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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970104022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897010402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897010402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-04
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Sieclame» unter dem RedactionSstrich («ge spalten! 50 vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40-4 Gröbere Schriften laut unserem Preis- verzeichnifi. Tabellarischer und Ziffern!»- »ach höherem Tarif. Extra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen.Ausgabe, ohne Postbesörderung /k 60.—, mit Postbesörderung ^ 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend.Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Margen-Ausgabr: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 6. Montag den 4. Januar 1897. 91. Jahrgang. Zweikampf UN- Ehrengericht. Unter der vorstehenden Ueberschrist veröffentlicht Professor I>r. Karl Bin ding in der „Deutsch. Iuristen-Ztg." einen Aufsatz, der hoffentlich bei allen Factoren der Gesetzgebung die gleiche Würdigung findet. Er lautet: Eine ebenso lebhafte als innerlich berechtigte Unruhe geht durch alle Schichten unseres Volkes aus Anlaß stattgesundener Zweikampfe und Herausforderungen zu solchen, die sich als Symptome einer in bedenklichster Ausdehnung befindlichen Krankheit unseres Volkslebens darstellen. Und säst gleich großen Anstoß erregen die Rechtsfolgen dieser Erscheinungen — die viel zu geringe Sühne der Schuld und eine Art Anwendung des Begnadigungsrechtes, deren Fortdauer dieses so werthvolle und kaum zu entbehrende Institut auf das Empfindlichste zu discreditiren droht. Die berechtigte Sorge weckt die Leidenschaft. Die Anhänger des Zweikampses, da? seine Folgen regelnde Recht, die das Gesetz hand habenden Gerichte, die Inhaber der Gnadengewalt werden mit Vor würfen überschüttet, und von der andern Seite tönt die erregte Antwort. Nun kann der heftige Streit die Geburtsstätte großer Erkenntniß sein, kaum je aber hat er den Entschluß zur gerechten That geboren, nnd diese allein kann uns doch helfen. So wollen wir der Wahrheit eingedenk bleiben, daß alle Kämpfe zwischen lebhaften und weitverzweigten Empfindungen und der Vernunft, die ihnen die innere Berechtigung absprickt, sehr langsam verlaufen, und daß die vernünftige Erwägung nur dann den Sieg gewinnt, wenn sie sich ihn durch eine Umstimmung jener Gefühle verdient hat. Die leidenschaftliche Behauptung von ihrer Unvernunft erschüttert jene Empfindungen nicht, sondern verbittert sie und ver stärkt sie dadurch. Auf dem Gebiet des Zweikainpsrechtes stoßen wir zunächst ans eine ofsicielle Mißachtung der das Duell bedrohenden Straf gesetze (l). Diese Gesetze verschulden aber theilweise ihren eigenen Mißerfolg (ll). Ans dem Gebiete des Zweikampfes selbst nehmen wir wahr, wie der Glaube an seine Nothwendigkeit auf ganz falschen Gründen beruht, und wie ihm Zwecke gesteckt werden, deren Er reichung überhaupt und durch das Duell insbesondere nicht mög lich ist (III). Eorrigirt man den Zweck, so erscheint als weitaus bestes Mittel zu seiner Erreichung neben dem Strafgerichte das Ehrengericht und der Vollzug seines Spruches (Hl und IV). I. Das geltende Unrecht: der Nothstandsconflict des Officiers. Nicht die Mangelhaftigkeit unseres Rechtes bildet den Aus- gangspunct für di« Bestrebungen, es zu bessern, sondern eine That- sache, die im Rechtsstaat« der Gegenwart wirtlich einzig da steht, ein Widerspruch in der Rechtsordnung selbst, eine Sanctioniruvg des Unrechts im Namen des Rechts. Ter anfmerksame Beobachter des Staatslebens nimmt nicht ohne Interesse wahr, daß derselbe Staat äußerlich dieselbe Handlung theils verbietet,thrils erlaubt,theilS befiehlt: in derRcgel ihm unerträglich, ist sie ihm mitunter förderlich, und vereinzelt bedarf er ihrer nothwendig. Neben der verbotenen Tödtuug steht die erlaubte in der Nothwrhr und im Kriege, steht die Tödtuug in Vollstreckung des Todes- urtheil«. Aber wo die Erlaubniß und der Befehl anfangen, hört das Verbot auf, und so befinden sich jene Satzungen in voller Harmonie. E« ist möglich, daß di« Handlang, der da« Staatsverbot gilt. von der Sitte gebilligt, in gewissen Fällen gefordert wird. Dieser Tonslict zwischen Sitte und Recht erscheint beklagenswerth; ober er wird nie anshören: denn von jeder hat das Recht mit der Sitte als Unsitte den Kampf ansnehmen müsse», und diese seine Ausgabe stirbt nie. Allein den Zweikampf und die Tödtnng als Verbrechen aus- stellen — alS Verbrechen für die Eivilisten wie für die Osficiere —, und den Osficier als unwürdig aus dem Heere stoßen, wenn er sich weigert, jene strafbaren Handlungen zu begehen, dagegen ihn als würdig im Heere bebalten, wenn er sie begangen oder sich zu ihrer Begehung bereit erklärt hat — das ist eine so grelle Dissonanz, daß ihr Mißlaut nicht zn ertragen ist. Und doch läßt die so würdig gehaltene Einleitung zu der Ver ordnung über die Ehrengerichte der Osficiere im Prenß. Heere vom 2. Mai 1874 gar keinem Zweifel Rani», wenn sie sagt: „Tenn einen Osficier, welcher im Stande ist, die Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verletzen, werde ich ebenso wenig in meinem Heere dulden, wie einen Osficier, welcher seine Ehre nicht zn wahren weiß." Und notorisch ist, daß treffliche Osficiere. weil sie grundsätzliche Gegner des Duells waren, nnd nur deshalb, das Heer haben verlassen müssen. Daß rin so gerechter, so gewisseuhaster Herrscher wie Kaiser Wilhelm I. jenen Widerspruch zu ertragen vermochte, erklärt sich nur aus der Macht der militairischen Anschauungen, in deren Bann kreis er ausgewachsen war. Wenn aber ein so trauriger Zustand besteht, daß eine wahrlich nicht oberflächliche Auffassung der Sittlichkeit und die GesetzeStrcne zum Osficier unwürdig machen, und daß umgekehrt das Telict allein den Osficier im Heere erhalten kann, dann muß nothwendig die Gnadengewalt sich vor die compromittirende Ausgabe gestellt sehen: den Osficier, der sich geschlagen hat, vor der Strafe für Zweikampf und Tödtnng möglichst zn retten. Die Macht, die ihn in den Noth- stand gestürzt hat, kraft dessen die Wahl des Delicts für ihn als das kleinere Uebel erschien, dir muß sich verpflichtet fühlen, ihn den Strafsolgen des Delicts möglichst zu entziehen. Und so wird ganz naturgemäß die Gnade zur Begünstigerin des Delicts, und statt die unvernünftigen und ungerechten Gesetzes- Wirkunge» weise auszuglrichen, verwandelt sie sich in eine Feindin des Gesetzes selbst. So gerathen infolge jenes verhänguißvollrn Bruches mit dem Recht in unserem Rechte alle betroffenen Factoren aus der Richte: Gesetz und Richter und König und Kaiser. Es wird sich später zeigen, daß auch schon die Gesetzgebung, ans der das Straf gesetz wider den Zweikampf geflossen ist, in falsche Richtung ge drängt war. Dieser Zustand sanctionirten Unrechts muß unter allen Umständen schwinden. An seiner Beseitigung find alle Freunde nnd Hüter des Rechts, alle Gegner wie Anhänger des Zweikampfes gleichmäßig betheiligt. Unser Heer stellt ein Bolksheer dar. Jeder Wehrpflichtige ist aus Jahre sein Mitglied, und eine erlesene Zahl tritt in ihren Beruf zurück, während ihre Angehörigen iin Osficiersverband des Heeres verbleiben. Nach 8 11 der Verordnung über die Ehren gerichte sind diesen Gerichten auch alle Osficiere des Deurlaubten- standes unterworfen, also auch ein Reserveosficier wird im Heere nicht geduldet, „der seine Ehre nicht zu wahren weiß". — Neuere geschichtliche Forschung hat festgestrllt, daß der Privat« Zweikampf als Mittel zum Austrag von Ehrenhändeln dem germa nischen und dem deutschen Rechte des Mittelalters völlig fremd war. Romanischen Ursprung? ist er, und um die Mitte des 16. Jahr- Hunderts hat er sich von Italien nach Frankreich und Deutschland verbreitet. In den Kreisen der Ritter ist er entstanden, in denen der Höflinge, besonders der französischen, gepflegt worden. Die Anschauung, kein Osficier dürfe im Heere bleiben, der sich nicht duellire, hat sich in romanischen Landen entwickelt nnd die Sanction von Louis XIV. erhalten. Co ist der Privat-Zweikampf - modern gesprochen — militairischen Ursprungs. Aber nicht in de» Kreisen eines gesunden VolksheercS ist er entstanden, sondern die unnationale, gewerbsmäßig dienende Soldateska nnd dann das Söldnerthnin haben ihn gepflegt. Bon dort hat er Propaganda gemacht — zweifellos mehr, als gut war —, nnd jetzt sehen wir ihn einen neue» Schritt zur Erweiterung seines Herrschaftsgebietes thun und zwar eine» so brutalen, daß wir ihm Widerstand zu leisten haben bis zum Neußersten. Der Zustand geordneter Autorität darf schlechterdings nicht durch Provokation aus den Zweikampf in Frage gestellt und erschüttert werden. TaS Recht hat zn herrschen und nicht die Faust. Wenn ein Richter, der in amtlicher Stellung dem Angeklagten oder Zeugen einen durch sein Amt vollauf gedeckten Vorhalt macht, von dem Getadelten als Rrserve-Oificier gefordert wird, wenn dann in den Kreisen, denen auch der Richter als Reserve-Osficier angehört, ernst- Haft erörtert wird, ob des Landes Richter sich schlagen müsse, und wenn gar beschlossen wird, das- sei er seiner Ehre schuldig, so ist das eine einfache Aushebung des Rechtsznstandes. Statt daß solchem unerhörten Attentat auf die Majestät der Staats gewalt in ihrer» berufenen Träger die allgemeinste Verachtung und Entrüstung antwortet, soll der Beamte seinem Verächter auch noch Satisfaction geben! Mögen sich doch die Angeklagten und die Zeugen so betragen, daß der Vorhalt nicht nöthig ist. Wird er aber nothwendig, so macht ihn der Staat, und den kan» Niemand vor seine Klinge fordern! Diese sehr traurigen, aber auch sehr symptomatischen Vorfälle — zweifellos Folgen des militairischen Duellzwangs —, die sind es gerade, die einer ruhigen, leidenschaftslosen Erörterung der Dnell- frage stark im Wege stehen. Aber Vorfälle find keine Zustände; diese unerträglichen Ausartungen werde» vorübergehen wie eine häßliche, acute Krankheit. Und ich habe daS feste Vertrauen, daß alle maßgebenden Kreise zur Ausrottung dieses ganz jung empor- geschossenen Unkrauts zusammenwirkcn werden. Deshalb wollen wir diese Ausjätung so energisch wie möglich be treiben : aber selbst die Abscheulichkeit dieser Vorgänge darf die ruhige Sachlichkeit der Erörterung nicht alteriren. Nichts wäre unheil voller, als wenn in dieser so delicateri und so außerordentlich schwer befriedigend zu regelnden Angelegenheit die Verschiedenheit der An- schauung den Grund zur Anfechtung des Gegners in seiner Ehren haftigkeit nnd Gewissenhaftigkeit obgäbe! Es handelt sich allein um eine Berichtigung und allmähliche Aussöhnung der Gegensätze. II. Das Duell-Strafgesetz und seine Aufhebung. Der Nothstandsconflict unserer Osficiere zwischen Verlust der Stelle und Vollzug der strafbaren Handlung mildert sich bei den Anhängern des Zweikampfes in allen anderen Ständen ab, ohne ganz zu verschwinden. Sie glauben sich an ihrer Ehre geschädigt, wenn sie sich zu schießen oder zu schlagen weigern. Ter Tonslict in beiden Gestalten kann nur auf eine von zwei Weisen verschwinden: durch Aufhebung des Strafgesetzes oder durch Fallenlassen der Anschauung, daß es an die Ehre gehe, wenn man sich nicht schlägt. Die erste Abhilfe ist relativ leicht: ein Wort der Gesetzgebung, und der Noch- stand ist grwesen: die zweite Abhilfe ist in gewissem Sinne für den Officiersstand noch leichter: ein Federstrich der Contingentsherren. und der Nothstand des OfsicierS hat aufgehört. Damit ist freilich die Anschauung von dem Zweikampf als notwendigem Ehren rettnngs-Mittel noch lange nicht überwunden, aber sie bat eine außerordentlich feste Stütze, den Willen des Kaisers und der Könige, verloren. Nun tragen ganz unleugbar an der osficiellen Ver achtung der Strafgesetze wider den Zweikamps, die sich äußert in der Nöthignng der Osficiere zum Ver- brechen, jene Strafgesetze selbst einen sehr großen Theil der Schuld. Das Hauptgewicht fällt dabei durchaus nicht aus die relativ geringe Schwere ihrer Strafdrohungen: eine Verschärfung derselben allein wird uns kaum merklichen Nutzen bringen. Tie Geschichte der Duellgesetze hat das zur Genüge bewiesen! DieGrundauffass»ngdesVerbrechens bildet vielmehr das Hanptiibel: mit leiser Uebertreibung ließe sich sagen, das Dasein des Zweikampfverbrechens als solche? sei der Hauptgrund, der zur Be gehung dieses Verbrechen? geradezu einlade! Als der Privat-Zweikampf in Deutschland eingedrungen war, siel gar Niemandem ein, ihn anders denn als besondere Art der Tödtnng zn betrachten und zu bestrafen. Erst im 17. und 18. Jahrhundert hat sich ein selbstständiges Zweikampf- verbrechen von der Tödtnng gelöst. Und das Zweikampf- Verbrechen von heute ruht genau auf der gleichen Dnell-Mystik wie derGrundsatz, daß die Ehre deSLfsi- ciers von ihm den Zweikamps verlange. Ich kenne keinen Verbrechensbegrifs von größerer Schablone». Hastigkeit und Oberflächlichkeit, wie den des Zweikampfes im Stras- gesetzbuche 8 SOI ff. Das eoncreke Verbrechensbild, das sich in den Rahmen des vereinbarte», geordneten Kampfes mit tödtlichen Waffen einfügt, ist dem Gesetzgeber ganz gleichgilti'g. Der Rahmen selbst bildet das Delikt, ihm gilt die Strafe, und dieser Rahmen ist stets der gleiche. Daran wird fast nichts durch An. erkennnng der Tödtnng im Duell als eines Schärfungsgrundes ge ändert: denn diese Tödtnng umfaßt juristisch absolut Verschiedenes, und wieder wird sie als durchaus fungibel behandelt. Und nicht genug damit, spricht der Gesetzgeber beiden Kämpfern — mag der Fall noch so gemein und abscheulich gewesen sein — seine allerhöchste Anerkennung vor ihrer Ehrenhaftigkeit dadurch aus, daß er sie nicht ins Zuchthaus, nicht einmal i»S Gefängniß, sondern in dir oustockin bauest» der Festung sendet!*) Nun wäre cs schnöde Ungerechtigkeit, zu leugnen, daß bei einer großen Anzahl ernster Zweikämpfe Ehrenmänner von echtem Schrot und Korn einander gegenübergestanden haben. Aber das Duell ist eine Form, der sich die größte Gemeinheit genau gerade so gut bedienen kann, wie eine edle Ge- stnnung. Tie Gerechtigkeit hat solchen Kampf nach seinem Inhalte, nicht nach seiner Form zu wägen. Wir Juristen nennen jede vorsätzliche widerrechtliche Tödtnng Mord, wenn sie mit Ueberlegung verübt ist. Die Tödtnng im Duell kann ganz echter Mordfall sein. Ihr Urheber hat die *) Ich kann auf die Frage der Festungshaft hier nicht näher eingehen. Will man diese Strafe beibehalten, so bedarf sie einer- reicheren Verwendung. Sie aber für bestimmte DrlictSartea aus schließlich androhen, ist ganz zweifellos verwerflich. 2j Vie Mr-orfs. Roman von Hermann Hetberg. Nachdruck Verbote«. „Du Nimmst an Dich, was Du findest. Morgen früh läßt Du anspannen und kommst herüber zu mir nach Flug sande. Wir prüfen und berathen sogleich. Nun, willst Du?" „Eine Nacht lebt er vielleicht nur noch. WaS dann? Oder er wird wieder frisch, dann kommt ihm Niemand an seine Eaffetten. Einmal war die Gelegenheit günstig. Sie war rS in diesen letzten Tagen, fi« ist es sicher noch heute!" „Nun wohlan denn, ja. Ich will! Schicke gleich, daß an gespannt wird. Ich «ehe und benachrichtige Isabella! Ja sie, sie! Da ist noch em Punct — sie wird hoffentlich nichts dawider haben, daß ick di« Nacht aussuche —" Aber Rudolf hörte schon nicht mehr hin. „Mache nun doch vorwärts, vorwärts", drängt« er, zupfte ungeduldig den Bart und trieb sie hinaus. So wagte sie denn nicht mehr zu widersprechen, auch erschien eben der durch Klingeln herbei- gerufene Diener Anker, um nach de- Grafen Befehlen zu zen Oben aber, in Jsabella'S Gemächern, entspann sich ein Gespräch, da« alle Pläne Rudolf'« doch noch wieder über den Hansen zu werfen schien. „Thu « nicht, Mama, ich hitte Dich. E« wird Dir schaden und Großvater nichts nützen. Er kann nicht besser aufgehoben sein als bei dem alten Ole. Willst Du ihn noch einmal sehen und sprechen, so fahre morgen, ich begleite Dich. Verlasse nicht die Nacht da« Hau«. Ich sag'- mcht um meinetwillen. WaS soll mir geschehen?" „Dein Onkel wünscht e«. Ich gab mein Wort, Isabella." „Weshalb wünscht er eS? Ich fürchte, Mama, er hat Dich zu irgend etwa« beschwatzt. Lehne eS ab. Ich beschwöre Dich." „Du irrst, irrst durchaus. Wa« sollte Rudolf wünschen? Er meint nur — und ich theile seine Ansicht —, daß wir doch einmal unsere Theilnahme zeigten, eia Opfer brächten." „Weshalb bringt er eS nicht selbst, Mama? Will er Unterscdristen, Aenderungen, verknüpft er mit diesem Besuch Erbschaft-Wünsche — wäre da der edle Onkel Axel nicht der allein richtige Vermittler?" um Ich fass «S frei, Mama: Äch fürchte, nur darum oder LehlllicheS handelt r« sich, und es widersteht mir in tiefster Seele. Du sagtest doch selbst oft genug, daß Ihr bereits abgefunden seid, Du durch Capital-Ueberwersung, Onkel Rudolf durch Flugsande. Es wird auch nichts fruchten. Unterschreibt Großpapa ohne Besinnung, hat's keine rechtliche Giltigkeit, und mit klarer Besinnung ändert er nicbtS mehr. Ich weiß eS! So lasse ab, ich. flehe Dich an." „Ich kann nicht mehr zurück, Isabella. Du kennst Rudolf. Sag' ich ihm jetzt, ich habe mich dennoch besonnen, dann ist'S aus mit seiner Freundschaft für Dich nnd mich für alle Zeiten." — „So gehe ich und spreche mit ihm, eS mag kommen, was will!" Isabella hatte, des Kleide- entledigt und mit dem Ordnen ihres Haares beschäftigt, vor dem goldenen Rococospiegel gestanden, als ihre Mutter zu ihr getreten war. Sie batte auch jetzt noch kein Gewand wieder angelegt. Der weiße HalS, von de« Mieder- Spitzen umsäumt, glanzte, und die plastisch geschnittenen Arme entzückten durch die Formen. Nun griff sie nach dem Spitzenkleide, um rasch sich zu um hüllen und herabzueilen. Doch ihre Mutter wehrte ihr. „Ich will nicht! Ich verbiete eS! Du bleibst! Ich fahre mit Deinem Onkel, eS geschieht um so mehr, al« DaS, WaS Du vorauSsetzest, nicht zutrifft. Ich will dem Kranken noch einmal einen Liebesdienst erweisen. Ich leugne nicht, ich sagte eS schon, daß auch noch eine Nebenabsicht mich leitet. Aber obschon ich Dir keine Rechenschaft schulde — ich wiederhole nochmals, daß ich nicht vorhabe, wa« Du meinst — „Dann ist « sicher noch etwas Schlimmere«, Mama! Ach sie! Ich flehe und bitte Dich bei Deiner Liebe zu mir, mache kein Bündniß mit Onkel Rudolf —" „Ah! Työrichte« Kind! Bin ich eine Puppe, die man nach Gefallen leitet, weiß ich nicht selbst, wa« ich will — I" „Ich bat ja nur, daß Du bei Tage mit mir, nicht jetzt mit Onkel Rudolf gehen mögest. Stelle ihm da- vor. Sage, Du fühltest da« Unvermögen, die Nacht zu Wachen. Dir jei plötzlich schlecht geworden. Warum besteht er gerade darauf, wenn er Gute« vorhat?" »Weil Dein Großvater im Sterben liegt, weil Gefahr im verruge. — Und jetzt will ich auch mcht weiter reden. Ich gab mein Wort und halte eS!" Nun wich Isabella zurück und ließ sich in einen Stuhl gleiten. Etwa- unheimlich Lngstvolle- trat in ihre Züge. E- war, als ob sie in die Zukunft schaue und als ob Unheil volles vor ibr emporsteige. „Ich weiß eS, Du wirst's bereuen Dein ganzes Leben, was Du heute vorhast, Mama!" stieß sie malmend heraus. „Mir schaudert vor den kommenden Zeiten, die Dir und mir nichts Gutes bringen werden. Sieb, ich habe eine Ahnung, die mich gleich erfaßte, als Du vorhin sprachst. Sie trügt nicht, glaube eS, folge mir! Fahre nickt! Ich beschwöre Dich!" Diese Worte machten einen so starken Eindruck auf Ulrike von Todtleben, daß sie dennoch inS Schwanken geriet!). Ja sie würde erlegen sein und hätte erklärt, was ihre Tochter wollte, wenn nicht in diesem Augenblick die Thür ausgerissen worden und Rudolf selbst erschienen wäre. „Na, wird es nun endlich, Ulrike! WaS soll daS lange Gerede!" tobte er, und selbst Äsabella'S unverhüllte Schönheit blieb ohne Eindruck auf ihn. Sie aber entwich, die weißen Grübchenhände über der wogenden Brust gekreuzt, mit leisem Schamlaufe ins Nrbengemach. Wie der Sturmwind am gestrigen Tage, so flogen die schwarzen Renner mit dem Gefährt davon, in dem Rudolf von Nixdors und Ulrike von Todtleben saßen, um noch bei Zeiten Steinhorft zu erreichen. Sie wechselten unterwegs kein Wort. Zu benommen war ihr Inneres. Erst als daS, wie eine Geistrrburg aus dem Halbdunkel hervorragende Schloß vor ihnen anfstieg, löste sich deS finster brütenden Mannes Zunge. »Frage gleich nach Axel, wenn der Diener Dick empfängt, und gehe zu ihm, Ulrike. Sag', daß Dick die Unruhe ge trieben habe, erkläre, daß Du nach dem Abendbrod bei un serem Vater wachen und beten wolltest. Er kann -Dir doch nicht webren und wird Dich auch nicht hindern, wenn Du dem sentimentalen Asketen von frommem Händefalten sprichst. Hast Du, wa- wir haben wollen, bleibt'- ja Dir un benommen, Ole zurückzurufeu unter irgend einem Vorwand und dann in Deinen eigenen Gemächern der Ruhe zu pflegen. Nur zum Schein lasse Dir ein Bett bei dem Alten auf- schlagen." Ulrike von Todtleben nickte. Aber sie sprach nicht, weil sie noch ein schwerer Gedanke bewegte. Plötzlich drängte sich ibr auf, daß Rudolf nicht au- de» von rhni angeführten Gründen, sondern au- schlauer Eigenliebe sie anhielt, statt seiner zu handeln. Sie sollte für ihn die Kastanien au- dem Feuer holen! Dieser Vorstellung folgend, sagt, sie, während nun eben der Wagen über die Brücke raffelte, die den im weiten Bogen Haus und Park umschließenden Schloßgraben über spannte: „Was Du räthst, ist gut. Ich werde e- befolgen. Aber eines noch, bevor wir unS trennen! Wer nimmt die Schuld auf sich, wenn un- da- Glück verläßt. Willst Du Dich als Thäter bekennen, wenn Richter gegen uns auftrelen? Ich bin ein Weib, bin nicht gewandt. Versprich mir feierlich, daß Du Alle- auf Deine Schultern legst. Nur dann — ich habe Alles reiflich noch einmal über dacht — will icks auSzuführen suchen. Wenn Du eS weigerst, will ich dennoch verzichten." „Ach! Ihr feigen Memmen!" sprühte Rudolf von Rixdorf „Nun ja! Ja gewiß. Ich verspreche «S Dir! Ich schwör?, daß ich für Dich eintrete. Aber vergiß nicht. Deine Klua heit mußt Du auch gebrauchen, sonst ist mein Witz ve: geben-. Und nun schwanke nicht mehr! Sei fest! Was ist- denn? In fünf Minuten ist- gethan, wenn der Alte da liegt ohne Besinnung. Schau hinein in da- Schriftstück! Giebt'S un« Beicen WaS wir wünschen, so bedarf- keiner Fortnahme. Nur Klarheit wollen wir haben. —" Dir letzten Sätze klangen Ulrike angenehm. Sie schroben ihren matten Geist wieder empor. Sie nickte, und al- eben da- Gefährt in schlanker Biegung der Schloßrampe fick zuwendetr, hauchte sie: „Nun wohl, ich bin'- zufrieden. Ich werde mein Möglichste- thun. Verlasse Dich auf michl" Wenige Augenblicke später erschien auf da« kräftige Läuten des blitzschnell hrrabgrsprungenen Jäger» mit dem breiten Jagdsängerbandelier ein kleiner allezeit den Dienst ver sehender Hau-Haiduck mit einer großen, weitstrahlendrn Hand- Laterne, und jener und der ebensall» eilfertig die Schloßtrrppe berabfliegende magere Lakai Daniel halsen unter devoten. Dienern und sorgsamem Stützen der gnädigen Gräfin aus dem Wagen. „Adieu, Rudolf —" „Aus Wiedersehen, Schwester —" Ihre Hände berührten sich, der Jäger erklomm den Bock und in der nächsten Secund« stob der Wagen mit den beiden feurigen Schwarzen durch die dunkle Nacht Flugsand« zu. Während besten betrat Ulrike den mit glatten Teppichen belegten hallenartigen Hau«flur, warf den Blick auf die in bretten Windungen zu beiden Seiten emporstr«b«nd,n Trippen, auf dir sie in der Milt« v»rbiud«nd« »,iß-«ltznw E«tt«r1«
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