm dasitzenden Herrn Knitter, dann auf daS seiner Schwägerin. „So schlimm siebt es also?" sagte sie langsam und kalt. „Nicht so sehr, Adele Jwanowna! Ich kann mich halten, wenn ich nur die Hände und den Rücken frei habe und weiter wirtbschafte." „DaS bezweifle ich nach Ihrer Vergangenheit, Schwager!" „Aber man zieht doch au- der Erfahrung seine Lehre." »Ich kann mich in Bezug auf Sie dieser Illusion nicht hingeben, Georg. UeberdieS habe ick den Beschluß gefaßt, Ellern zu kaufen." „Aber wozu? Und wer soll es Ihnen bewirthschasten?" „Ich weiß es noch nicht; vielleicht Joachim, vielleicht ein Anderer. Jeder Administrator genügt dazu." „Joachim? Sie will Ellern für ihn haben," blitzte es in dem ganz verstörten Vater auf. „Sie will ihn mit Anna- lise verheirathen," dachte er weiter. „Wenn Ew. Gnaden Herrn von Linowitz aus das Vor werk setzten?" vermittelte Knitter. Der Gutsherr sah ihn zornig auffahrend au; Kniller zuckte die Achseln, „'s ist doch besser, als nichts!" murmelte er. Joachim und Annalise! Ellern für sie! Dieser Gedanke und zugleich ein anderer: daß der Sper ling in der Hand besser sei. als die Taube auf dem Dach, entschieden den aufgeregten Mann. Wenn sie nur erst anfing, zu geben, dann konnte man sie auch wobl weiter bestimmen. „Wie hoch wird sie mir Ellern bezahlen?" dachte er jetzt schon. Herr Knitter »ahm die weitere Verhandlung aus sich, weil Adele Jwanowna ihrer momentanen Schwäche erlag. Sie mußte schweigen; aber ihre Augen bewachten argwöhnisch beide Männer und lasen ihnen jedes Wort vom Munde. Herr Knitter verstand meisterlich, den Baum auf beiden Achseln zu tragen. Mit der Miene der Unparteilichkeit wog er die beider seitigen Ansprüche ab, überredete Adele Jwanowna lebhaft, noch ein UebrigeS zu thun, und wußte Linowitz klar zu machen, daß er niemals eine bessere Chance in Händen ge habt habe. Es paßte der eigenwilligen Kranken nicht, daß ihr Schwager durchaus auch die Zustimmung seiner Gattin und seine» SohnrS einbolen wollte. Sie drängte so ungeduldig, den sofort aufzusetzenden Contract zu unterzeichnen, daß Knitter sie durch seine Blicke warnte, sich nicht ^u verrathrn. Und diesen Blick bemerkte Georg von Linowitz und wurde stutzig. Ihm kam der Argwohn, daß da noch was im Hinter gründe liege, ein Etwa-, welches er zur Zeit noch nicht sah. Aber was? Wa» in aller Welt? Adele Jwanowna gab dem mahnenden Winke nach. Gut, also morgen! Aber Herr Knitter sollte in Ellern bleiben! Sie wollte die Sache gleich morgen erledigt haben. Sie war schon gewohnt, al» Kranke ihren Willen durch- zusetzeu. Beim Abendessen, an welchem Herr Knitter theilnahm, erschien Graf Glogowsty nicht. Er sei zur Stadt gefahren, lautete vor einigen Stunden die Meldung des Knecht», der ihm das Pferd eingespannt hatte. Annalise war seines Nicht erscheinens froh, hatte aber wenig Ursache, sich über Joachim's Anwesenheit zu freuen, welcher soeben erst znrückkehrte; denn er blickte taum nach ihr hin, aß und trank nicht und schien, wie der Vater, taum die Zeit erwarten zu tonnen, bis die Mahlzeit vorüber war. „Wie geht eS Doctvr Sonnegg ?" fragte ihn Carola. „Besser! Er bittet Sie um Ihren Besuch, Annalise. E» scheint ihn lebhaft ;n interessircn, daß Sie seinen Namen führen," wandte er sich von Carola an diese. „Aber sie führt ihn gar nicht! Sie schreibt sich von Platow!" warf Carola ein. „Bis jetzt ohne Berechtigung", erwiderte er kurz. Anna- lise wurde flammend roth. Die Worte berührten in ihr einen Punct, der ihr in letzter Zeit allzuviel zu denken gegeben hatte. Joachim nahm keine Notiz davon. Die Unterhaltung schleppte sich träge und interesselos hin, nur der Schloßherr selbst bemühte sich um den nicht eben willkommenen Gast ; die klebrigen beschränkten sich aus die nothwendige Höflichkeit. „Ist eS Dir gefällig?" fragte Joachim seinen Vater, als die Mahlzeit beendet war. Sie verschwanden, nachdem dieser, zu Joachim's Be fremden, Herrn Knitter aufgefordert hatte, sie zu begleite», was er aber, unter dem Bo,wände der Müdigkeit, di-cret ablehnte. V -t, A In des Vaters Ltnbe erfuhr Joachim denn Alles. Eller» verkaufen! Die Eltern ans daS Vorwerk hinaus! Und er? Und Carola? — Wollte Adele Jwanowna wirklich die Edel- mütbige spielen? Ihm da- Gut übertragen? Unmöglich! Ganz unmöglich! Welchen Illusionen gab sich sein Vater hin? „Sie bat niemals auch da- geringste Interesse für mich gezeigt. Ich habe sogar die Empfindung, daß ich ihr unsym pathisch bin!" rief der Sohn lebhaft und überzeugt. „Aber sie muß e» doch Jemandem geben! So blind wird sie nicht sein, um nicht zu sehen, daß sie höchsten- noch Monate zu leben hat!" widersprach Linowitz. „Und a» Ende — sie hat Deine Mutter lieb!"
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