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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970116016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897011601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897011601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-16
- Monat1897-01
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Doch der reale Kern, den diese alte Hülle bekleidet, ist nicht mehr der alte, vielmehr ist das englische Parlaments- leben jenes einfachen Charakters. den cs in den Zeiten der Pitt und Fox trug, längst entkleidet und zu einem ccmpli- cirten, kaum noch regierbaren Organismus geworden. Wohl verfügt Lord Salisbury über eine so große Majorität, wie sie in den Parlamentsannalen unseres Jahrhunderts kaum erhört ist. Aber treffend bat der bisherige .französische Botschafter in London, Ceurcel, darauf hingewiesen, daß diese Majorität der inneren Geschlossenheit entbehrt, und hier den Keim der Schwäche in sich trägt. WaS die TorieS und die dissentirenden Whigs zu einer Partei zusammenband, das war die gemeinsame Gegnerschaft gegen Home ruls. Home ruie ist mit dem greisen Gladstone eigent lich vom Schauplatz verschwunden, oenn die Bemühungen der Herren Morley und ASquit um die Wiederbelebung der Frage sind bisher von geringem Erfolge begleitet ge wesen. Hält nun auch die Besorgniß vor den irischen Ansprüchen die beiden Fractionen der unionistischen Mehrheit zusammen, so ist doch die Verschiedenheit ihrer Ueberlieferung und Ansichten nicht so leicht aus der Well zu schaffen, sondern macht sich persönlich wie sachlich geltend. Persönlich vor Allem in der stillen Gegnerschaft, die zwischen dem Premier, seinen Verwandten und Anhängern gegen den schneidigen Herrn Chamberlain besteht, dessen Buhlen um die Volksgunst mit mißtrauischen Augen beob achtet wird. Sachlich sind diese inneren Differenzen so wirk sam gewesen, daß das Cabinet mit der Riescnniehrheil — was auf den ersten Blick unerhört und unerklärlich erscheint — nicht eine seiner Vorlagen in der vorigen Session znm Gesetze werden sah. Bald stießen die Ansichten der Orthodoxen und Liberalen, wie bei der Unterricktsbill, un sanft aufeinander, bald bekämpften sich die Temperenzler und die Gegner der allzugroßen Einengung der Privatfreiheit durch den Staat. Und wenn jetzt die Iren die Behauptung anfstcllen, daß ibr Zuschuß zu den Reichssteuern eine un- verhältnißmäßige Höhe erreiche, so werden auch in dieser Frage die Ansichten sich spalten. Wir sebcn: was das englische Parlamentsleben verwickelt, ist der Umstand, daß unter den alten Formen Neubildungen sich vollziehen. Seit der Mitte unseres Jahrhunderts ist in steigendem Maße der kontinentale, von französischem Geiste durchtränkte RadicalismnS nach England binübergedrungen. Typus dieser Entwickelung ist der alte Gladstone selbst, der als Tory begann, als Radikaler endet. Dieser RadicalismnS bat die Eigenthümlichkeiten und Einrichtungen des Continents, das allgemeine Wahlrecht vor Allem, ziemlich mechanisch auf England übertragen und dadurch, obne es zu wissen und zu wollen, die Grundlage und die Grundidee des eng- liscken Verfassungslebens unterwühlt: die Grafschafts-Verfassung und das Princip, daß Rechte nur gegen Uebernabme von Pflichten verlieben würden. Durch diese Entwickelung ist Englands politisches und Verwaltnmzs- leben in einen Zustand des Schwankens und der Haltlojig- keit gerathen, auf dessen dringende Gefahren zuerst unser Gneisl bingcwiesen hat. Nimmt man hinzu, daß die englische Landfrage sich fortgesetzt in einer sehr ernsten Krisis befindet, so wird man cs versieben, daß die alten Formen überall reiße», neue Bildungen zum Lickte wollen und vorläufig überall gefüblt wird, daß die Zustände, wie sie hergebracht sind, zum Leben der Gegenwart nicht passen. Sieht sich so Lord Salisbury in der inneren Politik sehr schwierigen Aufgaben gegenüber, für deren Lösung ihm nur scheinbar eine geschlossene Mehrbeit zur Verfügung steht, so giebt ihm seine äußere Politik zu rosigen Auffassungen gleich wenig Anlaß. Der Mißerfolg im Oriente, der die liefe Verbitterung der Südafrikaner gegen England aufs Neue scharf inS Licht stellende Betschuanenaufstand, das nach wie vor gespannte Verhältniß zum Transvaal, der wirtbschastliche und politische Triumph Rußlands in Ostasien, endlich in der Colonialpolitik das nicht ganz unverschuldete schreckliche Unglück in Indien: das sind die Angebinde, die er dem Parlamente überreicht. Nicht ohne Bangen wird er auch der parlamentarischen Untersuchung entgegen- sehcn, der sich Cecil RKodes unterwerfen soll; denn geht sie wirklich unparteiisch vor, fo kann es leicht geschehen, daß der erbitterte Afrikaner die Regierung selbst compro- mittirt. Nun kann Lord Salisbury in der auswärtigen Politik allerdings darauf rechnen, daß, vereinzelter Opposition unerachtet, hier das englische Volk als Ganzes immer treu zu ihm stehen und ihn decken wird. Dieser staatSmännische und vaterländische Geist war an den Briten von je bewun- dernswerth. Jndeß dürfen die Anzeichen nicht übersehen werden, die einen Umschlag der öffentlichen Meinung auf dem Gebiete der auswärtigen Politik andeuten. Es war ein mal gute alte britische Politik, Jedem „a kuir cbcmee" zu geben und gegen Jeden loyal zu handeln, es war britische Politik, nur das für sich in Anspruch zu nehmen, was der britische Kaufmann vorher schon thatsächlich erobert hatte. Neubritische Politik ist es, den anderen Völkern jede Chance zu mißgönnen, die Loyalität hinter dem Egoismus zurückzusetzen und in wenigen Jahren Gebiete von 2 Millionen Quadratkilometer, in die zum Theil noch kaum ein britischer Kaufmann seinen Fuß gesetzt hat, zu „schlucken". Gegen diese Chamberlain-Politik erhebt sich allmählich die Opposition gerade des besten Theiles des englischen Volkes, und wir können nur wünschen, daß dieser Geist über daS Jingo thum siege. — Deutsches Reich. * Leipzig, 15. Januar. Einige Blätter scheinen zu be zweifeln, daß Herr Mobr-Babrcnseld alle aus bekanntem Anlaß noch schwebenden Klagen zurückgezogen habe. Die Richtigkeit dieser Miltheitung ergiebt sich aber a»S dem nach stehenden Circular, das Herr Mohr an seine Vertreter ge richtet und von dem er auch einem weiteren Kreise Kenntniß gegeben hat: Altona-Bahrenfeld, den 13. Januar 1897. ?. x. Wie Sie wissen, habe ich gegen 400 Zeitungen Beleidigungsklage angestellt wegen eines Berichts über eine Geschäftsreise, die ich im August nach Worms »nternommen habe. Die „Wormser Zeitung", von der die falschen Nachrichten zuerst ausginge», ist nun am 16. v. M. zu 300 ./« Geldstrase und alle» Kosten verurtheilt. lieber diese Gerichtsverhandlung gegen die „Wormser Zeitung" sind von Zeitungen so entstellte Berichte veröffentlicht, daß ich mich veranlaßt gesehen habe, das Gerichtsnrtheil, welches ich vor 3 Tage» erst erhalte» habe, drucken zu lasse», und sende Ihnen davon beiliegend ein Exemplar per Post. Sie sehen, ich bin darin glänzend gerechtfertigt. Dieses Ergebnis veranlaßt die Zeitungen, täglich mit neuen Lügen gegen mich zu kommen, meine körperliche Kraft reicht aber nicht aus, diesen Kampf durchzuführen. Nachdem durch das Wormser Urtheil meine Ehre völlig hergestellt ist, habe ich aus dringendes Anrathen meines Arztes und aus Bitten meiner Familie mich jetzt entschlossen, alle Klagen, die noch schweben, zurück- z »ziehen. Ta ich, außer der Wormser Affairr, auch in meiner Eigenschaft als Margarinefabrikant fortwährend von politischen Gegnern, namentlich von den Agrariern angegriffen werde, habe ich mich gleichzeitig entschlossen, mich auch vom politischen Leben zurückzuzieheu und habe daher mein Landtags- Mandat nicdergelegt. Man haut äußerlich auf den politischen Gegner, den natioualliberalen Abgeordneten Mohr, man meint aber de» Margarinesabrikanten Mohr zu treffen, wenn ich daher kein Ab geordneter mehr bin, haben die Zeitungen keinen Vorwand mehr, mich und meine Margarine-Jndusirie anzugrrifen. Da die beiden neuen Branche» Eacao nnd Kaffe« in nächster Zeit ln Betrieb kommen, so erfordert mein Geschäft jetzt auch meine volle Zeit und Arbeitskraft. Indem ich letztere nunmehr ganz allein meinem Geschäfte widme, darf ich wohl hoffen, daß meine Herren Mitarbeiter mich dabei auch wie bisher ferner besonders energisch unterstützen werden. Hochachtend A. L. Mohr. Auf einen Commentar hierzu können wir wohl verzichten. N Berlin, 15. Januar. Welche Wirkung daS Schreiben des Arbeitgeberverbandes von Hamburg auch haben mag, jedenfalls ist es ein Zeugniß der Sachlichkeit, der Ver söhnlichkeit und des Tactes de- BürgertbumS in der größten deutschen Handelsstadt. Indem da- Schreiben das Ver- ständniß dasür bekundet, daß die nun einmal ausgereizten Arbeiter das Vertrauen, die Arbeitgeber würden bei der Untersuchung etwaiger Uebelstände ehrlich Mitwirken, verloren haben, beweist eS, daß seine Urheber sich in die Gemüths- verfassung der Angehörigen der andern Partei mit Erfolg hineinzubenken versucht haben. Die beste Vorbereitung für die Beendigung eines Streite-. Die Socialdemokratie wird eS ja zu verhindern wissen, daß ein gleichzeitiges Berständniß für die Gesichtspunkte des angegriffenen TbeileS sich in den .Köpfen der Arbeiter festsetzt, aber die Bedeutung des großen materiellen Zugeständnisses, die in der Anregung, einen Gewerbeinspector für den Hafen einzusetzrn, gelegen ist, läßt sich schwer herabsetzen. Man darf wvbl sagen: die Hamburger Arbeitgeber haben durch die richtige Wakl des Zeitpunktes und des Mittels, den Ausständigen die Rückkehr zur Arbeit zu erleichtern, ebensosehr den Dank des deutscuen Bürgertbums verdient, wie durch die Ent- schlvssenbeit, mit der sie die von einer politischen Partei zu deren Machtzwecken geleiteten Angriffe auf die Selbst stänvigkeit des UnternehmerthumS zurückgewiesen haben. ö. 0. Berlin, 15. Januar. Ueber das Ergebniß der Prüfungen für höhere Verwaltungsbeamte Preußens im Jahre 1896 wird von amtlicher Seite mit- getbcilt: Bei Beginn deS JabreS 1896 hatten 76 von den der Commission überwiesenen Referendaren die Prüfung noch nicht vollendet, unter Hinzurechnung der im Jabre 1896 neu überwiesenen 1 l2 Referendare waren in Summa 188 Exami nanden der Prüfung zu unterziehen. Wegen ungenügenden Ausfalls von schriftlichen Arbeiten sind im Jahre 1896 3 Referendare zur besseren Vorbereitung an eine Regierung zurückgewiesen worden. Die Zahl der Referendare, die die mündliche und schriftliche Prüfung abgelegt haben, betrug im Jahre 1883: 50, im Jahre 1884: 65, im Jahre 1885: 79, im Jahre 1886: 83, im Jahre 1887: 98, im Jahre 1888: 111, im Jahre 1889:102, im Jahre 1890: 127, im Jahre l89l: 117, im Jabre 1892: 88, im Jahre 1893; 107, im Jahre 1894: 106, im Jahre 1895: 8l, und im Jabre 1896: 88. Von den der mündlichen Prüfung unterzogenen 88 Exami nanden haben 20 nickt bestanden. Zwei Regierungs- reserendare, welche bereits in erster Prüfung nicht bestanden hatten, sind infolge des ungünstigen Ausfalls der Wieder holungsprüfung von dem höheren Verwaltungsdienste für immer ausgeschlossen worden. Von den anderen 18 Referen daren wurden .3 auf die Dauer von 9 Monaten von der Prüfung zurückgewiesen; 15» wurden auf 6 Monate zurückgestellt. Dagegen haben 1 Referendar mit dem Prädicate „mit Auszeichnung", 10 Referendare mit dem Prädicate „gut" und 57 Referendare mit dem Prädicate „ausreichend" die Prüfung bestanden. Neben der mündlichen Prüfung von 88 Referendaren ist im Jahre 1896 bei der Prüfungskommission die Beurtheilung von 204 schriftlichen Prüfungsarbeiten zum Abschluß gelangt. Am Schluffe des Jahres 1896 waren 94 der Commission überwiesene Referendare, deren Prüfung noch nicht ab geschlossen war, vorhanden; von diesen haben 59 bereit- beide schriftliche Prüfungsarbeiten abgeliefert, 21 haben die zweite bezw. dritte und 14 die erste schriftliche Arbeit noch anzn- fertigen. Von den 91 Referendaren, deren Prüfung zum vollständigen Abschluß gelangt ist, haben 68, also 74,73 v. H. die Prüfung bestanden, während die- bei 23, also 25,27 v. H., nicht der Fall gewesen ist. Der Procentsatz der Nicht- FeiriHeton. Die Kunst, sich feuerfest zu machen. Von Robert Habs-Randau. Nachrruck vertotcn. Der geneigte Leser wird wissen oder, wenn er's zufällig nicht weiß, doch aus seinem neuesten Meyer ober BrockhauS ersehen, daß jedes Gewebe von der dünnsten Cancan-Gaze an bis zur schwersten Primadonnen-Seive sich dadurch unver brennlich machen läßt, daß man eS mit einer wässerigen Lösung von Laugensalz, Borsäure, Stärkemehl und schwefel- saurem Ammoniak durchtränkt und dann sorgfältig trocknet. Leider jedoch hat diese heilsame Erfindung, die vornehmlich im Interesse der singenden und springenden Gottheiten der Bretterwelt geschah, bis zur Stunde noch immer ihren Be ruf verfehlt. Den Schönen der Bühne ist eben daS Jm- prägniren des Stoffs nach jedesmaliger Wäsche viel zu umständlich. Um den Anforderungen dieser geschätzten Dame» zu entsprechen, müßte sich ein antipyretisches Minel von an genehmem Äußeren finden, bei dem sich leichte Anwendbarkeit mit bauernder Wirkung verbände, so e>ne Art Feuerpomade, mit der die Huldinneu augestrichen, oder Feuer-Eau de Cvloane, in die sie noloub voleus eingestippt werde» könnten. Ein solches Mittel giebtS nun freilich »och nickt, ganz erfolglos indessen sind die Versuche, die schon von Alters her in dieser Richtung angeslellt wurden, keineswegs geblieben. Sie haben vielmehr einige recht überraschende Ergebnisse geliefert, die sowohl als Grundlage für die weitere Forschung als zur Erklärung der mittelalterlichen Feuerproben von Bedeutung sind, und die daher auf Grund zuverlässiger Berichte, zu denen aber die Heiligenlegenden nicht gehören, im Folgenden kurz zusammengcsteUt sein mögen. Die meine- Wissen- älteste unter den hierher gehörigen Nachrichten stammt au- dem Jahre 1665 und betrifft den englischen Taschenspieler Richards»«, der damals London durch ein unerhörtes Kraftstück in Verwunderung setzte. Er verhieß in seinen Ankündigungen, sich auf seiner eigenen Zunge ein Beefsteak zu braten, und führte daS in der Weise aus, daß er ein Stück Holzkohle mit einem Scheibchen rohen Fleisches auf die vorgestreckte Zunge legte, die Kohle an zündete, die Verbrennung durch Zuthat von etwa- Pech und durch seine Athemzüge beschleunigte und endlich den ganzen Kram zerkaute und binterschluckle. Die Physiker suchten vergebens nach einer Erklärung für diese merlwürdige Un empfindlichkeit der Zunge des Taschenspielers, und vielleicht wäre daS Rätbsrl damals ungelöst geblieben, wenn nicht Richardson plötzlich verstorben wäre und sein Diener unv Erbe, dem die Fortführung de- Geschäft« auf eigene Faust zu beschwerlich fiel, sich durch Geld und gute Worte zu Ent hüllungen hätte bestimmen lassen. Den Angaben diese« Diener- zufolge batte Richardson, unter allmählicher Ver stärkung der Lösung, sich Zunge, Lippen und Gaumen mit verdünnter Schwefelsäure bepinselt und dadurch eine Ver härtung der Epidermis zu Wege gebracht, die ihn gegen die Koblenglutb unempfindlich machte. Da aber die abgestorbene Haut sich sehr leicht abschälte, so hatte da- nicht ganz schmerz lose Verfahren häufig wiederholt werden müssen, und dieser Umstand scheint der Nachahmung desselben ziemlich enge Grenzen gesteckt zu haben, denn wir hören in der Folge nur äußerst selten davon. Um so größere Aufmerksamkeit erregte deshalb um 1718 ein gewisser Querchy in Lyon, der ein Stück rotbglübenden Eisen- auf die Zunge zu nehmen wagte. Querchy gehörte zu jenen nicht gar seltenen Verehrern und Opfern der Alchemie, die, nachdem sie ihr Vermögen mittel- Tiegel und Retorte durch den Rauchfang gejagt hatten, endlich als Quacksalber und Marktschreier ihr Dasein zu fristen suchte«. Unser Ex-Adept gab Gastrollen als Zauberkünstler, und sein Kunststück mit dem glühenden Eisen beweist, daß er wirklich bei seinen alchimistischen Experimenten Einiges gelernt hatte, klebrigen- bezeichnete er offenherzig (ohne sich jedoch auf nähere Angaben einzulaffen) den Alaun als den „König seiner Kunst" und danach dürfte anzunehmen sein, daß er bereits einen Theil der Kunstgriffe konnte, die hundert Jahre später Gionetto mit so ungemeinem Erfolge anzuwenden und auS- zubeuten wußte. Dieser Gionetto war ein Spanier, der seit 1805 Europa durchzog und aller Orten durch seine unerhörten Feuerproben das größte Staunen erregte. Er nahm glühendes Eisen nickt nur auf die Zunge, sondern zog eS auch Uber seine Fußsohlen unv legte eS sogar auf sein dichte» Haupthaar, ohne daß sich die geringste Brandspur zeigte. Als sein eigent liche« Paradestück aber galt die Oelprobe, bei der er einen Löffel voll siedende- Oel verschluckte. DaS Oel wurde in einem eisernen Topfe vor den Augen der Zuschauer bi- zum Kochen erhitzt, dann warf Gionetto ein Stück Blei in die brodelnde Masse und zeigte, daß dasselbe darin zerging, endlich schöpfte er einen kleinen Löffel voll Oel heraus, schüttete e« auf die Zunge unv verschluckte eS, ohne mit einer Wimper zu zucke», während den Zuschauern natürlich die Haare zu Berge standen. Im Jahre 1809 ließ der Künstler sich in Neapel nieder, und hier endlich kam der ebenso scharfsinnige wie unermüdliche Physiker Somontini seinen Kniffen auf die Sprünge. Dem geübten Auge de- Gelehrten entpuppte sich zunächst die berühmte Ocl- probe als ein damals allerdings ungewöhnlicher, im Uebrigen aber nichts weniger als neuer Taschenspieler-Tric. Somontini fand nämlich (waS schon die Priester der Isis gewußt und ausgenutzt batten), daß Essig, dem Soda zu- gesctzt worden, schon bei 40" 6. in so heftiges Wallen gerath, daß die Bewegung sich einer darüber ausgegoffcnen Oelschickt mittbcilt und dieser den täuschendsten Anschein des Siedens verleiht, während ihre wirkliche Temperatur sich nur ganz allmählich steigert. Um Blei zum Schmelzen zu bringen, hätte nun aber die Temperatur bis auf 332" hinaufgetrieben werden muffe». Wie aber, wenn daS, was Gionetto den Zuschauern als Blei bezeichnete, vielmehr ein Stück Roscschen oder Arcetschen Metalls war, das schon bei 94" resp. 92" flüssig wird? Dieser Kunstgriff lag zu nahe, als daß Somontini ihn hätte übersehen können. Er stellte einen Ver such mit der Arcetschen Wismutblegirung an und dabei ergab sich, daß, wenn daS Oel bis auf 100" erhitzt worden, diese Temperatur durch das Einlegen und Schmelzen de- Metalls und durch da- Einfüllen des OelS in den kalten Löffel bis auf 88" zurückging. Einem solchen Wärmegrade aber ließ sich unter Zuhilfenahme der Nichardson'schen Schwefelsäure- Pinselung mit dem schönsten Erfolge Trotz bieten. Weit ernstlichere Schwierigkeiten setzten die Proben mit dem glühenden Eisen der Erklärung entgegen. Namentlich erschien daS Tragen einer kleinen rothglübenden Eisenscheibe auf dem Haar im höchsten Grade rälhselhast, da an dieser Stelle vom Gebrauch der Schwefelsäure absolut keine Rede sein konnte. Nun hatte jedoch Somontini wahrgenommen, daß beim Auflegen der glübenden Scheibe ein dichter, ekel erregender Dampf auS dem Haar des Künstlers ausstieg und, dadurch aufmerksam gemacht, diesen selben Dampf auch beim Bestreichen der Fußsohlen mit dem glühenden Eisen beobachtet. Er schloß daraus, daß Gionetto sich einer besonders kräftigen antipyretischen Salbe bedienen, und nach zahllosen Versuchen und jahrelangen Mühen gelang eS ihm schließlich, auch die Zusammensetzung dieser Salbe zu ermitteln. Um nicht weit schweifig zu werden, theile ich hier nur die Resultate seiner Untersuchungen mit, die bis auf Weitere- als die Grundlagen der Kunst, sich feuerfest zu machen, betrachtet und beachtet werden müssen. DaS einfachste Mittel, die Haut gegen Hobe Wärmegrade unempfindlich zu machen, ist das wiederholte Bestreichen mit verdünnter Schwefelsäure, wie schon Richardson es anwandte — doch mit der Verbesserung, daß jeder neuen Pinselung eine Abwaschung der betreffenden Stelle mit warmem Wein oder verdünntem Alkohol voranzugehen hat. Noch wirksamer als Schwefelsäure sind Einreibungen mit einer Älaunlösung, die bis zur SchwammconsistenS eingedampft worden. Ueber- streicht man die Alaunschicht noch wiederholt mit Talgseife, indem man vor der zweiten und so vor jeder folgenden Einseifung die ältere Srifenschicht mit Wasser abwäscht, so darf man sich getrost mit glühendem Eisen befassen, ohne den mindesten Schaden und das mindeste Gefühl davon zu haben. WaS aber die Zunge und da- Haar aniangt, so verwendet man zur Festigung dieser beiden Stücke mit größte», Vortbeil eine Salbe, die aus Seife und einer bei lOO" 6. gesättigten Alaunlösung herzustellen ist. Diese Salbe, die wie Pomade in da- Haar eingerieben oder in dicker Lage auf die Zunge gestrichen wird, entzieht ihrer Um gebung mit solcher Schnelle die Wärme, daß Somontini bis auf 120" erhitztes Oel obne Schaden auf die Zunge träufeln und verschlucke» konnte; eS machte sich bei diesem Versuche nur ein leises Zischen und jener ekle Dampf bemerkbar, den der Physiker schon bei den Vorstellungen Gionetto'- beobachtet hatte. Welche hohe Bedeutung diese Ermittelungen des neapoli tanischen Professors für die Erklärung der Vorgänge bei den mittelalterlichen GotteSurtbeilen haben, bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Die Versuche und Erfahrungen Somon- tini's und Bcutigny'S, — Boutigny war der erste Gelehrte, der 1849 im Verirauen auf seine Beobachtungen über den svbäroidalen Zustand flüssiger Körper die Hand in flüssiges Eisen zu tauchen wagte — reichen vollkommen auS, um den Wundern der mittelalterlichen Feuerproben in- Herz zu sehen. Nur auf einen Punct sei hier aufmerksam gemacht. An manchen Orten schrieb der Gebrauch eine vorgäagige Waschung der Hand, die daS glühende Eisen zu berühren hatte, mit frischem Master vor, und auf diesen Umstand ist die Be hauptung gestützt worden, daß unter solchen Umständen die Anwendung antipyretischer Mittel unmogUch gewesen sei. DaS ist rundweg falsch, denn gerade dir Wirkung deS ein jachsten unter diesen Mitteln, der Schwefelsäure, wird durch Waschungen mit kaltem Wasser ganz und gar nicht beein trächtigt. Daß aber das Mittelalter nicht blo- zahlreiche Recepte zur Bereitung antipyretischer Mittel besaß, sondern daß auch unter diesen Mitteln neben vielen unsinnigen ver schiedene durchaus zweckmäßige sich befanden, leidet für den Kenner alchemistischer Schriften nicht den geringsten Zweifel. Heutzutage wird die Kunst, sich feuerfest zu machen, nur von einzelnen JahrinarktSkünstlern geübt, und auch bei diesen ist sie weit mehr Schein als Wirklichkeit. Die Feuerfresser z. B., die unter entsetzlichen Grimassen brodelndes Pech hinunterschluckea, erzeugen die- Brodeln auf dieselbe Weise wie der oben genannte Gionetto, d. h. durch Anwärmung einer Sodalösung unter dem Pech, dessen Temperatur selten über 35" 6. hinausgeht. Eines andern, nicht weniger einfachen Kunstgriffs bedienen sich die Feuerspeier, die an Barcocdrbas, dem falschen Messias v. I. 132 n. Ehr., einen würdigen Patron besitzen. Da ich diesen Tric vor einigen Jahren um etliche Bündel Deu und eine Bratwurst von einem fliegenden Professor der höheren Reitkunst eiugehandelt und selber probirr habe, so kann ich eine völlig zuverlässige Beschreibung desselben Uesen.. Das Handwerkszeug de- Feuerspeier- besteht aus einem Knäuel Werg und einem Stückchen möglichst dichtem Zündschwamm. Der Schwamm wird angrzündet zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand genommen. Nun bringt man abwechselnd mit der Rechten und mit der Linken kleine Flausche Werg in den Mund, die man tüchtig zu zer kauen scheint, in Wahrheit aber nur mit der Zunge so lange drückt und hin und her schiebt, bi- man die ganze Mund höhle ring« berum damit auSgepolstrrt hat. Jetzt wird eiligst der Schwamm zwischen da« Wrrgpolster geschoben, der Mund zum Grinsen verzogen und dann geblasen, daß die Funken stieben. Ich muß aber wohl kein besondere« Talent zum Feuerspeien haben, denn ich habe mir ein gute« Dutzend Mal tüchtig den Mund verbrannt, bevor ich die Sach« 'rau- bekam
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