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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-27
- Monat1897-01
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Reclameu unter demRedactionSstrich (»ge spalten) 50^, vor den Familieanachrichten (bgrspalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis verzeichnis Tabellarischer und Ziffrrnjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit dn Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung SO.—, mit Postbesörderung ^t 70.—. Anuahmeschlirb für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Aareigen sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz io Leipzig. 48. Mittwoch den 27. Januar 1897. 91. Jahrgang. politische Tagesschau. * vei-ri». 27. Januar. Der Reichst«» hat gestern die Novell« zum Unfall- versicherungSgesetze einer besonderen Commission von 28 Mitgliedern überwiesen, der wir wünschen möchten, daß sie ihre schwere Aufgabe schon früher zuertheilt bekommen hätte. Die neuen großen Vorlagen, die des Reichstages harren und allermeist eine commissarische Zwischenberathuug nothwendig machen, werden häufig genug in Collision mit der bereits gewählten Commission gerathen und dadurch ent weder selbst in ihrer Thätigkeit gehemmt werden, oder ihrer seits hemmend aus die Arbeiten dieser Commissionen ein wirken. DaS hätte leicht vermieden werden können, wenn die Besetzung de« Hauses seit Wiederaufnahme der Sitzlmgen eine bessere gewesen wäre und wenn nicht die chronische Beschlußunsäbigkeit deS HauseS dieses verhindert hätte, den socialdemokratischen Dauerrednern zu Gunsten einer prompteren Erledigung der Tagesordnungen ab und zu das Wort abzuschneiden. Die unverzeihliche Saumseligkeit so vieler Abgeordneten wird sich nun bitter an den Commissionen rächen. Tie Aufgabe der gestern gewählten Commission wird keine leichtere dadurch, daß die Mehrheit der bürgerlichen Parteien sich principiell zustimmrnd zu der Vorlage geäußert hat, denn Hand in Hand mit dieser Zustimmung ging eine ganze Reihe von Abänderung«- und Verbesserung-Vorschlägen, die einer gründlichen Prüfung bedürfen. Zu diesen Vor schlägen gehört besonders der, welcher die Ausdehnung deS Gesetzes auf da« ganze Handwerk, auf den Klein betrieb u. s. w. verlangt. Der natioaalliberale Abgeordnete Paasche äußerte sich gestern über Viesen Vorschlag folgender maßen: „Wenn vr. Hitze gestern erklärte, daß die Motive der Vorlage gegen eine solche erweiterte Versicherungspflicht für da« Handwerk sprechen; wenn er ferner sagte, dag dieselben ihn überzeugt hätten, so kann ich nicht leugnen, dag diese Ueberzeugung bei mir nicht derartig ist, daß ich unter allen Umständen darauf verzichten möchte, den Gedanken einer weiteren Ausdehnung der Versicherungs- Pflicht namentlich auf das Handwerk ohne Weiteres abzuweisen; denn ich meine, wenn anerkannt wird, daß ein Bedürsniß vor liegt, daß auch der dandwerksmäßige Betrieb und seine An gehörigen einer genossenschaftlichen Versicherung bedürfen, so wird man auch die Organisation dazu finden müssen, und die Einwände der Vorlage beschränken sich doch eigentlich nur daraus, daß die Organisation zu schwierig sein würde. Nun ist aber uns gestern von dem deS Staatssrcrrtair gesagt worben, daß bereits 1888 das Reichsversicherungsamt die Nothwendigkeit zugestanden hat, die Unfallversicherung auch aus das Handwerk auszudehnen; damals seien öffentliche Verbände empfohlen worden. Wenn man an bereits bestehende Organisationen an- knüpfrn will, sollte es nicht möglich sein, örtliche Verbände zu schaffen, wie beispielsweise für die landwirthschaftlichrn Be triebe, wo wir gleichfalls nicht daran denken, Bernssgenossrn- schaften über das ganze deutsche Reich einzurtchten? Es kann nicht der Gedanke vorwaltrn, daß man BrrusSgenoffenschaften der Schneider, Schuhmacher, meinetwegen der Scheerrnschlriser, und für das ganze Reich einsührrn will. Ja dieser Organisationssrage würde ich kein Bedenken finde», die Unfallversicherung auf das Handwerk weiter auSzudehnen, auch darin nicht, daß man sagt, die Lohn- nachweisung rc. lege dem Handwerk rin« zu große Arbeitslast aus. Da könnte man sehr wohl territoriale Organisationen schaffen, eventuell die BeitragSpslicht an die Gewerbe- und ähnlichen Steuern antnüpfra. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalea.) Die Ein wendungen, die auch von Seiten der Handwerker gekommen sind, be ziehen sich gewiß mit Recht in erster Linie darauf, daß die Handwerks meister gezwungen sind, für ihre Gesellen die ganze Last zu tragen, Meister, die oft genug in einer social wenig bentidenswrrihen Stellung, oft genug pecuniär weniger günstig situirt sind als ihre eigenen Gesellen und Gehilfen, für die sie die Versicherungspflicht über- nehmen müssen. Ich glaube, eS wäre deswegen, um die ganze Einrichtung populärer zu machen, unter allen Umständen zu erstreben, daß man ähnlich wie im landwirthschaftlichen Betriebe auch die kleinen Handwerksunternehmer mit in die Versicherung etnbezieht (sehr richtig! bei den National- liberalen), damit dir Handwerksmeister, wenn sie genülhigt werden, für ihre Arbeiter die Ver sicherung zu übernehmen, wenigstens auch ein Anrecht aus Rente haben, wenn sie selber als Hand- werker verunglücken. ES müßte doch möglich sein, in dieser Weise eine Organisation zu schaffen, die alle Schwierigkeiten ver meidet. Bei dem heutigen Zustande ist eS nur erklärlich, daß grade diejenigen Gehülfea, die am ehesten noch darüber Nachdenken, wir ihre Lage ist, die meist zu den besseren Arbeitern gehören, dem kleinen Handwerk den Rücken kehren und lieber in die Fabrik gehr». Auf die Frage der Ausdehnung gehe ich nicht weiter ein. Sache der Commission wird es sein, zu ermitteln, ob im Einzelnen weiter gegangen werden kann." Cs liegt auf der Hand, daß dir Commission, wenn sie mit solchen Fragen sich eingehend beschäftigen soll, Freiheit der Bewegung haben muß. Dasselbe gilt von den übrigen Commissionen. Wenn diese trotz der bisherigen Saumselig keit des Plenums auch nur einigermaßen ihre Pflicht sollen tbun können, so muß von jetzt ab wenigstens da« Plenum mit den ersten Lesungen sich beeilen und der Versuchung widerstehen, in diesen Lesungen auf Einzelheiten einzugeben, die Sache der Commissionen und der zweiten Lesungen sind. Geschieht die« nicht, so müssen wir nicht nur einer Aus dehnung der Session bis in den hohen Sommer, sondern auch am Ende einer Hetzarbeit entgegensehen, die den über- basteten Gesetzen den Keim der RevisionSbedürftigkeit schon bei ihrem Entstehen einpflanzen. In der gestrigen Sitzung der Budget-Commission deS Reichstags ist die Frage der Erhöhung de« Fond« zur Gewährung von Beihilfen an bedürftige Krtegsveteranen von 1 800 000 auf 2 760 000 ^ zur vorläufigen Entscheidung gekommen. Der Abg. vr. Hammacher sprach nicht, wie ein im heutigen Morgenblatte mitgetheilteS Privattelegramm meldet, gegen diese Erhöhung, sondern erklärte im Namen der nationalliberalen Fraktion, diese halte eS trotz der Bedenken, die sich au< der ZinSreduction für die Leistungs fähigkeit de« ReichSinvalidenfonbS ergeben, einmütbig für ihre Pflicht, für die gesetzlich dazu berechtigten Veteranen die vorgeschriebene Unterstützung zu bewilligen. Nach langen Erörterungen über die etatSrechlliche Zulässigkeit der Er höhung eine» Ausgabepostens wurde der Beschluß, den Fond« in der beantragten Weise zu erhöhen, mit allen gegen fünf Stimmen (deS Abg. Richter und einiger conservativen Mit glieder) gefaßt. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, allen Veteranen, deren Hilfsbedürftigkeit anerkannt ist, den be kannten Ehreosold zu zahlen- denn daß da« Plenum de« Reichstag« den Beschluß der Commission sich aneignet, unter liegt keinem Zweifel. Die erste Leistung der Rational-Socialen, der Aufruf zu Gunsten der streikenden Arbeiter in Hamburg, der hauptsächlich von Führern der national-socialen Partei unterschrieben ist, bat einen größeren materiellen Erfolg gehabt, als ziemlich allgemein angenommen wurde. Binnen einigen Tagen sind 25 000 ^ zu Gunsten der Ausständigen gesammelt worden, und eS ist kaum daran zu zweifeln, daß noch weitere erhebliche Beiträge den Arbeitern zu- fließen werden. Diese Tbatsache nvthigt dazu, nock einmal auf den Aufruf rinzugehen. ES ist nämlich unseres Wissens noch nicht Hervorgeboben worden, daß die dem Aufrufe zu Grunde liegende Idee auf einem starken Jrrthume beruht. Tie Unterzeichner de« Aufrufes gehen bekanntlich davon aus, daß durch die Unterstützung der Arbeiter mit Mitteln die Ungleichheit zwischen ihnen und den Arbeitgebern in dem Kampfe beseitigt werden solle; man will die Arbeiter durch die Unterstützung in die Lage bringen, ebenso wie die Arbeitgeber ohne Rücksicht auf augenblickliche Noth den Kampf fortzusetzen. Dabei wird übersehen, daß durch eine einseitige Unterstützung der Arbeiter eine Ungleich heit zu Ungunsten der Arbeitgeber herbeigeführt wird. Denn wenn der Arbeiter mit Geldmitteln unterstützt wird, so daß er keine Nolh leidet, so wird er zwar eingeschränkter leben muffen als sonst, wenn er arbeitet, aber er wird am Ende deS Kampfe- ohne einen materiellen Nachtheil davongekommen sein. Tie Arbeitgeber hingegen werden am Ende des Kampfes einen unwiederbringlichen, nach Millionen zählenden Schaben erlitten haben. Bringt man also die Arbeiter in die La^e, den Streik ack inkiultum fortzusetzen, so versetzt man die Arbeitgeber in eine Zwangslage. Die gute Absicht, die Waffen der Kämpf.'nven gleich stark zu mache», schlägt also fehl. Wollten die Herren dieses Ziel erreichen, so müßten sie auch den Arbeitgebern den durch die Fortdauer des Streik« entstehenden Schaden ersetzen. Das werden sie wohl bleiben lassen, und deshalb gleichen sie nicht, wie sie wobl glauben, den Unter- chied auS, sondern werfen ihr Gewicht in die eine der Waag- chalen. Bringen sie diese zum Sinken, so fördern sie — darüber »Uten sie sich doch klar sein — nicht nur die streikenden Arbeiter, andern gleichzeitig die Sache der Socialdemokratie in Hamburg, wie in ganz Deutschland. Tenn die Glorie de« SiegeS würde auf die Socialdemokratie fallen und zwar mit Recht. Sie haben die Sache des AuSstandeS im Parlament und in der Presse vertreten, sie haben bei den ersten „Einigungsversuchen" mitgewirkt, sie haben unzählige Ver sammlungen geleitet, in denen die Ausständigen zum treuen AuSharren aufgeforberl wurden, und sie baden vor allen Dingen weitaus die meisten Mittel zur Unterstützung de» AuöstandeS beigetragen. Daß das HilfscorpS der National- Socialen sich nicht nur für eine unrecht« Sache, sondern auch noch aä wnforem zloriaw der Socialdemokratie emsetzt, da« macht ihre erste praktische Leistung doppelt unverzeihlich und beweist ein nur sehr geringes Maß von politischem Scharfblick. Die belgische Verfassung bestimmt, daß jeder Fremde, der sich auf belgischem Boden befindet, den gleichen Schutz hinsichtlich seiner Person und seine« Eigeatbum« genieße, wie rer Belgier, vorbehaltlich der gesetzlich bestimmten AuSnahme- sälle. In der Zusicherung des Schutze« ist die Freiheit de« AufentballS unter denselben Voraussetzungen und AuSnabme- fällen einbegriffen, da sonst die ganze Bestimmung keinen Sinn hätte. Dies bat auch daS soeben von der Kammer endgiltig angenommene Gesetz über die Ausweisung von Ausländern anerkannt, indem eS dieselbe von einem aus reichenden Grunde, den da« Gesetz näher bestimmt, abhängig macht. Insofern allerdings schränkt das Gesetz die frei heitlichere Auffassung, die zweifelsohne den Vätern der belgischen Verfaffung innewohnte, ein, als eS nur die in Belgien „resi direnden" Ausländer trifft, nicht aber jeden Ausländer, der, wie die Verfaffung sich ausdrückt, schlechthin „sich auf bel gischem Boden befindet". Die Ausweisung der nicht landes ansässigen, sondern einfach zugereisten, vagabundirenden oder nur vorübergehend anwesenden Ausländer bleibt also dem freien Ermessen der Negierung unterworfen. Die Social - demokratie berief sich auf das freiheitliche Ideal, das den Begründern der Constitution vorschweble, um dir gänzliche Abschaffung de« bi« dahin aller drei Jahre erneuerten Gesetzes zu verlangen. Schwerlich aber haben diese, wenn auch vielleicht da« weiteste Asylrecht für den politischen Flüchtling, so doch kaum im Auge gebäht, die eigene Ruhe und Autorität im Lande diesem Ideal zu Liebe fremden Wühlern zu opfern, die unter dem Schutze dieser Freiheit nur Einem nutze» würden, der Socialdemokratie. Daher auch das Eintreten der letziern für ein Ideal der Freiheit, das sie selbst mit er langter Herrschaft sofort in den größten Terrorismus ver wandeln würde, gerade wie die Kirche ihre Forderung der unbeschränkten UnterrichtSsreiheit vorschob, um ihre Allein herrschaft auf dem Gebiete der Schule damit zu begründen. Die Waffen, welche die Regierung gegenüber den Ausländern in der Hand behalten hat, sind weder zu stumpf, noch zu scharf. ES wird für sie nur darauf ankouimen, sie mit Maß, Gleichheit und Gerechtigkeit zu gebrauchen, und das muß die Zukunft lehren. Wenn auch die Nachricht, daß zwischen den Derwische» und Abessinien Beziehungen bestehen, officiöS temenurt wird, so wird man doch gut tbun, diese Ableugnunz nicht sofort als baare Münze zu nehmen. Stets ist die italienische Regierung bemüdt gewesen, die Lage auf dem abessinischen Kriegs schauplätze zu verschleiern, wiederholt auch hat es sich herauS- gestellt, daß sie selbst völlig ununlerrichtet war und da- nicht wußte, was alle Welt sich offen erzählte. Sind die genannten Beziehungen vorhanden, bann können sie sich kaum auf etwas Anderes beziehen, als auf Herstellung eines beiderseitigen Ein vernehmens hinsichtlich der im Sudan und am Litorale des Rothen Meere» sich anbahnendrn politischen Gesammtlage. Die Macht deS Kbalifen wird von den Engländern, die eS ein gestandenermaßen auf Khartum abgesehen haben, in ihren Grundfesten bedroht. Beim weiteren Vorrücken deS anglo- egyptijchen Expeditionskorps über Dongola binau« muß eS früher ober später zu einem entscheidenden Zusammenstöße mit den Strrilkräftr» de« khalifen tommen. Letzterer handelt im Hinblicke darauf nur richtig, wenn er die ihm einstweilen in der Front vergönnte Muße benutzt, um sich in der Flanke zu degagiren, wo er von den als Englands Bundesgenossen betrachteten Italienern belästigt zu werben fürchtet. Was nun den Negus Menelik anlangt, so kann eS ihm nicht gleichgiltia sein, ob Khartum in der Macht des Ähalifen ober England« steht. Von den Derwischen hat Abessinien so leicht nicht- zu besorgen, wohl aber könnte ihm England nach gelungener Wiedcrrroberung der Sudan provinz ein sebr unbequemer Grenznachbar werden, zu mal wen« sich Italien eine« schönen Tage« bemüßigt finden sollte, mit Sack und Pack auS Erythräa adzurücke». England betrachtet sich für diesen Fall at« den natürlichen Erven der jetzigen italienischen Position am Rotben Meere; andererseits nimmt Abessinien den Platz vcn Massaua für sich selbst in Anspruch, weil dieser den natürlichen Hafen des BerglandeS abgiebt. Die Aussicht, nach der Einnabme Khartum- und nach der eventuellen Aufgabe des italienischen Colonial- besitzeS am Rothen Meere von England in doppel- 211 Ferrilletsi». Die Rirdorfs. Roman von Hermann Helberg. »rockt,nick verboten. Au« all' diesem Hin und Her entwickelte sich Eine« zunächst: Sie wollte Martha beim alten Timm einlogiren und so rasch wie möglich eine Unterredung mit JameS herbeiführen. Am besten war«, wenn sie mit ihm gemeinsam auch die Commode untersuchte, die zu öffnen und ihren Inhalt zu prüfen die Ungeduld sie verzehrte. Während sich Jsabella noch diesen Gedanken bingab, erreichte sie den Steinhorster Krug und erblickte Martha, die eben au» der Thür de« WirthShause» herau-trat. Nach einer, auf die Dienerschaft berechneten, Auseinandersetzung zwischen Beiden bestieg Letztere den Wagen, und wenige Miauten später entschwand daS flinke Gespann in raschem Trabe unter dem Staub der Landstraße. . * » Nachdem Jsabella Steinhorst verlassen hatte, begab sich Rudolf, von einer stetig sich steigernden Unruhe erfaßt, auf den GutShof, guckte zunächst in die Kanzlei und fragte dort, ob man Martha habe über den Hof schreiten sehen, und trat später auch, als man verneinte, in die Wohnung von Henningsen. Statt de« Oberinspektors, der nach dem Dorfe gegangen, traf er di« Frau, und nachdem er auch von dieser nicht- erfahren und, ganz seiner Art entsprechend, sie halbwegs dafür verantwortlich gemacht hatte, daß sie den Ein- und AuSgang nicht schärfer beobachtet habe, kehrte er mit finsterer Miene ins Schloß zurück. Bei Tisch hielt er Pieck zurück, um ihn nochmals au« zuforschen. Er mußte wiederholen, welche» Wege« Martha gekommen, wa» sie gesagt, wie sie auSaesrben und wann sie wieder zurückzukehren erklärt habe. Nachdem Pieck berichtet, brachte er da» Gespräch auf Jsabella und zuletzt auf die Commode. Er fragt« auch, ob die Eomteffe sich vorher nach dem Möbel umaesrhen. Nun, nachdem Jsabella sie mitgenommen, fiel ihm «in, daß doch «in Zusammenhang zwischen ihr und Daniel be stehe, daß Letzterer sie gebeten habe, für ihn die Vermittlerin zu spielen. Nachdem Pieck bestätigt, daß Jsabella auf dem Schloß- boden gewesen, fragte Rudolf: „War dir Commode leer? Haben Sie nachgesehen?" „Ich konnte sie nicht öffnen, Herr Graf, sie war ab geschlossen und e» sehlte der Schlüssel. Aber etwa» schien allerdings darin zu sein. ES rutschte hin und her, als wir sie hinavtrugen." »Warum haben Sie mir daS nicht gemeldet?" Mit so plötzlich veränderter, drohender Miene, mit so unheimlich irren Augen sprach der Mann, daß Pieck zitterte. „Hätte ich wissen können, Herr Grast', setzte er zagbast an. „Wissen können, wissen können —", herrschte Rudolf, „Sie sind ein Strobkopf und bleiben eS ewig!" Und dann: „Rasch! Vorwärts! Besorgen Sie den Kaffee und sagen Sie Theodor, daß der Schwarze gesattelt werden soll, also, daß er jeden Augenblick vorgeführt werden kann." Damit entließ er Pieck unter finstern Gebrrden Eine Stunde hielt Rudolf noch nach dem Mittagessen au«, eine Zeitspanne, die ihm, in de« vergeblichen Warten- auf Martda, wie eine Ewigkeit verrann. Um seine unruhigen Gedanken abzulösen, durchschritt er die Gemächer, trat auf den Hof und stieg in den Park hinab. Als er sie draußen nicht fand, begab er sich auf den Schloßboden. Plötzlich zog'« ihn dorthin. Er wollte sehen, so zwecklos e« war, wo die Commode gestanden hatte, aber er wollte auch Umschau halten von dort über die Gegend. Vielleicht entdeckte er etwa- von der Erwarteten, klärte ihn eia Blick nach der Flugsander Oberförsterei auf. Und dann schaute er wirklich hinaus, aber schon in dem selben Augenblick schrak er aus- Heftigste zusammen. Die Oberförsterei — seine Augen tauschten ihn nicht — stand in bellen Flammen. Lodernde Feuersäulrn stiegen empor und mächtige unheimlich schwarze Rauchwolken schoben sich zum bereit- dämmernden Himmel hinauf. Rudolf'- erster Gedanke war: Dieser Brand sei eia Racheakt de« alten Witt, sein zweiter, der ihn veranlaßt«, im Fluge wieder die Treppen hinabzustürzen; e« könne Martha etwa« geschehen sein. Unten angekommen, schrie er den ängstlich zusammen- schreckenben Haibucken an, sofort nach dem Herrenstall zu eilen und zu melden, daß der Schwärze vorgeführt werden solle. Dann klingelte er in seinem Gemach, wo er Allerlei an sich nehmen wollte, unter wüthendem Reißen an der Schnur, nach dem nicht minder bestürzt hrrbeifliegenden Pieck und erklärte ihm, baß er wegen de« Brandes nach Flugsande reiten und von dort, sobald eS ginge, zurückkehren werde. Sollte Fräulein Witt inzwischen eintrcffen, so möge er sie unter allen Umständen zurückbalten. Er habe ihr Wichtige« mitzutbeilen. Er mache Pieck dafür verantwortlich, daß sie sich nickt wieder von Sleinhorst entferne. Nachdem er außerdem befohlen, daß Pieck unverzüglich dem Inspektor das Feuer melden und die Abfindung von Spritzen und des gelammten GniSbofpersonals beordern solle, bestieg er den inzwischen vorgefübrten Renner und galvppirte, im Fortrasen den Leuten „Feuer! Feuer! Spritzen klar macken!" zurufint, dem Flugsander Forstbaus zu. Fast eme Stunde war vergangen. Unten im Gesinde raum bockten die im Schloß zurückgebliebenen Dienstboten, und ergaben sich, eifrig schwatzend, ibren Vermutbungen über den Brand und üoer die Gestaltung der künftigen Dinge auf Sleinhorst. DaS Gerücht, daß der Graf Martha Witt zur Gräfin machen wolle, schien sich zu bestätigen nach den heutigen Vorgängen. Allzu ausfallend war deren Erscheinen und deS Grafen Erregung. Zufällig war auch KaldaunuS, der einem der Kanzlei schreiber Blutegel gesetzt, im Souterrain anwesend. Er wußte die außerordentlichsten Dinge zu erzählen, — er batte sogar schon von dem tödtlichen Zerwürfniß zwischen Rudolf und dem Oberförster gehört. Wäbrenv sie noch redeten, ertönte scharf und schrillend die Glocke von der Halle. Alle sprangen empor, und Pieck eilte, >o rasch er konnte, die Treppe hinauf. Eben trat Rudolf, von Theodor bedienert. in- Hau-, und die erste Frage des erregten Manne« galt Martha. „War Fräulein Witt da?" rief er Pieck zu. „Nein, Herr Graf. E« hat sich Niemand im Schloß ge meldet —" Unter einem Fluch stampfte Rudolf den Fußboden. Und dann schnell einen Entschluß fassend: „Ich reite nach Eutin, Pieck! ES ist sehr unbestimmt, wann ich zurückkebre, vielleicht bleibe ich die Nacht fort. Aber bis zum frühen Morgen sollen zwei Mann auf sein. Sollte Fräulein Witt kommen, wann immer, so soll Peter Hingst satteln, nach Eutin reiten und e» im Eutiner Hof melden! Verstanden?" »Zu Befehl, Herr Gras!" Nach dieser dienstbeflissenen Antwort begleiteten st« ihren erregten Gebieter auf die Rampe, und wenige Augenblicke später stob Rudolf von Rixdorf zum Schloßhof hinan». ES war am selben l/agr Abend/ Jsabella saß im Eutiner Herrrnhause neben ihrer Mutter und berichtete. Alle« lösend, wa« sie bisher ihr verheimlicht, sowobl über die Erklärungen, die sie ihrem Onkel Axel ge geben, als auch, ohne vorläufig noch der Commode zu er wähnen, über ibren Besuch in Steinborst. Zum Schluß wollte sie dann JameS' Angelegenbeiten berühren, endlich auch über diese daS bisherige Schweigen brechen. Sie schloß die ersten beiden Berichte mit der Erklärung, daß Rudolf am nächsten Tage erscheinen werde, um Ulrike zu bitten, seine Braut, Martha Witt, bei sich aufzunehmen. Diese letztere Miltbeilung raubte der ohnehin im höchsten Grade erregten Ulrike schier jede Fassung. Nachdem sie solche einigermaßen wiedergcwonnen, äußert« sie auf da« Allerent- schievenste, daß sie weder Rudolfs Wunsch: da- Bürger mädchen bei sich aufzunebmen, entsprechen, noch irgendwie gute Miene zur Heirath machen werde. Und Rudolf möge Feste geben, wem er wolle, sie erscheine nicht! Alle Vorstellungen, die ihr Jsabella machte, prallten an ihrem hochmüthigen Starrsinn ab. Viele- babe man sich von dem fürchterlichen Menschen gefallen lassen müssen — man sei in der Nothwendigkeit gewesen — dies aber brauche man nicht zu befördern, und sie wolle unter keinen Umständen dazu die Hand dielen. Immer von Neuem begann sie und endete, eine Fluth von Vorwürfen über Jsabella ergießend, daß sie nun wirklich ihrem Onkel rin Nein gesagt und daß sie den unerhörten Plänen von Rudolf Vorschub geleistet habe. „Nickt ihm — sondern ihm erst, nachdem mich da« un glückliche Mädchen beschworen batte, ihre und damit meine« Onkels Wünsche zu fördern. Sie erklärt auf's Bestimmteste, daß sie Rudolf zu einem völlig anderen — und zwar zu einem verständigen und umgänglichen Menschen macken werde." „Die GanS! Als ob ein Rixdorf bei der Tochter seine« Untergebenen in die Ledre gehen müsse!" fiel Ulrike, unfähig, ibren Aerger zu bändiaen, mit verächtlichem Spott eia. „Wirklich eine tnsolenke Selbstüberschätzung und Eitelkeit, wie sie nur rin Mitglied der Witt'S an den Dag legen kann. — Sie will dir Retterin spielen! Wie gütig! Hast Du ihr den unverschämten Mund nicht verschlossen, Jsabella?" s „Nein, Mama! Ich glaube, wa» sie sagt. Wenn Jemand
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