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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189701101
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970110
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970110
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-10
- Monat1897-01
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.01.1897
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Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es RatHes «nd Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Annahmeschluß für Anzeigern Abend-Aukgabe: vormittag« IO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Volz in Leipzig. .N 16. Sonntag den 10. Januar 1897. 81. Jahrgang. Äus -er Woche. Ein Zufall hat e« gefügt, daß die CabinetSordre deS Kaiser« über die Zweikämpfe im Heere fast gleichzeitig mit der bedeutsamen Abhandlung Prof. Binding's über daS Duellwesen überhaupt veröffentlicht worden ist. Zn der Presse tritt die anfänglich vorherrschende Genugthuung über die kaiserlichen Anordnungen jetzt mehr binter die Bemänge lung der Vollständigkeit der Ordre zurück. Man begegnet auch in nationalliberalen Organen Auseinandersetzungen, die im Grunde nichts Anderes sind, als der Ausdruck des Bedauern« darüber, daß der Monarch und oberste Kriegsherr nicht konform den Denk ergebnissen des Akademikers decretirt hat. Der Kaiser, so wird gesagt, hätte den Officieren den Zweikampf unbedingt nnd für alle Fälle ausdrücklich verbieten sollen. Diese Kritik überschätzt zwar nicht die Macht de« obersten Gebieters de« HeereS, Wohl aber diejenige deS Monarchen. Bei jenen delikaten socialen Zusammenstößen, deren Beendigung durch einen Zweikampf auch nach Bindung die meiste innere Be rechtigung haben, würde ein Duellverbot für Officiere keine andere Folge haben, als die, daß das Duell doch stattfände, die Armee aber einen oder zwei, vielleicht besonders tüchtige Officiere verlöre. Der beleidigte Officier würde eben seinen Abschied nehmen, um ohne militairiscke Gehorsamsverweigerung eine Herausforderung ergeben lassen zu können, mid der Beleidiger, wenn er gleichfalls Officier wäre, würde, so lange die in Osficierkreisen herrschende Auffassung von der Ehren pflicht nicht vollständig auSgerotlet ist, seinem Beispiele folgen müssen, um Genugthuung zu geben. Die Meinung, die Abschaffung des Duells im Lande könne durch die Be seitigung der Einrichtung in der Armee herbeigcführt werden, ist irrig. Und schwerlich würde die Annahme der Binding'schen Gesetzesvorschläge zu diesem Ziele führen, denn sie scheinen nicht verhindern zu wollen, daß unter Umständen Zwei kämpfer nicht ander« bestraft werden als heute geschieht. Eine Beschränkung der Zahl der Duelle, auch der durch schwere Kränkungen besonderer Art veranlaßten, dürste man sich allerdings versprechen, wenn die Gerichte in die Lage versetzt würden, den Beweggründen der That hier ebenso nachzngehcn wie bei anderen strafbaren Handlungen. Bis cs dahin kommt, werden die Darlegungen Binding's ihren Einfluß auf die Sitte nicht verfehlen; sie machen, indem sie sich von aller Verbissenheit fernhalten, unstreitig einen stärkeren Eindruck, als daS, was Schopenhauer über den Gegenstand gesagt hat. Und es kommt ihnen zu Statten, daß an mehreren Stellen Jedermann für die Richtigkeit der Behauptung ein Beispiel aus der jüngsten Vergangen heit vor sich auftauchen sieht. Prof. Binding schreibt: „. . . DaS Duell ist eine Form, der sich die größte Gemeinheit genau so bedienen kann, wie eine edle Ge sinnung." Wer denkt da nicht an Herrn v. Hammerstein, von dem Herr v.Kröcher im prenßischenAbgeordnctenhause bezeugt bat, daß der schwerer, ehrloser Verbrechen sich Bewußte durch die Möglichkeit, Ankläger aus den Reihen seiner Standcs- und Parteigenossen zum Ehreukampfe zn fordern, sich eine geraumere Zeit, als sonst denkbar gewesen, in seiner Stellung bat behaupten können? Der Ausspruch Bindings, daß der Zweikamps nicht einmal für den Muth der Kämpfer sicheres Zeugniß biete, bewahrheitet sich gleichfalls an Herrn v. Hammerstein, der gewiß nickt aus religiösen oder sittlichen Beweggründen er unterlassen hat, sich seinem irdischen Richter zu entziehen. Hat Binding den vollen Beifall auch der demokratischen Presse, insoweit er die Duellr ohne Ausnahme verdammt, so siebt er sich von dieser Seite im Stiche gelassen, wenn er als Cvrrelat der Aufhebung der Duellgescye strenge Bestrafung der Beleidigung und Verleumdung fordert. Da wird, beispiels weise in der „Boss. Ztg", etwas von oben herab von der begreiflichen sittlichen Entrüstung des Leipziger Rechtslehrers gelprochen, mit einigen Drehungen und Wendungen für daS Recht der Presse aus Verleumdung plaidirt und dabei die ungeheuerliche Auffassung bekundet, daß die Verleumdung nicht unter allen Umständen auS ehrloser Gesinnung hervor- gehen müsse. Wenn, wie Binding will, auf Verleumdung Zuchthaus steht,dann wird allerdings da und dort imZeitungSs- wesen eine erhebliche Verengerung des Wirkungskreises ein- treten müssen. Der Streik der Produktenbörsen geht vorläufig noch weiter. Un« wird von Zeitungen und sogar — man denke! — „in Zuschriften von parlamentarischer Seite" ein Verhalten ver übelt, daS eben diese Zeitungen während der ganzen Börsen gesetz-Campagne und bis vor acht Tagen beobachtet haben. Wir müssen uns jedoch als gänzlich unbußfertig declariren und bitten, bei einer etwaigen Verurtheilung uns den Mangel eines miserabel schlechten Gedächtnisses als mildernden Umstand anzurechnen. Es ist richtig, eß giebt Kausleute, die niemals etwas mit legitimen, geschweige denn mit verwerflichen Börsenspekulationen zu thun gehabt haben und dennock da« Börsengesetz als eine Kränkung der „deutschen Kaufmannsstandes" empfinden. Aber wenn diese Herren sich von einer geschickt auf unbescholtene.Feibens- genossen" ihrer sehr bescholtenen Hintermänner fahndenden Speculantenpresse haben dupiren lassen, so ist das für unab hängige Zeitungen kein Grund, ein Gleiches zu tbun und mit Einbildungen wie mit Thatsacken zu rechnen. Wir bleiben dabei, daß ein Hamburger Rheder oder ein rheinischer Großkaufmann, und handelte er auch mit Getreide, kein Recht zur Beschwerde bat, wenn Leuten wie die Herren Ritter und Blumenseld, die nicht einmal auf der Produktenbörse Anseben genossen, daS Handwerk gelegt wird. Und wir sind der Meinung, daß der ehrbare Kaufmann, der sich plötzlich mit den Existenzen, die den Anstoß zu der Börsenreforin gegeben haben, solidarisch erklärt, seinem Stande mehr Unehre zufügt, als derjenige, der soliden Handel an und außerhalb der Börse und im Zusammenhang mit dem börsenmäßigen Hazardspiel scharf auseinander hält. Daß extremagrarische ebner und Zeitungen sich Beschimpfungen deS soliden Handelsstandes zu Schulden kommen lassen, ist nicht zu be streiten. Aber sie ertveffen sich hierin nur als gelehrige Schüler der freisinnigen Redner und Preßorgane, die Jahr zehnte hindurch die Anhänger der Schutzpolitik mit Anreden wie „gewissenlose Ausbeuter der Steuerzahler", „Schweine politiker", „Schlotjunker", „Flaschenbarone" rc. regalirt haben. Als ein unfehlbares Mittel, sich über die beleidigende Sprache vereinzelter Agrarier zu beruhigen, sei den Producten- händlern daS Durchblattern von einigen Jahrgängen der „Freisinnigen Zeitung" des Herrn Richter, namentlich des jenigen von 1890, empfohlen. Sie werden dabei finden, daß ein ihnen sehr HenehmeS Zeitungsblatt bei seinen und ihren (der Productenhandler) Gegnern lange nicht die feine Haut vorausgesetzt hat, die die Mitglieder der Prooucten- börse jetzt an sich selbst berücksichtigt sehen wollen. So lange die Klagen unter dem Gesichtspunkt der an geblich geschädigten, in Wirklichkeit aber unangetasteten Ehre der rechtschaffenen Händler vorgebracht werden, dürfen sie nicht auf Gehör rechnen. Sachlichen, wohlbegründeten AenderungSvorschlägen wird sich keine denlsche Regierung verschließen. Um solche machen zu können, muffen die Pro duktenbörsen aber vorher functionirt haben. Aus den Schmollwinkel heraus, der ungünstigsten Position, die man sich im wirthschaftlicken wie im politischen Leben aussuchen kann, kann man kein Entgegenkommen verlangen. Der Staat ist außer Stande, Anordnungen zu ändern, bevor Diejenigen, die eS angebt, versucht haben, ob die An- ordungen durchführbar und zweckmäßig sind oder nicht. Die preußische Regierung läßt die „freien" Börsen zunächst schalten und thut unseres Erachtens wohl daran. Aber lange kann das nicht weitergehen, denn der FiScus, sei es der deutsche mit Forderungen aus dem Ncichsstempelsteuergesetz oder der preußische mit Berufung auf seine Ansprüche, muß sich melden, da er nichts zu verschenken hat. Der preußische Finanzminister hat seinen in den größeren Umrissen schon bekannt gewesenen und erörterten glänzenden Etat im Abgeordnetenhause mit einer Rebe ein gebracht, in der er unseres Erachtens sehr richtig die Tbat- sache in den Vordergrund stellte, daß der augenblickliche glänzende Stand der preußischen Finanzen fast ausschließlich auS der Steigerung der Betriebseinnahmen (Eisenbahnen, Bergwerke u. s. w.) herrührt. Mit anderen Worten: der Staat als Gewerbetreibender participirt an der günstigen Lage deS Verkehrs, die eigentlichen Staatseinnahmen, die Steuern, obwohl auch sie gestiegen, würden die Ansetzung von sehr dringlichen Mehrausgaben für Gebältererböhung, Wittwen- und Waisenversorgung nnd andere Zwecke nicht ermöglicht haben. Bei der Beurtbeilung der allgemeinen deutschen Finanzlage ist eS nöthig, sich diesen Sachverhalt zu vergegenwärtigen. Deutsche- Reich. X Berlin, 9. Januar. Die Verfügung des preußischen Justizministers, daß die Bauhandwerker auch ohne Er laubnis deS Unternehmers Einsicht in daS Grundbuch sollen erhalten können, ist als Versuch, die Handwerker gegen Benacktheiligungcn zu schützen, dankbaren begrüßen und ver dient Nackabmung auch in anderen Staaten. Freilich will eS unS fraglich erscheinen, ob der praktische Erfolg auch völlig erreicht werden wird. Ersten- nämlich wird sich der Handwerker auS den Runen deS Grundbuches schwer heraussinden können und die Abteilung I wird ihm ebensowenig über Umfang und Werth deS Grundstücks, wie die Abtbeilungen II und III über die Belastungen desselben vollen Aufschluß geben, wenn ibm nickt daS Gericht-personal hilfreich zur Seite steht. Wir wollen wünschen, daß es dabei entgegenkommender ist, als häufig bei der Aufnahme von Klagen und anderen Tbätig- keiten, die dem Nutzen deS PublicumS dienen sollen. Zweitens aber fürchten wir, daß der Erfolg deswegen problematisch sein wird, weil ja durch die Einsichtnahme deS Hand werker« keine Sperre gegen spätere Belastungen deS Grundstücks geschaffen wird. Der Handwerker wird natürlich von der Vergünstigung der Einsichtnahme regel mäßig Gebrauch machen, bevor er mit seinen Arbeiten beginnt. Wenn eS erst einige Male sich ereignet haben wird, daß die Handwerker, erschreckt durch die Höbe der Belastung, die Lieferung bezw. die ihnen über tragene Arbeit nicht annebmen, so werden manche Bau- spcculanten den Ausweg finden, daß sie im Einverständniß mit ihren Gläubigern die großen Hypotheken erst eintragen lassen, wenn die Arbeiten im vollen Gange sind. Der Hand werker, der also vorher daS Grundbuch eingesehen hat, hat tatsächlich ein falsches Bild erhallen. Siebt er aber erst nach Ablieferung seiner Arbeiten daS Grundbuch ein, so ist eS ibm ein trauriger Trost, zu seben, daß das Grundstück überlastet ist und er mit seiner Forderung ausfällt. Die Maßregel des preußischen Justizministers ist also sehr dankens- wertb, aber wirkliche Hilfe kann nur durch gesetzliche Maß nahmen geschaffen werden. * Berlin, 9. Januar. Die ministerielle „Berl. Corr." schreibt: „Die „WirtbschaftSpolitischen Blätter", amtliches Organ deS Bundes der Landwinhe, besprechen in ihrer Nummer vom 6. d. M. die Stellung der Re ichS- regierung, namentlich des Reichsamts des Innern, zur Handwerkervorlage und zur Ausführung deS Börsen gesetze S in einem Artikel, welcher mit Entstellungen der Wabrbeit angefüllt ist. Folgende Punkte seien hervorgehoben: Die Angabe des Blattes, die Handwerkervorlage sei auf Gebeiß des Reichsamts deS Innern zurückgezogen, ist durch die Erklärungen des Herrn StaatSsecretairs des Innern in der Reickstagssitzuna vom 2. Deceniber v. I. schon im Voraus widerlegt. Der Gesetzentwurf ist als Antrag Preußens am 20. Juli v. I. dem Bundesrath zugegangen und von diesem geschäflSordnungSmäßig den zuständigen Ausschüssen überwiesen worden, welche ihrer seits eine Subcommission mit der Umarbeitung be traut haben. Demnächst wird der Bundesrath über die Vorlage Beschluß fassen, — mit welchem Er zebniß, läßt sich nicht vorausseben. Was daS Blatt über eine öffentliche Bekämpfung deö Entwurfs und über sonstige Einwirkungen auf die Stellungnahme des BundeSratbs durch den EtaatSminister vr. von Boetticher erzählt, ist völlig aus der Luft gegriffen. — Hinsichtlich des BörscngcsetzeS wird behauptet, „daS RcichSamt deS Innern sträube sich, eine gesetzliche Begriffsbestimmung des Getreide termin Handels zu geben". Es ist unmöglich, diesen: Satze einen Sinn abzugewinnen. Die gesetzliche Definition deS BörsenterminbandelS ist vorhanden; sie füllt den 8 48 deS Börsengesetzes auS und wird durch die ßH 51 und 52 ergänzt. Dem Reichskanzler mangelt es an jeder Besugniß, die von BundeSralh und NeickStag ein hellig gebilligte Begriffsbestimmung in anderer Weise fest- rüstellen. Wenn ferner „die auffällige Verzögerung in der Ausarbeitung der Börsenordnungen" mit dem Verhalten des Reichsamts de« Innern in Verbindung gebracht wird, sc Kälte den Verfasser deS Artikels ein Blick in das Börsen gesetz darüber belehren können, daß die Genehmigung der Börsenordnungen nicht Sache der Reichsverwaltnng, sondern durch 8 4 ausdrücklich den Landesregierungen über tragen ist. Um die Mitschuld des Reichsamts des Innern an dem verzögerten Erlaß der Börsenordnungen, dessen Ursachen bereits früher auseinandergesetzt worden sind, ein leuchtend zu machen, bringen die „WirthschaftSpolitischen Blätter" Folgendes vor: „Die auffällige Verzögerung in der Ausarbeitung der Börsen ordnungen fiel zeitlich zusammen mit der Entsendung des vr. Schumacher aus dem Reichsamte des Innern nach Nord amerika, um dort die „Formen des Getreidehandel«" zu stuLiren. Und was berichtete dieser Herr? Er veröffentlichte nach seiner Rück kehr aus Nordamerika — doch wohl nicht ohne Einwilligung seines Chefs, des Herrn v. Boetticher! — in den „Preußischen Jahr- büchrrn" einen Aussatz, in welchem er darlegte, daß in Nordamerika dir Grireidesprculation und der Terminhandel auch ohne amtlichen Cour-zetlel und durch freie Händlervereinigungen zu hoher Blüthe gebracht sei. Insofern ist Herr vr. Schumacher, der Beamte des Reichsamtes deS Innern, derjenige gewesen, der die Auflösung der Getreidebörsen und die Bildung von freien Händlervereinigungen den betheiiiglen Kreisen zuerst nahe gelegt hall" Um diese Insinuation zu beleuchten, wird e- genügen, festzuftellen. daß der Referendar vr. Schumacher seine amerikanische Reise im Jahre I8S3, mehr als drei Jahre, bevor an die Ausarbeitung der Börsenordnungen gedacht werden konnte, mit dem Stipendium eines amerikanischen Privatmannes ausgesübrt bat und daß er weder damals, noch in einer späteren Zeit zu dem Reichsamte des Innern in irgend welchen Beziehungen gestanden hat. — Besonder- charakteristisch ist eS endlich, wenn das Preßorgan sogar die Centralmeldestelle für Getreidepreise mit dem feierlichen „Auszug aus den Produktenbörsen" in Zusammen hang bringt; in Voraussicht dieses Auszuges soll Herr v. Boetticher Vorsorge dafür getroffen haben, daß nicht die Militairverwaltung hinsichtlich der HeereSverpflegung durch den Wegfall des amtlichen CourSzettelS für die Gelreidepreise in große Verlegenheit komme. Auch wird die Umgehung der LandwirtbschastSorgane bei „der Zusammensetzung der Central- meldestelle" beklagt. Hierzu ist Folgendes zu bemerken: Hauptsächlich für Zwecke der Heeresverwaltung erfolgen schon seit langer Zeit an allen Marktorten amtliche Erhebungen über die an jedem Markttage gezahlten Getreidepreift. Auf die Benutzung dieser Erhebungen für HeereSzwecke ist daS Bestehen oder Nichlbesteben von Produktenbörsen ohne jeden Einfluß. Um nun die Erbebungen für weitere Kreise nutzbar zu machen, ist die Einrichtung getroffen, daß sie von etwa 50 der wichtigeren deutschen Marktplätze telegraphisch dem Kaiserlichen Statistischen Amt gemeldet werden, welches sie zusammenstellt und im „Reichsanzngei" veröffentlicht. DaS ist die sogenannte Centralmeldestelle, bei deren Zu sammensetzung die LandwirtbschastSorgane nicht haben über gangen werden können, weil nicht- zusammenzusetzen war. Daß aber diese Einrichtung von einem Blatte angefochtcn Feurlletsi». Das Sanssouci einer verlassenen Königin. (Eine Säcularerinnerung.) Vün Otto Franz Gensichrn. Nachdruck auch im Lin-elnen verbot«». Am 13. Januar 1797 starb, zweiundachtzigjährig, die Wittwe Friedrick's des Großen. Das Einsiedlerleben des Philosophen von Sanssouci ruft so völlig daS Bild eines eckten Junggesellenheims hervor, daß wohl selten Jemand an die Gemahlin deS Helden denkt. Und doch war ibm die weitaus längste Ehe unter allen früberen Hohenzollern be- schieden, und nur Kaiser Wilhelm I. übertraf «hn hierin später. Ueber dreiunvfünfzig Jahre war Friedrich verbeirathet; er hätte seine silberne und goldene Hochzeit feiern können, aber beide ließ er unbeachtet vorübergrhrn. Während der silbernen, 1758, weilte er fern von seiner Hauptstadt auf den Schlachtfeldern de« siebenjährigen Krieges, und wenn er die Zeit seiner goldenen Hochzeit, 1783, auch in tiefstem Frieden zn Sanssouci verbrachte, so verzichtete er doch auf jede Feier, da er seit dreiundvierzig Jahren völlig getrennt von seiner Gattin gelebt batte. Die Vermählung mit der am 8. November 1715 geborenen Prinzessin Elisabeth Christine von Braunschweig-Bewern war eine von den Bedingungen, durch deren Erfüllung Friedrich erst die volle Verzeihung seines Vater», deS strengen Soldaten königs Friedrich Wilbrlm« I., und die Entlassung aus der drückenden Haft zu Küstria erlangte, wo ver feurige Prinz, Anfang» sogar mit dem Tode bedroht, für uabesonnene Streiche seiner Jugend und für einen mißlungenen Flucht versuch schwer hatte büßen müssen. Sein Freund Katte war dort vor seinen Augen enthauptet worden, und er selbst entging nur mit Mühe dem gleichen Schicksal. In völliger Zerknirschung unterwarf sich Friedrich dem eisernen Willen seines Vater«, der ihm die erkorene Prinzessin brieflich als „woblaufgezogen, modeste und eingezozen, nit häßlich, auch nit schön, ein gotteSfürchtige« Mensch" schilderte. Bei der ersten Begegnung zwischen Friedrich und Elisabeth waren bei Letzterer, wie Baron Seckendorf berichtet, „die roihen Flecken von den Blattern, die sie gehabt, noch nicht vergangen". Spater scheinen sich die sichtbaren Spuren dieser Krankheit völlig verloren zu haben, da sie in den häufigen Schilderungen von Elisabeth'« „weißem Teint" nickt mehr erwähnt werden. Friedrich'« Mutter, welche grundsätzlich gegen diese Ehe ein genommen war, schrieb über Elisabeth: „Die Prinzessin ist schön", macht jedoch den Zusatz: „aber dumm wie ein Bund Stroh und ohne die geringste Erziehung; ich weiß nicht, wie Friedrich sich mit dem Dummbart vertragen wird." Daß eS mit Ver „Dummheit" nicht gar so arg gewesen sein kann, beweist Friedrich'« ausdrückliche Anerkennung, daß sie „büchst gelehrig" sei, und auch Elisabeth'« spätere schriftstellerische Leistungen zeugen nicht gerade von Dummbeit. Sie mag etwa« unbebilflich im Auftreten und Plaudern gewesen sein, »nd weil ihr der Gatte, die Schwiegermutter und Schwägerinnen mit ausgesprochener Abneigung entgegenkamen, so wurde sie dadurch wohl noch mehr verschüchtert. „Sie tanzt wie eine GanS", schrieb Friedrich in jüngeren Jabren von ihr, und seine geistreichste Schwester, die scharf- züngige Markgräfin von Bayreuth, berichtet in ihren Me moiren: „Die Kronprinzessin ist groß, aber von schlechter Haltung und WuchS; sie ist von blendend weißem Teint, und diese Weiße ist von de» lebhaftesten Farben gehoben; ihre Augen sind von einem blaffen Blau und verratben nicht viel Geist, ihr Mund ist klein, alle ihre Züge sind niedlich, ohne schön zu sein, und da- gesammte Ganze ihres Gesicht« ist so reizend und so kindlich, daß man glauben sollte, dieser Kopf gehöre einem Kinde von zwölf Jabren. Ihre Haare si"v blond und natürlich gelockt. Aber alle ihre Schönbrilen sind durch schwarze und übet gestaltete Zähne entstellt. Sie hat wenig Anstand, ist im Sprechen sehr unbehilflich, sie kann sich schwer verständlich machen, eS ist nötbig, zu errathen, was sie sagen will, waS sehr in Verlegenheit setzt." Die Verlobung fand am 10. März 1732, die Hochzeit am 12. Juni 1733 statt. Bei letzterer stand Friedrich im zweiundzwanzigsten, seine Gattin im achtzehnten Lebensjahre. Vorher äußerte Friedrich zu einem Vertrauten über die Prinzessin: „Ich habe keinen Widerwillen gegen sie, sie ist ein gutes Herz, ich wünsche ihr nichts UebleS, aber ich werde sie nie lieben können." Nach der Vermählung äußerte er: „Ich müßte der verächtlichste Mensch von der Welt sein, wenn ich sie nicht wahrhaft achten wolltej denn sie ist sebr sanft, höchst gelehrig und übermäßig gefällig, indem sie jedem meiner Wünsche zuvorzukommen sucht." Kronprinz Friedrich hatte damals in Ruppin seine Garnison und übersiedelte dorthin mit seiner Gemablin. Sein durch die Heiratb fast völlig versöbnter Vater kaufte ihm daS Schloß Rbeinsberg bei Ruppin, das nack gründlichem Umbau im August 1736 von Friedrich und seiner Gattin bezogen wurde. Diese RbeinSberaer Jabre waren nicht nur für Friedrich, sondern auch für Elisabeth die weitaus glücklichsten. So lange der strenge Friedrich Wilhelm I. lebte, ließ eS der Kronprinz aus Furcht vor dem Vater nickt an Artigkeit gegen die Kronprinresün fehlen. Vielleicht wäre die Ebe trotz beiderseitiger Abneigung doch noch eine wahrhaft glückliche geworden, hätte sie nicht jeglichen Kindersegen« ermangelt. Mil Ausnahme eine« flüchtigen Aufenthalte» im Lager de« berühmten Feldberrn Prinz Eugen von Savoyen gelegent lich de« von diesem im Jabre 1734 geleiteten ReickSkriegeS gegen Frankreich verbrachte Friedrich die ganze Zeit b>« zu seinem Regierungsantritt in Ruppin und RbemSberg. Hier wechselten fröhliche, glänzende Feste nnt ernsten philosophischen und kriegSwissenschaftlichen Studien. Hier blie« Friedrich d,e Flöte und coniponirte, hier knüpfte er die Eorrespondenz mit Voltaire an und schrieb iu französischer Sprache seine eigenen ersten Schriften, wie den „Anti - Macckiavell" und Anderes hier laS er die griechischen und römischen Schrift steller in französischen Ucbeiseyungen und daneben die modernsten militairischen Fachschriften; hier dnrchschwärmte er zuweilen die Nächte bei schäumendem Champagner und manchen unfeinen Scherzen. Ein Genosse der RheinSberger Hofgesellschaft, Freiherr von Bielfeld, schildert in einem vertrauten Briefe vom 30. Oktober 1739 die damals vierundzwanzigjährige Kron prinzessin: „Sie ist edel und woblgewachsen; nie sah ich regelmäßigere Verhältnisse, Hals, Hände und Füße könnten einem Maler z»m Muster dienen. Ihr Haar ist vom schönsten Cendrö und spielt, wenn es gepudert ist, wie Perlen. Sie bat eine sehr zarte Haut und große blaue Augen, welche sanft, aber dock voll Leben sind. Ihr Blick ist vielsagend. Sie hat eine offene Stirn, schöne Augenbrauen, eine kleine Nase, einen angenelniieu Mund und ein sebr hübsches Kinn. Ihr ganzes Gesicht bat den Ausdruck der Anmuth und Güte, und alle Grazien scheinen sich vereint zu haben, diese Fürstin zu bilden." Mag der glatte Höfling hier auch zu rosig gemalt haben. — die vorhin erwähnten Urtheile von Friedrich, seinen Eltern und seiner Schwester beweisen, daß Elisabeth rin bessere« Schicksal verdiente, als Friedrich nach seiner am 31. Mai 1740 erfolgten Thronbesteigung ihr bereitete. Mit den Worten: „Das ist Ihre Königin!" stellte er sie dem ver sammelten Hofstaat vor und küßte sie dabei herzlich. Hier mit waren aber seine ehrlichen Zärtlichkeiten für sie fortan beendet. Er richtete ibr einen reichen Hofstaat ein, der jedoch von seinem eignen völlig getrennt war. ZumSommer- ausrnthalt bestimmte er ibr daS Lustschloß Schönbansen bei Berlin, während sie im Winter in den später nach ihr be nannten „Elisabeth-Kammern" de« Berliner KönigSschlosftS residirte. Nack, dem im Juni 1757 erfolgten Tode seiner Mutter überwies Friedrich seiner Gemahlin auch noch
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