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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970120015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-20
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Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile ro P?e^ Neclamen unter dem Redaction»strich (4 g». spalten) vor den Famtliennachrichten (6 gespalten) 4(1 Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Ertra-Beilage» (gesal»", au» de» Morgen-Autgab«, ohne Postbeförderung KO.—, mit Postbesörderung 70.—. Annaljmeschlnli für Anzeigen: Abend-AnSgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen»Au-gabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet» an dte Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 20. Januar 1897. 91. Der Fall Doumer im französischen Parlamente. O. Paris. 18. Januar. Herr Carnaud ist Socialdemokrat nnd Deputirter von Marseille. Als Deputirter hat er den Beruf, über das Heil de« Vaterlandes zu wachen und Alles, was ihm für diese- nicht ersprießlich erscheint, öffentlich festzunageln; als echter Socialdemokrat bat er dir Aufgabe, Gefahren auch da zu wittern, wo absolut keine vorhanden sind, das gemäßigte Ministerium bei jeder paffenden nnd unpaffenden Gelegenheit mit Beschimpfungen zu überschütten, die Ordnungsrufe, die ihm dafür zu Theil werden, als Märtyrerkronen aufzufasscn und, wenn er schließlich bei der Abstimmung jämmerlich unterlegen ist, triumphirend an seine Wähler zu berichten, daß er der Regierung einen fürchterlichen Stoß versetzt habe. Es handelte sich bei seiner vorgestrigen Interpellation um die in der letzten Zeit viel besprochene Ernennung des früheren Finanzministers Doumer zum Gouverneur von Tonking oder Zndochina, wie man hier sagt, d. b. um das entsetzliche Vergehen des Ministers der Colonien, einem politischen Gegner ein hochwichtiges Amt anzuvertrauen. Für den, der die Dinge nüchtern betrachtet, hat diese Ernennung nichts Befremdendes. Der Gouverneur einer Provinz pflegt während seiner Amtstbätigkeil eine ganze Anzahl von Minister wechseln zu erleben, cS kann sich also nicht darum handeln, auf einen solchen Posten einen Mann zu berufen, dessen politisches Glaubenöbekenntniß mit dem der augen blicklich am Ruder befindlichen Regierung in allen Dingen übereinsümmt, sondern einen, der die für eine so verantwort liche Stellung uothwendigcn Eigenschaften und Kenntnisse mitbringt. Run ist Herr Doumer selbst nach dem Urtheil seiner Gegner einer der befähigtsten jüngeren Politiker Frank reichs. Dan» aber bandelt cs sich in Tonking, nachdem der Friede mit China dauernd gesichert erscheint, hauptsächlich um die Regelung finanzieller und zollpolitischer Fragen. Konnte man da einen geeigneteren Mann finden als den, der als gewesener Finanzminister mit diesen Dingen auf« Innigste vertrant ist und obendrein mit seinem Vorgänger zusammen die Vorlage über die indo-chinesische Anleihe bearbeitet hatte'? Im Gegentheil sollte man dem Eolonialminister dazu Glück wünschen, daß er über der Sorge für das Wohl des Landes den Hader der Parteien vergessen hat. Allein in Frankreich ist das etwas ganz Unerhörtes. Hier ist das Normale, daß ein Minister die Stellen, die er zu vergeben bat, nickt mit den ihm dafür am geeignetsten er scheinenden Männern besetzt, sondern vor Allem seine Freunde versorgt. Wird einmal eine Ausnahme gemacht, so muß ein ganz besonderer Grund vorliegen; denn Uncigcnniitzigkeit ist ein unbekannter Factor in der französischen Politik. Also versiebt es sich für die Opposition von selbst, daß Herr Lebon Herrn Doumer einzig und allein deshalb uack Asien geschickt hat, um einen gefährlichen Gegner un schädlich zu machen, und man interpellirt ihn über diesen noch nie dagcwcsenen Fall von Eorruptiou. Hätte er umgekehrt einen seiner Freunde berufen, so Härte man natürlich geschrien: „Hier unter den Radikalen befindet sich ein Mann, der wie kein anderer für diesen Possen geeignet war. Aber den bat man übergangen einer gemäßigten Null zu Liebe!" und hätte erst recht interpellirt. Der Anlaß ist gleickgiltig, es soll und muß interpellirt werden. „Hat die Regierung", so begann Herr Earnaud seine Rede, „auf den Bänken ihrer Majorität keinen einzigen Mann ge sunden, der säbig gewesen wäre, eine Eolonie zn regieren? Oder hat sie durch diese Ernennung der radikalen Partei entgegenkommen nnd ihr einige Mitglieder abspenstig machen wollen? Over hat sie die radikale Partei diScrevitiren wollen, "indem sie zeigte, daß einer ihrer Führer durch gewisse, übrigen» unrichtige Berechnungen sich verleiten ließ? Oder hat endlich der Ministerpräsident damit den Wunsch ausdrücken wollen, seine Politik zu ändern nnd seine Ver bündeten von der Rechten durch die Freunde dcö Herrn Doumer zn ersetzen? Der vorletzte Grund ist der richtige: man wollte jetzt gerade in dieser kritischen Zeit der Oppo- Feuilleton. „Das brandeiilmrgische Manchester" (Forst in -er Lausitz). Von Theod. Herm. Lange. Nachdruck verboten. Der Personenzug hatte mich in der Frühe von CottbuS nach Forst in zwanzig Minuten gebracht. Als ich auf dem Förster Balmhofe auSstieg, war ich im ersten Augenblick etwa» enttäuscht, denn das Empfangsgebäude erwie» sich al» klein und unansehnlich nnd den Bahnsteig konnte man mit etwa zwei Dutzend Schritten abgehen. Dabei zählt beute Forst mit dem Vororte Berge, der am l. April 1897 der Stadt cinverleibt wird, einige dreißigtausend Einwohner, ist also wesentlich größer als Guben, Sorau, Sommerfeld und andere Industrieplätze jener Gegend. Indessen erinnerte ich mich, daß auch der einzige Bahnhof der gewaltigen 400 OVO Ein wohner zählenden Fabrikstadt Lodz in Russisch-Polen «in sehr bescheidenes Aeußerr zur Schau trägt. Forst, da» „Manchester der Lausitz" bat überhaupt viel Aehnlichkeit mit Lodz, dem polnischen Manchester. Beide Städte liegen in einer reiz losen, stellenweise mit kleinen Kieferwaldungen bedeckten Ebene. Nähert man sich Forst, so erblickt man, gerade wie bei Lodz, nur einen Wald von dampfenden Schloten und sucht Kirch- lhürmr zunächst vergeblich. Forst besitzt nur drei Kirchen: zwei evangelische nnd eine katholische. Aber keine» dieser Gotteshäuser ist ein bemerkrnSwerther Bau. Trotz Ranch, Qualm nnd Ruß, trotz seiner engen Straßen und kleinen Plätze ist Forst eine sehr gesunde Stadt. Bei seiner vollständig freien Lage in der weiten Ebene verziehen sich die Raucknnasien sehr schnell und von allen Seiten bringt der Wind frische, gute Luft herein, was bei den zwischen sition einen ihrer Führer rauben. Und das ist infam!" Es folgten dann eine Reibe derartig heftige Ausfälle gegen die Regierung, daß der Redner zweimal zur Ordnung ge rufen werden mußte. Seine ganze Rede war so ungeschickt, daß heute selbst ein radicaleS Blatt sie als „Gefasel" bezeichnet und Carnaud'S Gesinnungsgenosse Jaurös alle Mühe hatte, die Scharte einigermaßen wieder auSzuwetzen. Der Minister hätte mit einer einzigen kleinen Gegenfrage alle Angriffe entkräften können. Warum bat denn Herr Doumer das Anerbieten angenommen? Er war Schrift steller nnd Abgeordneter, ein vollkommen unabhängiger Mann, warum hat er nickt Nein gesagt? Nicht daß die Stellung einem Nadicalen angeboten wurde, konnte doch die Partei diScrevitiren, sondern höchstens, daß ein Radikaler sie an na hm. Herr Lebon war zu anständig, diese Gegenfrage zu stellen. Aber in der Tbat, warum gieß: man nicht auf Herrn Doumer die ganze Schale des Zorns aus? Ja, Bauer, daS ist ganz was Andres. Einen Mann mit Koth zu bewerfen, den man soeben noch dem Lande als Muster hingestellt batte, daß ging doch nicht. Nnd dann wußte man auch nicht recht, woran man war. Die anderen Führer der Opposition, Bourgeois und Goblet, batten sich in ein geheimnißvolleS Schweigen gehüllt; sollten sie einverstanden gewesen sein? Nachdem diese vorgestern ihre Hände in Un schuld gewaschen haben, wird man schon mutbiger. So schreibt heute bereits der „Intransigcant" von dem um 120 000 Franken gekauften Renegaten. Ich bin überzeugt, daß Doumer nicht aus so niederen Beweggründen die Wahl angenommen bat. Er war erfreut, einen Wirkungskreis zu finden, in dem er sich nützlicher machen kann, als dadurch, daß er sich jeden Sonntag ans die Eisenbahn setzt, um eine Agitations rede zu halten. Nun, jedenfalls hat die Opposition sich eben wieder eine gehörige Schlappe zugezogen. 138 Stimmen gegen 306, in einer so beschämenden Minderheit bat sie sich bisher noch kaum befunden. Sie hat damit das Gegentheil von dem erreicht, waS sie bezweckte; das Ministerium , dem man schon oft sein Ende vorausgesagt - hat und das eine geradezu un glaublich zähe Lebenskraft entwickelt, hat eine neue Stärkung erfahren. Wir stehen hier vor einer ganz merkwürdigen Erscheinung. Herr M6line und seine Collegen sind so anständige Leute, daß sie der Sympathie aller Gutgesinnten sicher waren. Aber Anständigkeit ist dock eigentlich noch kein Verdienst, sondern nur ganz einfache Pflicht und Schuldigkeit. Sie sind durchaus nicht fähiger als die Parier, die Dupuy nnd Constans, die viel rascher gestürzt worden sind, sie haben sich in vielen Fällen höchst schwach nnd wankelmüthig gezeigt, und vor allen Dingen haben sie überhaupt noch keine fruchtbare oder auch nur originelle Idee gehabt. Einer gut geführten und gut disciplinirten Opposition wäre es also sicher nickt schwer geworden, ibnen den Laufpaß zu geben. Eine eigentbümlicke Negierung fürwabr, die ihr Dasein nur dem Ungeschick ihrer Feinde verdankt! Ober ist bei den hiesigen parlamentarischen Verhältnissen die goldene Mittelmäßigkeit überhaupt das Einzige, was einer Regierung zn einer langen Lebensdauer verhelfen kann? Deutsches Reich. ^ Berlin, 19. Januar. Von den Preußischen Hoch schulen bat sich als erste die Universität Halle-Wi tten- berg mit einer Petition an daS Abgeordnetenhaus gewandt, in der dringend um Ablehnung der geplanten „Neugestaltung" der Prosessorengehälter gebeten wird. Auch in dieser Petition wird aus die völlige Abhängigkeit der materiellen Existenz der Universitätslehrer von vem Gutdünken beS Cultusministeriums und auf die Unbilligkeit deS Collegien- gelderabzuges ohne genügendes Äquivalent kingewieien. Ganz besonders bemerkenswerlh sind aber die Ausführungen, die über die Rechtsfrage der Eollegiengelder gemacht werden. Es heißt da: „Anerkanntermaßen haben nach vem Allgemeinen Landrecht die Professoren einen prival- Höbenzügen und in Bergkefseln gelegenen Fabrikstädten nicht der Fall sein kann. Auch daS eine paar Stunden lange ganz schmale Lodz ist für eine Fabrikstadt ein auffallend gesunder Platz. Was die Reinlichkeit in den Straßen an belangt, so sieht es in Forst etwas besser als in Lodz aus. Als ich vom Bahnhofe in die Stadt bi» zum Markt platze fuhr, und dann gleich einen zweistündigen Rundgang durch die verschiedenen Viertel antrat, gewahrte ich sofort den manchesterartigen und modern industriellen Charakter der Stadt. Neue, lange, einförmig gebaute Straßen mit Häusern, denen man e» schon von Außen ansab, daß sie in beschleunigtem Tempo aufgeführt worden waren, zogen sich von der Peripherie nach dem Centrum. Parallel liefen häufig schmale Gaffe« und Gäßchen mit kleinstädtischen Häuschen besetzt, die «inen Blick in daS „alte" Forst d. h. in das der sechziger und siebziger Jahre dieses Jahrhundert- thun ließen. Die heutige Fabrikstadt Forst ist noch ganz jung. Erst Ende der siebziger Jahre begann sie sich zu einem Großplatze der Industrie zu entwickeln. Vor zwanzig Jahren zählte Forst noch nicht einmal ganz 6000 Einwohner. Guben, Cottbus, Sorau waren damals dem kleinen Forst gegenüber an Einwohnerzahl und Industrie um da» Drei- »nd Vierfache überlegen. Augenblicklich gehört zwar Forst noch zum Kreise Sorau, doch wird da» brandenburgische Manchester zum t. April 1897 au» dem Kreise Sorau auSscheiden und «men eigenen Stadtkreis Forst bilden. Nock Ende der siebziger Jahre war die industrielle Production in jeder einzelnen der vier Städte Guben, Cottbus. Spremberg und Peiy größer al» in Forst. Heute übertrifft die industrielle Production von Forst die industrielle Gesammtproduclion von Cottbu», Guben, Spremberg und Peiy um nabezu 10 Millionen Mark. E» ist dies ein gerader« beispielloser Aufschwung. Forst bat durch seine rapide, aber dock gesunde »nd reelle Entwickelung bewiesen, daß es auch in dieser Hinsicht einen rechtlichen Anspruch auf das volle Honorar (nach Abzug einer geringfügigen Erhebungsgebühr). Der Anspruch >>l dadurch nicht verändert worden, daß nach den königlichen CabinetSordreS vom 5. Februar 1844 und 26. September 184'. zur Einziehung und Einklagung der gestundeten Honorare nur die UniversitätSquästnr legitimirt ist. Dieser privat- rechtliche Anspruch soll künftighin und zwar, wie eck scheint, im Wege der Verwaltung verkürzt und auf einen Theil deS Honorars beschränkt werden. Es wird auch von unS anerkannt, daß in besonders gearteten Fällen, deren Zahl übrigens keine sehr große ist, einzelne Professoren übermäßig hohe Honorare beziehen, daß in diesen Fällen eine Abänderung der gegenwärtigen Bestimmungen gerechtfertigt erscheint. Jndeß kann unseres Erachtens eine solche Aenverung eines Privatrechtes nur durch ein Gesetz, nickt im Wege der BerwaltungSpraxiS erfolgen. Wäre eS zulässig, das Recht auf Bezug der Honorare in der Verwaltung-Praxis beliebig zu ändern und zu beschränken, so wäre damit eine der wesentlichsten Grundlagen unserer UniversitätSversassung erschüttert." Soweit die Petition. In der That wird man zngeben müssen, daß, wenn der Collegiengeldbezng durch land- rechtliche Bestimmungen, die übrigen« nicht nur einen privat rechtlichen, sondern auch einen öffentlich-rechtlichen Charakter haben, garantirt ist, dieser Rechkszustand lediglich durch ein Gesetz', aber nicht durch eine begründende Bemerkung zum Etat abgeäntert werden kann. * Berti», 19. Januar. Der AuSgang des Wita- schützer, auf Veranlassung des Erzbischofs Stablewsky inscenirten Beleidig ungSprocesses gegen die Bekämpfer des polnischen Fanatismus hat dem Ultramontanismus eine arge Enttäuschung bereitet. Die „Germania" hatte sich schon darauf vorbereitet, den Proceß in derselben Weise wie die Verhandlung von Opalenitza für daS Polenthum auS- zuschlachten. Jbr nach Posen entsandter Sonderberichterstatter stellte sich den Lesern des ultramontanen Blattes bereit« am Tage der Verhandlung mit der Nr. 1 einer Serie von Ar tikeln Uber das interessante Thema: „Der HakatiSmnS von Witaschütz vor Gericht". Gleich in dem Eingang dieser Nr. 1 wurde betont, daß es sich um einen Vorfall „zwischen dem 21 jährigen katholischen Lehrer Wenzel und dem im 46. LebenS- und 23. Priesterjahre stehenden Probst Szadzinski" han dele, woraus sich für ein ultramontanes Gemülb schon von selbst der Schluß ergab, daß der Lehrer, dessen Lebensjahre nicht einmal die Priesterjabre des Probstes erreichen, schweres Unrecht hatte. Allein es kam anders. Schon in der folgenden Nummer mußte die „Germania" die durch das „Wolff'sche Bureau" drahtlich vermittelte Freisprechung der Angeklagten mittheilen; um aber ihren Lesern nicht auf ein mal die ganze Enttäuschung bereiten zu müssen, strick sie den letzten Satz der Drahtmeldung, worin gesagt war, daß nach der Ueberzeugung des Gerichtshofes der Wahrheits beweis für die Bezchuldigungen gegen den Probst Szad zinski, gegen die Obrigkeit (den Lehrer) anfaehetzt und die Seelen der Schulkinder durch seine Aeußerungen vergiftet zu haben, tatsächlich geführt worden sei. Statt dieser bitteren Wahrheit bängte das ultramontane Blatt eine Privatdepesche seines Sonderberichterstatters an die Drahtmeldung, worin als Ergebniß der Verbandlungen an Stelle der moralischen Vernichtung des Probstes diejenige des „HakatiSmnS" — behauptet wurde. Ganz durfte aber die moralische Vernrtheilung deS Probste» dock den Lesern nicht vorentbalten werden, und so hinkte denn der Sonderberichterstatter mit einem Berichte nach, allein eine Nr. II der verheißenen AiiSschlachtungSartikel erschien nicht, die Artikelserie war ausgegeben. (Voss. Ztg.) * Berlin, 19. Januar. Anknüpfend an einen Artikel der „Kreuz-Ztg.", schreibt die klerikale „Köln. Volksztg." gegen den Bund der Land Wirt he: „Für das, WaS ver Bund der Landwirthe unter Mittelstandspotitik versteht, wie überhaupt für die Gesammtpolitik diese« Bundes wird aller dings die Centrumspartei niemals zu haben sein. Der Bund, sagt vie „Kreuz-Zeitung", halte sich streng von Vergleich mit dem lawinenartig gewachsenen Lodz oder mit den gleich Treibhauspflanzen emporschießenden neuen ameri kanischen Industriestädten «»«halten kann. Au» dem „Neste", da» Forst noch vor etwa 20 Jahren war, ist thatsächlich beute die größte und reichste Fabrikstadt der preußischen Lausitz und nächst Berlin der bedeutendste Jndustrieplatz der ganzen Provinz Brandenburg geworden. Und dabei dehnt sich Forst noch immer mit unheimlicher Schnelligkeit auS. Die Bauthätigkeit ist noch heute eine fieberhafte. Die reich gewordenen Fabrikanten, von denen gerade die hervorragendsten als einfache Tuckmachergesellen eingewandert sind, bauen sich eine prächtige Billa nack der anderen. Für die zuziehenden Fabrikarbeiter entstehen fort- während ganze Häuserreihen und doch waren am 1. Oktober 1896 wegen WohnungSmangels etwa fünfzig Familien ob dachlos. Kaufleute, Handwerker und Händler machen natür lich in Forst gute Geschäfte. Schöne, große, elegante Kauf läden suchte ich allerdings, von etwa zwei oder drei Aus nahmen abgesehen, bei meinen Wanderungen durch die Stadt vergeblich. Aber die Neuheiten der Saison» die modernen Specialilätcn waren überall in den Schaufenstern anSgelegt, gerade so gut wie in Berlin oder Leipzig. Wie die Fabrikantenfrauen und Töchter müssen auch die Fabrikarbeiterinnen stet» das Neueste und Beste kaufen können. „Gehandelt" wird in Forst seitens der Käuferinnen nickt. Man erzählte mir, daß es in Forst Arbeiterfamilien gäbe, in denen der Vater, die Mutter und die erwachsenen Töchter zusammen Sonnabend« einen Wochenlohn von nahezu 100 Mart nach Hanse brächten. Davon läßt es sich schon ganz gut leben, umsomehr da die Förster Fabrikarbeiter und Fabrikarbeiterinnen nicht gerade im Gerüche Ver Sparsamkeit stehen sollen. Die reichen Fabrikanten zahlen überall, ebne zu feilschen, die höchsten Preise, gleichviel ob sie ibre Köck« oder Köchinnen auf den Wochenmarkt, zum Fischhändler, Fleischer rc. schicken, oder ob die Damen deS Hause- ihre aller Parteipolitik fern, ebenso auch von der Erörterung sämmtlicher confessionellen nnd kirchen - politischen Fragen. Im Programm deS Bunde» mögen ja dergleichen beruhigende Phrasen stehen, aber darauf komigt es viel weniger an, al» auf die Auslegung de» Programms und dessen Handhabung in der Praxis. Die Tbatsacke läßt sich aber nun einmal nicht auS der Welt schaffen, daß die Führer deS Bundes wiederholt bei paffender und unpassender Gelegenbrit in öffentlichen Versammlungen recht aus giebig Partcipolitik getrieben haben, daß si chre „Macht" der Regierung zur Verfügung stellte» zur Durchdringung von Militair- und Marinevorlagen, vorausgesetzt oder in der Erwartung, daß dann die Agrar politik nach den Recepten des Herrn v. Ploetz eingerichtet werde. Namentlich wird in den Wahlversammlungen, welche unter der Aegide von Bunde-mitglievern abgehalten werden. Parteipolitik getrieben, und zwar mindesten« ebenso viel, als in den Versammlungen anderer Parteien. Es ist eine Flunkerei, wenn die „Kreuzzeitung" behauptet, der Bund verfolge nur wirthschaftS-politische Ziele — da» thut er so wenig im Osten wie im Westen Preußens, und wenn er erst Erfolg bei der Regierung hätte mit den übertriebenen, schädlichen Forderungen, die wir stet» bekämpft haben, dann würde er Wahlen machen, daß den Steuerzahlern und den Bauern selbst die Augen übergehen würden. Wir fürchten daher auch nicht, daß Mitglieder der CentrumSpartei jemals in erheblicher Zahl die Wahrung ihrer gesammten Interessen in der Volksvertretung etwa einem Politiker wie dem Grafen Limburg-Stirnm übertragen konnten." V. Berlin, 19. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaise rin besuchten heute Vormittag, gelegentlich des gewohnten gemeinsamen Spazierganges durch den Thier garten. das Atelier deS Bildhauers Prof. Baumbach. Nach dem königlichen Schlosse zurückgekchrt, arbeitete der Kaiser längere Zeit mit dem General v. Hahnke. Abends um 7 Ubr ge denkt der Kaiser einer Einladung deS Generals v. Arnim zum Diner zu entsprechen. — Die Kaiserin Friedrich empfing beute die Gemahlin deS amerikanischen Botschafters, Mrs. 11kl, den Marquis Durazzo Pallavicini und Ändere. — Der Erbgroßherzog von Oldenburg ho' gestern Abend Berlin wieder verlassen. Auch der Fürst zu Schwarzburg-Rudolstadt hat sich bereits von den Majestäten verabschiedet, um demnächst nach Rudolstadt zurückzukehren. (-) Berlin, 19. Januar. (Telegramm.) An dem heutigen Frühstück beim Reichskanzler zu Ehren des Grasen Goluchowskt nahmen die Fürstin Hohenlohe, dir Prinzessinnen Elisabeth und Moritz Hohenlohe, der Botschafter v. Szogyrnv- Marig mit den Herren der österreichisch-ungarischen Botschaft, UnterstaatSsecretair v. Notcnhan, Gcbeimrath WilmowSki, der Gesandte Graf Pourtalvs, Gcbeimrath v. Lindenau, Geheim ratb Günther, Wirk!. Legationörath llr. Mumm v. Schwarzen stein. die Prinzen Moritz und Alexander Hohenlohe und Gras Schönborn Theil. G Berlin, 19. Januar. (Telegramm.) Wie der „Reichsanz." meldet, ist Fürst Wilhelm Wied auf seinen Wunsch von seiner Stellung al» kaiserlicher Commissar und Militairinspectrur Her freiwilligen Kranken pflege entbunden worden. Graf T-lmS varuth aus Klitschdorf ist zu seinem Nachfolger ernannt worden. Gleichzeitig ist der Geb. Ober-RegierungS-Rath Teherr-Thotz dem neuernannten Militairinspecteur zur Unterstützung in den lausenden Geschäften beigegeben worden. 6. H. Berlin, 19. Januar. ( P r i v a t t e l e g r a m m.) General-Feldiiiarschall Gras Blnmenthal wird an, 30 Juli sein siebenzigjäbrigeS Dirnstjnbiläum, General-Oberst ». Voö wird am 7. April und Prinz Altrecht am 8. Mai sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum begehen. Alle drei Tage werden von der ganzen Armee festlich begangen werden. 88 Berlin, 19. Januar. (Privattelegramm.) DaS Staalsministerium trat heute Vormittag 10 Ubr unter dem Vorsitz des Fürsten Hohenlohe im Reichskanzlerpalais zu Aufträge der Modistin, der Inhaberin eines ConsrctionS aeschäfl» , Kauflenten rc. ertheilen. Ein Fabrikant bat sick seine Villa ganz im Stile der Wartburg erbauen lassen. Ein anderer batte neulich, al« ich in Forst war, zwei seiner Leute an di« Küste des MittelmrereS geschickt, »m dort gewisse Delikatessen einkaufen zu lassen. Diese Leckerbissen sollt n bei einem Abendessen, da» der Fabrikant mit einen« Kosten aufwande von mehreren tausend Mark gab« auf der Tafel prangen. Im vergangenen Jahre gab ein Förster Fabril besitzer ein Abendessen, wobei allein di« Ausschmückung de.' Speisesaals den Betrag von über 3000 Mark erfordert batte. Beamte spielen auS leicht begreiflichen Gründen in Forst gar keine Rolle. DaS Leben und Treiben in den Straßen von Forst kann auch in einem Industrieplätze von weit über Hunderttausend Einwohnern nicht unruhiger nnd bastiger sein. Alle» eilt ge schäftig und schnell dahin und den gemächlichen Gang der Bewokner einer Provinzialstadt kennt man nicht. Lastwagen und Handkarren nnd dazwischen die zahlreichen, eigentbümliche» Fuhrwerke der Appreteure erblickt man in allen Straßen. Auf diesen Appreteurwagen werden au» den Fabriken dir Gewebe in die Bppreturanstalten «nd dann wieder zurück in die Fabriken befördert. Auch an kaufmännischen Reisenden mit den unvermeidlichen Musterköffercben herrscht i» den Straßen kein Mangel. Dazu kommen die zahlreichen ein beimischen Wollagenten mit ihren blau eingeschlagenen Wolt Päckchen in der Hand nnd zu gewissen Tagesstunden die Schaaren von Fabrikarbeitern und Fabrikarbeiterinnen. Als ich am ersten Tage meine» Busenthalte» in Forst an, Fenster de» am Mark,, gelegenen Hotel» zum „Schwarzen Adler" saß, eines monumentalen Prachtbaues, dessen sich keine Groß stadt zu schämen brauchte, konnte ich die vorüberstutbendcn Arbkiterniassen mit aller Ruhe betrachten und mustern. Dabei siel mir die verbältnißmäßig saubere und ordentliche Kleidung der Arbeiter und Arbeiterinnen und ihre frischen, thrilweis«
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