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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970112020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897011202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897011202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-12
- Monat1897-01
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Reelamrn unter dem Redactionsslrich (4a»- spalten- 50 nZ, vor den Familiennockrichten (6 gespalten) 40/^- Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Meralstz nach höherem Tarif. Vitra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesördernng oO.-, mit Postbesürderung -st ?ü — Annahmeschluk für Anzeigen: Nbend-Ansaabe: Vormittags 10 Ubr. «'iorgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Vrtzedition zu richten. — Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 2«. Dienstag den 12. Januar 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschon. * Lctvzi«, 12. Januar. Der Reichstag, der deute seine Arbeiten wieder ausnimmt- wird sich voraussichtlich sofort mit aufregenden Tagesfragen beschäftigen. Auf der heutigen Tagesordnung steht die zweite Beratbuna de« Etat« des Neicksamt« des Innern, es ist somit Anlaß gegeben, auf die Vorgänge an der Börse und den Hafenarbeiterausstand in Hamburg zu kommen. Ueher- haupl werden die zweite und die dritte Beratung des Etats, obgleich sie bis zum I. April beendet sein müssen, zu breiten und scharfen Erörterungen führen. Beim Militairetat werden die Bewaffnung der Artillerie, die Verstärkung der französischen Armee, die Militairstrasproceßreform, falls bis dahm die Vorlage nock nicht vorliegt, die Ehren gerichte und socialdeniokratische MilitairmißbandlungSklagen erörtert werden; der Marineetat wird wieder klerikale und radikale Beschwerden Uber Weltmacht- und Flottenpolitik bringen, der E v lo n ia let a t wird ebenfalls, zumal da in den leitenden Stellen in der Colonialverwaltung und der größten Eolonie Personalverändcrungen vorliegen, zu eingehenden Debatten Veranlassung bieten. Jedenfalls wird bei der Be- rathung dieses Etats auch die Klage nicht außer Acht gelassen werden dürfen, die in der „Tägl. Rndsch." ein begeisterter Anhänger der deutschen Eolonialbewegung darüber erhebt, daß unsere Eolonialpolitik ebenso wie leider unsere ganze innere Politik unter dem Zeichen deS Centrnms stebe. Der Verfasser begründet diese Klage folgendermaßen: „Deutsch-Ostasrika, unsere größte Eolonie, erfordert auch in diesem Jahreshaushalt einen Reichszuschuß von 4' » Millionen Mark. Die Frage, wie diese Belastung der Reichrcosse zu ver- mindern sei, ist bekanntlich noch ungelöst. Sicher ist nur, daß weitere Fortschritte des Plan tagend aus, wie sie schon im ver gangenen Jahre augenfällig geworden sind, auch in diesem und in den folgenden Jahren höhere Zolleinnahmen im Schutz gebiet herbeisühre» und insofern einen langsamen, aber soliden wilthjchaftlichen Aufschwung des Schutzgebietes darstellen werden. Auch die Besiedelung des Kitima- Ndscharo und der Verkehr dorthin machen wohl weitere Fort schritte und endlich mag man in den neueste» mineralogischen Funden, Kohlen iinv Gold, günstige Vorzeichen erblicken. Im Dunkeln aber bleibt vorläufig die Aufgabe, ein weiteres Z» rückgehen des Elsenbeinhnndels zu verhindern. In rajcher Steigerung hat sich dic Elfenbeinanssuhr ans dem Binnenland ans dem in englische» Händen befindlichen Wasserwege Nhassa-Schire-Sambese vollzogen, der Landoerkehr durch das deutsche Gebiet nimmt stetig ab. Auch von einer „Central bahn" von Bagamoho zum Tanganyika ist eine Aenderung toniu zu erwarten, denn die Ersvarniß an Trans- vorlkosten sichert dem Wasserwege unabänderlich die Ueberlegenheit. Hieraus crgiebt sich aber die Nothwendigkeit, denticherieits entweder aus der bereits offenen Wa sjerstraße mit den Engländern zu concur- riren, oder sich eine eigene im deutichen Gebiet zu schassen — oder beides zu tbun. Nun bietet sich »ns der in deutschem Gebiet ent- springende und mündende Uianga-Rufidschi. Sein Oberlauf ist noch nicht erforscht, wenn aber die Verhältnisse einigermaßen günstig liegen, jo ergiebt sich die Möglichkeit, die Entfernung zwischen dem südliche» Theil deS Tanganyika zur deutschen Küste zu zwei Dritteln z» Wasser zu bewältigen. Hier liegt also das zur Zeit bedeutsamste Ziel unserer ostasrikanischen Handelspolitik. Man sollte meinen, die Reichsregierung und die privaten Colonialkreise batten alle .Hebel angesedt, um die Erforschung und möglichenfalls Eröffnung des Rnfidschi- Ulanga zu bewirken. Aber die Colonialleitung wagt keine Special- wrder»ng, offenbar aus Besorgnis vor der Ablehnung durch das Cent rum, und in der Deutichen Colonialgesellichast übcrwiegt bei Weitem das Interesse für den „Tanganyika Kämpfer". Dieser aber kommt — es ist nöthig, das einmal auszusprechen — fast ausschließlich katholischen Interessen zu Gute. Man spricht zwar auch von einem Schutz dentjcher „Handeisinteresjen" ans dem Tanganyika. Worin ober (ollen diese bestehen, wenn keine deutschen Agenten, keine deutschen Gesellschaften sich finden, die dar! Handel treiben? Soll der Tanganyikadampter ebenso wie der Dampfer „Hermann von Wissmann" aus dem Nnossa — eng- lisch? Wnaren befördern? May jagt ferner, es sei ei» Regierung«- dampfer erforderlich, nm der neu installirten Abiheilung der Schntz- truppe am Tanganyika die »öthige Bewegungsfähigkeit zu geben. Ja, wenn nur die »ene Stativ» in Ndjchidschi selbst eme handelo- politische Bedeutung Hütte! Aber auch die Stativ» kann keinen Handel schützen, der thatsächlich nicht mehr besteht. Also auch hier wirkt fast allein als Zweck und Absicht der Schutz der allerdings „im Großen" arbeitenden katholischen Mission am Tanganyika. Wir sind natürlich weit entfernt, diese Arbeit zu mißbilligen, aber für die Deutsche Coiynialgesellschast lüge es naher, zunächst die Vorarbeiten für die wirthschastliche Concurrenzfähigkeit der Colonie mit den Engländer» zu besorgen, »nd dieses Ziel weist auf den Rufidschi »nd nicht aus den Tan ganyika. ES besteht zwar auch ein Comiiö für den zu erbauenden Dampfer auf dem oberen Rufidschi; aber wir verinuthen, daß es nicht eher Bedeutung erlnngt und energisch agitirt, bevor nicht der Langanyika-Tampser finanziell ge sichert ist, für den auch der Asrikaverein deutscher Katholiken 10000 geschenkt hat. ... Wir werden sehen, ob den Opsrrn, welche die ReichScosse und die Eolonialgejellichast, Wissmann an der Spitze, den Centrumsintereffen bringt, auch die Haltung dieser Partei in den künftigen Coloiualverhandlungen im Reichstage ent spricht. Das Bild aber, das der diesjährige Colonialhaushalt bietet, würoen wir gerade von dem oben eingenommenen GesichtSpuncte aus unvollkommen wiedergeben, wenn wir nicht einen Posten tm südwestafrikonischen Etat erwähnten, der zwar nicht so hoch, wie die Kosten der Udichidschi-Station, der theuersten im ostasrikanischen Haushalt, der indessen noch etwas charakteristischer ist. Für die Seelsorge in der weißen Bevölkerung find zwei gleiche Gehälter (je 6000 aus gewogen, eins für die evangelische Mission, der etwa 2000 Weiße unterstellt sind, eins für die katholischen „Oblaten", d. h. einen Prior, der kürzlich mit mehrere» Ordcnsbrüöern und Schwestern angekominen ist. Seine „Gemeinde" besteht aus nicht annähernd 100 Köpfen und fast nur aus Soldaten der Echutztruppel Statt nun die etwa 50 katholischen Soldaten gegen evangelische um- zuwechicln, bietet man Len Oblaten die dauernde Gelegenheit, der teil 50 Jahren thätigen rheinischen Mission ins Gehege zu fallen. Womit sonst sollen sich der wackere Prior und seine Untergebenen anders beschäftigen, als „Gegenmilsion" zu treiben? Und das in einem Gebiet, wo es ganz besonders daraus ankommt, die Einigkeit in der weißen Bevölkerung aus das Peinlichste zu wahren!" Da die Demokratie nichts für Colonialzwecke bewilligen mag, so ist ohne die Centrunisfraction des Reichstags und ihr Gefolge leider an eine Bewilligung deS Colonialetals ebensowenig zu denken, wie an eine ausgiebige und nachhaltige private Unterstützung colonialer Bestrebungen. Die ReichS- regicrung befindet sich also gleich der Colonialgesellschaft in der Zwangslage, Rücksicht auf die besonderen Interessen zu nehmen, die daS Centrum und seine Anhänger in unseren Cvlonien verfolgen. Aber jedenfalls werden diese Rück sichten ihre Grenze da finden muffen, wo jene Sonder- inlereffen in Collision mit den winhschafllichen Interessen der Cvlonien und ihrem confesstonellen Frieden geratben. Ob diese Grenzen nach der Richtung der katholischen Sonder interessen bereits überschritten sind oder doch überschritten zu werden drohen, wird sich im Reichstage schwer entscheiden lassen. Immerhin wird eS seine Pflicht sein, diese Frage anfzuwersen und genaue Auskunft über die Berechtigung der erhobenen Klage zu fordern. Hoffentlich bessert sich der Zu stand des Herrn v. Wissmann so rasch, daß dieser gründ lichste Kenner der betreffenden Verhältnisse sein Urtheil ab- wirken müßten. Seit etwa einem halben Jahre wird ^ Hai,drl von den, Lobe sr-mder.katwnen gen-d^ ^ ^ Neid Zuerst waren es englisch» Stimmen, d e fran- das Lob des deutschen Handels ^ -1 ^französischen man abwebren, um nickt in den Fehler z , Käufer immer anzupaffen. Leider 'st ^ « ÄL » Lch »>- '.-M- Confection orientirt sich nicht immer genügend über den ^e schmack der exotischen Völker, wenn auch durck die Anstellung tüchtiger Agenten, besonders ,n Südamerika und ^udasrila, schon Vieles gebessert ist. Leroy hebt s^rner hervor, daß di Deutschen durch die vielen Millionen -lleutscherinsrem Welltbeilen ein gewisses natürliches Absatzgebiet batten Au das ist leider nicht ganz zutreffend, schon barum. weil das Deutscktbum im Auslände n,ckt genügend orgamsirl und zn sehr zersplittert ist. Gerade in dieser Hinsicht wird hoffend lick das Answanderungsgesetz eme Unterlage für einen engeren Zusammenhang zwischen Deutschland und ren Deutschen im Auslande schaffen. lieber die Veranlassung des Telegramms »aiser Wilhelm'« an Präsident Krüger erhält die „Deutsche Colonialzeitung aus London eine ganz neue Version. der betreffenden vom 17. December datirten Correspondenz heißt eS: VZie erstaunt vor Wochen die hiesigen Freunde der TranSvaal- regierung waren, als sie die Rede Lord Lonsdale s lasen, braucht kaum gesagt zu werden. Er hat seinen Jrrthum, der die Feinde Deutschlands und die Gegner der Südafrikanischen Republik mit leicht begreiflichem Jubel erfüllte, allerdings nachher einigermaßen gut gemacht, indem er telegraphisch er klärte: er sei nicht ermächtigt gewesen, zu sagen, Präsident Krüger habe ein Gesuch um Hilfe nach Berlin gerichtet, sondern nur, daßKaiserWilbelin durch seinen Glückwunsch an den Präsidenten keineswegs England habe beleidigen wollen. In dessen hätte Lord Lonsväle, um der Wahrheit die volle Ehre zu geben, wohl ein Bischen weiter gehen können. Richt blos besaß er keine Ermächtigung, im Namen des deutschen Kaisers von einem Gesuche um Hilfe zu sprechen, sondern es ist ein solches Gesuch — wie auch Präsident Krüger neulich erklärte — überhaupt nicht gestellt worden, weder in der einen, noch in der anderen Form. Der damalige englische Agent in Pretoria, von dem die betreffende Behauptung herrührte, war ganz falsch berichtet worden. Aus eigener Kenntniß können wir mittheilen, daß die Deutschen in Pretoria, die bei der Kunde von Or. Jameson's Freibeuterzug sofort eine Freischaar zur Unterstützung der gefährdeten Republik bildeten, ein Telegramm nach Berlin sandten, worin sie um einen Ausdruck der Sympathie des deutschen Kaisers baten. Nack Niederschlagung der Raubzügler sandte dann Kaiser Wilbelm seinen Glückwunsch an Krüger, worin klar die gerechtfertigte Freude ausgesprochen war, daß daS Voll deS Transvaal-Freistaates die Unabhängigkeit des Landes mit Erfolg verlheidigt habe, ohne die Hilfe befreundeter Mächte anzurusen. Ans diesen letzteren Worten — sagen nun die in London eingetrosfenen Transvaal-Blätter, die den Text des Glückwunsch briet'es wieder abdrucken — erhellt ja klar genug, wie falsch die Behauptung Lcnsdale's war. „Lolksstem" rätb dem Lord: „er möge, nachdem er bei seinem ersten mißglückten Versuche, ein schiedsrichterliches Urtbril über die Beziehungen zwischen Deutschland und Trans vaal abzugeben, eine vollkommen thörichtc Figur gespielt habe (eeu vri) ßisk ligunr ^singen stst, Talent fortan ausschließlich aus Angelegenheiten von Hachtwettfahrten ver wenden und keine solche Unbedachtsamkeiten gegenüber Fürste» begehen, die ihm die Ehre anthaten, seine Gastfreundschaft anzunehmen." Die „Weekly Preß" in Pretoria liest den, Lord ebenfalls den Text. Die französische Beilage zur .Volksstem" bemerkt: „Wir möchten wobl wissen, wo sich Lord Lonsdale seine Angabe zusammengesucht bat. Er kan» sie nur erträumt haben! Uebrigens muß man gestehen, daß die Herren von der „vorherrschenden Obermacht" (LurLwouvi kover) eine sehr elende Figur gespielt Härten, wenn die Deutschen den Boeren wirklich zn Hilfe gekommen wären. Eine der Folgen wäre ja jedenfalls gewesen, daß die Raub gesellen Jameson's nicht mit derselben Milde wären be- handelt worden." Aus Stockholm, 0. Januar, wird uns über den Stand der schwedisch-norwegischen UntonSfrage geschrieben. Nack dem König Oscar im November 1895 eine schwedisck-norwe gische Commission verordnet Halle, um Vorschläge wegen de, erwünschten Revision der Unionsversassung auszu arbeiten, glaubte man, daß die ewigen skandinavischen Streitig leiten eine Zeit lang ruhen würden. Es war ja augenscheinlich, daß nickts Positives zn tbun war, bevor die Commission ihre Arbeiten beendigt hatte. Die Mehrzahl der beiden Völker war schon längst deS alten Streits überdrüssig und sab deshalb der erwarteten Frist mit Freude entgegen. ^ mcht Ruhe s-nurn die Radikalen „»"-„/»jschee Bei den letzten Repräsentantenwablen bat es »ick daß die Norweger nicht mehr wie früher fest an die radikalen Leiter glauben. Allmählich ist diesen ihre ebemal« große Majorität zusammengesckmolzen, und wenn das so fortgedt, ist es bald um ibre Macht getban. Im nächsten Sommer gehen die Wahlen wieder an, und zu der Zeit müssen die Radikalen irgend etwas ausfinden, daS ihnen eine gute Wahlparole liefern kann. Wo dies finden? Nicht in den einheimischen Angelegenheiten, denn bei inneren Rc formbestrebungen wetteifern die Conscrvativen erfolgreich mit ihren Nebenbuhlern. Das IlnionS-Berbältniß zu Schweden dagegen hat seit langer Zeit den Radicalen den Vorwand ärgster Agitation gegeben, weil sie die Schweden wegen allerlei vorgeblicher Ungerechtigkeiten anklagten oder ihnen die bösesten Absichten nacksagtcn. Auch jetzt glauben sie »inen ähnlichen Vorwand gesunden zu baden. Schon im December 1895 begann der norwegische Dichter Björnson den Feld zug, als er in der „Zukunft" gegen die angeblichen schwe di scheu Rüstungen schrieb: „man meine, daß Schweben in einem Krieg gegen Rußland und Frankreich in raschen Märschen Deutschland und Oesterreich neue Hilf«- corpS zusühren würde. . . . Schweden rüste auS Leibes- Feuilleton 81 Die Kirdorfs. Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck verboten. Sie war auch beute sehr schön anzuseben. Das blonde scidensädige Haar glänzte, die Farben des Angesichts, deS Halses und der Hände waren unnachahmlich, und ihre Be wegungen hatten, trotzdem sie eine etwas starke Körperfignr besaß, wie immer, etwas Bezauberndes. AlS JameS sich erhob, hatte er daS Unglück, an einen Blumentisch zu stoßen, in dem eine Anzahl Camelien unter lraftvollen grünen Blättern volle Weiße Blüthen erschlossen hatten. Sie entblätterten sich im Nu und der Zerstörung weiße Spuren bedeckten den Teppich. „Ich war äußerst ungeschickt", stieß der Mann verlegen und mit einem Verzeihung einbolcnden Blick heraus, „ich bitte sehr um Verzeihung." „ES bedarf durchaus keiner solchen, mein Herr!" ent- gegnete Jsabella liebenswürdig. „Der Tisch bat einen un passenden Platz. Wir haben vielmehr die Schuld. Und iiber- oieS: die Blüthen waren ohnehin dem Tode geweiht. Nur aus einer besonderen Rücksicht gegen mich, der ich gerade diese sehr liebe", schloß Jsabella launig, „haben sie sich so lange gebalten." „Um so peinlicher für mich, Comteffe, Ihnen die Freude geraubt zu haben! Und wie ich den Teppich verunstaltete!" James wollte noch mehr sagen, aber Jsabella schnitt ihm, rücksichtsvoll einfallend, daS Wort ab. In der Folge setzte sich da« Gespräch ia ungezwungener Weise fort, und wenn auch hin und wiever noch eine leise Tprödigkeit sich bei Jsabella bemerkbar machte, auch Ulrike den freimüthigeren Reden des GasteS einige Male mit etwa« kalter Einsilbigkeit begegnete, so gewann doch Jrlaik den Ein druck, daß man ihm wohl arsinnt sei und daß Todtleben'S zu ferneren Begegnungen die Hand bieten würden. Diese Voraussetzung fand am Schluffe der Visite eine Bestätigung. „In diesen Tagen", bub Jsabella an, „giebt mein Onkel, Graf Rixdorf aus Steinborst, ein Fest, Souper mit Ball. Vielleicht machen Sie ihm einen Besuch. Dann sehen wir uns dort wieder." Ulrike von Todtlebeu warf zwar den Kopf zurück, und ein Zug der Mißbilligung trat in ihre Züge. Aber als Jrlaik, dies nicht beachtend, mit der ibm zu Gebote stehen den liebenswürdigen Anbeguemungsfähigkeit auf sie einsprach und sagte: „Wenn ich mich ans die Damen, insbesondere auf die gewichtige Fürsprache der Frau Schwester deS Herrn Grasen beziehen dürfte, würde ich sehr dankbar sein. Daß ich die Gelegenheit nur zu gern ergreife, bei der ich den Vorzug genießen darf, Ihnen wieder gegenüderzutreten, brauche ich nicht besonders zn versichern", veränderten sich ihre Mienen in einer für ihn günstigen Weise. Sie ertbeilte ihm durch ein zuvorkommendes Neigen deS Hauptes die Erlaubniß. Bei seinem Ausbruch begnügte sie sich freilich wieder mit einer böslich steifen Verbeugung, während Jsabella ihm mit liebenswürdiger Zuvorkommen heit die Hand zum Abschied reichte. Ais er gegangen, äußerte Ulrike: „Wie kommt der Mensch nur dazu, uns einen Besuch zu machen? Es ist doch derselbe, von dem in der Zeitung die Rede war? Und wie konntest Du ihm gleich von einem Besuch bei Rudolf sprechen! —" Jsabella aber warf, halb hinhörend, hin: „Er ist entweder ein wirklich vornehmer Mann oder em sehr geschickter Abenteurer." „Wenn Du unter solchem Zweifel stehst, begreife ich Dich erst recht nickt", fiel Ulrike, sich plötzlich auk Gleiche« be sinnend und Alle« ans Jsabella wälzend, dieser mit tadelnder Gereiztheit ins Wort. Immer fürchtete sie, sich durch unpassenden Verkehr etwa« zu vergeben, namentlich dadurch, in für sie unbequeme Relationen zu grrathen. Jsabella aber entgegnete: „Ich glaube, daß er ein durchaus anständiger Mann ist. Zudem ist er bübsch und hat gute Manieren. Deshalb gab ick mich, wie geschehen." Ulrike war zwar nicht überzeugt, schon weil sie meist an Unrechter Stelle mißtrauisch war. Aber sie entgegnete nichts mehr. * * >» Der Tag war gekommen, an dem wieder einmal ein Fest, da« erste seit dem Tode de« alten Grafen von Ripdorf, aus Schloß Steinhorst stattfindrn sollte. An die Gutsbesitzer, den Adel und sonstigen angesehensten Einwohner der ganzen Umgegend hatte Rudolf Einladungen ergehen lasten und selbst von Plön, Lübeck und von den Gütern um Oldesloe und Segeberg waren Zusagen ein getroffen. Auch James Jrlaik hatte eine Aufforderung empfangen, obsckon er Rudolf bei seinem Besuche nicht angetroffen. Aber die Todtleben'schen Damen hatten sich ins Mittel gelegt. Sie batten Rudolf über seine Persönlichkeit Aufklärung gegeben und seine geringe Geneigtheit, den „fremden Narren" zu empfangen, wie er Jame« nannte, überwunden. Rudolf gab dieses Fest überhaupt nicht aus Gründen, die sonst die Gesellschaft veranlaßt, die Thüren des HauseS zu offnen. Ihn leitete berechnende Klugheit. Er wollte, nach dem die Trauerzeit vorüber, einmal sich der maßgebenden Gesellschaft auf Steinhorst als Herr und Gebieter zeigen. Er bedurfte diese« öffentlichen ActeS zur vollgiltigeren Be stätigung der ihm zukommenden und von seinen Geschwistern anfänglich bestrittenen Erbrechte. Im Wesentlichen war Alles damals geworden, wie er eS gewünscht. Paternus hatte, nachdem die Geschwister der Gewalt sich gefügt, auch alle Verhöre und sonstige Nachforschungen nach dem Diebe ergebnißlos verlaufen waren, sich völlig auf Rudolf s Seite gestellt, und alSdann auch die Copir des ursprünglichen, vor Jahren zu dessen Gunsten lautenden und ,n seinem Besitz befindlichen Testament« präseatirl. In solcher günstigen Position hatte Rudolf seine Ge schwister mit ihren BrrgleichSvorschlägen an sich herantreten und durch den klugen Paternus die Verhandlungen weiter führen lassen. Dieser rieth zu einem mit freiwilligen Opfern verbundenen Nachgcbrn, und so willigte denn Rudolf darin, daß im We,entlichen die Bestimmungen der zweiten, verschwundenen letztwilligen Verfügung beS Grafen für Jsabella zum Aus druck gelangten, und daß Axel neben der testamentarisch fest gesetzten Uedertragung von Flugsande noch ein Capital von 100 000 Spree» ausgezahlt worden waren. Axel hatte allerdings nur mit dem Vorbehalt der Reckte de» erstgeborenen Grafen R.xdorf unterschrieben, und Rudolf's Weigerung, diese Clausel zu genehmigen, dabei einen so gelben "^'"gesetzt, ^,tzt nach- Anblich ^ ^ wahrhaft imposante» Rudolf hatte im Spätsommer dir Fa^abr von Künstler- banden auf,rischen lasten, auch ,m Innern waren aelea!».,^ dem nicht unter sorgfältiger Wahrung seines kunstgerechten Charakters Tischler, Tapezierer und Maler thätig gewesen waren. Endlich aber batte Rudolf neben der Renovirung der Möbel auch schwere Seiden- und Damaslstoffe in Nach ahmungen vergangener Jahrhunderte kommen und da einen Ersatz eintrrten lassen, wo durch die Nagemäuschen, Alter und Zeit die Gewebe verblichen oder durchlöchert worden waren. Einen wundervollen Anblick gewährte die Halle. Blendendes Weiß, hcllzartes Grün und Gold bedeckten die Wände, und in denselben Farben waren die Einfassungen der Orgel nur ihren silbernen Pfeisen gehalten. Als am Abend die alten und neuen Lustres anzestcck! wurden und diesen Raum in ein Meer von Lickt tauchten, da drängte sich selbst ein Ruf des Staunens über die Lippen der durch tägliches Anschauen verwöhnten Schloßeinwohncr. Welche Farbengegensätze! Ringsum diese reizvollen, zarthellrn Töne und an den Thüren die zum Empfang ausgestellten Diener in ihren neuen, scharlachrothen Livreen mit Goldtressen und gelb funkelnden Knöpfen. Und in den von Strömen von Licht durchflutheten Sälen unten standen dir gedeckten Tische mit einer Last von funkeln dem Krystall und blitzendem Silber, und oben erschlossen sick die Empfangsräume mit den kostbaren Familienbilvern, den sonstigen Gemälden, Möbel, Nippe«, Teppichen und Vorhängen in Brocat und Damast. Vierhundert Personen hatten fick aus Steinhorst «in gefunden. Vierhundert Personen! Die Damen in strahlen den, rauschenden Gewändern, bedeckt mit Diamanten und anderem edlen und blitzenden Gestein, die Männer im Staats gewand mit Orden und Sternen, das Militair in schimmern den, bunten Uniformen, alte, junge Welt, einstige Diplomaten. Abgeordnete der Provinz, fast der gesammtr Adel, die großen Gutsbesitzer und die vornehmsten Beamten Holstein« drängten sich durcheinander. Vierbundert Gäste warteten des Zeichens, zu Tisch zu gehen, und nachdem e« gegeben, schritten zweihundert Paare die mit groß geblümten Läufern versehenen weißen Treppen hmab und traten in die Säle und als Speisezimmer ein gerichteten Flügelgemächer. Rauschende Musik ertönte, dazwischen Lacken und Schwatzen, b's rndlick die Gesellschaft Platz genommen und nun dir de- reit« harrenden Schaar»« der i» rothen 8ivr4«n steckenden
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