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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970108018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897010801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897010801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-08
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Extra-Beilage« (gesalzt), au» off! L-r Morgen-Ausgabe, ohne Pojtbesörderung 60.—, mit Poslbesvrderung 70.—. Aunatfmeschluli für Äuzri-eli: Abend-Ausgabe: VonruttagS lO Uhr. Morge u-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Extzetziti«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 12. > > Freitag den 8. Januar 1897. 91. Jahrgang. Nie französischen Senatswahleu 6. Paris, 6. Januar. DaS Ergebniß der Wahlen für den französischen Senat hat für den, der die Ereignisse der letzten Zeit auf' merksam verfolgt bar, nichts Ueberrasckendes. Es war voraus- zusehen, daß der Ansturm der Radikalen und Socia list en gegen die hohe Kammer nicht ganz erfolglos sein, ebenso war aber auch mit ziemlicher Sicherbeit anzunehmcn, daß der Erfolg hinter den Erwartungen dieser Parteien weit Zurückbleiben würde. Bekanntlich bandelte es sich um die gesetzlich aller drei Jabre vorzunchmende Erneuerung eines Drittels der von den Departements gewählten Senatoren; dazu kam eine Reibe in Folge von Todesfällen nölhig ge wordene Ergänzungöwahlen. Bon den 97 Sitzen hatten 20 der Rechten, 66 den gemäßigten Republikanern, 10 den Radikalen, einer den Socialiste» gehört. Am Sonntag nun haben die Republikaner ihren Besitzstand gewährt, die Monarchisten 8 Sitze verloren und die linksstehenden Parteien 8 Sitze ge wonnen. Ob man den Republikanern oder den Radikalen dazu Glück wünschen soll, ist aus den Zeitungen nicht zu ersehen; denn in beiden Lagern herrscht eitel Jubel. In Wahrheit ist. wie wir sehen werden, das Ergebniß für beide nicht glänzend. Allerdings ist es begreiflich, daß die Republikaner zunächst sehr zufrieden sind; Hallen sie sich doch auf den Verlust cinizer Sitze schon ziemlich sicher gefaßt gemacht. Aber sie brauwen nur die Entwicklung der Senatswable» seit 1875 zu ver folgen, um einen Dämpfer für ibre Freude zu finden. Nach den ersten Wal,len setzte sich der Senat aus 155 Monarchisten und 145 gemäßigten Republikanern zusammen. Dies Ver- bältniß verschob sich sehr bald zu Ungunsten der Rechten, sotaß die Republikaner eine compacte Majorität bekamen. Jedenfalls aber erschienen für ewge Zeiten nur diese zwei Parteien in Betracht zu kommen, dank dem Wablmoeus, nach dem der Walllkörper sich lediglich auS den Deputaten des betreffenden Departements, den General- und Kreisrälhen und den Dclegirten der städtischen Behörden zusa-umensetzt. DaS änderte sich aber seit dem Jahre 1882, wo zum allgemeinen Erstaunen plötzlich ein Radikaler ny die hohe Versammlung einzog. Augenblicklich beträgt die Zahl der radicalen »nd socialistischeu Senatoren 45, und die Zahl der radicalen Stimmen ist überall bedrohlich angewacksen. Nun haben allerdings die Gemäßigten bisber alle ihre Verluste auf Kosten der Rechten wett zu macken gewußt, allein mittler weile ist deren Besitzstand schon auf 28 znsgmmengeschmolzen, und die Zeit scheint also nicht mehr fern zu sein, wo ein weiteres Nachrücken nach rechts unmöglich ist. Aber auch die Radicalen haben keine Ursache, zu trium- phiren. Die Anhänger des Ministeriums Bourgeois hatten einen derartige» Eifer bei der Agitation entwickelt und so viel von dem entscheidenden Schlage des 3. Januar geprahlt, daß sie mit den nun gewonnenen acht Sitzen wirklich keinen Staat machen können. Besonders aber hat Herr Bourgeois selbst ganz empfindliche Niederlagen erlitten. Fast überall da, wo er selbst als Redner ausgetreten war, sind seine Freunde geschlagen worden. Tie „Begeisterung der Be völkerung sür den allgeliebten früheren Ministerpräsidenten" in EhL ons, in Orleans, in Grenoble scheint also wirtlich, wie es „Figaro" und „Temps" übrigens gleich gesagt batten, nur in den Köpfen der radicalen Zeitungsschreiber existirt zu haben. In Orleans erhielt der frühere Landwirlkschafts- minster Viger sogar nur 68 Stimmen. Tie radicalen Blälier besäiäftiaeii si l> deshalb heute auch weniger mit dem Gesammtergebniß, als mit einigen allerdings sehr über raschenden Euizelsiegen. Vor Allem aber triumphiren sie über die Niederlage zweier ihrer gefürchtetsten Gegner, des „Temps" - Dircciors Hsbrard und des früheren Ministers Eonstans. Daß Eonstans, der „Henker von Fourmies", wie ihn die Socialisten mit Vorliebe nennen, der bestgehaßte Mann in Frankreich ist, wußte man; man konnte sich also aus nette Leit artikel in den betreffenden Zeitungen gefaßt machen. Aberdas, was mau heute zu lesen bekommt, übersteigt den» doch alle Er wartungen. Eine solche Unmenge der unflätigsten Schimpf wörter ist seit Langem nicht über einen Mann ausgegossen worden. Henri Rockefort steht natürlich wie immer in der vordersten Linie. „Das beschränkte Stimmrecht, das von Neuem Monis, Trarieux und viele Andere aus diesem un verdaulichen Brei verschluckt bat, hat den indochinesischen Schacherer Eonstans nicht im Magen bekallen können." Mil diesem geistreict>en Satze hebt sein Erguß gleich an. Ver brecher, alter Bandit, Strauchdieb, EauaiUe, Mavckenver- fübrer und ähnliche Ausdrücke folgen dann in ungezählter Menge. Und für solche Artikel bekommt der berühmte Pam- phlelist, der nach und »ach immer mehr zum bloßen leben digen Schimpfwörterlexicon berabsinkl, jährlich lOOOOO Frcs. Wie es übrigens zu der Niederlage von Eonstans kommen konule, ist noch nicht ganz aufgeklärt. Seine Freunde hatten angenommen, daß er gleich im ersten Wablgange gewählt werden würde. Allein dieser Wablgaag führte überhaupt zu keinem Ergebniß. Vier Senatoren waren im Departement der Haute-Garoune zu erwählen, Eonstans war unter den vier Eaudidaleu, die die meisten Stimmen erhielten, aber alle vier blieben sie hinter der absoluten Mehrheit zurück. Es war so gut wie sicher, daß sie diese nur im zweite» Ganze erreichen würden. Da erklärten die Radicalen, daß ihr Eandidal, der an fünfter Stelle gekommen war, verzichte, aber nicht zu Gunsten von Eonstans, son der» des Herrn de Römusat, des sechsten auf der großen Liste. So kam es, Laß EonstanS ui» eine einzige Stimme hinter der geforderten Zahl zurllckblieb. Nun er klärte Herr von Römusat verzichten zu wollen und ließ diesen Entschluß durch geschriebene Maueranschläge knndgeben. Die Radicalen aber gaben sich nicht so rasch sür besiegt, sic ent fernten die Ptacate, erklärten, daß Herr von R^musat das Opfer von Jutriguen sei, und CoustaiiS unterlag zum drillen Male. So lautet die Darstellung des „Matin" und einiger anderen Morgenzeilungen, sie klingt aber wenigstens in ihrem letzten Tbeile nicht ganz wahrscheinlich. Jedenfalls stehen wir hi r vor einer der merkwürdigsten Launen des Stimm rechts. Für den unparteiischen Zuschauer war eS ziemlich gleich- giltig, welche von den beiden Parteien gestern siegte. Die Radicalen hatten aus ihr Programm die Ve>faffun.,sä»verung geschrieben, d. h. sie wollten den Senat entweder ganz ab- fchaffen oder auch aus dem allgemeinen Wahlrecht hervor gehen lassen. Daß ihnen in diesem Puncte vom Lande eine deutliche Absage crtbellt worden ist, ist freudig zu begrüßen. Denn die „alten Krüppel", wie man sie zu nennen liebt, bilden ein heilsames Gegengewicht gegen die stets wechselnde und unruhigen Strömungen zu leicht zugängliche Abzeordnetcn- tänimer. Andererseits aber stand aus der Fahne der Nadi- caten die progressive Einkommensteuer. Mit ihrer Niederlage hat also das chinesische Steuersystem des französischen Staates eine neue Kräftigung erfahren. Bulgarische Gerechtigkeit. * Der letzte Brief Stambulow's an denFürsten Ferdinand, dessen wir kurzEnvähuuiig thaten und in welchem der schwer kranke Mann de» Fürsten bittet, dafür einzutrete», daß ihm der mehrfach vergeblich erbetene Auslandspaß ertheilt Werve, ist eine schwere Anklage gegen den Fürsten und das Cabinet Stoilow, gegen letzteres, weil es in ungesetz licher und willkürlicher Weise Stamdutow vergewaltigte unv vergewaltigen ließ, gegen den Elfteren, weil er diesem Treiben kein Ende machte. Wenn etwas geeignet ist, mit dem auS- zusöhnen, was der Schöpfer eines unabhängigen Bulgariens etwa gesündigt hat, so ist e» die für europäische Begrifft unverständliche Behandlung, durch welche man ihm da dankte, waS er in uneigennützigem Patriotismus sür sein Volk gethan. Sämmtliche Briefe, welche der gestürzte Minister um Gerechtigkeit nnd Schutz gegen maßlose Willkür der neuen Regierung an Ferdinand von Bulgarien richtete, hat dieser unbeantwortet gelassen, auck den letzten, welcher die Erlaubniß zur Reise ins Ausland nochmals erfleht. Im Eingang dieses letzten Briefes, den Stambulow vor keiner Ermordung an den Fürsten nach Karlsbad sandte, heißt es nach der Uebersctzung der „Köln. Zeitung": Herrl Am 20. Mai 1895 hatte ich die Ehre, an Eure K H. eine Beschwerde zu richten, indem ich auf unwiderlegliche Weise die Ungesetzlichkeit und die Eigenthümlichkeit der von Ihrer Regierung getroffenen Maßregel bewies, meine Freiheit zu beschränke» und mir zu verwehren, behufs Behandlung meiner Krankheit ins Ausland zu gehen. Ich bat E. K. H-, sür die mir ent- zogenen Rechte einzutreten und den Ungesetzlichkeiten und der Willkür Ihrer Regierung ein Ende zu machen. Ich habe nicht das Glück gehabt, aus diese Beschwerde eine Antwort zu erhalten. Uebrigens ist mir daS nicht zum ersten Mole widerfahren. Als am 28. Juli v. I. der damalige Polizeipräsect M. Radoslawow mich und die Mitbewohner meines HauseS verhaftet hatte, wandte ich mich mit der Bitte an E. K H, diese »nges.tziiche Maßregel zu beseitigen, ich halte indessen nicht daS Glück, irgend eine Antwort zu erbalten. AlS am 24. August 1894 die von der Regierungspartei angeworbenen Mörder versuchten, mich vor dem Untersuchungsrichter zu ermoi den und mich an der rechte» Hand verwundet hatte», beschwerte ich mich ebenfalls bei E K. H. über diese Niederträchtigk.il; irgend eine Antwort habe ich cbenfalts nicht erdalten. Dasselbe ist mit meiner letzten Beschwerde geschehen. Als ich erster Nathgebcr E. K H. war, verfahr man ganz anders mit den Be- schwerdc» bulgariicher Staatsbürger. Einem jeden wurde entweder persönlich durch E- K. H. oder durch die Kanzlei E. K. H. eine Ant wort zu Theil. Jetzt geschieht genau daS Gegeniheil. Aus die Gesuche Ihrer früheren Raihgeder, dir von Ihrem >etzige» ersten Rathqedcr verfolgt werden, die keine andere Instanz haben, sich zu beschweren, als den Fürste» des Landes, erfolgt nichts, auch keine Antwort, die sie ausklären könnte, was aus ihren Be schwerden geworden ist. Bielleicht ist das gerade in der Ord nung: daS Unglück haben, bulgarischer Minister zu werden und hernach zuruckzutreten, ist gleichbedeutend mit dem Verlust aller Rechte als freier Bürger; man wird eine Art Paria, den Jeder ungestraft vergewaltigen, bestehlen, verwunden und erinorden kann, ohne daß man Jemand hak, der für die Bertheidigung eimrilt. Das ist die glückliche Lage der früheren bulgarischen Minister, die am 18. Mai v. I. ihre Entlassung gegeben habe». Stambulow sucht dann nach den Gründen für das Ver halten des Fürsten und glaubt sie darin finden zu sollen, daß dieser im höchste,, Grade ungehalten war über seine (Stambulow's) bekannte Uiiterbaltung mit einem Berichterstatter der „Franks. Zlg.", in welcher er höchst despcctiriich von der Rcgierungsweise »nd dem persönlichen Gehaben des Fürsten gesprochen. Wir haben s. Z. diese Indiskretion scharf verurtheilt und auch Stambulow bekennt in dem vorliegenden Briefe an den Fürsten reumütbig sein Unrecht, sür das er wiederholt um Verzeihung bittet. Gleichzeitig aber sucht er seine grobe Tactlosigkeit damit zu entschuldigen, daß er sich damals in einer geradezu verzweifelten Lage befunden habe. Er schreibt: Am 28. Juli 1894 hatte der Polizeipräsect Radoslawow mich und meine Hausgenossen verhaftet; ich beschwerte mich darüber, sobald E. K. H. nach Sofia zurückgckchrt war. Ich glaubte, daß, sobald E. K. H. von dieser »ngeietzlicheu Maßregel Kenntlich erhielte, sie geruhen würde, sie auszuheben. Meine Beschwerde wurde an E. K. H. gesandt, die Maßregel aber nicht aufgehoben. Zu oieser Zeit war eines meiner Kinder krank, und ich konnte mich nicht an einen Arzt um Beistand wenden, denn mit der Dunkelheit war es Niemand gestattet, weder mein Haus zu betreten, noch es zu verlassen. Dieser Belagerungszustand meines Hauses regte mich ungemein aus, umsomehr, als er durch nichts begründet wurde. So ging es vom 28. Juli bis zum 2. August, an welchem Tage ich den Besuch des Berichterstatters der „Franlfurter Zeitung" empfing, vor dem ich Alles ausjchüttete, was sich an Bitterkeit in meiner kranken Seele augejammelt hatte. Diese Mittheitungrn, die ich io dem Zustande grenzenloser Aufregung gegeben hatte, habe ich lehr theuer bezahlt. Es hätte nicht erst der großmüthigeu Verzeihung bedurft, um welche Stambulow den Fürsten — vergeblich — bat. vbwobl dieser PassuS des Briese- das Verhalten des mit allen Hunden Gehetzten wenn nicht entschuldigt, so doch sehr erklärlich macht — der Fürst hätte, selbst wenn Stambulow sein ärgster Feind gewesen wäre, der Gerechtigkeit um ihrer selbst und um der Ehre Bulgariens willen Schutz gewähre« müssen, aber freilich, eS waren, wie Stambulow andeutet, wen» auck nicht zu glauben vorgiebt, höhcrstebende Personen, welche dem Fürsten nicht gestatteten, seine guten Absichten auszuführen. Wo diese höherstehenden Persoue« zu suchen waren, weiß Jedermann. Des Weiteren macht der Brief Stambulow's den Fürsten darauf aufmerksam, daß der famose parlamentarische Untersuchungsausschuß, welcher den ehe malige« Ministerpräsidenten in den Kerker bringen sollte, ihm lediglich verjährte Einmischung in die Wahlen und Aehuliches, nicht aber eines der ihm Schuld gegebenen schwere» und schmachvollen Verbrechen, wie Diebstahl, Mord, Nothzucht rc. habe Nachweisen können, daß also schon darum der Erlaubniß, das Ausland aufzusuchen, nichts entgegriistehen könne. Einem Berichterstatter der Pariser Zeitung ,La Presse" gegenüber balle der Fürst geäußert: „Ou a. retstsS ses pussspotes ü Ick. Ltumbulo» ; mais il restv librs ü Zolls)'. Diesem Aus spruch de- Fürsten läßt Stambulow folgende bittere Kritik zu Theil werben: Ziveisellos haben Sie, als Sie sagte», daß ich „frei in Sofia" sei, nicht gewußt, welcher Art diese meine Freiheit ist. Bteine Freiheit in Sofia ist folgende: Ich befinde mich in einer seltsamen Hast, die nirgendwo in den Gesetzen deS Landes vorgeseben ist. Wen» ich am Tage in die Stadt geh«, so gehen hinter mir, wie hinter einem Sträfling, zwei Gendarmen zu Fuß und zwei zu Pferde. Mein Haus wird am Tage von vier Futzgciidarme» bewacht, denen sich in der Nacht noch zwei berittene zugejellen, die durch ihr fortwährende» Umherreiten nicht nur mir und den Meinen, sondern auch den Bewohnern des ganzen Viertels den Schlaf rauben. Ten Gendarmen giebt der Polizriprolect Siawkow jeden Abend persönlich de» Auftrag, wenn ich in der Nacht ausgkde, mich zu verhaften und auf die Polizei zu führen, und wenn ich Widerstand leiste, mich aus dem Fleck nieder- z»schießen. Das ist die Freiheit, Herr, deren sich jetzt Ihr einstiger erster Rathgeber erfreut und für die er vor Ihnen seine Lankdorkeit für das Eabinet des Herrn Stoilow ailSspricht. Jn- drssen es sind nictit nur diese Wodlthaten, init denen mich ,.l'sq»itk kiboolus" des H. Stoilow überhäust. Seine geheimen Agenten, zu deueu auch die Mörder der Mininer Bellschew und Wulkowitsch gehören: Haliu aus Ressna, Raum Tüsektschiew u.a. werden von der Polizei jedesmal verständigt, sobald ich das Haus verlasse. Man tdeill ihnen mit, wohin ich gehr, und diese „ehrbaren" Leutchen komine» und stellen sich in der Nahe des Aus ganges des HauseS aus, in den, ich mich anfnaite, in der ofienbaren Absicht, mein Leben gegen Uebersälle zu schützen und mir das Aus- gehen aus dem Hause besonders angenehm zu machen! Ta die Rede ist von obigen gewerbsmäßigen Mörder», so Halle ich es sür meine heilige Pflicht, E. K. H. zu melden, daß einer, Raum Tüfekt- schiew, mit 450 Franken Gehalt im Dienste angestellt ist und daß der andere, Haliu aus Ressna, geheimer Agent der haupt städtischen Polizei ist und in dem Hoiel der Gebrüder Iwanow wohnt, und Sie zu bitle», den Befehl zu geben, sie zu verhalten und vor Gericht zu stellen für den zweifachen Mord, den sie an zweien Ihrer ergebenste» Diener begangen habe». Haliu lrägt auch ein Zeichen des Beweises seines Verbrechens. An seiner rechten, bei dem Morde an Bellschew durchschossenen vand befindet sich die Narbe der Kugel- wnnde. Herr! Nach den obigen Ausführungen sehen Sie, in welcher Lage sich Ihr früherer erster Rathgeber befindet und welche Freiheit er genießt. E« ist nachgewiesen, daß die Genannten außer Stoilow und seinen Ministercollegen an Stambulow's Ermordung direct oder indirekt detdeiligt waren, von Schwarzsehern unv Velfolgungswabn kann man also bei dem Schwerverfolgtcn nicht reden, wenn er auch in seinem Verdacht gegen das Ministerium Stoilow zu weit geht. Es ist ferner nachgewiesen, daß die Sofiaer Polizei des Einverständ nisses mit den Mördern sich schuldig gemacht bat: auch hier hat Staindulow richtig gesehen. War eS nickt Feurlletsir. Dichterftimmeir aus dem Volke. n. *) Nachdruck dkrd»tti>. Wir batten in unserem einleitenden Artikel da« Leben der von Weiß Schrattenthal in hie Literatur eingesührten, im bayerischen Waid geborenen Bolksdichterin Emerenz Meier kurrscizsirt. Es sind zunächst vier Erzählungen in bayerischer Mundart, welche dieselbe dem Preßdurger Pr»- fessor unter dem Titel „Erzählungen au« dem baye rischen Wald" (TbomaS und Oppermann'« Verlag in Königsberg i/Pr.) zur Veröffentlichung übergeben hat. Die umfangreichste und zugleich bedeutendste: „Aus dem Elend", entrollt rin ergreifende« Stück echt bayerischen Wäldirriebens mit seinen Licht- und Schattenseiten. Im Mittelpunkt stehen da- aus dem Elend, einer blutarmen Gegend jenseits der Grenz« im Böhmischen, stammend», als Böhmin verachtete BeNelkind Jtta und de- wodlbabrndeo Kaltwasserer Reut- bauern Sohn Gottfried, in dessen Elternhaus die Ver lassene — ihre Mutter ist gestorben, ihr Vater »ach Amerika gegangen — Aufnahme gefunden hat. Der sonst gutmilthige Rcuibauer batte sich deftig gegen die« Werk der Barmherzigkeit gesträubt, denn im Walde ,st di« „böhmische Raff', di« fatsch, die hoamtückijch", versehmt, und nur des Bauern verwittwett Schwester, die mit einem von Schmugglern erschossen«, Grenzwächter verheiratbet gewrfen und dann wieder ins Elternhaus gezogen war, die reiche Burgl. setzt« e« durch, daß di« Kleine nicht in di« ejskalte Winteruacht hinauSgestoßr» wurde. Jtta erblüht zu einer ungemein schönen, trotz ihrer Herkunft, stolzen Jungfrau heran, der», Herz nur Gottfried *) Der erste Artikel befindet sich in Nr. 661 des vorigen Jahr ganges. gehört, obwohl dieser sie rücksichtslos behandelt und bereits mit einer andren, einer vermögenden Wäldlerin versprochen ist. Tbatiächlich liebt der junge Reutbauer die Böhmin nicht minder beiß wie diese ihn, und die standesgemäße Partie ist ihm im Grunde zuwider. DaS Berdältniß löst sich denn auch auf und die liebenren Herze» finden sich. Da tritt der Wille de« VaterS dazwischen und diesem kommt rin unvor dergesehen»« Ereigniß zu Hilfe. Als verlumpter todtkrankrr Bettler kedrt Jetta« Vater au« Amerika zurück, um seine Tochter noch «inmal zu sehen und Burgl um Vergebung zu bitten, daß er ihr — einst de« Gatten erschaffen. Das ist zu viel für drn stolzen Bauernsohn: die Böhmin hat er sich gefallen kaffen, aber die Tochter eines Mörder- kann er nicht Heiratben. Trotzdem ist seine Lieb« zu Jtta unverändert. Sie kämpf» einen verzweifelten Kamps mit dem Stolz, und Gottfried selbst erliegt in dem furchtbaren Ringen. Er kann sich zu keinem Entschluß erbeben, «rgiebt sich einem lieder lichen Leben, läßt die Wirthschaft, die er mittlerweile geerbt, verfallen, sucht durch Schmuggel sich wieder aufzuheljen, ge- räth in« Handgemenge mit den Grenzwäcktrrn, deren einen er in drn Abgrund stürzt, stellt sich selbst dem Gericht und nimmt als Zuchthäusler Abschied von der Heimath. Rach zwei Jahren — er war nicht, wie er fürchtet, zum Mörder ge worden — kehrt er zurück. Jtta'« Herz ist ihm treu geblieben; in ihrer Liebe findet er letzt moralische Erhebung und zugleich finanzielle Rettung, da Burgl ihrer Pflegetochter fast ihr ganze vermögen diuterlajsen hat. Beide werb«« ein Paar. Wundern sich die Nachbarn über den Friede» in Gottfried'« -Hanse, über den Segen auf feine» Feldern, fragen sie ihn. woher gerade ihm alle« Gute f» reichlich komme, dann antwortet er nn» einem warmen Blick auf di« «eutbäurrin: ,,«u« dem Elend". Die zweit« Erzählung: „Ein l,stige« Weib-, pflanzt d»e Tradition von dem Hanserl Euzl fort, einem weldtichen Unhold voll »oller Ideen und kecker Gedanken, einem schönen, aber «»weiblich«, Wese, au« reichem Bauernbause, ra- lachend sich über Alles, auch das schwerste Leid sich hinweg jubeln konnte, und dessen einzige sanftere Saite zerriß, als der Man» seiner Liebe seine Hand einer Anderen reichte. „Sie tauchte schnell wieder empor aus der Flutb des Schmerze-, doch ohne gewaschen, geläutert worden zu sein; sie schwamm dahin mit immerwährendem Jubel und Jauchzen dem Strudel zu, der sie binunterwirbelte. Nach zwanzig Jahren war ihr Hof verkauft, ihr Vermögen dahin, zum Theil in die Hänve Mischer Freunde verschwunden — das einst so reiche, stolze Hanserl Euzl ward zu einer „Ouartiererin. Zehn Jahre noch zog sie jauchzend von Dorf zu Dorf, vo» Haus zu Hau-, vaS verkörperte lustige Eiend." Aus schmutzigem Lager starb sie achtzigjährig. Ihr TodeSschrei war ein schrilles, langgezogene» „Jubuhul" Im ,Brechelbrei" ist «S der vermögenden Ebristl- bäuerin Sobn, Sepp, der die arme Mirz innig liebt, aber sie nicht deimfübren soll, weil seine Mutter kein Betteldirndl atS Schwiegertochter will. Da kommt eine Katastropbe da zwischen, welche das im Grunde gute Herz der Ehristtbäuerin umstimmt. Im „Ehristtdauerbarbause" wird von den Dorf mädchen Flachs gebrrchelt (gedroschen), den dunkeln Heizraum, in welchem die Bündel geröstet werden, besorgt di» Mirz; da tritt Sepp zu ihr, um von ihr endlich Ja oder Rein zu wissen. Sie versagt >bm ihre Hand, weil si« z» stolz ist, sich der Ehristtbäuerin auszudrängen, er stürmt, von Schmerz und Grimm übe,mannt, zur Heizkammer hinaus, den brennenden Span achtlos in die Flachsdündel werfend, so daß in, Nu das ganze Harhaus, aus dem für die unglückliche Mir; kein Ausweg mehr ist, in Ftammrn steht. Schon brechen dir Balken zusammen, da badnt sich Sepp einen Weg durch die Gluth, unv es gelingt »dm, die Geliebte zu retten, rb« es zu spät ist Diese« Ereigniß verfehlt nicht seinen Eindruck aus die Ebristlbäuerin, zumal Sepp nicht viel Wort» brauch», um sie zu überzeugen, daß sie ebenfalls einen Tbcil an der Schuld trage, indem sie durch ihre barten Worte daS Mädchen so sebr erbittert bade, daß sie ibn nicht einmal mehr wollte. Sie siebt ein, daß Beide vor Gott für einander „beschaffen" sind, und so löst sich, da die Verletzungen, welche die Mirz davongetragen, nicht allzu gefährlich sind, Alles in Wohlgefallen auf, und die Ebristlbäuerin läd Irden, der sich mit freuen will, zum Brechlbrei, einem Eierkuchen, ein, der für die Flachsdrescherinnrn gebacken wird, den aber Niemand so gut und so schmackhaft Herstellen kann wie die Christi bäuerin, die aber auch jedesmal — „vierzig Eier dazu verschlagt". Der Held der „Madlhüttler" (Holzhauer im Hochwald) endlich ist der junge prächtige Hütten-Severin, der naw ge tbaner Arbeit vor seinem Bergbäuschen gar schöne Lieder zu dickten und zu compoinren weiß, die heute weit und breit in Aller Munde sind. Dem Severin ist die reiche Dorfwirlbin Senzi gut, und er liebt die schöne stattliche Bäuerin nickt minder. DaS erregt den Neid zweier vermögender Bauernsöbne, sie fangen im WirtbS- baus Streit mit Severin und seinem Genossen an, als er eben wieder mit einem seiner schönsten Lieder alle Herzen bezaubert, und dabei stößt ihm der eine Großbauer das Messer in die Brust. Senzi nimmt den Schwerverletzten bei sich auf und gesteht ihm ibre Liebe. Au« falschem Sto'.z verbeimlicht Severin da- Gefährliche des heimtückischen Stiches, der die L^'nge gestreift ; glücklich über das Jawort der Ge liebten, steigt er wieder zu seiner Hütte hinauf, um sie lebend nickt mehr zu verlassen: er stirbt in den Armen Senzi'S, seine Lieder aber leben heute noch fort im Volksiuund als „uusrige Liedel". ES ist lein« groß« Weltblihne, auf welcher die Gestalten der Emerenz Meier sich bewegen, der Schauplatz ihrer Er zählungen ist der eng begrenzte ihrer heimischen Berge und T Haler, und die Menschen, die sie uns näher zu bringen sucht, sind immer die ihrer nächsten Umgebung. Da zugleich das Denken und Empfinden, das Lieben und Haffen, daS Hoffen und Streben jener Naturkinder in nickt minder beschranktem Kreise sich bewegt und da vor allem die Erzählerin selbst, ob wohl reich begab», doch mit ihrem ganzen Sein in jenen Bcr- üältniffen wurzelt und deshalb von ihrer Umgebung dem Wesen nach fick nickt unterscheidet, da sie, wenn auch edler und geklärter als ihr« Dorfgenossinnen, so doch nicht minder schlicht
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