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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970130020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897013002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897013002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
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Größere Schriften laut unserem Preit- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Vxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit d»^ Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuag 60.—, mit Postbesürderung 70.—. Jinnahmrschlub fiir Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. borgen-Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stund« früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 54. politische Tagesschau. * Leipzig, 30. Januar. Daß der StaatSsecrrtair Di. v. Stephan, wie er vor gestern im Reichstage versicherte, den dringenden Wunsch hat, es möchten nicht jedes Jahr bei der Berathung seines Etats von Neuem „dieselben Sachen", d. h. Wünsche wegen Taris- ermäßiguagen, vorgebracht werden, kann man ihm kaum Übel nehmen. Der ehemalige „Generalpostmeister" hat sich durch seine postalischen Reformen, die zum guten Theile auch auf den internationalen Verkehr übergegangen sind, einen europäischen Ruf gesichert, und da ist eS natürlich peinlich, Jahr für Jahr daran erinnert zu werden, daß jene schönen Zeiten vorüber sind. DaS einfachste Mittel, sich gegen die Wieder kehr „derselben Sachen" zu schützen, wäre freilich die Be willigung der in weiten Kreisen, nicht nur von einigen Sonderlingen befürworteten Reformen; aber der Staals- secretair behauptet, seine Hände seien gebunden. Bei dieser Gelegenheit hat er sogar eine neue staatsrechtliche Theorie entdeckt. Er stehe, erklärte er, dem Reichstage nicht als StaatSsecrrtair des Reichspostamts, sondern als Vertreter der verbündeten Regierungen gegenüber; womit er offenbar sagen wollte, daß er als Generalpost meister vielleicht zu Reformen geneigt sei, daß aber der BundeSrath zum Widerstand zwinge. Er müsse also den Standpunkt deS BuiidesratkeS vertreten, nicht seine Auf fassung als oberster Leiter der Post- und Telegrapben-Ver- waltuug. Nun hat er aber früher, als die Einnahmen deS Reiches noch ungleich knapper waren, als sie jetzt sind, mit durchschlagendem Erfolge dem BundeSratbe gegenüber den Satz verfochten, daß zeitgemäße Reformen Geld brächten, während er jetzt den BunveSralhSstandpunct vertritt, erst müsse das Geld im Kasten klingen, bevor Reformen auS dem Fegefeuer heißer Wünsche springen könnten. Da darf eS ihn also nicht befremden, daß die Dränger ihn an seinen früheren Grundsatz erinnern und ihn mahnen, im BundcS- rathe wieder der Alte zu werde». Warum das nicht geht, avo eigentlich im Bundesrathe der Hemmschuh steckt, das er fährt man nicht. Man wird sich also in den Landtagen der Einzelstaaten an die Regierungen wenden müssen, um zu erkennen, wer den geheimen Resormeifer des Herrn Or. v. Stephan lähmt und wo ein wirksamer Hebel zu seiner Befreiung aus lähmenden Banden anzusetzen ist. Bis dahin bleibt eS jedenfalls das ungeeignetste Mittel, um sich „dieselben Sachen" vom Leibe zu halten, auf dringende Klagen und Mahnungen gar nicht zu antworten, wie die« gestern dem Abg. Or. Hasse gegenüber geschah. Dadurch zwingt man zur fortgesetzten Auswärmung „derselben Sachen", und Or. Hasse ist am wenigsten der Mann, der sich durch Schweigen von der Erneuerung berechtigter Beschwerden ab halten läßt. Am meisten muß es befremden, daß der Ver treter Leipzigs keinen Bescheid auf seine Anfrage wegen des Kalles Bashford erhielt, der längst nach Klarstellung schreit. In diesem Falle ist eS doch sicherlich kein ReichS- schatzsecretair und kein BundeSrath, der mit flammendem Schwerte die Thüren hütet, hinter denen das Geheimniß verborgen ist. Hier handelt e« sich doch um einen Fall, in Sonnabend den dem Herr Or. v. Stephan „der Nächste dazu" ist. Und fehlte ihm selbst noch gestern die völlige Klarheit, so hätte doch wohl wenigstens die Antwort gegeben werden können, die Sache solle nochmals untersucht werden, waS dock geschehen muß, wenn „diese selbe Sache" nicht auch ein ständiger „Posten" in dem Titel „Etat des SlaatSsecretairs der Reichspost- und Telegraphenverwaltung" bleiben soll. Leider war auch das Präsidium des Hauses harthörig der Frage gegenüber, ob wirklich der famose Herr Bashford sich eines bevorzugte» Platzes auf der Journalistentribüne des Hauses erfreue. Muß etwa auch das Präsidium sich erst erkundigen, wie die Sache liegt, und hält eS diese vielleicht für zu unwichtig, um sich mit der Frage zu beeilen? Für den verstorbenen Reichstagsabgeordneten Fürsten zu Fürstenberg hat vorgestern im Wahlkreise Tonan eschingen die Ersatzwahl stattgefunden, die einen für jeden »ichtklerikalen Politiker höchst erfreulichen Ausgang genommen hat: Der nationalliberale Candidat Or.Merz bat die meisten Stimmen erhalten, nämlich 8666, der klerikale Gegencandidal Schüler erhielt 8063, der Socialdemokrat Krohn 1105. Dem nach ist Or. Merz nur um 242 Stimmen hinter der absoluten Majorität zurückgeblieben; zwischen ibm und dem Klerikalen ent scheidet die Stichwahl. Mehr war nach Lage der Dinge nicht zu er warten. Wenn aucb in dem Wahlkreise stets ein national gesinnter Abgeordneter gewählt worden ist, so muß man doch bedenken, daß die in den letzten Jahrzehnten gewählten Abgeordneten v. Hornstein und Fürst zu Fürstenberg hoch angesehene und einflußreiche Männer waren, während der jetzige nationale Candidat zwar im Wahlkreise sehr beliebt aber doch nur ein noch ziemlich junger, schlicht bürgerlicher Arzt ist. Dazu kommt, daß die Eonservativen gegen ihn zu stimmen erklärten. Wenn er trotzdem in dem zu 85 Proc. katholischen Wahlkreise 600 Stimmen mehr erlangt hat, als sein ultramontaner Nebenbuhler, so ist das ein höchst erfreulicher Beweis dafür, daß noch nicht überall katholische Consession und ultramon tane Gesinnung zusammenfallen, wie das Centrum glauben machen möchte. Auch im Vergleich zu dem Ausfälle der Wahl im Jahre 1893, die zum Siege oeS Frei herrn v. Hornstein, deS Vorgängers des Fürsten Egon führte, ist das jetzige Resultat nicht ungünstig. Trotz seines weit größeren Einflusses erhielt damals der nationale Cankidar nur genau so viel Stimmen, wie vorgestern Or. Merz, während das Centrum nur 6975 Stimmen, also rund 1200 weniger als jetzt, auf die Beine brachte; die Zahl der social- demokratischen Stimmen war damals um ca. 70 höher, als sie jetzt ist. Das Centrum kann also diesmal bei der Stich wahl, in der Frhr. v. Hornstein mit 10 622 Stimmen über seinen klerikalen Gegner, der 9451 erhielt, siegte, weniger Reserven heranziehen, als damals. Von besonderem Interesse wird die Haltung der Eonservativen in der Stichwahl sein. Die Socialdemokraten werden höchst wahrscheinlich Mann für Mann für den Bewerber auS der CentrumS- fraction stimmen. Werden die Eonservativen mit den Socialisten Hand in Hand gehen wollen? 30. Januar 1897. Zu der Ernennung des Grasen Majlatbzum Coad j u t o r cum jure sucoeäencki des sicbcnbnrgische» Bischofs Lön- hardt schreibt die „Pol. Corr." osstciös: Dieses nach mancherlei wechselvollen Verhandlungen erfolgte Factum kann wohl als eine beuierkenswertbe Errungenschaft aus dem viel umstrittenen Gebiete deö kirchlichen Eniennungsrechtes betrachtet werden. Es ist im Laufe der jüngst geführten publicistiscdeen Dis kussion über die Bestellung eines Coadjutors mit dem Nach folgerecht hervorgehoben worden, daß die Curie solchen Er nennungen (für die sie sich allein berechtigt hält), bisher den größten Widerstand entgegengesetzt hat. Mit Rücklicht darauf bat auch der Cullusminister Or. WlassicS, um die Ernennung deS Grafen Majlath keinen Verzögerungen aus zusetzen, den Vorschlag erstattet, daß derselbe einfach zum Coadjutor ernannt werde, wiewohl er auch in diesem Falle selbst ohne formale Zusicherung des Succcsjious- rechtes bei Erledigung des Bisihumes zur Nachfolge berufen worden wäre. Mittlerweile hatte man jedoch darüber Gewißbeit erlangt, daß Graf Gustav Majlath, der in ungarischen Kreisen die größte Sympathie und Vertrauen genießt (?), auch in Rom persona gi-atissuua ist, so daß die Erwartung gehegt werben kann, daß die Curie keinen entschiedenen Widerspruch gegen dessen Nomination zum Coadjutor cum jurs suececlenäi erheben dürfte und höchstens ein formaler Protest zu ge wärtigen ist. Abgesehen nun von den Gründen, welche in der Person des Grafen Gustav Majlath gelegen sind, erschien eS daber vom Standpuncte der ungarischen Regierung schon mit Rücksicht auf jenen seitens der Curie bisher energisch angefochtenen Punct des St acNSkirchen rechtes von Be deutung, die Ernennung eines Coadjutors cum jure succe- üeuäi zu fördern. Sicherlich wird dieser Fall für die Zu kunft ein wichtiges Präcedenz bilden, um die unein geschränkte Ausübung des Ernennungsrechtes des apostolischen Königs bezüglich eines Coadjutors zur Geltung zu bringen. Der Pariser Aufenthalt des Grafen Murawjew hat seinen Zweck, insofern es sich dabei um Herstellung persön licher Beziehungen zwischen- dem neuen Leiier der russischen Auslandspolitik und den maßgebenden Persönlichkeiten der französischen Republik handelte, im vollen Maße erfüllt. Da eS dem Vorgänger im Amte, dem Fürsten Lobanow, nicht mehr vergönnt gewesen war, im Gefolge des Kaisers Nicolaus französischen Boden zu betreten, so erscheint der jetzige Besuch des Grafen Murawjew in Paris als die Nachholung einer damals unmöglich gewordenen diplomatischen Cour- toisie, dem eine sensationelle Tragweite zu geben durchaus keine Veranlassung vorliegt. DaS persönliche Moment bildete von Anfang an das charakteristische Merkmal der Pariser Besucksreise Murawjew's, wie denn auch die Aufmerksamkeiten, welche dem russischen Gaste von der officiellen Welt und dem großen Publicum erwiesen wurden, ersichtlich dieses Gepräge trugen. Das fühlte man auch auS den beiden Toasten bei dem gestern von Hanotaux dem russischen Besuch zu Ehren gegebenen Frühstück heraus, deren Ton ein ausgesprochen cordialer war, wie er unter College» — Graf Murawjew war es, der diese- Wort gebrauchte — 91. Jahrgang. üblich ist. Daß dabei beide Minister die Gelegenheit wahr nahmen, der Welt zu verkünden, daß man nichts den Völker frieden Abträgliches in Paris besprochen habe, sondern nur in dem gegenseitigen Entschluß, den Frieden aufrecht zu er hallen, sich bestärkt habe, ist nur natürlich. Möglicher weise liegt darin, daß Hanotaux neben den Frieden die Menschlichkeit stellte, eine zarte Andeutung der Wünsche Frankreichs in Bezug aus ein gemeinsames Vorgeben mit Rußland gegen die Barbareien der otto- manischen Negierung. Aber wenn Hanotaux wirklich auf die in diesem Puncke bestehenden Differenzen in der französisch- russischen Auffassung des Orientproblcms hat anspielen wollen: sein College aus Petersburg hat darauf nicht reagirt, denn er bestätigte nur, daß sein kaiserlicher Herr ebenso friedliebend sei wie er cs von der französischen Regierung voraussetzt. Ucbrigens beginnt bei diesen Toasten wieder das alte Spiel von der doppelten Lesart. Rach dem im Morgenblatt veröffent lichten Wortlaut des Hanotaux'scken Toastes bat der Minister von einer „befreundeten Regierung und von einem ver bündeten Volke", nach einer zweiten Meldung derselben officivsen Quelle nur von einer befreundeten Regierung und einem befreundeten Volke gesprochen, während Murawjew nach beiden Versionen nur die „intimen Beziehungen" betonte. Man wird wohl mit der Ansicht nicht fehlgehen, daß man es hier mit einer nachträglichen Correctur eines wirklich gesprochenen Wortes zu thun hat. Diese- aber wäre schwerlich gesprochen worben, wenn es den Thatsachen nicht entspräche, d. h. wenn die intimen Beziehungen zwischen beiden Staaten nicht die einer wirklichen Alliance wären. Nunmehr ist der Untersuchungsausschutz deS englischen Unterhauses, der über die Cbartered Company und ihren, sowie ihres ehemaligen Präsidenten CecilRbodes Antheil an dem Einfall Jameson'S in Transvaal zu Gericht sitzen soll, zusammengetreten. Die Einsetzung wurde einstimmig beschlossen, nachdem Maclran seinen Antrag auf Nichttviederwabl deS Ausschusses unter dem Ein druck der Reben Cbamberlain'S und Harcourl'S, der ausführte, England muffe seine bona tiäes, sein« Gerechtigkeit und Billig keit urdi ek ordi beweisen, zurückgezogen hatte. Die auf einen großen Effect berechnete und demgemäß vor bereitete Scene deS abgekarteten Spiels wird natürlich dort, wo sie Eindruck machen soll, im Ausland und speciell in Deutschland und Transvaal, ihre Wirkung vollständig verfeblen; denn der Untersuchungsausschuß selbst ist ja ledig lich Comödie. Hätte man es noch nicht gewußt, so hätte es Chamberlain in seiner gestrigen UnterhauSrede (s. unter Großbritannien) verrathen. Was die Verwaltung der Com pany anlangt, so wird sie, Cbamberlain's Versicherung zu folge, „sehr gut auS der Sache hervorgehcn". Daran bat natürlich Niemand gezweifelt; denn sie hat thatsäcklich im Interesse En.Uands rücksichtslos gegen die Eingeborenen und noch einige andere, der englischen Vorherrschaft im Wege siebenden Leute gewirtbschaftet. Wenn sie den Jameson'schen Raubzug unterstützte oder gar auSrüsiete, so werben ihr dieselben Entschulbigungsgründe zuzubilligen sein, wie ihrem Execulor Jameson, dem gestern Chamberlain das Fenrlletsn. ^ Die Nir-orfs. Roman von Hermann Heibrrg. NaLdnick verbelen. Und wenn denn somit nicht Alles geworden war, wie eS Jsabella gehofft halte, so war doch so viel erreicht, wie bei der Sachlage nur irgend möglich: Ulrike und Rudolf zum Zweck deS Vergleichen- beisammen, Martha als seine Braut inmitten der Rixdorf'S, James Jrlaik als James Ripdorf, aber auch Ulrike und Arel und Rudolf anwesend, und Letzterer, durch Martha bestimmt, augenschenscheinlich gewillt, — war'- zu glauben? — gegen ein entsprechende« Aequivalent sich zu vergleichen und der Herrschaft zu begeben! Freilich, Schwüle herrschte. Auch batten Ulrike und Rudolf einander mit keinem Blick Beachtung geschenkt. Sie fügten sich nur aus Zwang dies eine Mal noch. Und lediglich Axel und Jsabella begegneten Martha in einer ihrem irtzigen Verhältniß entsprechenden Weise. Auch begrüßte Rudolf JameS in einer Art, als sei er nicht sein Neffe und der Erbe von Steinhorst, sondern etwa ein zum Protokollsühren beorderter Notariatsgehilfe. Eben hatte Axel seine Rede beendet. DaS Testament war vorartesrn und deS Fremden Herkommensbeweise waren auf den Tisch niedergelegt worden. Er ertheilte nun Letzterem das Wort. Er sollte noch einmal vor Allen über Alles berichten. Aber ehe JameS noch beginnen konnte, fiel Rudolf pol ternd ein. Bevor nicht erklärt werde, in welcher Weise man ihn abzufinden gedenke, seien alle anderen Erörterungen Uber- flüsfia. Die Rechte des JameS Jrlaik, wenn sie auch wirklich be wiesen würden, seien, da das Proclam fruchtlos verlaufen, anfechtbar. DaS sei nicht wearudiScutiren. Es stehe zwar nicht in dem Testament, daß Alfon» in solchem Falle seiner Ansprüche verlustig werden solle, aber wozu dann ein Proclam ? „Also, redet!" schloß er. „Je kürzer und knapper solche Dinge behandelt werden, desto besser. Nun, WaS bietet Ihr?" wandte er sich an Axel, absichtlich JameS völlig ianorirend. „Wir wollen Dir*, entgegnet» Axel nach raschem zu stimmenden BlickauStausch mit den Uebrigen, „da Du nach dem Testament Anspruch auf Flugsand« besitzest, dieses Gut zurückgewähren und Dir überdies 300 000 SprcieS auS- „Ab, schön gedacht! Sehr gnädig!" sprühte Rudolf, ob gleich Martha ibm mit flehenden Blicken abwinkte. Und fort fahrend, voll würdigen ÄngrimmS: „Und wie stehrs mit der Erbfolge auf die Herrschaft? Wem fällt die zu?" „James tritt für sich und seine Erben Steinhorst an", entgegnete Axel in demselben bestimmten Ton. „Nach ihm folgt Jsabella, der ich, entgegen der TestamentSbestimmunz, den Vorrang einräumen will. Und im Fall sie —" „Nun? Nun? Vorwärts! Vorwärts!" bauchte Rudolf mit glühenden Augen, keißem Athen, und mit einem Aus druck, als ob er sich wie ein Geier auf den Sprecher stürzen wolle. „Und im Falle sie" — wiederholte Axel immer noch mit derselben Gelassenheit — „sterben und keine Nachkommen zurncklaffen sollten, will ich unter der Bedingung hinter Dir zurücktreten —" Aber er kam nicht weiter. Wie eine Katze sprang Rudolf, der schon bei Jsabella'- Erwähnung sich vor Entrüstung hatte kaum halten können, empor, ergriff, ehe die Arglosen eS hindern konnten, da« Testament, zerriß eS und warf eS unter dem keuchenden Ausruf: „O, Ihr Schleicher, die Ihr, wie der alte blöde Mann, der im Grabe ruht, noch immer pharisäerhaft über mir ru Gericht sitzet! Seht, da« ist meine Antwort!" — in den Kamin. Rasch auflodernd, mit gieriger Zunge verzehrten die Flammen das, worum so viel Kummer, Sorge und Mühe sich unter Menschen erhoben hatte. Und dann, obschon Martha emporsprang und sich flehend an ihn klammerte: „Und nun macht, WaS Ihr wollt! WaS ich aber zu thun habe, daS weiß ich. Nach diesem Bettel, den Ihr mir vor zusetzen wagtet, nach diesem Beschluß-Eoncilium Eurer irr sinnigen Ueverbebung lasse ich mich auf Vergleiche überhaupt nicht mehr ein! Und somit Gott befohlen." Zugleich löste er seine Braut schier gewaltsam von seiner Brun, warf ihr ein: „Morgen hörst Du von mir, Martha!" kurz und raub hin und verließ, wie ein Rasender di» Thür hinter sich zuschlagend, daS Gemach. So, nun waren sie alle wieder ebensoweit, wie sie ge wesen, und nur Einer bewahrte den Gleichmuth. Es war JameS Rixdorf. Unter dem Rus: „Nun habe ich als JameS Rixdorf zn handeln", erhob er sich und war im nächsten Augenblick verschwunden. Al« er draußen auf den Flur trat, batte Rudolf bereit« seinen Hut ergriffen und war, die Thürklinke in der Hand, im Begriff, auS dem Hause zu stürmen. „Ich bitte grhorsamst, noch rin Wort, Herr Graf!" stieß JameS hervor, eilte ihm nach und suchte ihn durch einen ehr erbietigen Blick zu halten. „Nun, was ist's? Ich habe nicht- mehr zu reden. WaS wünschen Sie?" stieß Rudolf hochfahrend und mit der Miene eines Menschen heraus, den man zu belästigen sich erdreistet. „Es möge Ihnen gefallen, noch einmal in daS Speise zimmer zu treten und mir eine kurze Unterredung zu gönnen, Herr Graf. Ich bin sicher, eS wird Sie nicht gereuen. Ich möchte Ihnen die Hand bieten, ich möchte mit Ihnen über legen. Noch einmal, verweigern Sie meine Bitte nicht! Es handelt sich doch um zu wichtige Dinge, als daß man sie so ohne Versuch nachträglicher Verständigung bei Seile schiebt" — „Sie reden, mein junge« Herrchen", warf Rudolf ver ächtlich bin, „als ob Sie schon Ihre Rechte bewiesen hätten. Wer sind Sie? In meinen Augen sind Sie" — „Ich bitte, Herr Graf, nicht hier auf dem Flur. — Schenken Sie mir" — JameS deutete auf die Thür zum Speisegemach — „nochmal« sei'« erbeten, zwischen diesen Wänden einige Augenblicke!" „Ich habe mit Ihnen absolut nicht« zu verhandeln. Treten meine Geschwister für Sie ein, so mögen sie e« ver antworten. Auf solche Verantwortung hin war ich bereit, mit meinem Bruder, nicht mit Ihnen, einen Eompromiß zu überlegen. Es ist völlig werthloS, waS Sie mir bieten, da Sie nicht« zu vergeben haben! Sie sind — ich wiederhole —" „Noch einmal, zum letzten Mal, und bevor Sie weitere Beleidigungen gegen mich schleudern, bitte ich in voller Ehr erbietung" — siel JameS, seine ganze Ruhe zusammenraffend, rm — „daß Sie mir, gleichviel für wen Sie mich halten, eine Unterredung hier oder im Hotel Eutin gewähren. Ver gessen Sie meine Person, lassen Sie diese vorläufig ganz außer Acht. Ick, bitte in Vertretung, im Namen Ihrer Ge schwister, Ihnen Vorschläge unterbreiten, ja, wenn Sie wollen, solche von Ihnen entgegennebmrn zu dürfen. Der Wunsch nach Frieden und Ausgleich beseelt mich nicht nur für meine Person, sondern für alle Theile. So betrachten Sie gütigst —" „Nein, auch daS muß ich ablehnen. Immer wird r« sich um Erbbenach,Heiligung. um Brosamen handeln, di« mir meine Geschwister Hinwersen wollen — und ich danke dafür", schloß Rudolf mit stark erhobener, laut verächtlicher Stimme. „Man hört uns, Herr Graf! DaS Obr der Dienerschaft sängt aus, waS doch zwischen den Familien-Mitgliedern bleiben soll. Ich bitte inständiast zum letzten Mal — treten Sie wenigstens mit mir in« Freie und sagen Sie mir dort, WaS ich Ihren Geschwistern melden darf." Aber auch diesmal überhörte Rudolf von Rixdorf gerade diese« Ersuchen. ..l N..2"-'" Augen so nebensächlicher Natur, so überflüssig, so völlig entsprechend der schleichenden Art diese« ilbenteurerS, daß ihn die wiederholte Erneuerung und Mahnung erst recht reizte. Und in dieser Reizbarkeit erhöhten sich auch, auS Trotz und dem Verlangen, den Gegner möglichst tief herabzudrücken, ju verletzen und zu enttäuschen, seine Forderungen. „Ich bin bereit — merken Sie wohl — ich bin als alleiniger und berechtigter Inhaber der Rixdorflchen Be itzungen bereit", warf er mit nachlässiger Ueberbebung hin, „meinem Bruder für Sie eine einmalige, völligen Verzickt in volvirenbe Abfindungssumme auSzuzaklen, über deren Höhe ich mit ibni, nicht mit Ihnen, der für mich ein Eindringling und Fremder ist und allezeit ein solcher sein wird, unker- dandeln würde. Im Uebrigen bleibt Alles beim Alten. Hat mir auf dieser Basis mein Bruder etwas mitzu- tbeilen, so soll er eS meiner Braut, Fräulein Witt, melden. So, und nun macken Sie gefälligst Platz! Das ist un abänderlich mein letzte« Wort." Aber nun war's auch mit deS gerechten jungen Mannes Mäßigung vorbei. Cr richtete sich stolz empor, begegnete der herablassenden Haltung seines Gegenübers mit einem Blick würdevoller Überlegenheit und hauchte mit gedämpfter Stimme: „O nein, nein, nein, Herr Graf! So haben wir denn doch nicht gewettet! Und bevor Sie gehen, sollen Sie schon jetzt die Antwort haben und auch einmal hören, wie ich über Sie denke. Sie wollen ein Adeliger, der Repräsentant eines vornehmen Geschlechtes sein und sind nichts Anderes als ein roher Poltron, dem gut wäre, wenn ibm durch Lebensart und Lehensdrang beigebracht würde, Menschentbum zu üben und somit sich zugleich vor dem Höchsten zu beugen! Ich habe, obschon ein Rixdorf, wie Sie, mich demüthig ge beugt, ich habe es auch noch während dieser Minule gethan, trotz der empörenden Art, wie Sie mir als gebildetem Mann und Verwandtem begegneten, weil ich Ihnen nachsüblte, was bei solcher Sachlage Jemand in sich Niederkämpfen muß. Aber ich erkläre Ihnen nunmehr, daß ich den Kampf mit Ihnen aufnehine! Zahn gegen Zahn! Und glauben Sie! Sie werden mich auf dem Platze finden! Und zum Schluß noch eine Ihren Obren angenehm klingende Erklärung: Notarielle Copie deS Testamentes, daS Sie zu zerreißen sich erdreistcten, ist im Bureau deS JustizrathrS. Ich war auf solche Arg listen gefaßt." Die letzten Sätze wurden schon nicht mehr auf dem Flur geredet. Bereit« bei dem ersten hatte Rudolf die Thür auf- aerissen nnd sich mit impertinent aufprotzendrn Gesten von seinem Gegner befreit. Aber JameS schritt furchtlos neben ihm durch den Garten und schleuderte, obschon Rudolf zweimal stille stand und die Fäuste gegen ihn erhob, als ob er ihn zermalmen wolle, au<
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