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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970121020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-21
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Politische Tagesschau. * Leipzig, 2i. Januar. Wie vorgestern, so lag auch gestern der politische Schwerpunkt nicht in den Verhandlungen des Reichstags, sondern in denen des preuszischrn AbgcorVnetcnhauseS. Auch der gestrigen Sitzung der preußischen Landboten war eine Minister berat bung vorausgegaugen, in der augenscheinlich eine Antwort aus zu erwartende polnische Klagen ver einbart worden war. Diese KlagLn blieben denn auch nicht aus und gaben dem Kultusminister vr. Bosse Gelegenheit, den Standpunkt der Regierung zu kennzeichnen. AnS seiner Erklärung heben wir Folgendes hervor: ,,Es ist unsere Pflicht, in den Provinze» Posen und West- Preußen das Recht zu schützen; das Recht aber ist, daß diese Provinzen zu Preußen gehören und daß ihre Bevölkerung in erster Linie aus preußischen Staatsbürgern und deutschen Reichsangehörigen besteht, daß es sich nicht um eine Nationalität handelt, der wir eine Organisation zugcslehc» dürfen, die zu einer Zerstörung unseres Staates führen könnte. Wir werden nicht auf hören, die preußischen Unterthanen polnischer Zunge in voller Gerechtigkeit zu behandeln, wenn sie sich den Gesetzen gemäß be nehmen; aber wir werden ungesetzliches Vorgehen mit allen gesetzlichen Mitteln nnnachjichtlich bekämpfen und die Autorität des Staates Jedem gegenüber wahre», der unsere heiligsten Güter anzutasten wagt. Weder sentimentale noch provocatorischc Redensarten, weder Versprechungen, noch auch die Nadelstiche einiger polnischer Herren werden uns davon abhalten. Man hat dort wiederholt von Schwankungen der Staatsregierung gesprochen, ohne diesen Vorwurf zu subslanziiren. Eine solche Schwankung besteht absolut nicht, und die Regie rung ist sich ihrer Pflicht vollkommen bewußt. Wir werden ruhig, aber zielbcwußt, gerecht, aber ohne Furcht und Scheu den Pflicht- mäßigen Weg weiter gehen, und die Polen werden wohlthun, sich keiner Illusion hinzugeben, sie werden einem unbeugsamen Widerstande begegnen, wenn sie sich außerhalb des Rechtsbodens stellen." Besonderes Gewicht glauben wir auf die Versicherung des Ministers legen zu sollen, daß auch Versprechungen die Regierung nicht irre machen würden, denn jedenfalls bezieht sich diese Versicherung auf den neuerlichen Erlaß des Erz bischofs v. StablewSki, der dem Klerus in seinem Ver halten den deutschen Katholiken gegenüber das Gewissen schärft. Bevor man aber sieht, wie der polnische Klerus nach dieser Vermahnung handelt und wie er behandelt wird, wenn er renitent bleibt, wird man den Erlaß zu den Ver sprechungen zählen müssen, die nach Herrn 6i. Bosse s Er klärung die Regierung nicht davon abhalten werden, mit allen gesetzlichen Mitteln unnachsichtlich die Staatsautorität zu wahren. Hoffentlich sorgt die preußische Regierung nach dieser Erklärung auck dafür, daß es in den von der polnischen Propagauda bedrohten LandeSlheilen nirgends an Organen fehlt, die sich weder durch sentimentale Redensarten, noch durch Versprechungen von dem ihnen durch das Ministerium vorgezeichneten Wege ablenken lassen. Selbstverständlich fand die auf die Behandlung der Polen bezügliche Ministerialcrklärung gerade auf denjenigen Bänken deö HauseS, welche die vor gestern von dem Fürsten Hohenlohe über den Proceß Leckert-Lützow und die „Flucht in die Oeffentlich- keit" abgegebene Erklärung demonstrativ begrüßt batten, die kühlste, die wärmste Aufnahme dagegen auf jener Seite, welche die vorgestrige Erklärung am kühlsten ausgenommen und sich Gegenerklärungen Vorbehalten batte. Im Namen derNat^onal- li Hera len gab gestern die Gegenerklärung der Abg.Dr. Fried- berg, der nach der „Nat.-Ztg." ausführte: „Wir sind erfreut über die Erklärung des Ministerpräsidenten, daß volle Einheit in der Regierung herrsche, und stimmen auch darin mit ihm überein, daß die Etaatsregierung nicht mit Rücksicht daraus, daß Beamte irgendwie bloßgestellt werden, iiothweiidige Processe unter lasse» oder verhindern kann. Aber die Kernfrage ist vo» dem Ministerpräsidenten n» beantwort et geblieben, nämlich wie cs dcniimöglichgewesenist,daßJahrelangBeai»tedeSaus- würtigen Dienstes sich beschwert fühlen mußten durch Treibereien der politischen Polizei, daß sie sich nur durch eine Flucht in die Ocffentlichkeit schützen konnten. Ter Minister des Innern hat sich um die Sache hernmgesprochen, er hat nichts gesagt, was nicht schon bekannt gewesen wäre; dagegen hat Herr Richter die Sache seiner Gewohnheit gemäß mit der Person des Fürsten Bismarck in Verbindung gebracht. Ich glaube es nicht nöthig zu haben, Len Fürsten Bismarck, den größte» Staats mann seit zwei Jahrhunderten, gegen solche Angriffe zu verthridigen. (Lebhafter Beifall rechts und bei Len Nationaltibcralen.) Wenn Fürst Bismarck noch am Ruder gewesen wäre, so wären solche Vorkommnisse gar nicht so weit gediehen; wenn sich bei ihm Beamte des Auswärtigen Amts beschwert hätte», daß sie unter Treibereien der politischen Polizei zu leiden hätten, dann hätten Sie einmal sehen sollen, mit welch' eisernem Besen dieses Ressort ausgekehlt worden wäre." Und der Abg. v. Kardorff sprach, nach dem Beifall zu schließen, der ihm zu Theit wurde, die Ansicht aller Eonser vativen aus, als er aussührte: „Was den Proceß Leckert-Lützow cmlangt, so ist es wohl eine eigentlich selbstverständliche Sache, Laß das Gesammtminislerium in seinen politischen Grundanschauuiigen einig ist. Aber es hat Loch pei»lichberührt,daßjahrelaiig ein Verdacht eines Ministers nicht blos gegen die politische Polizei, sondern auch gegen College» bestanden zu haben scheint, daß gegen ihn ein Jntriguenspiel getrieben werde, das doch unter College» nicht loyal ist. Auch die Schadenfreude der französischen Blatter, daß Deutschland seine schmutzige Wäsche vor ganz Europa zu waschen scheine, hat peinlich berührt. Dagegen wird Niemand etwas einwenden können, daß Fürst Hohe» lohe sich für gebunden erachtet, bei Verleumdungen und Be> teidigungen von Beamten jedesmal einen Proceß gegen die Uebel thäter anzustrengeii. Aber wenn es diesen dunklen Existenzen Leckert und Lntzow nicht gelungen wäre, sich Zutritt zu den Ministern und höheren Stellen zu erschwindeln, so wäre es doch überhaupt zu diesem Proceß nicht gekommen." Auf diese Erklärungen erfolgte eine Anwort vom Regierungstische nicht. Man darf hieraus Wohl schließen, daß die Berechtigung der Einwendungen anerkannt wurde und daß das jetzt in seinen politischen Grundanschauungen einige Ministerium auch über die Mittel zur Verhütung der Flucht einzelner Minister vor den Treibereien von Unter gebenen anderer Minister in die Ocffentlichkeit, wie über den Verkehr aller ministeriellen Stellen mit der Presse zu einer Nebereinstimmung zu kommen trachtet. Von den „Böhmischer Ausgleich" benannten Verein barungen, die seinerzeit unter Mitwirkung des CabinetS Taaffe zwischen den Deutschböhmen, Alttschechen und feudalen Großgrundbesitzern abgeschlossen wurden, sind die meisten infolge der Verdrängung der Alttschechen durch die Juugtschechen undurchführbar geworden. Bei einiger Energie der Regierung durchführbar ist jedoch die damals vereinbarte nationale Bezirksabgrenznng. Zu der noch vom Eabinet Taaffe in Aussicht genommcneu Neuerrichtung deutscher und tschechischer Kreisgerichte ist es jedoch noch immer nicht gekommen, da die Jungtschechen alle erdenkliche Opposition machten und weder daß CoalitionS- Ministerium Windischgrätz, noch das Eabinet Badem sich über diesen Widerstand binwegzusetzen wagten. Im vorigen Herbst hat Justizminister Graf Gleispach erklärt, daß die Regierung an der Errichtung eines KreiS- gerichts in Trautenau unbedingt festhalte, daß die dem böhmischen Landtag diesfalls znzehenden Vor schläge die Deutschen vollkommen zufriedenstelleu werden und daß auch die tschechische Partei keinen Grund haben werde, ihnen cntgegcnzutreten. Da die Deutschböbmen auf Grund der Ausgleichsverhandlungen verlangen, daß der neue Kreiögerichtssprciigel Trautenau blos deutsche Bezirks gerichte umfasse, während die Jungtschechen der Errichtung nur zustimmen wollen, wenn auch die tschechischen Bezirks gerichte Potiy und Eipel einverleibt werden, war man ans daS Auskunstsmittel des Grasen Gleispach, welches beide Parteien befriedigen sollte, begierig. Am Sonntag fand nun aus Veranlassung der Negierung eine Conferenz zwischen den Fübrern der betbeiligten Parteien statt, worin sich der Ministerpräsident und der Justizmiiiister erfolglos bemühten, eine Verständigung herbeizuführen. Die Deutschen bestanden auf einem rein deutschen Kreisgericht, weil sie die Ueber- flutbung durch tschechische Beamte fürchten, die Juugtschechen wieder verlangte» die Zuweisung tschechischer Bezirke, damit reckt viele Tschechen angestcllt werden können. Für welche Lösung die Regierung sich entscheiden wird, steht noch dahin. Daß diese Lösung aber die Deutschen zufriedenstellen wird, wie Graf Gleispach im Herbste verheißen hat, ist nach der der großen principiellen Seite der Angelegenheit absichtlich nicht gerecht werdenden Rede, die der Justizminister am Montag im Abgeordnetenhaus« gehalten hat, kaum mehr zu gewärtigen. Ter Staudpunct der Deutschen ist zwar gerecht und billig, allein die Regierung will es mit den Tschechen nicht verderbe»! In Abgeordnetenkreisen wird erzählt, die Regierung wolle fick durch die vorhandenen Schwierigkeiten in der Weise hindurchwinden, daß das Trautenauer Kreis gericht zwar nicht, wie die Deutschen verlangen, als rein deutsches errichtet, dafür aber auch nur der tschechische Bezirk Eipel und nicht, wie die Tschechen fordern, auch der tschechische Bezirk Pölitz einverleibt werde. Daß die Deutschen sich damit nickt einverstanden erklären werden, ist gewiß, denn auch dieses Compromiß würde der Umgehung einer principiellen Ent scheidung der Sprachenfrage gleichkommen. Der Corruption in Spanien ist durch die Ver- u r theilung des Marques ve Eabrinana die Krone auf gesetzt. Er batte sich in edler Uneigennützigkeit zum Vertheiviger der Madrider Bürgerschaft gegen die bekannten von den Stadt Häuptern beliebten Anspliinderungen der städtischen Easicn aus geworfen. Dafür ist er zu zwei Monaten strenger Hast, zur Un fähigkeit, öffentliche Aemter zu bekleiden, und in die nicht un bedeutenden Kosten wegen grober Fahrlässigkeit (!),begangen durch Erhebung falscher Beschuldigungen gegen den früheren Bürger meister Bosch verurlheilt worden. Während dasselbe Gericht erklärt hat, den Proceß gegen die aller Well bekannten U, Heber der Scandale mangels öffentlicher Anklage Niederschlagen zu müssen, wird also Eabrinaua trotz aller beigebrachten Beweise mit einer entehrenden Strafe belegt! Ganz richtig weist der Marques in einer an seine Mitbürger gerichteten Kundgebung darauf hin, daß damit nicht nur die bedeutendsten Rechtsanwälte res Landes, die ihn in Vertretung des großen ComitvS der Bürgerschaft aus freien Stücken berathen haben, bloSgestellt werden, sondern daß diese? Urtheil gleichzeitig auch einFaust- schlag gegen letztere selbst ist, die sich in feierlicher Kund gcbung, wie sie nickt oft in Spanien gesehen worden ist, auf seine Seite stellte, ferner gegen die Presse, gegen den Richter und Staatsanwalt, die die Processirnng von Bosch seinerzeil verlangten, gegen de» Präsidenten des öbertribunals, der den Antrag der Senats-Commission, der diese Processirung guthieß, »litnnterzeichnete, schließlich gegen die Hälfte, weniger eine Stimme, des Sencns, die für den Antrag stimmte. Eabrinaua erklärt niiii, keine Berufung einlege», sondern die Strafe antreten zu wollen. Bei diesem Gedanken wird den Ministern aber doch etwas schwül zu Mulhe, denn es ist vorauSzusetzcu, daß cs dabei zu neuen gewaltigen Kundgebungen der Bürqer- schaft kommen werde. Daher haben sie sich folgenden Plan zurecht gelegt: Hinausschiebung der amtlichen Zustellung dcs Unheils so lange, bis eine Begnadigung aus Anlaß deS am 23. d. M. statlsiudenden Geburtstagsfestes deS Königs mög lich ist. Welch' kläglicher Ausweg! Soll durch ei» solches, auf die Eorruption geradezu eine Prämie setzende Verhalten der spanischen Negierung und Justiz vielleicht der Beweis erbracht werden, daß Spanien im Stande ist, den Miß bräuchen in der Verwaltung seiner Eolonien ein Ende zu machen? Man kann sich nicht einmal dazu aufraffen, den Unrath vor der eigenen Tbüre wegzukehren! Der „Temps" veröffentlicht eine Depesche von der i-lfe«- beinküstc, wonach eine auf dem Zuge nach BiSmarckburg be sindliche ventschc Expedition die in der neutralen Zone gelegene Stadt 4)endi zerstört haben soll. Diese Nach richt, bemerkt die „Post", dürfte der Phantasie eines un verantwortlichen Eolonialpolitikers entsprungen sei» und lediglich den Zweck haben, England gegen Deutschland aus zuhctzen. Soweit bekannt, ist weder im November, noch jetzt in BiSmarckburg eine deutsche Expedition gewesen. Die einzige deutsche Expedition im Hinterland von Togo ist gegenwärtig die deS Ilr. Grüner, die bekanntlich de» Zweck bat, die früher errichteten Stationen bis Ssanffanne mango zu be suchen, zu revidiren und mit Material zu versehen. Diese Expedition hielt sich Ende November, bis wohin die Nach richten reichen, in friedlichster Weise in der Station Kratscki auf, kann also nicht dagewesen sein, wo die angebliche Misse- tbat begangen sein soll. Schon die Betonung der neutralen Zone ist zum Mindesten verdächtig, da der größere Theil des vjendigebieteS außerhalb der neutralen Zone liegt und nach alten Verträgen deutscher Besitz ist. Bei dieser Gelegenheit sei übrigens mitgetheilt, daß die Franzose» in jener Gegend augenblicklich eine fieberhafte FeiriHeton» Die Nirdorf's. Roman von Hermann Hciberq. Nachdruck verboten. Mit schmeichelnder Unterwürfigkeit und bei jedem Wort des Gewaltigen Verzeihung gleichsam im Voraus einholend, sagte er: „Ich wollte mir noch eins gehorsamst erlauben, Herr- Graf. Ick hatte vergessen, es vordem vorzutragen. Vor einiger Zeit war ein Händler aus Hamburg bei uns im Hotel, der alte Sachen zu kaufen suchte. Er fragte mich, ob ich ihm nicht etwas Nachweisen könnte. Ich sagte, daß ich wüßte, daß Herr Graf eine alte zer fallene Commode hätten. Sie stand früher im Domino zimmer. AlS ich »och auf Steinborst bedienstet war, sollte ich sie 'mal zum Repariren nach Timm in Eutin bringen. Dann aber starben doch Herr Graf von Oppen. Darf ich gehorsamst fragen, ob Herr Graf das alte Stück noch haben und vielleicht dem Händler überlassen würden? Er möchte, wenn Herr Graf eS erlauben, sie gleich besehen. Er ist augenblicklich wieder in Eutin. Er bezahlt die höchsten Preist. — Nichts für ungut, Herr Graf, wenn " Rudolf unterbrach dir schnell geläufige Rede mit herrischer Geste. Schon während deS Sprechens hatte er Zeichen größter Ungeduld an den Tag gelegt. Kam ihm der zudring liche Mensch in diesem Augenblick mit einer so völlig gleich gültigen Sache. Er wollte auch mit einem kurzen: Nein, die Commode sei nickt zu haben und nun möge er sich zum Teufel scheeren! antworten. Aber da er der gut verstellten, fast stehend um eine günstige Antwort bittenden Miene de« Komödianten be gegnete, auch überlegte, daß er so den Burschen am schnellsten lo« würde — änderte er seinen Entschluß und sagte: „Ja, er kann sie haben, wenn er gut bezahlt, der Jude. Er mag sie sich oben in der Abseite neben der Apfelkammer ansehen. Da steht sie!" „So, aber nun machen Sit, daß Sie fortkommen." Und an Daniel mit hochmüthiger Miene vorüberschreitend, öffnete er die Thür und rief dem eilig herbeifliegenden Hai ducken zu: „Ist der Oberförster fort? Sieh nach und frage, ob dieser hier mit ihm fahren kann?!" Nach der Auskunft, die Daniel über die Commode em pfangen und die sein Inneres in einen schier tobenden Auf ruhr versetzt hatte, war ihm dieser wiederholte Hinweis, sich von Steinl,orst zu empfehlen, höchst unwillkommen. Aber er mußte sich fügen, dienerte tief und dankbar und eilte dem vorausstürmenden, den Weg nach dem Herrenstall nehmenden Theodor nach. Rudolf aber trat wieder ins Zimmer zurück, stellte sich beobachtend ans Fenster, obschon er kaum die Gestalten der davoneilenden Beiden mehr erkennen konnte, klopfte voll Un geduld mit den Fingern an die Scheiben und blieb auch so stehen, bis Theodor im Fluge zurückkehrte und meldete, daß Witt überhaupt noch nicht im Stall gewesen, aber, wie Franz, der Oberkutscher, berichtet habe, zuHenningsen ins Jnspector- hauS gegangen sei. „So laufe jetzt wieder zurück", entschied Rudolf, „und sage Franz, er solle den Schwarzen sofort satteln. In zwei Mi nuten hat er ihn vorzusühren! Ich will noch nach Eutin reiten. Hörst Du — Vorwärts!" Nun flog Theodor, gehorsamst den Kopf neigend, wieder fort. Rudolf aber nahm ein Etui, das ein kostbares Diamantengeschmeide enthielt, aus seinem Schreibtisch, steckte eS zu sich, und griff sodann stürmisch nach Mütze und Reit peitsche. Er konnte eS im Hause nicht mehr auShalten. Ihm war zum Ersticken zu Muthe. UeberdieS batte er sofort einen Entschluß gefaßt. Er wollte, gleichviel, was Witt beab sichtigte, nach dem Försterhause reiten. Er wollte ihm zu vorkommen. und wenn auck nur für kurze Zeit mit Martba sprechen. Und so geschah «. Rasch im Galopp führte Franz, der Herrenkutscher, den Schwarzen vor die Rampe, und in dem nächste» Augenblick hatte sich Rudolf in den Sattel geschwungen. Unter dem Geräusch der hart aufschlagenden Hufe des keurigcn Thicres verschwand er blitzschnell in der Dunkelheit. Um diese Zeit saß die schöne, aber durch die Aufregungen der letzten Wochen und Tage der blühenden Farben ent- rathrne Martba Witt in dem blumenbcsetzten Wohngemach unv rührte die Nadel. Aber während ihre Finger so geschickt und eilfertig an der Stickerei beschäftigt waren, gingen ihr die Gedanken unruhig durch den Kopf. Jo der letzten Unterredung, die sie mit ihrem Vater gehabt, hatte er noch einmal mit heftiger Entschiedenheit erklärt, daß sie mit seinem Willen Rudolf nicht heirathen werde. Er verlange, daß sie sich füge. „Du wirst es, wenn der Rausch vorüber ist, nicht er warten können, Dich wieder von ihm zu trennen. Rauhheit und Rohheit wird Dir werden, gar Züchtigung. Er ist nicht normal in seinem Kopf und somit nicht Herr seines JckS. Er bat sich gar nicht mehr in der Gewalt. Schon vergriff er sich thällich an Knechten, Mädchen und Dienern. Also handle nicht mit mir, Martha, sondern begieb Dich ohne Vorbehalt Deiner unausführbaren Wünsche. Bezäbme Dein Herz! Es giebt noch andere und untadelhaftc Männer in geordneten Verhältnissen. Vertraue der Zeit, die Alles löst und ebnet. Sie wird auch Dir Dein Glück schenken." Nach dieser Unterredung war dann die Botschaft durch Pieck gekommen, daß Will am folgenden Tage bei Tisch er scheinen und den Abend bleiben solle. Nun gab sich Martha ihren grübelnden Gedanken hin und suchte zu ergründen, waS doch nicht zu ergründen war. Ob öS Rudolf gelingen werde, ihren Vater dennoch umzu stimmen, ob nicht auch ihre Reden nachwirken würden, durch die sic ihm zu beweisen gesucht, daß Rudolf durch Klärung der Verhältnisse und durch die Ebe mit ihr ein Anderer werden würde. Und dann schien ihr doch Alles wieder ganz hoffnungs los, und schwere Seufzer der Bedrückung zwangen sich aus ihrer Brust, bis wiederum die Hoffnung sich regte und sie sich von Neuem gehobenen Vorstellungen hingab. Sie glich einem Menschen, der obnc Grund und Zweck fortwährend Lichter ansteckt, sie selbst verlöscht und wieder entzündet. Ein thörichteS, nutzloses Beginnen, aber eigen der stärksten menschlichen Natur, die nie aufhört, irgend etwas zu er warten, und wenn das Leben nichts mehr zu bieten vermag, die Hoffnung auf ein Jenseits richtet. Ihr schmeichelte die Liebe dieses Mannes, der bisher allen Frauen, bis auf Jsabella, a»S dem Wege gegangen war. Cs schmeichelte ihr auck, eine Rixdors zu werden. Wie Vieles hatte sie schon als Kind von der Familie gehört! Die Herr schaften auf dem Schloß waren ihr vermöge ihres NangcS, Ansehens und Geldes als Personen aus einer anderen Welt erschienen. Ihr Herz hatte schon gepocht, wenn sie nur den Scbloßbof überschritten. Und nun konnte sie gar selbst Gräfin von Rixdors und Herrscherin auf Steinborst werden, nnd sollte verzichten? In jedem Fap blieb, wenn sie auch die hohen Leitern ibres Ehrgeizes wieder Herabstieg, die Sehnsucht, aus der Enge der kleinen Wohnung, aus der Beschränkung und Ein förmigkeit herauszutreten, nicht zu sorgen um jeden Pfennig, etwas zu erleben, die Welt kennen zu lernen, niit Menschen anderer Art in Berührung zu gelangen. Sie wollte, wenn es sein mußte, arbeiten, um sich einen Platz neben ihm zu erringen, Sie wollte sich veredeln und ihn zu veredeln suchen. Jene höheren Regungen durchglühten sie, die von der hoben Liebe unzertrennlich sind! — Martha erhob sich und durchmaß das Zimmer mit ihren Schritten. WarS ein Unrecht, daß sie den Grafen liebte? WarS nicht vielmehr ein vornehmes Ziel, das sie sich sicckle, eines, daS dem Schöpfer wohlgefällig sein würde? Ihr Vater stellte sie fast hin, als sei sie wegen dieser ihrer Neigung eine Verworfene. Pflanzte nicht Gott den Menschen Gefühl, Empfindung, Liebe in die Brust? Konnte cs denn etwas UnheiligeS sein? — Sie hörte eine Stimme, die lautete: Du darfst Dich nicht einem Menschen zu eigen geben, der Erbschleicherei getrieben, seine Verwandte durch Gewalt seinen, Willen unterthan ge macht aus schnöder Selbstsucht, den Niemand liebt, der kalt und gefüblloS verfährt, dem fast Alles, was sonst den Menschen zieret, ihn achtungs- und liebenswertb macht, fehlt! — Und eine zweite Stimme flüsterte dagegen: Die übrigen Vernunftbegabten haben auch Schwächen und Fehler, »ur wissen sie sie besser zu verstecken, oder ihnen fehlt es an Ver suchung. Sie wollen für ihre kleinen Mängel Nachsicht! Jst'S dann nichl gerecht, daß er, Rudolf, auch für seine größeren sie erheischt? Und kann nicht jeder Mensch sich bessern? Wäre ihm das verwehrt, vermöchte er es nicht, wozu denn Kirchen, Priester und Gotteslehre? Hat er Dir nicht gesagt, daß er seit seiner Jugendzeit mit einem Dämon zu kämpfen habe? Legte er nicht Bedrückung und Reue an den Tag-' DaS Alles wollte sie auch ihrem Vater entgegnen. Die meisten Lebenden, so urlheilte sie, waren ein Opfer der Ver hältnisse nnd zwar schlechter. Nicht selten aber wirkte auch daS Zuviel verderblich! Ihn, Rudolf, hatte die Hand der Liebe nicht genugsam gesührt! Man batte nicht dauernd ver sucht, auf ihn einzuwirken. Er galt als ein Unverbesserlicher und wird als ein solcher behandelt! — Während sich Martha solchen Gedanken bingab, aber nun eben ihrer Arbeit wieder zuwenvra wollte, hörte sie draußen
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