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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-01-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970129026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897012902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897012902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-01
- Tag1897-01-29
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Reclamen unter dem RedactionSstrich (4gr- spalten) 50-^, vor den Familirnuachrichten (6 gespalten) 40 Erobere Schriften laut unserem Preis- verzeichnih. Tabellarischer und giffernsatz noch höherem Tarif. Vptra-Beilagen (gesalzt), nur mit de^ Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuna 60.—, mit Postbesörderung 70.—. —»o—o-— Ännalsmeschlub für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. ?7orge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreigen sind stets an die Expeditisn zu richten. Druck und Berlag von E. Polz in Leipzig. Freitag den 29. Januar 1897. Politische Lagesschau. * Leipzig. 29. Januar. Die Presse des „Schutzverbandes gegen agrarische Uebergriffe" macht gegen den Grafen Posadowskh mobil. Die „Nationalzeituna" klagt ihn an, durch seine Bemerkungen über künftige Handelsverträge „Waffen für die Agitation" geliefert zu haben, „welche gegen die Grundlagen der Politik der Reichsregierung gerichtet ist, für eine Agitation, deren Führer, Gras Limburg, zugleich den persön lichen Gegensatz gegen die am meisten angegriffenen Träger jener Politik reprä,entirt". Das ist deutlich — denuncirt, aber auch fälschlich. Die Äußerungen des Grafen Posadowsky bedeuten nicht „eine Unterstützung der Wahlparole veS Grasen Limbnrg-Stirum", sondern das gerade Gegentheil, und sie haben auch die einer Unterstützung gegentheillge Wirkung bereits geäußert. Graf Limburg hat bekanntlich zwei „Parolen" ausgegeben, zuerst in Breslau gegen die Bindung von Zöllen überhaupt, dann im preußischen Abgeordnetenhause gegen die Bindung von Zöllen auf landwirthschaftliche Erzeugnisse. Die „SchlesischeZtg", welche, wie die „Nationalztg." bemerkt, die Wege des Grafen Limburg wandelt, interprelirt nun die PosadowSky'schen Erklärungen über die Aufstellung eines neuen specialisirten autonomen Tarifs folgendermaßen: „Es ist ganz natürlich, daß bei einer anderweitigen Gruppirung der Waaren für die werlhvolleren auch höhere Zölle als für die minder werthvoUen eingeführk werden. Für einzelne Waaren, nament lich für die ^lanvwirlhschaftlichen Provucte, wird der neue autonome Tarif unzweifelhaft starke Erhöhungen der Zollsätze bringen. Ob ein schärferes Anspannen des gesammken Schutzzollsystems nothwendig sein wird, kann bis auf Weiteres nicht mit Bestimmtheit vorausgesehen werden." Man sieht, gegen die Bindung erhöhter landwirth- schaftlicher Zölle wird nichts mehr eingewenvet, geschweige denn gegen die Bindung von Zöllen überhaupt. Wie weil die Erhöhung gehen soll und kann, das ist eine Frage ferner Zukunst, heule handelt es sich nur darum, sestzustelten, daß man den Erklärungen des Grafen Posadowsky nicht mehr ent nehmen kann und ans agrarischer Seite nicht mehr entnimmt, als die Ankündigung, daß die bestehenden Zollverträge nicht ungeändert verlängert werden sollen und daß für die deut schen Unterhändler bei künftigen Verhandlungen eine gün stigere Position vorbereitet wird, als sie sie 1891 namentlich Oesterreich gegenüber eingenommen haben. Das ist auch absolut nölhig, und daß Graf Posadowsky über die Absicht, künftighin rationeller zu verfahren, als es unter dem Grafen Caprivi geschehen, sich ausgesprochen hat, ist für Deutschland eine Beruhigung und schädigt seine Stellung gegenüber Len künftigen Eontrahenten nicht im Mindesten. Es ist einfach lächerlich, wenn gesagt wird, die „öffentliche Ankündigung des Grasen Posadowsky, baß bas deutsche Reich im Hinblick auf künftige zoll- politische Perhandlungen seinen Tarif umardeite sei ungefähr ebenso weise, als wenn der Kriegsminister' öffentlich ankündigen würde, Deutschland bereite für das Jahr 1904 die Neubeschaffung seiner Artillerie mit den vielgenannten Schnellfeuergeschützen vor. Niemand bezweifele, daß dies die alsbaldige Anschaffung derartiger Geschütze seitens aller Militairstaaten zur Folge haben würde. Die Rüstungen Deutschlands^ auf dem Papier ver autonomen Zolltarife, welche der Schatzsecretair so unbefangen in alle Welt ver kündige, wett zu machen oder gar zu übertrumpfen, sei für das Ausland um so viel leichter, wie Papier und Tinte woblfeiler als Schnellfeuergeschütze seien." Das negative I Unterscheidungsvermögen, dem dieser Vergleich sein Dasein ver-1 dankt, kennzeichnet sich schon durch den Umstand, daß Gras I Posadowsky gar kein Hehl daraus gemacht bat, daß die Auf stellung des Tarifs sich in einer gewissen Oeffentlichkeit, und zwar fchon in den ersten Stadien der Arbeit, zu vollziehen habe. Diese Arbeit kann unter keinen Umständen verborgen bleiben, und es schadet auch gar nichts, wenn zu Beginn des nächsten Jahrhunderts die Unterhändler fremder Staaten von vornherein wissen, daß sie nicht mehr mangelhaft unterrichteten und — was die Hauptsache ist — mit dem Aufträge, um jeden Preis einen Handelsvertrag abzuschließen, abgeordneten Deutschen gezenüberzutreten baben werden. Man mag leugnen, so viel man will: der Feldzug gegen Posa- towsky und die unberichligt gebliebene Verkehrung der Erklärung des Herrn v. Stumm in ihr Gegentheil haben keinen andern Zweck als den, „Handel und Industrie" durch das Phantom eines allgemeinen Zollkrieges politisch und handelspolitisch vor den Wagen der Freisinnigen Vereinigung zu spannen. Der Nachricht, daß der Premierlieutenant v. Brüsewitz in Karlsruhe wegen Tödtung des Mechanikers Siepmann zu 3 Jabre» und 20 Tagen Gefängniß, sowie zur Entfernung aus dem Heere verurtheilt und dieses Urtheil vom Kaiser bestätigt worden sei, nachdem er das erste, nicht auf Entfernung aus dem Heere lautende, aufgehoben, ist nicht widersprochen worden; man wird also annehmen können, daß sie den Tbatsachen entspricht. Jedenfalls entspricht auch das zweite Urtheil mehr der allgemeinen Ueberzeugung von der Strafbarkeit der Thal, als bas erste. DaS Gericht hat dem Verurtheilten mildernde Umstände zugebilligt nach folgendem Paragraphen: „War der Todtschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidi gung von dem Öietödteten zum Zorne gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Thal hingerissen worden, oder sind andere mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gesängnißstrase nicht unter sechs Monaten ein." Auch hierin finden wir, daß das Gericht den Thatsachen Rechnung getragen hat; denn dem Totschlag ging unzweifel haft eine schwere Provocalion voraus. Aber trotzdem geht das Urtheij weit über das Minimum des Strafmaßes hinaus und erkennt damit an, daß die Thal eine schwere und nach haltige Sühne erheische. Die schärfste liegt aber in der Ausschließung aus dem Heere. Der Verurtheilte hatte die vielbesprochene und zu einer intensiven Agitation ausgebeulete Thal verübt, weil er fürchtete, ohne sie seine Uniform zu verlieren, und nun hat er die Uniform verloren, weil er die Thal begangen. Darum liegt in der Sühne, die der Fall gesunden hat, eine Mahnung an alle Officiere, den Ehrbegriff nicht in einer für die Allgemeinheit gefährlichen Form zu Über spannen. Auf ver andern Seile entuält der Fall Brüsewitz aber auch eine Mahnung für das Bürgerthum. Der Osficier soll nicht eine ihm angethane Kränkung in der Weise zu sühnen suchen, wie Brüsewitz es gethan hat, aber er kann auch andererseits die Kränkung nicht ungesühnt lassen. Er ist in dieser Hinsicht — wer gerecht denkt, wird daS zugeben müssen — in einer andern Lage, als ein Mann auS jocia! gleichgestellten bürgerlichen Kreisen. Der angesehene Kauf mann, der Amtsrichter, der Arzt, der RegierungSrath kann, wenn er von einem rohen Menschen gekränkt wird, sich ent fernen, um der Sache keine weiteren Folgen zu geben. Seine Ehre ist durch den rüpelhaften Menschen nicht verletzt worden, und auch die Ehre seines Standes ist es nicht, schon darum, weil aus seinem bürgerlichen Gewände sein Stand nicht bervorgeht. Tbalsächlich wird auch ein scandalsuchender Mensch in solchem Falle nicht den Stand des Verletzten, den er meistens gar nicht kennt, treffen, ondern an einer ihm aus irgend welchen! Grunde un bequemen Persönlichkeit sein Mülhcken küblen wollen. Bei dem Osficier verhält eS sich, vorausgesetzt» daß er die Uniform trägt, anders. Hier soll in ver Regel nicht die Person, sonrern der Osficier beleidigt werden. Deshalb gilt die Kränkung nicht den. Einzelnen, sondern dem Stande, und deshalb ist auch der Osficier, selbst wenn er sich persönlich über die Kränkung erbaben sübll, doch dem Stande gegen über verpflichtet, eine Sühne berbeizuführen. Deshalb sollte, am in Zukunft Fällen ä In Brüsewitz vorzubeugen, jeder unständig denkende Mensch einem Osficier, der von einem Raufbolde mit Worten oder Tbaten angerempelt wird, be hilflich sein, die Persönlichkeit des Betreffenden festzuitellen, um eine Sühne vor dem bürgerlichen Gerichte zu ermöglichen. Von den bürgerlichen Gerichten aber darf wohl erwartet werden, daß sie in solchen Fällen die Raufbolde in einer Weise bestrafen, die ihnen und ihren Gesinnungsgenossen die Lust an Rempeleien gründlich austreibt. Ein genllgenver Schutz der Ossiciere gegen Robheiten ist das sicherste Mittel, sie vor Excessen der Nothwehr zu bewahren. Wie sicher sich die österreichischen Christlich-Socialen füblen, beweist der Schulantrag, ven sie dieser Tage im niederösterreichischen Landtag stellten. Sie rechnen vamil, daß durch die lebhaften Agitationen wider die liberalen Ideen der BildungStrieb in den Muffen erstickt sei, und fordern die Einschränkung des Lehrstoffs in den Volksschulen, die Ein schränkung im Unterricht in der Geschichte und Naturgeschichte, so daß die Äenntniß des Lesens, Schreibens und Rechnens das ausschließliche Ziel der Volksschulbildung sein solle. Die acht- jäbrige SchulWichl, die durch das Gesetz von 1868 eingefübrt ward, erhielt schon durch die Novelle von 1882 eine Ein schränkung, aber die Cbristlich-Socialen wollen auf dem stacken Sande überhaupt mit dem 12. Lebensjahre so aut wie abschließrn, da im 13. nur die Wintermonate zur Fortbildung zu verwenden sind. DaS Verbot der Prügelstrafe in der Sckule soll aufgehoben unv die Trennung der jüdischen von den christlichen Schülern durchgeführt werden. Tie acht jährige Schulpflicht würbe in Oesterreich nach der Niederlage von 1866 eingefübrt; allgemein herrschte damals die Ueber- zeugnng, daß die 200 Jahre dauernde Ausschaltung Oesterreichs aus der geistigen Entwickelung des deutschen Volkes die letzte Ursache gewesen sei für den Verlust deS Primats in Deutsch land. Die Vorsätze aus jener Zeit sind verraucht und die Geringschätzung der Volksbildung wieder an der Tages ordnung. Die bäuerliche Bevölkerung ist im Allgemeinen mit Einschränkung der Schulpflicht einverstanden; nun ist aber auch die Arbeiterschaft mit dem Wahlrecht ausgestatlet und so werden die Bestrebungen für und gegen die Ein schränkung der Volksbildung ein Kampfgcgenstand der beiden Parteien sein, die in Wien unv Nieberösterreich in der Curie des allgemeinen Wahlrechts um den Sieg ringen. In den Niederlanden finken im nächsten Juni Neu wahlen zur zweiten Kammer der Generalftaaten statt, bei denen zum ersten Male bas erweiterte Stimmrecht Anwendung findet. Das aus jahrelangen Kämpfen hervorgegangene Gesetz erhöht die Zahl der Wähler etwa von 300 000 auf 800 000. 81. Jahrgang. Nack den bislang veröffentlichten Programmen und der Stellungnahme der leitenden Preßorgane siebt eine mannig faltige Gruppenbiloung bevor, und sicher wird in den, Wahl- treit „Freihandel oder Schutzzoll" das Losungswort ein. Hatten seither im Abgeordnetenbause die Vertreter von Handel unv Schifffahrt, überhaupt des mobilen Capitals, den ausschlaggebenden Einfluß, so verlegt sich nunmehr der Schwerpunct in die kleinbürgerlich städtische, sowie in die ländliche Bevölkerung, Kreise, wo eine Aenderung des besrebenden Wirthschaslösystems vielfach schon lange an- gestrebt wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird kenn auch wäbrend der diesjährigen Herbslsitzung an Stelle deS jetzigen freihänblerischen Ministeriums ein Cabiuet treten, dem als Hauptaufgabe die Einführung von Schutzzöllen zusällt. Die alte liberale, auf manckesterlichen Grundsätzen fußende Partei, welche seit Jahrzehnten in der Kammer fast ununterbrochen numerisch die Mehrbeit hatte und nur bei inneren Streitig keiten vorübergehend den verbundenen kirchlichen und wirlh- schafllich farblosen Gruppen die Herrschaft abtrat, drobt. schon in der Wahlrechtssrage bauernd gespalten, gänzlich zu zer fallen; ihren Platz dürften mebr oder weniger proiectionislische Gruppirungen einnebmen. Don den kirchlichen Parteien, die übrigens den meisten Nutzen aus der Stiiumrechtserweilernng ziehen werden, bat der größere demokratische Flügel der Cal- vinislen vor Kurzem, tbeils unter persönlichem Frontwechsel der Abgeordneten, zu Gunsten einer Schutzzollpolitik Stellung genommen, einheitlich haben sich auch die Katholiken in gleichem Sinne erklärt. Was der schutzzöllnerischen Bewegung neuen Nährstoff zuführt, ist die von dem brutschen Reiche seil Jahresfrist streng burchgefübrte noth- wendige Vieh sperre, sowie das Verbot der Einfubr von Milch über die deutsche Grenze, Maßregeln, die man in Hol land durchweg agrarischen Einflüssen zuschreibl. Man kann im Augenblick kein ultramonlaneS Blatt in die Hand nehmen, in dem nicht auf die sofortige Anwendung von Gegenmaßregeln gedrungen wird, und die Spitze dieser Be wegung richtet sich hier in erster Linie gegen die deutsche Industrie, für welche Holland eines der hervorragendsten und lohnendsten Absatzgebiete ist. Dann spricht man von der Wicdereinfübrung der Differenzialzölle in Nieberländisch- Jndien, wonach die nicht-niederländischen ^Produkte, auch wenn sie unter niederländischer Flagge eingefühlt werden, einen Extraeingangszoll von 25 Procent zu entrichten hätten. Kurzum, es herrscht auf wirtbschaftlichem und kommerziellem Gebiete der Niederlande eine Gährung, die sehr leicht einen eigentlich politischen Charakter annehmen kann und bereits zu Ausbrüchen gekommen ist, die befürchten lasten, daß sie sich zum Nationalhaffe steigert. Zum Eintritt in die neu zu bildende Gendarmerie auf Kreta sind mehrere Ossiciere und Unterofficiere und achtzig Mann Montenegriner von Celtinje nach Canea gegangen. Ten Kern der kretrnsischen Gendarmerie werden somit die Montenegriner bilden. Oesterreichische Blätter zeigen sich darüber vernimmt. So schreibt die „N. Fr. Pr.": „Diese Maßregel kann wohl kaum als eine glückliche bezeichnet werden. Tie Montenegriner sinv die vielbunvertjährigen Erbfeinde der Türken unv raber kaum dasjenige Element, welche- bernfen sein könnte» zwischen den sich befehdende» Christen und Musel manen der Insel die Ordnung aufrecktzuerhalten und hierbei mit jener Unparteilichkeit vorzugeben, welche eine unerläßliche Bedingung für die Erbaltung der Ruhe wäre. Die Militair- Attachss der Großmächte in Konstantinopel, denen die Orga» FeiriHatoi«. ^ Die Kirdorfs. Roman von Hermann Helberg. NaLdruck verboten. Und dann trat er unter den Augen der Beiden zurück. Sobald er aber wieder in seinem Zimmer war, schloß er blitzschnell hinter sich ab. Und ebenso schnell öffnete er leine Commode und griff nach einer dort schon seit jenen Tagen für alle Fälle bereitliegenden Pistole, zog den Hahn — Alles geschah secundenrasch —, setzte die Mündung an die Stirn und siel, daS Gehirn durchschossen, mit plump dröhnendem, das HauS durchritterndem Fall auf den Fußboden. Und dann fand man ihn und sah, daß menschliche» Richten zu spät . James aber nahm, tief ergriffen und in seinen Gedanken verloren, eine halbe Stunde später den Weg ins Freie. Um dieselbe Zeit lenkte Jsabella auf einem wenig be suchten Wege die Schritte zum Gehölz. Durch das, was sie während der Vormittagsstunden im Interesse aller Be theiligten zu Stande gebracht, befand sie sich in einer ge hobenen Stimmung. Guten Menschen gewährt die Ausübung eines guten Werkes höchstes Behagen, eS durchströmt sie ein Frobgefühl, das an Wertb kaum einem andern zu vergleichen, und Jsabella stand zudem unter dein Eindruck, daß durch ihre Maßnahmen alle» zum Besten sich wenden könne. Sie hatte zunächst sich auf's Wohnungsuchen für Martha begeben; dann war sie zurückgekebrt und hatte mit Martha eine längere Besprechung gepflogen. Nachdem sie ihr unter deren DankeSworten nntgetheilt, daß sie ihren Vater über ihren Aufenthalt brieflich beruhigt, war sie nochmals auf ihre HeirathSabstchten mit Rudolf gelangt und hatte, da sie ihrem unbeugsamen Entschluß begegnet war, nunmebr daS junge MLvchen über alle Vorgänge aufgeklärt. Sie batte ihr enthüllt, wer Jrlaik war, und batte ihr Uber die Wiederauffindung deS Testamentes Mittheilung gemacht und daran die Bitte geknüpft, Alle» aufzubieten, Rudolf zu einer ruhigen Behandlung der Dinge zu veranlassen. Sie hatte ihr vorgestellt, daß durch einen Vergleich alle Schwierigkeiten bei Seite geräumt werden könnten, daß dies auch der alleinige Weg zu ihrem Glück seiu werde. Endlich hatte sie in Folge nachträglicher Ueberlegung noch Zeit gefunden, einen Boten nach Flugsande zu senden, und in einem Briefe Axel gebeten, nach Eutin zu kommen, sie müsse ibn sprechen. Wäbrend sie dahin wanderte, ließ sie freundliche Bilder der Zukunft vor sich aufsteizeu. Was sie hoffte, erbob sie noch nicht zu Thatsacken, aber sie konnte nickt widerstehen, sich dem Reize der Illusionen hinzugeben. Und dabei ge langte sie auch auf sich selbst, und einmal färbten sich ihre Wangen, und die Büste gerieth in ein ungestümes Wogen. Endlich trat sie in den mit Früblingsschleiern bedeckten und von der Sonne durchfunkelten Wald, und im nächsten Augenblick war Derjenige an ibrer Seite, um den und dessen Angelegenheiten sich nun seit Wochen ihr Thun und Denken bewegte. „Vor Allem tausend, tausend Dank. Was Alle» baben Sie für mich gethan, tbeure Jsabella I" stieß JameS bewegt heraus und faßte zärtlich nach ihrer Rechten. Und nach ihrer Antwort und nach gemeinsamer Durch sicht deS von der eigenen Hand de- verstorbenen Grafen auS- gefeitigten Testamentes, aber auch nach Berichten über das furchtbare Ende deS schurkischen Daniel ein drängendes Fragen von beiden Seiten. Er wünschte über die Vorgänge in Steinhorst Näheres zu wissen, und sie konnte eS nickt er warten, zu hören, wie Jenes geschehen und wie Axel sich bei seinen Eröffnungen verhalten hatte. Nachdem vieS erörtert, sagte Jsabella: „Mir abnte eS, ich nahm deshalb um so mehr Ver anlassung, Axel aufzufordern, noch beute nach Eutin zu kommen. Wir müssen mit Allem jetzt auf einmal gründlich aufräumen. Ich habe auch Rudolf durch Martha ersuchen lassen, zu einer Conferenz bei meiner Mutter um 8 Uhr zu erscheinen, und bitte Sie — überlaffen Sie mir da« Weitere, Vetter — gleichfalls derselben beizuwohnen. WaS noch zu thun, werde ich besorgen. Ich werde bei dem alten Timm mit Witt Rücksprache nehmen und Alles aufbietrn, ihn zu einer versöhnlichen Haltung zu bestimmen. Ich werde ihm sagen, was inzwischen geschehen. Dann muß ich noch mit meiner Mutter reden. Es soll heute bei Tisch geschehen. Ich habe absichtlich sie heute Morgen gemieden. Ick thatS, da ich au- Erfahrung weiß, daß ich, um etwa» durchzusetzen, ihr da- erst» Wort nicht geben darf." Jsabella sprach da-, schalkhaft lächelnd, nun da- Haupt unwillkürlich zu dem neben ihr stumm Einherschreitenden erhebend. Und da begegnete sie einem solchen Blick übersirömenden Dankgefühls, aber auch einem solchen Ausdruck zärtlicher Hingabe, daß sie es unwillkürlich wieder senkte. „Und wenn Sie das Alles mit Ihrem unvergleichlichen Herzen geordnet haben, was dann?" sagte James, die Stimme dämpfend und weich sprechend. Nun eben traten sie aus einer Lichtung in den dichteren Wald und lenkten, deS Weges nicht achtend, die Schritte durch verwildertes Unterbolz. Sie zuckte leise zusammen. Sie nahm der Worte tieferen Jnbalt auf, aber sie gab ihm nicht die Antwort, nach der ihm fiebernd verlangte. „WaS dann, fragen Sie, James? Dann werde ich Alle« tbun, um das, was wir zusammen in Scene gesetzt, auch zu befestigen. Ich werde Martha zu beeinflussen suchen, daß sie Rudolf bestimmt, sich irgendwo ander- anzukausen." „Sie müssen ganz heraus aus diesen Verhältnissen, wenigstens so lange, bis er den Groll abgrstreift." „Meine Mutter will ick überreven, daß wir eine Reise unternehmen. Da dock viel Staub öffentlich aufgemirbelt wird durch die Unordnung der Dinge in unserer Familie, so wird sie es selbst dringend wünschen. Axel hat ohnehin dir Absicht, Flugsande für längere Zeit zu verlassen, und wird jetzt um so mehr Neigung dazu verspüren." „Und ich, was wird aus mir?" stieß James, seine tiefe Enttäuschung nicht verbergend, heraus. „Sie, Vetter? Ich meine. Sie haben reichlich hier zu thun, und Sie baben Gewinn davon, wenn Sie zunächst von allen verwandtschaftlichen Fesseln befreit werben. Sie brauchen eine ungestörte Zeit, um sich in Alle« gehörig rinzuleben, durch Prüfen und Lernen einer Ausgabe gerecht zu werden, vie für Sie so viel Verantwortliche« umfaßt. Es ist auch Vieles gut zu machen. Es bedarf der Annäherung an alle Diejenigen, die an dem gemeinsamen Werke mit arbeiteten und arbeiten sollen. Woblthatrn, von meinem Großvater reichlich ausgestreut, bat Rudolf völlig eingestellt. Er kennt nur da« Wort Nehmen, das Wort Geben ist in den Sckloß- registern auSgelöscht. Glück und Zufriedenheit auf den weit läufigen Gebieten Ihres künftigen, umfangreichen Besitze« fördern zu helfen, werden Die — ich weiß es — selbst ven lebhaften Wunsch baben. Da« Alle« erfordert Concentrirung, Mühe, Aufmerksamkeit und Unvrrdrofsenheit. Wenn Sie nicht nur ein weiser Ver walter Ihres EigentbumeS, sondern auch ein sorgender Vater Denjenigen werden, auf die Sie und die wiederum auf Ihre Person angewiesen sind, werden Sie sich auch die völlige Zuneigung und Liebe Desjenigen erwerben, der, einer der Edelsten unter den Menschen, selbstlos zurücktrat, damit der Wunsch seines Vaters in Erfüllung gehen möge, damit Jedem das werde, waS sein Recht — und sein Begehren! Tenn ich weiß, Axel wird sich fügen, er wird Sie nicht nur anerkennen, sonvern Ihnen mit allen Kräften zu Ihren Rechten ver helfen." Diese Sprache entwaffnete James, er fand keine Worte. Sie wies ibn auf Pflichten hin, statt ihm zum Liebesspiel die Hand zu bieten. Zu ernst war, WaS vorlag, um sich jetzt Tändeleien binzugcben. Sie redete in Worten von Axel, die bewiesen, wie sehr sie ihm zugetban war. Für ibn fühlte sie nicht! Es hatte in seiner Einbildung gelegen, daß sie ihn wieder liebe. So brauste es denn qualvoll durch seine Brust. Was war alles Hab und Gut obne sie? Nichts hatte in diesem Augenblick Werth für idn, wenn Diejenige ibm nicht werden konnte, die nun eben mit so verschlossene» Mienen neben ihm berschritt, die ibm — obschon Feuer i» seinem Innern flammte — nicht mit einem Blick entgegenkai». Aber da er doch etwas sagen mußte, da er sich knaben haft vorkam. so stumm neben ihr zu verharren, da sich durch die grenzenlose Enttäuschung auch etwas Bitteres in seine Empfindung mischte, »ahm er, vorder sich rasch z» einer Crocusblüthe biiiabneigend, die zufällig hier verschlagen, am Rande einer Niederung blühte, gewaltsam da« Wort und sagte, sie ihr reichend, nach schnellem, kühlem Besinnen: „Bitte, nebmen Sie, WaS ich Ihnen zu bieten vermag, Jsabella! Wie arm ich bin, beweist, daß ich die fremde Flur berauben muß, um Sie durch eine Gabe zu erfreuen. Aber was schmerzlicher für mich ist: so arm werde ich auch trotz der Schätze, die Sie mir verbeißen, bleiben — nach Ihren eben gesprochenen Worten. WaS ist Besitz und Geld ohne eines fühlenden Menschen Antbcil? Alle entfernen sich, keiner hat das Grfübl» dem Verlassenen die Entschädi gung zu gewähren, nach der ibm in erster Linie verlangt. Er bekommt ja Geld — was will er dann noch? DaS steht ja über Allem, da braucht er keinen Freund, keine Wärme, keine Liebe. — Und doch ist dem, der das nimmt, das Alles nichts obne Nabrung für sein Herz! Selbst die Freundin geht, obne Bedauern nimmt sie Abschied, kalt verweist sie ihn auf seine Pflichten. Als ob die Pflicht
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