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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970114012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897011401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897011401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-14
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Wrotzere Schriften laut «userrm Prei«. verzeichniß. Tabellarischer und Zisternlay > nach höherem Tarif lörtra-Beilagen (gesalzt-, au» mit d.. Morgen-Ausgabe, ohne Postbesürderung 60—, mit Postbeförderung ^l ?Ö>—. Annahmeschluß für Anzeigen: «bend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgrn-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filiale« und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck uud Berlag von E. Polz in Leipzig. 23. Donnerstag den 14. Januar 1897. Volkshochschulen, Umverfitats-Ausdehnungs- Lewegung und verwandte Bestrebungen. i. 2. Die unter dem Namen „UniversitätS - Aus dehnungs-Bewegung" (llmvsrsitv Lxtk!N!?ioli Novement) bekannt gewordene Bewegung für ÄolkSbildung im großen Stil, welche, von der Universität Cambridge ausgehend, in einem Zeitraum von nunmehr 25 Jahren weite Kreise ge zogen bat, bat auch über Deutschland sich auSgebreitet. Nachdem bereits vor zwei Jahren die Universität Wien sich in den Dienst dieser Bewegung gestellt hatte, sind im Laufe der letzten Wochen auch Professoren der drei größten Universitäten de- deutschen Reiches hervorgetreten mit Plänen zur praktischen Durchführung der der Be wegung zu Grunde liegenden Idee. Zuerst trat München hervor, dann Berlin und zuletzt Leipzig. Dir Art der Jnagriffnabme ist in den drei UniversttstätS- städten verschieden, ein Beweis dafür, daß von drei ver schiedenen Seiten zu gleicher Zeit und unabhängig derselbe Plan in Angriff genommen wurde. In München bat sich ein Volksbochschul-Verein gebildet, der die Sache privatim be treiben will, in Berlin wollen die treibenden Elemente die Universität veranlassen, ofsiciell sich in den Dienst der Uui- ver-itx Lxteuoiou zu stellen, in Leipzig will man erst einen Bersuch machen, inwieweit volkSrhümliche Hoch schulverträge auf allgemeine Theilnahme rechnen dürfen. Selbstverständlich ist die Neuerung in der Presse aller Richtungen und Parteien besprochen worden, doch fast überall vermißt man die Objeclivität, die eine neue Sache unbedingt erheischt, und ferner stellt sich dabei eine mehr oder minder große Unkenntniß der thatsächlichen Ziele der bluiversit) Lxteusion sowie ein Vermengen der „Universitäts - AuS- dehnungs Bewegung" mit ganz anders gearteten VolkS- bildungSbestrrbungen, so namentlich mit den nordischen Volks hochschulen, ferner mit den Bestrebungen der BildungSvcreine in Deutschland sowie mit verschiedenen anderen nach dem Vorbild der Universitäten eingerichteten Laieu-Akademien, wie B. mit der Humboldt-Akademie in Berlin und ähnlichen Einrichtungen heraus. Das Alles sind Institutionen, die sich principiell in ihren Motiven wie in ihrer Organi sation von der Universitäts - AusdehnungS - Bewegung wesentlich unterscheiden. Diese Unklarheit der Begriffe ist freilich um so weniger zu verwundern, als die Literatur über die (luirersit^ Dxteusivu vorläufig in Deutschland noch recht spärlich fließt. Wir halten es daher für angebracht, ehe wir selbst Stellung zu der Bewegung in Deutschland nehmen, einen Ueberblick zu geben über die Entwickelung und den jetzigen Stand der UniversitätS- AuSdehnungs-Bewegung im Auslande und in Deutschland, sie zu gleicher Zeit aber abzugrenzen gegenüber den nordischen „Volkshochschulen" und anderen verwandten Bestrebungen, namentlich in Deutschland. DaS Zusammenwerfen mit den nordischen „Volks hochschulen" ist ein Zrrthum, der immer wiederkehrt, der in München in dem Namen „VolkShochschulverein" herum spukt und zu dessen Verbreitung auch Otto Wilhelm Beyer, neben Professor Rein in Jena einer der besten Kenner der (Illiversil)' Lxtsnsion, dadurch beigetragen haben mag, daß er dem bis jetzt besten, ja fast einzigenOuellenwerk über die englisch amerikanische UniversitätsausdebnungS-Bewegung*) in der Uebersetzung den Namen „Die Volkshochschulen" gegeben hat. Vor 52 Jahren wurde die erste „Volkshochschule" in Däne mark gegründet, vor 25 Jahren dagegen begann erst die Bewegung für Ausbreitung des akademischen Unterrichts in England. Als in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in Dänemark an die Stelle der bisherigen Alleinherrschaft die Ständeverfafsung trat, machte sich der Wunsch gellend, die Volksbildung in entsprechendem Maße gefördert zu sehen; man begrüßte eS daher mit großer Freude, als der frühere Theologe und spätere Geschichtsforscher Nikolai Frederik *) Die Volkshochschulen (Tde Lxtevsivu ok Iliüversitv l'saekin-s) i» England und Amerika. Bon vr. James Rüssel, Professor der Philosophie und Pädagogik an der Universität des Staates Colorado. Deutsch mit Anmerkungen von Otto Wilhelm Beyer. Leipzig. R. Voigtländer's Berlag. 1895. Preis 3,75 Severin Grundtvig*) seine Gedanken über eine Volks hochschule der Oeffenllichkeit darlegte und die Notbwendig keit einer „Hochschule für unsere bürgerliche Jugend be tonte, „wodurch die sowohl in der Sländeversammlung als bei deren Mäklern wünschenSwerthe Bildung und Aufklärung sorgfältig befördert werden sollte." Nach seiner .lnsicht >st das Alter, in dem die meiste Empfänglichkeit für die Aus nahme von Bildungsstoff vorhanden ist, nicht das Schulalter, sondern vielniehr daS Alter vom 28. bis etwa zum 30. Jahre; er warnt deshalb davor, die Kinder im Pubertats- alter in „scholastische CorrectionSanstalten" zu sperren. Aus privaten Mitteln, die man für seine Idee zusammenbrachte, errichtete er in Rödding aus Jütland im Jahre 1844 zu sammen mit Kristian Flor, der seine Professur an der Universität Kiel deshalb aufgab und nach Rödding zog, die erste Volkshochschule, dir meist von Söhnen bäuerlicher Guts besitzer besucht wurde. Die jungen Männer sollten zwei Winter und einen Sommer in der Schule bleiben. Wenige Jahre später (1850) errichtete der frühere Missionar Kristian Mikkelsen Kold in dem Dorfe RySlinge aus Fünen eine Volkshochschule, deren Unterrichtsmethode mehr in persönlicher Anregung durch Gespräche gipfelte. Auch beschränkte er die Besuchszeit seiner Hochschule aus einen Winter. .Dadurch erreichte er, daß seine Schule, im Gegensatz zu der jenigen Grundtvig'S, auch von Angehörigen der ärmeren Landbevölkerung besucht wurde. 1862 führte er neben der Winterschule für Männer auch eine Sommerschule für Frauen ein (während dreier Monate). Die Niederlagen des Jahres 1864 wurden der Anlaß zu einer Art nationaler Wiedergeburt, wie sie Preußen im Jahre 1807 zu verzeichnen hatte. So kam auch in die Volkshochschulen ein neuer Auf schwung und es bildeten sich schließlich zwei Richtungen aus, von denen die ältere, unter dem Banne Grundtvig'S stehend, mehr die Aufklärung, die „religiöse Weckung" anstreble, während die jüngere, sich an Kold anlehnende, die intellektuelle Anregung im Auge bat. Im Lehrplan der Volkshochschule stehen in erster Linie vaterländische Sprache (nickt als Grammatik gelehrt) und vaterländische Geschichte (Volks- und Culturgeschichtr), außerdem auch die meisten anderen DiS- ciplinen unserer Hochschulen und Fachcurse. Besonderer Religionsunterricht wird nicht erlheilt. Die Schüler wohnen meist in der Anstalt, haben vollkommene Lernsreibeit und müssen sich nur beim Eintritt in die Anstalt zu einem anständigen Benehmen verpflichten. Man sieht also, die dänische Volkshochschule ist eine that- sächliche Schule, einem Internat vergleichbar. DaS Princip läuft im Wesentlichen darauf hinaus, baß da» Lernalter nach oben verschoben und der Lehrplan demgemäß nach der mit dem Alter vergrößerten Arbeitskraft der Schüler modisicirt worden ist. Es braucht nicht erwähnt zu werden, daß die Volk»- Hochschüler mindestens VolkSschulbilvnng vor Aufnahme in die Hochschule besitzen müssen. Die dänischen Volkshochschulen beherbergen je 75 bis 300 Schüler, die meist im Alter von 18 bis 25 Jahren stehen. Zwei Drittel der Schüler gehören zur Classe der Hofbesitzer, ein Drittel setzt sich auS Handwerkern und „Haus männern" zusammen. Der Staatszuschuß, der seit 1853 gezahlt wird, ist von 3000 auf 400 000 Kronen gewachsen, 180 000 entfallen davon auf Stipendien. Der Preis für Wohnung, Kost und Unterricht ist sehr gering. Er beträgt 30 Kronen (33 ^6) im Monat. Sämmtliche 68 Volkshoch schulen Dänemarks sind Privatunternehmungen. Sie werden aber vom Staat unterstützt, sobald sie sich bewähren. Etwa 6000 Schüler werden gegenwärtig jährlich ausgebildet. Im Ganzen sind auSgebildet worden 82 000 Schüler und 40 000 Schülerinnen. Die anderen nordischen Länder sind dem Beispiel Däne markS gefolgt. Schweden besitzt jetzt 30 Volkshochschulen, Norwegen 15, Finnland 13. Auch nach Nordamerika haben eingewanderte Dänen die Institution hinübergebracht. Das Wesentliche der Volkshochschulen faßt Schnitze dahin *) Wir folgen hier der Darstellung eines demnächst erscheinenden Buches, dessen Correcturbogen uns sreundlichst vom Verleger zur Verfügung gestellt wurden: „Volksschulen- und Universitäts- Ausdehnungs-Bewegung". Bon Ernst Schnitze in Berlin. Mit Einleitung von Professor Vr. Eduard Reper-Wien. Leipzig. Berlag von Gg. Freund. 1897. Dasselbe enthält über Bildungs bestrebungen, namentlich auch in Deutschland, sehr fleißig ge- sammeltes Material. zusammen: „sie wollen jedem Menschen die Möglichkeit bieten, sich eine Zeitlang ganz und gar der Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten zu widmen, und zwar in einem Alter, in dem der Schüler schon einige Erfahrungen gesammelt hat und in dem WissenStrieb und Auffassungsgabe ganz besonders groß sind; sie wollen zur Ausgleichung der Classenunterschiede beitragen und den Sinn für das Gute und Schöne fördern; sie wollen die Liebe zum Baterlande fördern und an edle Genüsse gewöhnen; sie wollen die wissenschaftliche Intelligenz der Nation vermehren und dadurch indirect den Wohlstand fördern." Professor R r y«r - Wien theilt ihnen nur den Rang höherer Fortbildungs schulen zu und warnt vor einer Verwechselung mit der höher zu schätzenden duivsrsity Lxtensiou, Professor Rein- Jena zieht die Volkshochschulen vor. Auf ein Moment, das sehr wesentlich ist, muß noch hingewiesen werden: bei den Volk-Hochschullehrern wird mit der meiste Werth gelegt auf ihre Redegabe» sie werden auSgebildet für den Bolks unterricht. Daß diese Fähigkeit, sich weniger Gebildeten ver ständlich zu machen, auch von vielen Universitätsdocenten noch erworben werden will, ist klar. Deutsche- Reich. X. Berlin, 13. Januar. Die ausweichende Antwort, die der preußische Minister de» Inneren dem Abg. Rickert in der Frage einer Aenderung deS Verein-rechtes gegeben dal, läßt vielfach die Besorgniß auftauchrn, daß eine Ver änderung des VerrinSrechtes nicht nur in Bezug auf den Paragraphen 8 (Verbindung politischer Vereine unterein ander) geplant sei. Wir haben Grund, anzunehmen, diese Vermuthung für durchaus zutreffend zu halten. Man mag in mancher Veränderung, die vielleicht von der Regierung vorgeschlagen werden wird, eine Verschlechterung erblicken; völlig sinnlos aber ist eS, wenn man eine Ver schlechterung oder eine reactionäre Maßregel darin sehen will, daß vielleicht die Abhaltung von politischen Versamm lungen in fremder Sprache in Bezirken mit überwiegend deutscher Bevölkerung untersagt wird. Es bandelt sich hier lediglich um eine nationa le Frage und nicht um eine Frage des Liberalismus. Diejenigen, die jede gegen Gegner des DeutschtbumS gerichtete Maßregel als reaktionär zu bezeichnen geneigt sind, sollten einmal daran denken, wie die republika nischen Franzosen zu der Zeit, da das Elsaß ihnen gehörte, für die Herrschaft der französischen Sprache sorgten. Ps Berlin, 13. Januar. Die BrrufSgenossen- schäften sind gegenwärtig mit den Vorarbeiten zur Fest stellung der auf die einzelnen Unternehmer entfallenden Beiträge für das Jahr 1896 beschäftigt. Es ist im Interesse aller Betheiligten dringend zu wünschen, daß der rechtzeitige Abschluß dieser Vorarbeiten nicht unnöthig ver zögert wird. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eS vor allen Dingen notbwendig, daß die BetriebSunternehmer selbst die Lobnnachweisungen, welche bekanntlich zusammen mit den Gefahrentarifen die Grundlagen für die Beitragsberech nungen bilden, rechtzeitig an die zuständigen Stellen ein- senben. Je früher die Berechnungen vorgenommen werben können, desto besser Wickeln sich alle daran schließenden Ge schäfte, wie Einziehung der Beiträge, Zahlungen an die Post u. s. w. ab. Es ist deshalb immer von Neuem zu wünschen, daß die Einsendung der Lobnnachweisungen recht bald erfolgt. Die diesmalige Beitragsberecknung wird auch inso fern ein Interesse in Anspruch nehmen können, als bei ihr zum letzten Male ein Zuschlag zum Reservefonds in Ansatz gebracht werden wird. Die Reservefonds der BerusS- genossenschaflen haben nach dem Gesetze 11 Jahre hindurch durch Zuschläge zu den Entschädigungen gebildet brzw erhöbt werden müssen. DaS ReichS-VersicderungSaml hatte seinerzeit, da die berufSgenoffenschastliche Thätigkeit am 1. Oktober 1885 begann, bestimmt, baß das erste hierbei in Betracht kommende Jahr das Kalenderjahr 1886 sein sollte. DaS Jahr 1896 wäre danach das letzte, für welches solche Zuschläge erhoben werden können. Sie werden übrigens diesmal keine große Höhe erreichen, da sie nur 10 Proc. der Entschädigungen, also voraussichtlich etwa 5 Millionen, ausmachen werden. * Berlin, 13. Januar. Zu dem Thema „Preß- verfolgungen" äußert sich die „Kölnische Zeitung" wie folgt: „Seit dem 7. Januar sitzt in Frankfurt a. M. der verantwort. 91. Jahrgang. llche Redacteur der „Frankfurter Zeitung" tu Zwangshast, weil er sich weigert, den unter dem Verdacht einer amtlichen Jndts- cretion stehenden Berfassrr eines von der „Ftankfnrter Zeitung' veröffentlichten Aufsatzes zu nennen. Am 8. Januar fand in den Räumen der „Bo Nischen Zeitung" eine von zwei Lriminal- Commissaren und einer Schaar von Schutzleuten dnrchgrfülirte, aber erfolglose Haussuchung nach der Handschrift eines am Morgen dieses Tages veröffentlichten Leitartikels „Lrnvaltungs- bureaukratie und Richterstand" statt. Wir müssen ehrlich eingrsteheii, daß wir diese Art der Preßverfolgung im Interesse der Staatsrrgirrung beklagen, und möchten auch bezweifeln, daß Fürst Hohenlohe, der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident, von solchem Vorgehen Kenntniß habe; denn wir wissen von ihm, daß er in seinem ganzen politischen Leben ein Gegner derartiger Kampf- mittel gewesen ist. Nicht ein einziger Fall ist uns bekannt geworden, in dem er die Hilfe der Gerichte gegen die Angriffe von Zeitungen nachgesucht hätte, obwohl doch auch gegen ihn bis in die jüngste Zeit von mehrfachen Seiten die giftigsten Pfeile zu schleudern ver- sucht worden ist. Wir möchten deshalb den Fürsten Hohenlohe bitten, sich über die Einzelheiten dieses Vorgehens von den yach- ministern Vortrag halten zu lassen, da gerade solche Fälle im Zu- sammenhang mit den polizeilichen Fehlgriffen in Sachen der Sonn- tagSruhe nur zu leicht geeignet sind, auf den ganzen politischen Charakter des Gesammtministeriums »in ungünstige- Licht zu werfen." Die „Köln. Ztg." geht sodann aus die beiden im Vor stehenden berührten Angelegenheiten näher ein und fügt hinzu: „Wir vertrauen dem Fürsten Hohenlohe, daß, sobald er Kenntniß von der Sachlage genommen, er für die sofortige Einstellung deS Verfahrens sorgen wird." — Die „Berliner Neuesten Nachr." fügen ihrerseits dieser AuSlaffung hinzu: „Auch wir bekennen, daß daS neuerdings gegen die Presse beliebte System uns in sehr geringem Einklang zu der vdr nehmen Gesinnung zu sieben scheint, die Fürst Hohenlohe in jeder amtlichen Stellung bisher bethätigt hat. Er hat für seine Person stets eine Höhe der Anschauung bewahrt, an die selbst Gehässigkeiten und rohe Angriffe nicht hinanreichte». Trotzdem vermögen wir nicht soweit zu gehen wie die „Köln Zeitung" und der Annahme Ausdruck zu verleihen, daß der Reichskanzler und preußische Ministerpräsident weniger über dergleichen Vorgänge unterrichtet sei wie ein auch nur mittel mäßiger Zeitungsleser. Wir glauben vielmehr, daß, wie kr. ein ausgesprochener Gegner aller polizeilichen Ueberzriffe uno Behelligungen deS Publicum«, dennoch den Uebertreibungen in den Vorschriften über Sonntagsruhe und Sonntag-Heiligung gegen seine Ueberzeugung den Lauf läßt, er so auch da« Vor gehen gegen die Presse widerwillig aber schweigend mit ansieht» weil er diese Fragen zur Zeit ernsteren poli tischen Rücksichten unterordnet. Seiner amtlichen Thätig keit als Reichskanzler und Ministerpräsident wird erst eine ferne Zukunft gerecht werden können. Aber diese dürfte fest stellen, daß ein wesentlicher Theil der amtlichen Wirksamkeit deS Fürsten im Verhindern von Schritten und Maß nahmen bestanden hat, von deren unheilvollen Folgen er überzeugt war, und daß er sich durch diese seine Thätigkeit um Preußen und Deutschland vielen Dank verdient bat. Unsere so außerordentlich complicirten inneren Verhältnisse zwingen ihn, um dem Laude eine fortgesetzte Reihe vonKrisen und Personenfragen zu ersparen nnd wenigstens einigermaßen die Stetigkeit aufrecht zu erhalten, nach der so oft und viel verlangt worden ist, Entwickelungen zuzulassrn, bei deren gewaltsamer Be sritigung der Preis nicht immer dem Einsatz, der Einsatz nicht dem Preise entsprechen würde. Uebertreibungen, an denen unser politisches Leben jetzt so reich ist, tragen in der Reael auch ihre Remedur in sich selbst, und ein starke« Voll muß der Zeit und seiner eigenen Kraft vertrauen. Wenn die Stunde gekommen, wird dir Vorsehung Deutschland auch wieder einen Titanen geben, der die Auswüchse einer krank haften Entwickelung mit starker Hand zu beseitigen vermag" Berlin, 13. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser machte beute Vormittag zunächst den gewohnten Spaziergang durch den Thiergarten und hörte, nach dem Schlofft zurück- gekehrt, den Bortrag des Cbefs des Geheimen Civilcabinets v. Lucanus. Um 12'/r Uhr empfing er den Vice-Armiral Koester zur Meldung. Nachmittags um 2 Uhr gedachte dav Kaiserpaar der Trauung deS Fräulein Clara von Wedel (Tochter des Minister- deS königlichen Hause«) mit de», Premierlieutenant im 1. Garde-Regiment zu Fuß Grafe:, von BiSmarck-Boblen in der DreifaltigkeitSkircke beiwohne,,. Während die Kaiserin nur der kirchlichen Trauung beiwohn i. Feuilleton. Die Schließung der Spielbanken vor 85 Jahren. Persönliche Erinnerungen von Han« Wachenhusen. Nachdruck verboten. Von einem Jubiläum kann nicht Wohl die Rede sein, da hingegen verdient die Tbatsache der Erwähnung, daß wir mit dem 1. Januar in das fünfundzwanzigste Jahr seit der de finitiven Aufhebung der öffentlichen Spielbanken getreten sind. Schon im Jabre 1866, als Wiesbaden von einem Piket Kölner Landwehrmänner erobert wurde, erschien ein preußischer Lieutenant an der Spielbank, um diese sammt der Casse auf zuheben; die letztere aber war bereits in Sicherheit gebracht. Man gewährte ihr indessen in Berücksichtigung »cherechtigter Eigenthümlichkeiten" eine Galgenfrist von fünf Jahren, die redlich auSgebeutet wurde, namentlich als während de« Kriege« eine große Anzahl von französischen Officieren, darunter Mac Mahon, de Failly u. A, m Wiesbaden internirt wurden, und so war ich denn zugegen, al« der letzte sogenannte Hallunkenzug von hier abging, der alle die Schakale, di« sich von der Bank genährt, davon trug. Die große Blüthezeit der rheinischen Spielbäder Wies baden, Homburg, Em«, Baden-Baden war in den sechziger Jahre». Damals war man di« reichen Russen noch gewohnt, die walachischen Bojaren, die ihre ganze Ernte verspielten, die Amerikaner, die das Maximum setzten. Die Engländer sah man auch, aber sie hielten sich fern von der Bank; da hingegen war Baden-Baden namentlich da« Mekka de« Pariser Leichtsinn«. Benazet, der Spielpächtrr, und nach ihm sein Neffe Dupressoir luven sich die Pariser Boulevard-Cbroni- queure ein, legten ihnen Goldröllchen von 1000 Francs auf den Nachttisch, stellten ihnen Equipagen zur Verfügung, und diese lockten dann Alles über den Rhein, die legitimistischen Familien, wie die neugebackene Aristokratie Napoleon'« III., die sich hier am Spieltisch vertrugen, an dem die Knuts cooott« schwesterlich Ellenbogen an Ellenbogen mit der Herzogin bei der Roulette saß. In Wiesbaden sah man die Familie Orleans, vertreten durch die Herröge von Aumale, Joinville und Chartre«, mit dem Grafen Ehambord, Heinrich V., am treut« - «t - quarrmte neben Madame Bellanger, der Geliebten Napoleon'« III In Ems erschien der Kaiser vor. Rußland mit gewaltigem Hof- staat im Hotel Darmstadt; ein auf allen Nähten vergoldeter mastiger Portier stand in dem Portal desselben mit einer von Adlern übrrsäten Schärpe, einem Dreimaster auf dem Kopfe und einer mächtigen vergoldeten Keule in der Hand, welche die Sonntags zur Stadt gekommenen Bauern für da« russische Scepter hielten. ' Wilhelm I., nachmaliger deutscher Kaiser, kam all-ahrlich nach Ems, bescheiden nur von einigen lldzutanten und Geheimen Rathen begleitet, «in Gegenstand Aufmerksamkeit, wenn der lirbrn«würdia». leutselige Monarch auf der Brunnenpromeaad« oder gar ,n dem CurbauStheater erschien, das, ein wirkliches Winkel theater, in einer Ecke des CursalonS inftallirt war. Natür lich fehlte die gesammte Adel«- und Geldaristokratie niemals und namentlich nicht die Hoheiten und Durchlauchte, die Scepter und Krone zu Hause im Futteral zurückgelaffen; und schließlich gab es um der Majestäten Willen eine An zahl von geheimen Sicherbeitsbeamten, die alle auf König mörder vigilirten, unter denen auch so manche Baronin oder Comtrsie, von denen Niemand ahnte, daß auch sie in geheimen Diensten standen. In Homburg versammelte selbstverständlich Blanc, ver Spielpächtrr, jedes Jahr eine glänzende Gesellschaft, die sich ihr Rendezvous auf der Terrasse bei Chevet und in den Reunion-sälen gab. Am stärksten war natürlich, wie auch beute noch, die Nachbarstadt Frankfurt auf der Terrasse vertreten. In jenen Tagen oder Jahren, von denen ich hier schreibe, gab eS noch Originale unter den Spielgästen. Eine« der selben war die russische Gräfin Kisselow, die sich schließlich im Rollstuhl an die grünen Tische fahren ließ, sich rastlos zwischen Homburg und Monte Carlo hin und her bewegte und ihr riesige« Vermögen verspielte. Auch meine gute alte Freundin Charlotte Birch-Psriffer sah ich de« Oefteren in Homburg an der Bank. Sie saß da mit einem ledernen Beutel, gefüllt von Goldstücken, und ver spielte ihre Tantiemen in den Theaterfrrien. Waren dies, dahin, so begnügte sie sich wohl in Nauheim mit der toupis dollauäalse. Ab und zu trat in Homburg irgend rin großer wag halsiger Spieler auf, der gewaltige Schläge that, aber, wa- er gewonnen, in Wiesbaden oder Em« wiever bergeben mußte So einer wie Garcia, der cowmi? ro^axeur einer spanischen Stockfabrik, der sich in Frankfurt einige Goldstücke borgte, um damit die Banken zu sprengen, was ihm auch gelang Schließlich verurtheille man ihn in Pari« zum Bagno. Er starb in Amerika auf der Streu. Mit Interesse erinnere ich mich noch Leonide Leblanc's. einer der bekanntesten Damen der Pariser Lebewelt, Klinst lerin an einem Boulevard-Theater, Löwin de« Turf und Schriftstellerin. Auch sie hatte die Idee, dir Hamburger Bank zu sprengen, und verspielte an die 100 000 Franc«, die sie sich von ihren Freunden geliehen. Al« diese verschwunden, setzte sie sich mit Gemüthsrub« in den Garten und stickte einem derselben ein Paar Morgenschuhe. Ob diese fertig geworden, weiß ich nicht. Sir erschien wieder an der Bank, nachdem sie ihren Schmuck versetzt. Auch damit fertig, borgte sie sich zehn Louis von einem ihrer Verehrer und reist« nack Pari« zurück. Die Boulevard-Blätter sprachen damals viel von ihrem Glück und Unglück; sie soll 250 000 Franc« vr» loren haben, machte sich aber wenig daran«. Ein« besondere Rolle spielten an den Banken di« pr»- kesseurs cke jsu, jene Habitus«, die ein „System" erfunden haben wollten, mit dem sie der Bank den Krieg erklärten. Und sie fanden auch immer Leichtgläubige, die darauf binein fielen und ihre Dummheit schwer bezahlten. Da« treote-ei- uuaraute und die Roulette hat ja der Teufel nach einen, System hergestellt, da« er selbst uicht zum zweiten Mal er finden könnt«. Di« Gewalt, mit welcher di» Baak den Gptslsra.
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