02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970203021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897020302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897020302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-03
- Monat1897-02
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Erobere Schriften laut unserem Preis- verzrichniß. Tabellarischer and Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrsörderunz 80.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschlnk siir Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittag- 10 Uhr. o r g e u - Ausgabe: Nachmittags 1 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Mittwoch den 3. Februar 1897. 91. Jahrgang. ^ 81. Amtlicher Theil. Höhere Schule für Mädchen. — Albertstratze 2S. — Die erste Aufnahmeprüfung für die bis zum 6. Februar an- gemeldeten Schülerinnen findet Montag, 8. Februar, Vorm, 9 Uhr statt. Papier, Feder und letzte Schulceusur sind mitzubringen. Anmeldungen von Schülerinnen werden täglich von 11—ILUHr angenommen. Zur Vorbeugung von Schwierigkeiten bei der Aus. nähme mache ich die Eltern hierdurch darauf aufmerksam, datz für Lie Kinder, die nicht von vornherein die Höhere Schule für Mädchen besucht haben, der geeignetste Zeitpunct zur Ueberführung in diese Schule das vollendete 9. Lebensjahr, d. h. das vollendete dritte Schuljahr oder die erledigte 6. Classe der Bürgerschulen ist. Leipzig, 23. Januar 1897. l)r. Wxelixram. Politische Tagesschau. * Leipzig, 3. Februar. Der Verlauf des ersten Congresses der christlichen Bcrgarbcitcrvereine Deutschlands bat gezeigt, daß die große Mehrzahl der rheinisch-westfälischen Bergarbeiter die bösen Erfahrungen des unseligen Ausstandes des IahreS 1889 nickt vergessen hat und infolge dessen nicht geneigt ist, abermals den Versuch zu machen, Lohnerhöhungen durch das Gewalt mittel eines allgemeinen Ausstandes zu erzwingen. Auch der Verlauf deS Hamburger Ausstandcs wird nicht unwesentlich dazu beizetragen haben, daß die Führer sich vorsichtige Zurück haltung auserlegten. Leider wurde ihnen diese Zurückhaltung wesentlich erschwert durch einen christlich-socialen und einen national-socialen Apostel, die Herren Professor Adolf Wagner und Pfarrer Nau mann, von denen der Letztere den christlichen Bergarbeiter vereinen empfahl, ihre Organisation aufzugeben und sich dem bereits bestehenden Bergarbeiterverbande anzuschließen, obgleich dieser, wie der Herr Pfarrer selbst zugab, social demokratisch ist und von den socialdemokratischen Partei- firhrern als Vorschule für die Partei betrachtet wird. Durch diesen Anschluß, führte Herr Naumann den Versammelten zu Gemüthe, könnten sie mehr erreichen; zur Wahrung ihres christlichen Standpunktes bedürften sie keiner „partei politischen" Organisation. Erfreulicherweise predigte er tauben Ohren; der Hinweis auf die größeren materiellen Vortheile, die sie durch Anschluß an den alten socialdemokratischen Ver band erzielen könnten, verfing nicht bei den Versammelten, die mit lebhaftem Beifall die Abfertigung begrüßten, die ihr Vorsitzender dem national-socialen Apostel zu Theil werden ließ: „Nicht wir, sondern unsere Gegner haben den alten Verband zum parteipolitischen gemacht und jeden Gegner einfach nieder- geschrien. Ich habe lange gewartet, ehe ich den christlichen Gewerk- verein gründete, damit es nicht heißen sollte: wir wollten den alten Verband todt machen. Der alte Verband trägt nun schon seit sehr langer Zeit den Todeskeim in sich. Wir haben daher um so weniger Veranlassung, uns demselben anzuichließen, da seine Kampsesweise roh, ja geradezu lümmelhaft ist. Von den 12—13 Millionen deutscher Arbeiter sind im Ganzen 240 000 organisirt. Diese ge- ringe Betheiligung hat hauptsächlich darin ihren Grund, daß die meisten deutschen Arbeiter an ihrem Vaterland? und ihrer Religion hängen und von einem gewaltsamen Umsturz nichts wissen wollen. Diese Arbeiter wollen wir um unsere Fahne sammeln. Ich hoffe, daß wir in diesem unseren Bestreben Erfolg haben werden." Ebensowenig Erfolg wie Herr Naumann hatte Herr Pro fessor Adolf Wagner, der sich über die Fragen der Verstaat lichung des Bergbaues, der Vertheilung von Unternehmer- gewinn und deS Verhältnisses zwischen diesem und dem Arbeits lohn äußerte und dadurch nach Kräften dazu beitrug, die Begehrlichkeit der Versammelten zu steigern. Die von ibm verfochtenen Theorien fanden keinen Ausdruck in den be schlossenen Resolutionen. Was die Versammlung ibm zu ent gegnen versäumte, holt die „Köln. Ztg." nach, indem sie schreibt: Professor Adolf Wagner wird jedenfalls das Eine zugeben müssen, daß ihm die thatsüchlichen Verhältnisse des rheinisch-west fälischen Bergbaues, die wirklich gezahlten Lötme, die schon allein durch de» Wegfall der Feierschichten sehr gestiegenen Einnahmen, die Lebenshaltung der Arbeiter, ihre Wohn- und Lebensbedürfnisse völlig unbekannt sind und daß ihm alle thatsüchlichen Grundlagen fehlen, die ihn zu einem unbefangenen Uriheile berechtigen. Er müßte sich sagen, wenn er anders sich der Verantwortung für die Tragweite seiner öffentlichen Reden bewußt ist, daß in einem solchen Congreß und in einem solchen Zeitpunkte die öffentliche Erörterung der Frage der Vertheilung vom Unternehmergewinn und Arbeitslohn Le» akademischen Charakter völlig verliert, daß sie vielmehr hier an die Handlungsweise eines Mannes erinnert, der an einem Fasse Pulver mit der brennenden Cigarre arbeitet. Professor Wagner mag in seiner Geledrtenstube keine Ahnung davon gehabt haben, wie gefährlich sein Unterfangen in Bochum war; wir zweiseln auch nicht daran, daß, wenn nach seiner Rede die Elemente, die vom Unfrieden und vom Ausstand Nutzen erhofften, die Oberhand ewonnen hätten, er ehrenhast genug gewesen sein würde, mit einem eigenen Vermögen den hunderttausend Ar beitern helfend beizuspringen, die nach seiner Ein mischung in Hunger und Elend gerathen wären. Darum bleibt aber sein Unterfangen nicht minder gefährlich und dies um so mehr, weil Professor Wagner deutscher Hoch schullehrer und preußischer Staatsbeamter und als solcher verpflichtet ist, die Erhaltung des Friedens zwischen den verschiedenen Volksclassen zu fördern und sie nicht zu stören. Im Vortragssaale mag Herr Wagner lehren, was er an seinem grünen Tische glaubt als Wahr heit erkannt zu haben; er mag auch davon durchdrungen sein, daß seine Theorien, soweit sie richtig sein mögen, von selbst sich von seinem Lehrpult und seinen gelehrten Schriften aus im praktischen Leben Bahn brechen und Geltung verschaffen werden; aber aus Grund solcher Theorien in brennende Tagesfragen, deren Umsang und Bedeutung er von seiner Gelchrtenslube in Berlin aus zu übersehen völlig außer Stande ist, durch einseitige und — gelinde gesagt nicht grade unbefangene und beruhigende Reden einzugreifen, das ist ein Vorgehen, das schon der Staatsbeamte in ihm unmöglich machen sollte. Wir kennen die persönlichen Verhältnisse des Herrn Professors nicht, aber wenn er einen solchen ungezügelten Drang in sich fühlt, seine Theorien in die Praxis zu übertragen, warum läßt er denn nicht seine christlich-socialen Theorien an den jenigen Personen aus, die er als Arbeitnehmer doch zweifellos beschäftigen wird? Wie würden seine Einnahmen aus seinen Vor lesungen, Schriften und Vorträgen zurückgehen, wenn er sich selbst die Stiefel putzen, das Essen kochen, die Pfeifen reinigen, die Zimmer bohnen, die Strümpfe flicken müßte? Warum setzt er denn nicht zunächst seine Dienstboten, die ihm diese Lasten abnehmen und ihn eben dadurch in seiner Erwerbssähigkeit steigern, in ein richtiges Verhältniß der Theilnahme an seinen Einnahmen, statt, wie wir als sicher annehmen, nach dein von ihm so verabscheuten Gesetz von Nachfrage und Angebot die Lohnsrage zu regeln? Oder warum pachtet er nicht mit seinen christlich-jocialen Freunden, denen es ja an Capitalien nicht fehlt, ein Bergwerk und macht nun einmal der erstaunten Welt vor, wie sich seine Theorien bequem und leicht in die Praxis übertragen lassen? Von seinen Worten und seinen Reden kann der Arbeiter nicht satt werden; so lange aber Professor Wagner es nur mit Worten und Reden versucht, seine theoretische Arbeitersreundlichkeit an den Tag zu legen, La mag und muß er sich von den Männern der Praxis, die mindestens dasselbe Verständniß und mindesten? dasselbe Wohlwollen für ihre Arbeiter haben, an den Spruch erinnern lassen: „Schuster, bleib bei deinem Leisten". So Wenig wie dem Freisinn hat dem Eentrum seine Jahrzehnte hindurch gepflegte, vor nichts zurückschreckende Volksaufwiegelung genützt. Beide sind übertrumpft und namentlich das bayerische Centrum siebt sich einer stets wachsenden hyperradicalen Strömung gegenüber, die es zwar in Worten kaum ärger treibt als die „katholische" und „patriotische" Partei in den Tagen ihres Glanzes gethan hat, die sich aber eben gegen das Ccntrum richtet. Die demo- kratisirende Bewegung, die sich im Bauernbunde im Gegensatz zu der klerikalen Partei zur Geltung bringt, ist schon verhältnißmäßig alt, jetzt greift sie mehr und mehr innerhalb der CeutrumSorganisation um sich und dies nament lich auch in den Städten. Die Münchener katholischen Casinos waren sonst Muster parteipolitischer Gesinnungs tüchtigkeit und der Ergebenheit in der Furcht derHerren Daller, Walter rc. Und was hört man jetzt in diesen Vereinen? Ein Münchener Stadtverordneter, der wegen in einer leidigen, stark von„geschäflskalholischen"Rücksickten beeil,flußtenZeitungs- gründungs-Angelegenheit mit Centrumsgrößen zu verhandeln hatte, bemerkte in einer Casiiioversanimlung: „In der Sitzung des Preßcomitös wurden wir (die Gegner einer neuen ZeitungS- gründung) wie Schulbuben behandelt. Diese Herren waren es eben bis jetzt nickt anders gewohnt und können es nicht verstehen, daß auch ein Bürgerlicher eine eigene Meinung haben kann; cs kann aber nicht Jeder OberlandesgerichtSrath, Professor oder gar ein Graf sein, sondern es muß auch Bürgerliche geben. Man hat uns lange am Gängelbande geführt." Dieser Klage gab ein Herr Anzengruber noch drastischeren Ausdruck, indem er sagte, er stehe jetzt zwanzig Jahre in der Partei und sei seit zwanzig Jahren belogen und betrogen worden. Die „Kleinen" hätten nunmehr alles Vertrauen zu den Führern verloren, zumal da diese es jederzeit gut verstanden hätten, ihre eigenen Interessen zu wahren — welch letztere Behauptung sich allerdings an einer großen Anzahl von Beispielen aus der Geschichte der Beamtenbeförderung, sowie aus dem Erwerbsleben erweisen ließe. Sehr scharfe Spitzen kehrten, ganz wie es aus dem Lande geschieht, mehrere Redner unter ungetheiltem Beifall gegen den Adel. Gleichfalls aus Centrumskreisen heraus und für die Parteileitung sehr überraschend gekommen ist eine sehr ernsthafte Opposition gegen die Wiederwahl des von der Regierung zum Domherrn ernannten vr.Sckädler imLand- tagswahlkreise Ingolstadt. Zwar ist Herr Schädler einer Mehr heit sicher, noch sicher, aber die Centrumspresse, die anfänglich die Aufstellung deS Führers als einzigen „katholischen" Candidaten als etwas Selbstverständliches bezeichnet?, verräth jetzt wider Willen das Vorhandensein tiefgehender Differenzen. Wie lange noch, und die „Germania" wird den Jubelruf „Es gelingt nichts mehr", auf dessen Erfindung sie sich so viel einbildet, auf das bayerische Centrum anwenden können, freilich hier nicht jubilirend! Sir Edward Malet, der ehemalige Botschafter Groß britanniens in Berlin, hat eine Denkschrift über die dcutsch-ostafrikantschc Verwaltung verfaßt, die soeben dem englischen Parlament zugegangen ist. Wir entnehmen der „Post" darüber Folgendes: Die Denkschrift bringt Alles, was aus amtlichen deutschen Quellen stammend bei uns längst bekannt ist, was indessen die englische Presse, namentlich die ehrliche „Times", bisher geflissentlich verschwiegen hatte. So , B. dürfte den englischen Parlamentariern neu gewesen ein, soweit sie nicht deutsche Zeitungen lesen, was indessen bekanntlich nicht zu den Gepflogenheiten der Söhne Albions gehört, daß die deutsche Negierung gegenüber ver Behauptung der „Times", die Verwaltung des deutsch-ostafrikanischen Schutzgebietes begünstige den Handel mit indischen Kulis, schon längst festgestelll hat, daß eine wirkliche Unterdrückung der Sclaveneinfuhr von den deutschen Colonien nur dann möglich sei, wenn die Schutzmacht in Zanzibar, d. i. England, sich entschließt, auf das Entschiedenste gegen die Ein- subr von Sklaven nach Zanzibar und Pempa einzuschreitrn. Nur dann würde der Sclavenmarkt geschlossen und daS Ver schleppen von Sclaven aus Deutsch-Ostafrika entgegen dem strengsten Verbot der deutschen Regierung von selbst auf hören. Dazu bemerkt Sir Edward Malet aus eigener Kenntnitz: „Von den deutschen Behörden werden ununter- brocken Anstrengungen gemacht, um die letzten Ueberbleibsel des Sklavenhandels zu unterdrücken. In Tanga allein wurden 154 Freilassungsbriefe (für Sklaven) garantirt; in Saadani 132, in Dar-eS-Salaam 24 und in Kilwa 20o. Die Freigelassenen wurden zum größten Theile bei der Bahn und auf den Pflanzungen beschäftigt. Man sieht daraus: es liegt nicht an Deutschland, sondern veiWeitem mehr an England, wenn der Sklavenhandel in Afrika noch immer fortbesteht." Der englisch-amerikanische Schiedsvertrag ist noch immer in Nöthen. Als der Präsident Cleveland den Vertrag als eines der bedeutsamsten Ereignisse unserer Zeit feierte, bedachte er offenbar nicht das berühmte Sprichwort von den Nürn- bergern. Nach dem vom amerikanischen SenatSausschusse vorgenommenen Amendement, nach welchem nicht von vornherein ein bestimmter Schiedsrichter eingesetzt wird, sondern in jedem einzelnen Falle beide Staaten einen solchen wählen, sobald ein solcher für nothwendig erachtet wird (!) und nach welchem weiter eine ganze Reihe von Streit fällen aus dem Bereich des Schiedsgerichts ausscheidet, ist der Schiedsvertrag nicht das Papier wertb, auf dem er stehen soll. DerNewUorkerCorrespondent der „Times" meint wüthend, das Amendement beveute etwa, daß man damit übereinstimme, sich einem Schiedsgericht zu unterwerfen, wenn man nicht gerade verziehe, das Schiedsgericht zu refüsiren. Dabei ist der SchiedSvertrag auch in dieser höchst verwässerten Form noch keineswegs der Annahme sicher. Nach dem officiellen Tele gramm haben sechs Mitglieder des SenalsauSsckuffeS für den amendirten Vertrag, vier überhaupt gegen einen Vertrag ge stimmt; zu diesen vier Gegnern ist aber noch ein fünfter, der Senator Törpie, zu rechnen, der an der Abstimmung nicht theilgcnommen hat. Diese starke Gegnerschaft im Ausschüsse läßt die Annahme im Plenum fragwürdig erscheinen. Der „T>nies"-Correspoudent meldet zudem, daß die Gegner des Vertrages, an ihrer Spitze der einflußreiche Senator Morgan) Alles daran setzen würden, die Abstimmung über den Vertrag möglichst hinauszuschieben. Damit stimmt jedenfalls dii Meldung überein, daß der Senat sich vertagt hat, um dii Drucklegung deS vom Ausschüsse beschlossenen Amendements abzuwarten. Als ob nicht jeder der Senatoren den Wort laut deS Amendements genau kennte. Sollte der Vertrag auch in der abgeschwächten Form wirklich scheitern, so wäre das als ein interessanter Beweis dafür, wie wenig Aussichten die „Friedensfreunde" aus Verwirklichung ihrer Ideen haben; sollte er aber in der abgeschwächten Form zur Annahme ge langen, so würde er, wie schon erwähnt, praktisch absolut be deutungslos sein und der Möglichkeit eines künftigen Conflictes zwischen Großbritannien und seiner ehemaligen Colonie in keiner Weise Vorbeugen. Deutsche- Reich. * Leipzig- 3- Februar. Der „Vorwärts" beeilt sich, die von uns der „Deutschen Wochenschrift in den Nieder landen" entnommene Mittheilung über eine Auslastung Li eb- knecht's in Delft: „Die demsche Armee kann geschlagen werden, denn das Kriegs- alück wechselt; dann ist die Zeit der Socialdemokratie gekommen. Der Kampf um die Macht kann anfänglich möglicherweise unblutig sein; später aber wird er, muß er blutig werden" — als eine Lüge „gegnerischer Blätter" zu bezeichnen. Obne der „Deutschen Wochenschrift in den Niederlanden" vorzu greifen, wollen wir doch darauf Hinweisen, daß die genannte FeniHetoir» In der Irre. 1) Novelle von M. v. Oertzen. 1. Nachdruck vrrdoten. Die Thür siel zu. Die staubige Droschke setzte sich in Bewegung und der feine, trockene Sand, von einem eigen sinnigen Luftzuge aufgewirbelt, legte sich wie eine gelbe, körnige Decke über das schwarze Leder deS Handkoffers und der Reisetasche, die man auf dem Bock neben dem Kutscher untergebracht. „Wenn sie nur nicht fallen", dachte die junge Dame im Wagen und schickte sich an, ihren Sonnenschirm gegen die gefährdeten Sacken zu stemmen. Dabei betrachtete sie den Rücken deS Kutschers mit dem verwaschenen graugrünen Rock, den tief in den Nacken geschobenen Lackhut und den abgegriffenen Peitschenstiel. Auch den verschossenen Sammet der Polster und den in einer Ecke baumelnden Tarif. DaS machte ihr Vergnügen; sie freute sich an dem Knirschen der Räder und saß aufrecht und gerade wie Eine, die des Fah rens im Wagen ungewohnt, in der Mitte de« Rücksitzes. Die Rechte im leinenen Handschuh umspannte den Knopf des SchirmeS; der Strobbut, die weiße Älous« und der schwarze Rock trugen das Gepräge einer gewollten Einfachheit, wie man sie in Klöstern und Pensionaten heut zu Tage wohl noch findet. Am Ende der Landstraße wurde ein langgezogenes, rothes Gebäude sichtbar. Zugleich erfüllte daS hastige Klingeln der Bahnglocke die heiße Sommerlust. Die Schienenstränge blitzten; ein feiner Dampf zitterte darüber hin und verlor sich in den melancholischen Flieder und Rotbdorndüschen am Damm. Der schwarze Staub lag auf den reglosen Blütheu, den erschlafften Blättern. Der Wagen hielt. DaS einsame Mädchen ging zum Fahrkartenschalter und von da in den Wartesaal, in dem es nach Bier und Käsebrot roch, und setzte sich in eine Ecke. Fast krampfhaft hielt eS den Brief fest, der sein einziger Be gleiter auf dieser Reise und dessen Inhalt es auswendig wußte. „Unvorhergesehener Zwischenfälle halber", hieß eS darin, „ist es uns leider nicht möglich, Dich in der Pension abzu holen, liebeS Kind. Wir geben unserer erwachsenen Tochter einen Beweis von Vertrauen, indem wir sie allein reisen lassen. An der Station findest Du Sillmann mit den PonieS. Vetter Julian ist auf Urlaub hier und läßt Dich herzlich grüßen. Papa küßt seine kleine Resa, ebenso Deine Mutter." Resa schüttelte den Kopf. Die unvorhergesehenen Zwischen fälle gaben ihr zu denken; denn was konnte ihren Eltern wichtiger sein als die Heimkehr der einzigen Tochter an« der Pension? Man ließ sie allein in die weite Welt! So poetisch sie sich auch eine derartige Selbstständigkeit in ihren wachen Träumen auSgemalt, so gern sie sich auf wüste Inseln und in tiefe Wälder versetzte, oder gar in eine große Stadt, wo sie „machen durfte, was sie wollte", so beängstigend und nüchtern zugleich dünkte sie dieser öde Wartesaal, dies laute Getriebe, dies ewige Hin und Her. So bald sie konnte, kletterte sie in einen Abtheil ihre- ZugeS und wünschte nichts sehn licher, als daß e- „endlich loSginge". DaS NäSchen an eine Scheibe gedrückt, dachte sie dann an Vetter Julian. Früher hatte sie mit ihm Soldaten gespielt, ihn an dem kecken, dunklen Schnurrbärtchen gezupft und ihn — überhaupt bewundert. Der junge Dragoner- officier — der einzige Sohn eine» verstorbenen Bruder« von Herrn v. Willow — war wie zu Hause bei Resas Eltern und begabt mit der Willow'schrn Vorliebe für Häuslichkeit und Familie. Seine Garnison war kaum vier Stunden von Burg Horst entfernt, und an schönen Sonntagen konnte man ihn am Waldbange reiten sehen, dem beiniatblichen Gute zu. Burg Horst war nichts mehr und nichts weniger al- eine alte Ruine. Aber diese Ueberbleibsel von Ringmauer, Tburm und Schloß waren dauerhafter und stärker als manch «in neue« Prachtgebäude, und da der Vater de« jetzigen Besitzer-, „der alte Willow", daS Gut übernahm, ließ er das einstöckige, feuchte Herrenhaus niederreißen und lachte sich ins Fäustchen. Dies Herrenhaus hatte im Thalgrunde gestanden, von Mooren umgeben, während die Burg hoch droben auf dem Berge einsam inö weite Land schaute — das sollte nun anders werden. „Neu bauen soll ich?" sagte „der alte Willow". „Marmortreppen und falsche Porpbyrsaulen unv Granit- quadrrn auS Gips? Fünf Stockwerke mit Veranden und BalconS? Wartet'S ab, Kinder, wartet's ab!" Man wartete — und anstatt der erhofften Billa sah die erstaunte Welt neues Leben auS den Ruinen erblühen. In den Fenstern deS sckön auszebauten Tburmes webten weiße Gardinen, die Kemenaten und Säle, die Säulengäoge und Gewölbe glänzten in stolzer Frische, erstanden auS der Ver gänglichkeit, und nur die Wunderwerke kunstvoller Stück arbeiten und zierlichster Wandmalerei erzählten das Märchen verronnener Jahrhunderte . . . In den Schießscharten fanden sich trauliche Bänke, zwischen Ringmauer und Thurm wucherte tausendjähriges Gestrüpp, und auf dem Dache der Ruine, zu dem eine Wendeltreppe führte, blühten nach wie vor der Hollunder, die wilde Kirsche und die wilde Rose unter jungen, aufstrebenden Bäumen. Der Epbeu aber rankte sich zärtlich vom Erd geschoß empor und umschlang diese sonderbare Wobnstatt. DaS war Burg Horst, Resa'S Vaterhaus. Nach dem chönen Ritterfräulein v. Willowen, Marie Tberesa, daS im iebzehnten Jahrhundert auf dieser Burg geboren war, hieß ie Resa. Wie frei ging der Wind hoch droben auf dem Dache! AuS den Tiefen der Ebene schallten fremdartige Laute her auf, und Resa lag auf dem Rücken unter dem Hollunder und zählte die Bienen und die grünen Mücken in der Lust, bis man unten daS „Jammerglockle" läutete. Den Namen „Jammerglöcklr" hatte Vetter Julian der altehrwürdigen Glocke gegeben, da sie jeweils geläutet wurde, um Resa auS ihren Träumen zur Arbeit zu rufen und oft, wenn sie be deckt mit Halmen und welken Blättchen auS den Büschen kroch, dann . .. Resa subr aus. Hatte sie geschlafen? Der Zug stand mit einem Ruck still, und eine Todtenruhe war um sie her. Nein, sie lag nicht unter dem Hollunder und sie war allein. Bor ihr immer dieselben gestutzten BoSquetS und der StationSchef mit der rothen Mütze. Müde in der Mittags Hitze rieselte ein Brunnen, ein blecherner Becher an der eisernen Kette schwamm auf dem dunklen Wasser. Und weiter ging eS. In der Ferne dämmerten die Höben- züge und das flache Land machte einer hügeligen Gegend Platz. Resa's Herz hüpfte in ihrer Brust — der Zug machte einen Bogen, und Resa erkannte daS liebe, häßliche Bahnhofsgebäude des Städtchens Burgtbal, den Röbrbrunnen am Zaun und hinter dem Zaun den alten Wagen mit den gleichfalls alten PonieS Fritz und Liese! Eine Minute Aufenthalt! Die staubigen Reisetaschen in der Hand, stand Resa vor dem greisen Kutscher Sillman» und horte von seiner freudig bewegten Stimme den Bericht über das Wohlergehen von Enten, Hübnern und Schafen, auch über taS traurige Ende deS Katers Murre . . . denn diese Tbiere waren Resa ans Herz gewachsen. „Und die Mama . . .?" „Die gnädige Frau erwarten das gnädige Fräulein zu Hause. Vielleicht legt daS gnädige Fräulein ein gut Wort bei ihr ein wegen des Caro . . ." „Was ist mit dem?" „Er ist seit drei Tagen eingesperrt, weil er daS neue gnädige Fräulein angebellt hat!" „Wen?" „DaS neue gnädige Fräulein! Doch ich sage nicht» weiter. Die gnädige Frau hat mir befohlen, da» M..., den M„nd zu halten." Resa schüttelte den Kopf. Sie nahm Platz im Wagen und sagte rrmuthigend: ,Sort!" Fritz und Liese rührten sich nicht. „Sie müssen entschuldigen, gnädiges Fräulein — sie sind halt schon gar alt — und sie laufen nur noch, wenn man mit den Füßen auf den Boden trampelt!" Sillmann begann, den Holzboden des Wägelchens lebhaft mit den Füßen zu bearbeiten, und die Pferde griffen au-, in gemächlichen Tempo, als ob sie keine Eile hätten. Auf halbem Wege drehte Sillmann sich um. „Gnädiges Fräulein, wenn Sie ein bischen mittramprln wollten, es thut'S nicht mehr allein!" „Warum hat man die Braunen nicht eingespannt?"
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