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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.01.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970123011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-23
- Monat1897-01
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Dez«s-.Prel- R- Henchtexvedition oder den km Htäbk» tMirk «ü> dvi Borort« errichtet« N»5- «westev« abgeholt: vierteljährlich ^iLckO, kt poetmaliger täglicher 3uft,ll»»g in» LÄck die Post b^oam für »d Oesterreich: viertrliährlich ^l L—. Direct» tägliche Kreuzbandsrndurig in- An-laud: monatlich ^S 7.S0. Dt» Morgen-AtlSgabe erscheint um '/,? Uhr. dt» Abend-AuSgabe Woch«tag» «m b Uhr. Ledartton und Expedition: JohaaneSgasse 8. Die Expedition ist Wochmtag» uauuterbrochea geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. ^ Filiale«: Otto Memm's Sorttm. (Alfred Hahn), NaiversitätSstraße S (Panlinum), Louis LSsche, Aatharlneastr. 14, part. »nd -önigSplatz 7. Moraen-AusMbe. rlWM und TlyMall Anzeiger. Ämtslitatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes nnd Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. ArizeigM-Preis die 6 gespaltene Petitzeile SO Pr'a. Reklamen unter dem RedactionSstrich (4g«« soalten) 50^, vor den Familirnnachrichlen (6 gespalten) 40/^. Größere Schrift« laut unserem Preis- verzeichaiß. Tabellarischer und Ztffernlatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur oft; Lee Morgen'Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l V.—, mit PostbefÜrdernng 70.—. Anuahmeschluß für Anzeigen: Abead-Au-gabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei dm Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 4V. Tonnabend den 23. Januar 189?. 81. Jahrgang. Zeugnißzwang. kr. DerZeugnißzwang gegen diePresse hat von jeher erbitterte Gegner gehabt. Schon beider BerathungderStrafproceßordnung kämpfte man gegen denselben an und nannte ihn eine von mittelalterlichem Geiste beseelte Rechtsinstitution, und gegen wärtig ruft der bekannte Fall der „Frankfurter Zeitung" wieder Streitigkeiten über die Berechtigung eines Zeugniß- zwangeS wach. Wir wollen hier unerortert lassen, inwie weit diese sxecutio nä Lcienckum in unserer Zeit noch ihre Existenzberechtigung hat, können uns aber nicht versagen, auf den jetzt so lebhaft di-cutirten Fall selbst an dieser Stelle einzugrhen. da er zu mehrfachen Erwägungen Anlaß giebt. Nach H Kd der Strafproceßordnung kann „zur Erzwingung deS Zeugnisses die Hast angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung deS Verfahrens in der Instanz, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten und bei lieber- tretuagen nicht über die Zeit von sechs Wochen hinaus. Die Befugoiß zu diesen Maßregeln steht auch dem Untersuchungs richter, dem Amtsrichter im Vorverfabren, sowie dem beauf tragten «nd ersuchten Richter zu." Nus hatte der Reichskanzler bebaupiet, daß ein Artikel der „Frankfurter Zeitung" über den Militairetat aus der damal- noch geheim zu haltenden BundeSratbSvorlage von einem seiner DiSciplinargewalt unterstehenden Beamten her rühre, und hatte ein DiSciplinarverfahren „gegen Unbekannt" angeordnet. sJn diesem Verfahren sollte nun durch das Zeugniß deS verantwortlichen RedacteurS der „Frankfurter Zeitung", Alexander Giesen, der Autor ermittelt werden. Derselbe verweigerte jedoch nach allgemeinem journalistischem Brauche die Nennung deS Autors und nun ordnete VaS Amtsgericht auf Ersuchen die Zwangskast an, die in der Beschwerdeinstanz vom Oberlandesgericht bestätigt wurde, so daß der genannte Redakteur seine Haft antreten mußte, kurzdarauf aber wurde er wieder entlassen. Wozu der Lärm? Hat dieser Zeugnißzwang einem Redakteur gegenüber überhaupt einen Werth ? Wir sagen nein, denn so lange er die im Preßbetriebe geltenden Grund sätze nicht über Bord werfen und sich selbst auS dem Kreise der anständigen Journalisten auSscheiden will, bat er eben die Nennung deS Autor- zu verweigern, sobald ihm nicht die Zustimmung dazu von dem Autor ertheilt worden ist. Da- hat )a sogar der Staatsanwalt Oetting in Danzig jüngst in der Strafsache gegen den Bicar Mankowski und den Redakteur Mrybrrg anerkannt. Darüber sollten sich dock dir Richter also klar sein, daß in solchen Fällen ihre Hastauordnung nicht- ist als ein Schlag in- Wasser, und eS ist nach unserem Dafürhalten doch möglichst zu ver meiden, die Justiz die Rolle eines LerxeS spielen zu sehen. Der Redakteur hat aber auch ein gutes Recht, die Namens- neonung zu verweigern, denn nach ß 2V deS PreßgesctzeS, der mit dem folgenden ß 21 allerdings auch eine ganze AuS- legungSlireratur heraufdeschworen hat, wird er ja als der Thäter angesehen. Er gilt als der Tbäter, warum soll er nun noch seinen Hintermann in das Verfahren hineinzieheo? Letztere- entspricht di-laog nicht dem journalistischen Anstand und kein Zeugnißzwang wird darin Wandel schaffen! Aller dings erleidet die zwar nicht gesetzliche, aber moralische Ver pflichtung der Zeugnißverweigerung auch eine Einschränkung. Da, wo e- sich darum handeln wird, Verbrechen aufzudrcken. Hoch- und LandeSverrälher zu entlarven u. s. w , kann von viefer Pflicht nicht mehr die Rede sein. Da ist der Redakteur zur Ztugaißadlegung im Interesse dtr Allgemeinheit, im Interesse de- Wohles des Vaterlandes verpflichtet, den Autor preiSzugeb«. Wo da- Strafgesetz durch Officialdelicte ver letzt ist, muß der wirklich Schuldige gefunden werden tonnen, denn der Staat hat ein berechtigtes Interesse, ibn kennen zn lernen, ihn auß dem Versteck hervorzuzieben. Darum ver stehen wir eS recht Wohl, daß man sich nickt dazu entschließen mochte, die Redakteure in den Kreis der Personen zu ziehen, welche überhaupt das Zeugniß unter bestimmten Voraus setzungen verweigern dürfen. Aber bei Delikten, welche im DiSciplinarverfahren zu almden sind und die für die Allgemeinheit keineswegs von Bedeutung sind, ist ein solcher Zeugnißzwang ein Unding, gegen welches daS Rechtßgefühl sich aufbäumt. Aber der Vorfall zieht noch zu weiteren Ausstellungen Anlaß. Wie kommt das Oberlandesgericht dazu, in der Angelegenheit die Beschwerdeinstanz zu bilden? Diese Instanz ist doch das zuständige Landgericht. DaS Oberlandesgericht bat seine Competenz mit einer sehr gewundenen Begründung ausgesprochen. Es sagt, daß die Bestimmungen deS Gerickts- versaffungSgesetzeS über die Rechtshilfe analog dem Straf verfahren auch auf daS DiSciplinarverfahren Anwendung finden müsse, und fährt fort: „Mit Anwendbarkeit der 88 157 — 160 des GerichtSverfaffungSgesetzes ist zugleich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes für die Entscheidung auf die Beschwerde gemäß H 160 begründet." Ueber diese Antwort wird ein „allgemeines Schütteln des KopfeS" stattfinden. WaS besagt denn tz 157 deS Gerichts- verfaffungszesetzcS? Er lautet: „Die Gerichte haben sich in bürgerlichen RcchtSstreitigkciten und in Strafsachen Rechts hilfe zu leisten." Nun ist aber im vorliegenden Falle von gar keinem Gerichte Rechtshilfe begehrt, sondern vom Reichskanzler, einer Reichsbehörde, in einem Disciplinarver- fahre». Nach 8 2 des GerichtSverfaffungSgesetzes bat dasselbe aber nur auf die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit und deren Ausübung Anwendung. DaS DiSciplinarverfahren gehört abe t keineswegs in diesen Rabmen. Es ist von dem Ober- landeSgerichte mit einer gewaltsamen Auslegung in denselben gezwängt worden. DaS Amtsgericht hatte die Rechtshilfe gerade gemäß tz 15? abzulehnen. Auck die Berufung aus 8 160, der die Competenz deS Oberlandesgerichtes begründen soll, ist nach unserer Meinung nicht einwandfrei. Ist denn ein Ersuchen abgelehnt worden? Ist denn einem Ersuchen stattgegeben worden, obwohl die örtliche Zuständigkeit ge mangelt hätte? Kam denn eine Handlung in Frage, die nach dem Rechte des ersuchten Gerichts verboten gewesen wäre? DaS Oberlandesgericht beantwortet ja die letzte Frage selbst mit „Nein" und dennoch vindicirt eS sich die Zustän digkeit! Auch der Zeugnißpflichtige hat ja einen Einwand dieser Art nicht erhoben. Und die Entscheidung erregt noch mehr Bedenken. Nack 8 3 des EinfübrungSgesetzes zur Strafproceßordnung, in welcher ja der Zeugnißzwang allein ausgesprochen ist, soll diese nur auf Strafsachen Anwendung finden, die vor die ordentlichen Gerichte gehören. Damit ist deutlich gesagt, daß sie auf die DiSciplinarverfahren nicht Anwendung erleidet. Der gerade Weg führt nicht zu dieser Anwendung und man ist nur auf dem Umwege der verhängnißvollen Analogie zu ihr gelangt, die schon so viel Unheil im RechtS- leben angrrichtet hat. Die interprvtstio extenslvL geht nach unserem Dafürhalten aber zu weit, wenn sie daS DiSciplinar- verfahren der Strafproceßordnung mit unterstellt. Wenn im Reichstag der Äustizminister Schönstedt sagte, daß dir Straf gesetze eine natürliche und nothweadige Ergänzung zu den DiSciplinargesetz« bildeten, so ist dem nur hinzuzufitgen: Ja, soweit nicht der Wortlaut dieser Strafgesetze dem wider spricht. Da- ist aber eben bei der Strafproceßordnung der Fall! Ans d->« wm"7- d-r S,r-spr°»b°,dnu»z m,r ( ^ ---- '"^W7g7d"n°-b-rk'-»Pr,W.mm-i, daß ist ja mittlerweile geschehen, freilich nur m dar- ein Vortbeil daraus nicht erwachsen ist. Man Nnke nur daß es im vorliegenden Falle dem Betroffenen nickt einmal möglich war, die Entscheidung des Reichsgerichts anzurufen, denn nach 8 '«0 ist e.ne Anfechtung der Ent scheidung des OberlanveögerichteS nur dann möglich, wenn dieselbe die Rechtshilfe für unzulässig erklatt und daS er uchende und das ersuchte Gericht den Bezirken ver schiedener Oberlanvrsgerichte angeboren. Davon war aber "'^Daß übrigens die preußische Regierung selbst aus einem anderen Stanvpuncte als daS hier in Betracht kommende Oberlandesgerickl siebt, beweist dock eme Verfügung vom 21. Mai 1805 im „Reichsanzeiger", welch« von den Ministern des Handels, der Finanzen, deS EultuS, de-Innern »nv der Just,; ausgeht und in welcher auSvrückltch ausgesprochen wird, vaß n, DiSciplinarsachen die Vermittelung des Amtsgerichts nicht angerufen werden könne vielmehr der UntersuchungScommiffar selbstständig zu ver- Zu warnen ist aber schließlich davor, den §aü wiederum dazu zu benutzen, unseren Richterstand, wie es geschehen, zu verunglimpfen und von einer allgemeinen Rechtsunsicherheit, und was dergleichen Behauptungen mehr sind, zu sprechen. Auf allen Gebieten giebt eS Meinungsverschiedenheiten, d,e geklärt und ausgeglichen werden müssen. Nach bestem Wissen und Gewissen hat der Richter seine Sentenz zu fällen. Irrt er, so giu eS nur, den Jrrthum auszuklären, Abhilfe zu schaffen und sich im Uebrigen mit dem Worte zu trösten: errare llawanum est. Deutsches Reich. * Berlin, 22. Januar. Wie schon mitgetheilt worden, ist die Einstellung deS ZeugnißzwangSverfahrenS gegen den Redacteur Giesen von der „Frankfurter Zeitung" aus Anlaß derjenigen Instanzen erfolgt, die das Verfahren eingeleitet hatten; ohne Widerspruch ist ferner die Behauptung geblieben, daß auf diesen Verlauf der Sache daS direkte Ein schreiten deS Fürsten Hohenlohe einaewirkt habe. Die „Frankfurter Zeitung" glaubt, daß nach Lage der Umstände ohnehin eine baldige Beendigung der Haft zu erwarten gewesen wäre, da eine neuere Entscheidung deS OberlaadeSgerichtS auf eine abermals eingelegte Beschwerde eine lange Dauer der Haft als unthun- lich anerkannt hatte. In dieser Entscheidung heißt eS: „Bei der verschiedenen Festsetzung der Maximal-auer der Zwang-- hast, je nachdem eine Uebertrrtuiig oder eine andere strafbare Hand lung den Gegenstand der Untersuchung bildet, folgt da- Besetz dem Brundgedaaken, daß die Dauer der Hast zur Schwere der Straflhat im Berhältniß bleib« soll; dem Ricvter ist deshalb innerhalb der Maximalgrenze deS g OS Absatz 2 der Ttrasproceßordnung voll- siLndin sroier Svielranin aelaswn worden 111- Wendung der Unterscheidung von Uebertretoagen und anderen straf baren Handlungen auf die disciplinarisch zu ahndend« Handlungen kann nicht schlechthin ausgeschlossen erschein«. Jedenfalls hat der Richter bei Bemessung der Zeitdauer drr Zwangshast aus jenem Grundgedanken des Gesetzes heraus die Erheblichkeit drr den Gegen- stand der Untersuchung bildenden strafbaren Handlung streng zu prüfen und mit dieser die Dauer drr Zwang-Hast in Einklang zu halten. Im gegebenen Falle wird danach zu erwäg« sein, daß die von einem Beamten veranlaßte indlScrete Veröffentlichung einer ohnehin zur Veröffentlichung bestimmten amtlichen Drucksache als ein Dienstvergehen von größerer Erheblichkeit im Sinne der Unterscheidung des tz 76 des Reich-beamtengrsetze- kaum wird er achtet werden können." „Es ist keine Frage", bemerkt hierzu die „Köln. Ztg.", „daß auS den Gründen dieser Entscheidung noch mel weitere Schlüffe gezogen werden können, namentlich aber der, daß ein Dienstvergehen, dem keine größere Erheblichkeit zuge schrieben werden kann, nicht den Anlaß geben dürfe, einen an solchem Vergehen gar nicht Betbeiligten durch Gefängniß Haft zu einer Aussage über den möglichen Thäter zu zwingen; einer Aussage überdies, deren Abgabe er mit seinem Ehrgefühl nicht in Einklang bringen kann. Warum bat man sich, wenn man überhaupt einschreiirn zu sollen glaubte, nick: mir der im 8 6d der Strafproceßordnung bei Verweigerung deS Zeugnisses zunächst angedrohlen Geldstrafe begnügt'^ Denn dieZwangshaft ist keineswegs unbedingt») o rgeschrreben. Betreffs der Geldstrafe sagt der 8 69 im ersten Absatz: „Wird bas Zeugniß ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist der Zeuge ... zu einer Geldstrafe ... zu verurtbeilen." Der zweite Absatz lautet: „Auch kann zur Erzwingung deS Zeug nisses die Haft angeordnet werden . . Die Verhängung der Haft als stärkeres ZwangSniiltel ist mitbin nicht geboten, sondern nur anheimgegeben; zum stärkern Mittel zu greifen, müssen aber notbwendig auch stärkere Gründe vorhanden sein Ist dies denn wohl bei einer Untersuchung gegen „Unbekannt" wegen eines unerdeblichen Dienstvergehens der Fall? Unseres EracklenS spricht die angeführte Entscheidung de- Oberlandes gericktS ein scharfes Urtbeil über das gegen Herrn Giesen in Anwendung gebrachte Zwangsverfahren. Sie wirb auch zu der immer notbwendiger werdenden gründlichen und nicht bloS gelegentlichen Aussprache über da- ZeugnißzwangSwesen im Reichstage ein wirksame- Malerial liefern." * Berlin, 22. Januar. Durch seine Amtsniederlegung ist der Propst SzadzinSki in Witaschütz einem weiteren Einschreiten gegen ihn auSgewichen. Man wird dies auf polnischer Seite nicht eben tragisch nehmen. Auf die Frage nach dem weiteren Schicksal deS Propste-, die ein Freund des „Orendownik" einem Bekannten vorltgte, soll dieser lächelnd erwidert baden: „Nun, er wird nach Galizien gehen!" Das genannte Blatt, ein Organ der polnischen Volkspartei, urtheilt übrigens über den Proceß mit rücksichtS loser Offenheit, entgegen den polnischen Blättern, die mit allerhand schönen Redensarten den Sachverhalt umzudrehen suchen. Der „Orendownik"' giebt deutlich zu verstehen, daß er da- Vorgehen des Erzbischof» für einen Fehler hält, der durch den gleichzeitigen Erlaß deS Hirtenbrief- nicht aus geglichen wird. Er schreibt: „Der Herr Erzbischof selbst hat in der Witaschützer Aagelegenheik Klage geführt; rvethalb, ist schwer zu ergründen, und er wird er wohl selber am best« wissen. Heute, nach dem Erschein« des Hirtenbriefe-, macht die ganze Dache den Eindruck, aiS ob der Erlaß de» Hirtenbriefes aus dem erst« Plan» gewesen wäre und der Proceß in zweiter Linie käme, damit der Brief sdzusaa« »ine bessere Begründung gewönne und besser verstanden werde (?). Doch dies ist nur unser persönlicher Eindruck, »ine Ahnung, reine Be hauptung. Der Stoff zu diesem Proceß eignete sich unserer Ansicht nach auch nicht zu einer Gericht-Verhandlung. Es handelt» sich «m F-rriHst-ir. Protozoen als Krankheitserreger. Bon vr. Otto ZachariaS in Plön. Nachdruck verboten. Die großen und augenscheinlichen Erfolge der Bakteriologie haben ruckt bloS bei Laien, sondern auch in ärztlichen Kreisen vielfach die Hoffnung genährt, daß sich früher oder später alle contagiösen Krankheiten auf die Anwesenheit einer bestimmten Bacterienart würden zurückführen lassen. Neuerdings ist man aber von dieser Ansicht nicht mehr in dem Maße durchdrungen, wir di^ noch vor einem halben Jahrzehnt der Fall war; denn eS hat sich inzwischen gezeigt, daß eine ganze Reihe von an steckenden Erkrankungen in keinen ursächlichen Zusammenhang mit specifischen Spaltpilzformen gebracht werden kann. Dagegen mehren sich die Erfahrungen hinsichtlich der muthmaßlichen Be- tkeiliaung verschiedener anderer Lebewesen, die der niedrigst ent wickelten Thierwelt angehören, an der Herbeiführung gewisser Krankheit-proceffe, und damit eröffnet sich der Forschung ein ganz neue» Feld. Dem jungen Arzte wird eS fernerhin nicht mehr erspart bleiben können, sich auf dem Gebiete der Zoologie etwas genauer zu orientiren, als er r» bisher zu tbun pflegte. Namentlich wird er sich mit den verschiedene» Elasten der Protozoen näher bekannt machen müssen, da gerade diese ein zelligen, unscheinbaren und fast immer massenhaft auftretenden Wesen e- sind, die schon öfter die Aufmerksamkeit des mikro- skopirenden Kliniker- aus sich gelenkt haben. Zu deutsch heißt „krotoroon" so viel wie Urthier, wodurch zum Ausdruck kommen soll, daß die betreffenden Organismen etwa- Ursprüngliche-, Einfache- im Gegensatz zu den übrigen Thieren darstellen, deren Körper durchweg von viel complicirlerem Bau ist. Nur im Eizustande sind di« höheren (vielzelligen)Thiere mit denProtozoen direct vergleichbar, weil sie dann ebenso wie letztere den Charakter der Einzeuigkeit tragen, d. h. auS einer winzigen Menge eiweiß- artiger Substanz bestehen, die ein dichtere- Gebilde — den sogenannten „Kern" — einschließt. DaS Ei ist aber bei den höheren Vertretern de» Thierreich», welche in ihrer Gesammtheit den Protozoen gegenüber als Mrtazoen bezeichnet werden, nur der LnSgcknaSvunct für weitere Entwickelungen, während die Protozoen brfländig auf ihrer niederen OrgaaisationSstufe verharren und niemals über sie hinauskommen. Allerdings ist die von unS hervorgebobeve Eiähnlichkeit der Urthiere nickt etwa ganz buchstäblich zu verstehen, so daß wir es in ihnen blo» mit undifferenrirten kugeligen Gebilden zu tbun hätten, die gar kein Analogon äußerer Organe zur Fort bewegung im Wasser und zum Herbeiwirbeln von NahrungS- objecten besäßen. Es giebt vielmehr zahlreiche Arten von Protozoen, welche trotzdem, daß ihr Körper nur den Formwerth einer einzig« Zelle besitzt, mit Geißelfäden ausgerüstet sind, um mit Hilfe dieser beweglichen Anhängsel zu schwimmen; andere sind mit griffelartigen Borsten auSaestattet, die sie wie Füßchen gebrauchen, und die Mehrzahl ist ganz oder tbeilweise mit Flimmerhärchen bedeckt, die wie ebensoviel kleine Ruder wirken und eine ziemlich rasche Fahrt durchs Wasser ermöglichen. Dazu kommen bei manchen Protozoen noch complicirte Schlundbildungen, pulsirende Hohlräume (sogen. Vacuolen), als Saugwerkzeuge dienende Tentakel und panzerartige Um hüllungen. Bei alledem bleiben aber die betreffenden Ge schöpfe einzöllige Organismen, deren Constitution sich funda mental von derjenigen eine» RädertbiereS oder Fadenwurms unterscheidet; denn der Körper der letzteren besteht trotz seiner Winzigkeit auS einer Vielbeit von Zellen. Freilich lassen sich auch innerhalb des ThierkreiseS der Protozoen wieder Wesen von höherer und niederer Ausbildung unterscheiden; ja wir entdecken hier so einfache Lebensformen, daß wir sie auf den ersten Anblick hin gar nicht mehr für Tbiere zu halten geneigt sind. Es gilt dies namentlich von den Amöben oder Aender- lingen, die gar keine sestumschriebene Körpergestalt besitzen, sondern nur ein Tröpfchen kriechenden Schleime« darstellen. Im Grundschlamm ruhig stehender Gewässer sind solche Amöben in großer Anzahl vorhanden. Es sind daS Pro tozoen, die ohne Mund fressen, ohne Magen verdauen und ohne Füße sich bewegen. Wenn eine Amöbe den Ort wechseln will, so sendet sie auS dem Umkreise ihre- flach auS- gebreiteten Körper- strahlenähnliche oder fingerartige Fort sätze aus, welche — wie wir da« unterm Mikroskop ganz genau beobachten können — an der Unterlage basten. Be stehen doch dieselben, wie auch baS ganze Thier, auS einer zähflüssigen, schleimigen Substanz, die in der Sprache der Wissenschaft „Sarcode" heißt. Bon hinten her stießt nun die körnchenhaltige Masse deS AmbbenlribeS in der Richtung der auSgesandten Fortsätze ununterbrochen nach, letztere werden größer, dicker und verschmelzen wieder mit einander; fast gleich zeitig werden aber neue Strahlen vorgeschoben, an den« sü dassebe Sviel deS ZusammenfließenS und DahingltitenS wiede, holt. Aus solche Art gelangt die Amöbe langsam, aber sicher voi Platze. Nicht minder interessant als der Anblick eine« kriechende AenderlmgS*) ist der eine- fressenden. Die Aufnahme d« Nahrung erfolgt bei diesem Wescn einfach dadurch, daß de betreffende Gegenstand — eine Diatomee oder ein Stü Fadenalge — von einem Theile der schleimig« LeibeSmafj umfloss« und gleichsam in dieselbe hineingedrückt wird. W daS eigentlich geschehen kann, obne das die Amöbe dabi Schaden leidet, ist noch nicht enträibselt. Thatsache ist abe daß die Nahrungs-Einverleibung auf die angegebene Weij stattfindet, und daß die Amöbe nachher ebenso intact ist, al sie früher war. Die unverdaubaren Reste der aufgenon menen pflanzlichen oder thierisch« Objecte werden na, eintger Zeit wieder auSgestoßen, so z. B. die Kieselschale der Diatomeen. Eine vorgebildete Mundöffnuna exisiirt bi diesen niedersten Protozoen ebenso wenig wie ein After zu Entfernung der nicht assimilirt« NabrungSrückstände. Bis zu, Jahre 1859 waren amöbenartige Organismen nur als fre lebende Bewohner von Teichen und Waffertümpeln bekann Da machte Lambl aber die bedeutsame Entdeckung da der Darmschleim eines an Unterleibs - Entzündung vei storbenen KindeS ebeusallS solche Wesen enthielt, deren Griff er zu 0,004-0,006 ww angiebt. Diese Beobachtung star lange Zeit ganz isolirt da. Erst 1875 veröffentlichte Lös einen ähnlichen Befund. Vor einem Jahrzehnt wurde v° einer ,n Australien auftretenden Krankheit bei Schafen b richtet, welche die Füße oberhalb der Klauen ergriff und i emer heftigen Entzündung dieser Extremitätrntheile bestan Eine mikroskopische Besichtigung ergab auch hier daS Voi bandeusem von zahlreichen Amöbe» an den eiternden Hau >v^n. Zur Zeit ihre- epidemischen Auftreten» war vo dieser Seuche namentlich in englisch« Zeitungen vielfach d R'UtrdmgS aber bat man nichts mehr davon gehör -Oaß e« sich auch beim sogenannt« Texasfieber de« Rind« um einen amobo,den Schmarotzer, der hier dir Blutrrlle befallt, bandelt, ist seiner ZeU von Th. Smith in Washingw nachgewies« worden, und an der faktischen Existenz eim *) Diele deutsch« Bezeichnung für die in ».de ar«>. U """"""" 2"'-'°-^»-- »k!- U ähnlichen Parasiten — dem sogenannten Malaria-PlaSmodium — beim Menschen zweifelt nach den auSßezeichnet« Unter suchungen der jüngsten Zeit, die von ikaltenisch« Forschern auSgeführt Word« sind, wohl kaum noch ein Klimker, der solche Arbeiten zu würdigen versteht. Zu alledem kommt jetzt die bedeutsame Entdeckung von Amöben in der Bauch flüssigkrit einer notorisch kreb-kranken Person durch Professor v. Leyden und vr. Schaudinn. Der Umstand, daß man es hier mit einem Parasiten zu thun hat, der au« der frisch eröffnet« LeibeSböhle eine- Mensch« stammt, also schwerlich auf einen zufälligen Import von auß« brr zurüazesührt werden kann, läßt diese Entdeckung ganz besonders wichtig erschein«. Vr. Schauvinn hat d« fraglich« mikroskopischen Organismus naher untersucht und ihm den Namen l-syäemn gemwiparL gegeben. Die kleinen Amöben, welche so be zeichnet werden, besitzen nur 3—36 Mikromillimetrr Durch messer; sie sind also äußerst winzig, aber immer noch bei weitem größer, al- die gewöhnlich« pathogenen Batterien es zu sein pfleg«. Ihre Nabrung bilden allem Anschein nach die menschlichen Blutkörperchen, welche nur etwa 3 Mal kleiner sind, als sie selbst. Prof. v. Leyden und der namhafte Zoologe vr Sckaudinn halten ihr Urtbeil Uber den muthmaßlichen Antheil, den diese Amöben an der Entstehung der KrebSkraukheit haben, vorläufig zurück, zumal da bi- jetzt nur bei zwei Patienten mit Carcinom Leyveai« gefunden Word« sind. Aber dies nimmt der interessant« Entdeckung nicht- von ihrer hohen Wichtigkeit als Ausgangspunkt für fernere Nachforschungen. — Bekanntlich hat man bis jetzt bei Krebs mit Sicherkei: einen JnfectionSträger nicht auffind« können; ldir bakterio logischen Methov« haben hier nicht zum Ziele geführt. Aber es sind bei der mikroskopischen Untersuchung siet- Zell formen zur Beobachtung gelaugt, die man sich nicht reckt deuten wußte. 8. PfeiFer in Weimar, der schon vor Jahren auf die pathogene Rolle der Protozoen hingewiesen dal, sagt von jenen entartet« Zell« schon 1890, daß sie den Eindruck machten, als habe sich in ihnen ein „amöben- bastrr" Parasit an die Stelle de» Kerne- und de- PlaSmas gesetzt, die Zrllhaut beim Wachs« erweitert und in beträcht licher Ausdehnung einen Reiz auf die ernährend« Nachbar- zrllen geübt. Die Zukunft wird nun lehr«, in welchem Umfange sich diese Hypothese bestätigt, nachdem in der Leydenia zunächst schon ein amöbenhafter Begleiter drr krebs artigen Erkrankungen aufgrfunv« Word« ist.
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