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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970128029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-28
- Monat1897-01
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Großer« Schriften laut unserem Preis, verzeichuiß. Tabellarischer und Ziffern ja» nach hbherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de^ Morgen. Ausgabe , ob ne Postbesörderung SO.—, mrt Postdesürderung 70. Inaahmeschluß für Arykigen: Abead-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Aivrge».Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Bei deu Filialen und Annahmestellen je eine Halde Stund« früher. Anzeigen sind stets au die Expe-ttio» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. SV. Donnerstag den 28. Januar 1897 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 28. Zanuar. Unter den Auszeichnungen, die der Kaiser gestern au seinem Geburtstage verliehen hat, ist die bedeutsamste zweifellos die, welche dem preußischen Finanzminister vr. Miguel durch die Verleihung des Schwarzen Adler- ordenS, mit dem, beiläufig bemerkt, der erbliche Adel ver bunden ist, zu Thril geworden ist. Ob eS richtig ist, aus dieser Auszeichnung den Schluß zu ziehen, daß Herr ttr. Miquel noch zur Lösung größerer Aufgaben in Preußen und im Reiche auSersehen sei, als er bereits gelöst hat, sei dahin ge stellt; die Thatsache, daß der Chef des Geheimen Civilcabinets V.LucanuS in gleicher Weise ausgezeichnet worden ist, rechtfertigt einen solchen Schluß schwerlich. Von politischer Bedeutung ist eS aber jedenfalls, daß die hohen Verdienste des Mannes, dem eS in erster Linie zuzuschreiben ist, daß die preußischen Finanzen nach einer Reibe von Deficitsjahren aus tiefer Zer rüttung jetzt wieder fest geordnet und die Deficits durch Ueberschüffe ersetzt sind, welche nicht nur eine erhebliche Schuldentilgung, sondern auch eine kräftige Förderung der bisher auS finanziellen Gründen vernachlässigten Culturaufgaben ermöglichen, gerade zur selben Zeit die öffentliche Anerkennung des Kaisers finden, m der aus dem Lager des CentrumS die heftigsten Angriffe auf die Wirksamkeit und die Person dieses ManneS gerichtet werden. ES ergiebt sich hieraus, daß die Angreifer im letzten Spätherbst sich vergebens dem Träger der Kaiserkrone als besonder- qualificirte Beschützer auf zudrängen versucht haben und daß Ccntrum noch nicht völlig „Trumpf" ist. Das wird den Herren Or. Lieber und Genossen gestern klar geworden sein und den soeben erst von einer Reise zurückgekehrten College» Miquel's, der als be sonderer Proteclor des CentrumS gilt, gleichfalls. Die „Nat.-Ztg" erinnert übrigens daran, daß gerade in den Tagen, als Herr I)r. Lieber seine Angriffe gegen Ol. Miquel richtete, der Fürstbischof Or. Kopp im Herrenhause die Gelegenheit der Berathung des Lehrerbesoldungsgesetzes fast gewaltsam benutzte, um in scharfem Gegensätze zu dem Vor gehen des Herrn Lieber zu äußern: „Nun, den Lehrern möchte ich noch einmal diese Worte ent- gegenrufen; wenn da» Gesetz zu Stande komm», sind sie in eine weit bessere Lage dadurch gekommen, daß sie eine feste Grundlage haben, auf welche demnächst, wenn die Verhältnisse es zulassen, aus- gebaut werden kann, und ich habe nur den innigsten Wunsch, daß der Herr Ftnanzmiuister noch recht lauge den Staats säckel in seinen festen und strammen Händen halten möge, damit er an diesem Weiterbau arbeiten und denselben fördern kann". Diese Kundgebung wird im Vereine mit dem Schwarzen Adler sicherlich den KampfeSeifer des CentrumS für einige Zeit dampfen. Die am Dienstag im Reichstage gegebene Darstellung von dem zwischen dem N eichsamte des Innern und dem Neich»»erfichcrungSamte bestellenden Verhältnisse hat das Befremden weiter Kreise darüber, daß der Präsident des letzteren Amte- den Berathungen deS Hauses über die Unfall- verfickerungsnoveUe Nicht beiwohnt« und demnach keine Auskunft auf eventuell an ihn zu richtende Fragen ertbeilen konnte, noch mehr gesteigert. Wenn zwischen beiden Aemtern völlige Harmonie herrschte, so würde eS dieser doch entsprochen haben, daß der President der obersten Behörde in Unfall- Versicherungssachen dem Reichstage ebenso Rede und Ant wort gestanden hätte, wie das beispielsweise der Präsident des kaiserlichen Gesundheitsamtes zu thun pflegt. ES ist aber auch auffallend, daß trotz aller in eine frühere Zeit fallenden Befragungen des Neichsversicherungsauites dieses zu der endgiltigen Gestaltung der Unsallversicherunas- novelle nicht zugezogen worden ist. Bei anderer Be handlung der Angelegenheit würde man authentische Auskunft über die Anschauungen des ReichSvcrsicherungsamtes bezüglich der Aendernngen erbalten baden, die mit ihm selbst geplant sind. Den „Berl. Pol. Nachr." wird aus dem Kreise der Mitglieder des Reichsversicherungsamles milgelheilt, daß man in demselben die geplante Aenderung der bisherigen Verhältnisse auf diesen, Gebiete durchaus nicht billige. Dieser Mittbeilung fügen die „B. P. N." das Folgende hinzu: „Namentlich kommen zwei Puncte in Betracht. Zunächst die Minderung der Competenz deS Reichsversicherungs- amtes. Die Absicht des ersten Entwurfs der Novelle, das NeicbSversicherungsaint in Unfallsachen ähnlich wie io Jn. validitäts- und Altersversicherungsjachen zu einer völlige» Nevisionsinstanz zu machen, ist ja schließlich nicht ausgcsührt. Immerhin will man dem Amte die Endentscheidung über zwei sehr wichtige thatjächliche Fragen, die der Verminderung der Er» werbsiähigkeit und die Richtigkeit des Jahresarbeits. Verdienstes, nehmen. Es wird uns versichert, daß in beiden Be- Ziehungen eine sehr große Anzahl von Uriheilen der Schiedsgerichte erfolgt ist, die. wenn sie nicht durch das Reichsversicherungs-- amt eine Remedur ersahren hätten, wegen ihrer den Thal» fachen wenig entsprechenden Unterlagen die grüßte Erbitterung hätten erzeugen müssen. Will man denn, ganz abgesehen von dem Schaden, welchen die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch die Uebertragung der Entscheidung beider Fragen aus die Schiedsgerichte erleiden würde, in Zukunft solche Erbitterung entstehen lassen? Sodann beklagt man sich in den Kreisen der Mitglieder des Reichs. Versicherungsamtes darüber, daß die Spruchkammern nur mit ü Mitgliedern besetzt werden sollen, und befürchtet, daß trotz der beabsichtigten Verminderung der Arbeit des Amtes die Referate nicht in gehöriger und sorgfältiger Weise vorbereitet werden würden." Es ergiebt sich hieraus, wie berechtigt unsere gestrige Be merkung über die Wichtigkeit und den Umfang der Aufgabe war, die der Commission zugefallen ist, welcher die Unfall, Versicherungsnovelle überwiesen wurde. Jedenfalls sollte sie darauf dringen, daß wenigstens ihren Sitzungen der Präsi dent deS Reichsversicherungsamtes beiwohnte. Da die letzten aus Tanger mehreren Blättern zu gegangenen Berichte übereinstimmend melden, daß in dem Er- mittelungsverfahren nach den Mördern deS deutschen Bankier- äßnrr wiederum nach dem bekannten marokkanischen chlendrian jener Landesregierung gehandelt wird, muß daran erinnert werden, daß gegen Mitte Februar unsere vier Schulfregatten auf der Heimreise auS dem Mittelmeer die Straße von Gibraltar passiren werden. AuS den er gänzten und berichtigtenSegelordre» über die Heimreisen der vier Fregatten geht nur bervor, daß für wenige Tage gegen Ende des Februar die Fregatte „Gneisenau" unter ihrem Comman- danten Capitain zur See Hofmeirr aus der Rhede von Tanger erscheinen wird, doch ist Wohl anzunehmen, daß daun energische Maßregeln ergriffen werden, um für die Ermordung eines deutschen ReichSangehörigen die gebührende Sühne zu fordern und erforderlichen Falls beizutreiben. UnS will, schreibt die „Voss. Ztg.", scheinen, daß eS dem Ansehen deS Reiches durchaus zweckmäßig gewesen wäre, wenn man die Segelordre für die Heim reise der Schaffe derart festgesetzt hätte, daß die vier Fregatten in den nächsten Wochen zum mindesten der Reihe nach auf der Rhede von Tanger erschienen wären, um den Forderungen deS neuen Geschäftsträgers, deS Frhrn. Schenck v. Sckweinsbera, über ein beschleunigtes Vcrfabren zur Ermittelung der Mö-der Häßner's den nöthigen Nachdruck zu verleiden, zumal da das Erscheinen der Schulschiffe in dem marokkanischen Hasen in diesem Fall ohne jede weilere Kosten zu ermög lichen war. Auck sollte man wenigstens zwei Fregatten so lange vor Tanger stalioairl lassen, bis der Kall Häßner seine Erledigung gefunden hätte, da es nicht als eine Nolhwendigkeit angesehen werben kann, daß die vier Schulschiffe sämnttlich schon wieder im Monak Mär; in einem Heimathshasen vor Anker gehen. Tie Fregatten „Moltke" und „Gneisenau" würden sich zu dem diplo matischen Aufträge mehr eignen, da sich an Bord der Schiffe keine Cadetlen befinden, deren Ausbildung durch ein längeres Verweilen der Schiffe im Ausland« Einbuße erleiden würde, als eS mit den beiden Fregatten „Stosch" und „Stein" der Fall wäre. Vielleicht lasten sich noch in letzter Stunde die bereits ausgegebene» SegelordreS mit Rücksicht hierauf ab ändern. Unsere Schiffe sind dock nicht dazu da, um nur zu Uebungszwecken inS Ausland geschickt zu werden. Interessante Mittheilungen über Abessinien und seine Stellung zu Italien bat der aus Schoa soeben in Rom eingetroffene Major Nerazzini dem Corre spondenten des „Corriere della Serra" gemacht; Nerazzini äußerte sich zunächst über die Fortschritte, die Abessinien gemacht hat. In wenigen Tagen wird der Telegraph bis Avis Abeba functioniren. Die Anlage von Eisenbahnen wirb in ernste Erwägung gezogen nnd in Harrar bat Ra- Ma- koonen bereits einen Fernsprecher eiogeführt. Weiter erzählt Nerazzini, daß alle die Mannschaften, die directe Gefangene deS Negus waren, nach europäischem Brauch zurückgegeben wurden. Anders bei den Gefangenen der einzelne» RaS, welche die Leute als ihr persönliches Eigenthum betrachteten. So mußte Menelik diese Gefangenen von seinen Häuptlingen loskaufen, und daher ist die Entschädigungssumme um so viel größer geworden. Bei der ersten Begegnung Nerazzim'S mit dem Negu« sagte dieser: „Der Teufel hat diesen Krieg herbei- geführt und dieser Teufel heißt der Vertrag von UccialiI" Der Major antwortete darauf, daß er in seiner Tasche eia sicheres Mittel trage, „diesen Teufel auSzutreiben" und dabei deutele er auf seine Instructionen, die ihm die Voll macht gaben, auf den Vertrag zu verzichten. Die Auslieferung der Gefangenen hat nichts mit der Grenr- regulirung zu schaffen. Diese ist bis zum 23. November v. I. aufgeschoben, während die Gefangenen bis Ende März in Itatien sein müssen. Wohl aber würbe die Rückgabe der Gefangenen von der telegraphischen Ratificirung des Vertrages abhängig gemacht. Eine Depesche meldet, daß die Ratification in Djibuti eingetroffen ist und gleichzeitig kommt die Meldung, dir Gefangenen seien in Harrar angelangt. Der Text deS Vertrage-, der in der Nacht zum DienStag auS Rom ad- geaangen, wird am 10. Februar in Djibuti sein Dem Ab gesandten deS Papstes hat Menelik die Gefangenen deshalb verweigert, weil er, wie er sagte, „den Sohn Victor Emanuel'S nicht habe verletzen wollen, dessenThaten er stet- eifrig bewundert habe." Nerazzini hat sich nicht darüber äußern wollen, welche Grenzlinien Italien vor- grschlagen hat. Ein großer Irrthum jedoch, der in Italien sowohl wie in ganz Europa herrscht, erklärt der Major, betrifft die Bedingung, daß Italien keiner anderen Macht als Abessinien afrikanische Gebiete ab treten dürfe. Diese Bedingung, fuhr Nerazzini fort, soll nur für die Zeit gellen, in welcher die Grenzreguliruug noch nicht zum Abschluß gelangt ist und ferner betrifft dieser Paragraph nur die strittigen Gebiete an der abessinischen Grenze, nicht aber Zonen, die zur Erytbräa gehören, wie z B. Kassala. Nerazzini räumte rin, daß Baldissera bei seiner letzten Begegnung mit ihm in Erytbräa sich sehr besorgt gezeigt bade wegen der Bewegungen RaS Alulas. In einem Monat reist der Major wieder nach Abessinien, um die Berhandlungeu über die Grenzregulirung und den Abschluß eines Handelsvertrages auszunehmen. Deutsches Reich. * Berliu, 27. Januar. Der Proceß Witte-Stöcker, der am 20. b. M. zur Verhandlung gelangt, nimmt einen so großen Umfang an, daß er im großen Schwurgericktssaal vor sich geben wird. Voraussichtlich wird darin, wie die „Poss. Ztg" hört, eine besondere Rolle ein Schriftstück führen, daS neuerdings aufgetaucht ist und nichts weniger als die LebenSaufzeichnungrn deS Schneiders Grüneberg enrhält. Unter dem Titel „Ein Ver bannter" hat Grüneberg, der ein vielbewegtes Leben hinter sich hat, seine politischen Erlebnisse geschildert. Anschau lich beschreibt er darin, wie eS ibm als socialdemo kratischem Agitator ergangen ist, seine Begegnung mit der Gräfin Hatzseldt, der Freundin Laffalle'S, seine Kämpfe mil der Polizei, die Leiden und die Nötbe, die er mannigfaltig er litten, und wie er schließlich sich Slöcker angeschlossen bat. Für den jetzigen Proceß gegen Stöcker ist eine Reihe von Stellen dieser am 4. August 1896 abgeschlossenen Memoiren von Wichtigkeit. So erzählt Grüneberg ringebend, wie Slöcker ihm im Iabre 1878 den Auftrag ertheilt bat, die Eanbidatur des Fabrikbesitzers Hoppe dadurch zu de kämpfen, daß er in öffentlicher Versammlung den Pfarrer Wille, der für Hoppe eintrai, als einen Mann angriffe, der nicht für die Arbeiter wirken könne, weil er in Ver bindung mit Juden und Iudengenossen stehe, denen er gegen Geschenke Commerzienralhstitel verschaffe. Stöcker hat be kanntlich unter seinem Eide diesen Auftrag abgeleugurt. Weiter berichtet Grüneberg, daß Stöcker bereit gewesen sei, ibm zu helfen, wenn er nach Amerika ginge. Slöcker habe versprochen, ihn dort bei dem Pastor v. Schlumbach unter zubringen. Im Allgemeinen ist aus den Aufzeichnungen ersichtlich, daß dem Schneider Grüneberg eine starke Antipathie gegen Witte suggerirt worden ist, die in ihnen noch deutlich nach klingt. Einige Tage vor der Verhandlung de» Schöffengerichts in dem Prcceß Witte's gegen Stöcker, in welchem Grüneberg als Zeuge vorgeladen war, erhielt Grüneberg noch von dem Ausschuß der christlich-socialen Partei die Aufforderung, dieser Partei, deren Präsident bekanntlich Slöcker ist, als Mitglied beizulreten; gleichzeitig wurde ihm die Mitgliedskarte bei- gefügk. Dieser Vorgang steht in ausfälligem Gegensatz dazu, daß Stöcker den Grüneberg seiner Zeit auS einer Versamm lung der christlich-socialen Partei hinauSgewiesrn und, als er nicht ging, ihn durch mehrere Schutzleute gewaltsam aus dem Saale hat entfernen lassen, und daß Grüneberg damals durch einen besonderen Beschluß au» der Partei au»geschloffen worden ist. * Berlin, 27. Januar. Für die Methode, mit welcher die „Deutsche TageS-Zeitung" die Geschäfte de» Bundes der Lanbwrrthe besorgt, Uefert da- Blatt soeben wieder «in Fe«iHet»«r Ni Die Rirdorfs. Roman von Hermann Heiberg. Nachdruck verboten. Und als der Mann in namenloser Erregung auf sie rin sprach, ihm zu sagen, wo seine Braut sei, ihr in seinen Dankempfindungen fast die Finger zerdrückte, ergänzte sie: „Laß eS Dir genug sein, Onkel Rudolf! Ich wieder hol«: ich werde dafür Sorge tragen, daß Du morgen Deine Braut in Eutin besuchen und sprechen kannst. Ich habe schon rin« paffende Familir im Auge. — Wohin soll ich Dir Nachricht schicken, nach dem Eutiner Hos oder nach Steiahorst?" Aber zuvor noch Rudolf zu antworten vermochte, erschien die rotbhaariae Ulrike wie eine zähnefletschende Hexe in der Thür und rief: „Wähle Isabella! Pactire mit mir oder mit dem Buben! Wenn aber mit Deiner Mutter, so war'- da- letzte Wort heute und für alle Zeiten!" Schon öffnete Rudolf den Mund, um dieser boshaften Rede zu begegnen. Aber Isabella gedenkend, bezähmte er sein wilde» Herz und trat, während Ulrike herrisch gebietend — Isabella mit stummer Resignation sich fügend — zurückwich, unter den Worten: „Ich bleibe in Eutin, Isabella, und bitte Dich, mir morgen früh nach dem Hotel Nachricht zu geben", in» Freie „ . . . Seit einer Stunde hatten sich bereit« die beiden Frauen Ulrike und Isabella in ihre Schlafgrmächer zurückgezogen, aber noch immer wandert« Letztere in ihrem Zimmer auf und ab und Überdachte, wa» sie thun solle, was die Pflicht von ihr erheische. Endlich ließ sie sich an ihrem Schreibtisch nieder, griff nach Papier und Feder und schrieb eine Anzahl Briefe. Nachdem sie diese beendet Hatte, hüllte sie sich in einen Mantel, setzte einen Hut auf, schlich sich leise die Treppe hinab und begab sich auf hie Straße. Wenig entfernt an der Ecke befand sich ein Briefkasten, und in diesen warf sie, wa- sie geschrieben. Nach diesem letzten Schritt, den ihr ihr Herz und ihr Pflichtgefühl dictirt hatten, schlüpfte Isabella rasch wieder inS Hau« »nd legte sicd schlafen. Schon nach kurzer Zeit ging der sanft Emgeschlummerten ruhiger Athem durch daS Gemach. Der nächste Tag brachte allen Betheiligten ebenso wenig Ruhe. Ser alte Ditt, der nach Erledigung dr» Nächstliegenden in Eutin sich nach Plön begeben hatte, um auch dort Wohnungen anzuseheu, war erst am Abend bei Rückkehr von seinem Freunde, einem Junggesellen, bei dem er sich ein- logirt, von dem Brande in Krnntuiß gesetzt worden. Einen solchen Eindruck hatte diese» Ereigniß auf das Gemüth des alten Mannes gemacht, daß er zunächst völlig fassungslos gewesen war. War» rin« Mahnung de» Himmel», nicht allzusehr auf menschlichen Eigenwillen zu trotzen? Ihm wollte es so erscheinen, nnd als <r am kommenden Morgen nach schreckhaften Träumen erwachte, gesellte sich zu der allgemeinen Sorge auch noch die Angst um seine Tochter Martha. Um etwa» Sichere» über sie in Erfahrung zu bringe«, mußte er nach Steinhorst, aber er mußte doch auch nach Flugsande, um zu sehen, wa» au» seinem Eigeathum geworden. Und traf er dort zufällig mit Rudolf zusammen. wa» er fürchtete, so geschahen vielleicht noch schrecklicher« Dingel Während er noch so grübelte und mit seinem Freunde Krumm überlegte, wa» er thun solle, brachte di« Aufwärterin einen auf gut Glück an di« Adresse de» Junggesellen abge- sandten Brief von Isabella. Da« Schreiben aber lautet«: „Lieber Herr Oberförster! Ich sprach Martha! Sie haben nicht gut gethan, aber ich will Ihnen keine Vorwürfe machen. Da aber «ach allen Seiten die Dinge rin sehr ernste» Gesicht zeigen, so bitte ich Sie dringend bei unserer Freundschaft, mrdr aber noch um Ihrer selbst willen, daß Sie helfen, Alle» wieder in den alten, guten Fluß zu bringen. Sie müssen Ihr trotzige» Herz überwinden, Sie müssen vergessen, wa» hier und dort im Zorn gesprochen ward, damit auch Jen« ihre Erregung Ihnen nachsrbrn. Sie müssen Ihrer Tochter ein gute» Wort geben Und meinem Onkel wenigstens keinen Widerstand leisten, Ihre Tochter zu seiner Frau zu mache«. Lasten Sie sich dies« httzliche Bitte durch den Kopf geben, bis wir uns Wiedersehen. Ich erwarte Sie morgen Abend zwischen K und 7 Uhr beim alten Timm, wo Sie auch Martha finden werden! Sie ist unter meiaer Obhut! Da mag Ihrem sorgenden Herzen — ich weiß eS, baß e« trotz alldem voll Sorge ist — genug sein! E» grüßt Sie freundlich Isabella v. T." Der alte Mann sagte nicht», nachdem er dies« Zeilen gelesen. Sein Freund sah nur, daß sich sein Auge zeitweilig aufbellte, dann aber wieder den bi»bengea ernsten Ausdruck erhielt. Auch später äußert« er nur, daß er nach Klugsande wolle und am Nachmittag zurückkebren werde. Er wolle sehen, ob so viel Möbel beim Brande verschont geblieben seien, daß eS überbaupt der Mühe lohn«, sich eine Wohnung in Eutin zu miethen. Aber auch in dem Eutiner Hof hatte der Briefbotr zweierlei Schreiben von Isabella abgegeben. Da« an Iame» gerichtete war sehr kurz gehalten und lautete: Lieber Vetter. Ich bitte Sie morgen Mittag 12 Uhr im Walde zu sein, da, wo wir un» jüngst zufällig trafen, »nd dorlbi« auch da» Testament mitzunehmen. Weitere« sagt Ihnen daselbst Ihr« Isabella Endlich aber la» Rudolf, der eine furchtbare Nacht ver« lebt, und erst spät nach unruhigem Schlaf sich erhoben hatte, folgende Worte: „Lieber Onkel. Noch in der Nacht schreib« ich Dir, da mir vordem durch da» Schreckliche, was geschah, die Gelegenheit zu einer Aus sprache abgeschnittrn ward. Höre mich an! E» kommen für unsere Familie ohne guten, ja den aller besten Willen von Allen, dem vorzubeuaen, sehr böse Tage! Ich richte deshalb an Alle meine Bitten und auch eine eindringliche an Dich. Ich kann Dir versprechen, wa» Du zu erlangen wünschtest. Meine Mutter, Axel und der alte Witt werden Deiner Verbindung mit Martha keinen Widerstand entgegensetzen, aber eS besteht auch eine Gegenforderung. Du mußt freiwillig di« Hand bieten, da» Unrecht auf zuheben, besten Du Dich durch gewaltsame Besttzerareisung de» Rirdorfschen Erbe» schuldig gemacht hast. — Tbue »S, Onkel! Ist denn Gelb und Gut der Inbegriff alle» Erlangens- werthen? Tausendmal mehr bleibt Dir immer noch Du riebst spöttisch die Lippen ob einer solchen unglaublichen Forderung. Ich sehr Dich, aber ich sage: au» Unrecht er wächst n,e Gute»! Du wurdest ja auch nicht glücklich und Du wirft eS Nicht werden, wenn Du jetzt nicht die Gerech tigkeit wieder in Deinem Herzen aus den Thron setzest. Ge denke meiner Worte! — Wo Du Martha morgen finden kannst, wo eS mir gelang, ihr Aufnahme in einer Familie bis zur Klärung all Ver traurigen Wirren zu verschaffen, sage ich Dir, nach unserer Abrede, im Laufe des Tages, jedenfalls vor Nachmittag. Eile dann gleich zu ihr. Sie Kraucht Dich, wie Du sie brauchst. Deiae Nichte Isabella." Da Rudolf, der dem Hauptiahall dieser Zeilen nur mil kurzem Achselzucken begegnete, dem Schluß zufolge, jeden Augenblick gewärtig sein konnte, von Isabella benachrichtigt zu werden, gab er seinen anfänglichen Entschluß, zunächst nach Steindorst zurückzukehren, auf. Die Ueberlegung, er könne am Nachmittag zurückkebren, um sich Isal'ella'S Bot schaft abzuholen, wurde durch die Stärke seine» Verlangens, sobald wie möglich in Martha'« Nähe zu gelangen, wieder gegenstand-lo». So unternahm er den« kleine Spaziergänge zwischen Frühstück und Mittagessen, sprach wieder vor, und fragte voll Spannung, ob etwas für ihn tingetroffen sei. Einmal begegnete er, kurz vor letzterem, IameS Irlaik, ber gerade über den Flur schritt, um sich in sein Gemach zu begeben. Die beiden Herren grüßte» sich mit kalter Förmlichkeit, und Rudolf ward durch Iame»' Erscheinen sogar veranlaßt, sich die Schüsseln auf sein Zimmer tragen zu lasten. Er konnte mit dem ihm widerwärtigen, stet- unheim lich-unruhige Gefühle in ihm weckenden Menschen nicht zu sammen sein. Bei dieser Gelegenheit erklärte er kurz und raub dem ihm servirenden Oberkellner, daß die Commodenangelegen- brit sich nicht dabe arranairen lasten. Sie sei anderweitig vergeben, die Comteffe habe sie gewünscht und erhalle», und diese gehe vor. In demselben Augenblick« brachte ein Bote daS er sehnte Schreiben. Durch da» Warten in einen schier krank- baft-erregten Zustand versetzt, riß Rudolf da» Couvert förmlich auf'und la«: „Isabella theilte mit, daß e» ihr gelungen sei, Martba bei Rin Arzt, Doctor Keller, wo ein Zimmer von besten Eurgästen zur Verfügung gewesen, Aufnahme zu ver schaffen. Sie könne ihn dort empfangen und erwarte ihn voll Ungeduld." Nachdem Rudolf sich entfernt batte, um zu Martba zu eilen, auch dle übrigen Tudls ä'bSte - Gäste da» Hotel ver-
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