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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.02.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970206015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897020601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897020601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-06
- Monat1897-02
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Jahrhundert gestiftet wurde, aber erst seit dem letzten Jahrhundert sich zu seiner Be deutung entwickelte und namentlich in den letzten Jahren der Restauration zu Ruhm und Glanz stieg, als hier die ersten Gelehrten Frankreich» zusammenwirklen. Die am OoMge de branee angestellten Professoren, deren Zahl sich allmählich auf dreißig vermehrt hat, halten öffentliche Vorträge über Naturwissenschaften, vergleichende Gesetzgebung, National ökonomie, Geschichte, Allerthumskunde, alte und neuere Sprachen und Literaturen. Die Vorträge beginnen gewöhnlich Anfang December und endigen im Sommer. Sobald das Studienjahr beginnt, werden die Lehrcurse nebst Tag und Stunden durch öffentliche Anschläge in ganz Paris bekannt gemacht, so daß Jedem Gelegenheit geboten ist, davon Kennlniß zu nehmen. Alle Vorlesungen sind vollständig un entgeltlich und öffentlich. Da der Unterricht ursprünglich als „eine freie Prüfung aller großen Fragen" bestimmt wurde, so ist den Professoren vollkommene Lehrfreiheit und Unab hängigkeit gewährleistet. Dennoch ist hiergegen schon gefehlt worden, z. B. nach dem Staatsstreich am 2. December. Am bekanntesten ist die Angelegenheit Renan'S geworden. Der selbe hatte in einem Vortrage die Gottheit Jesu bezweifelt, hierüber führte der französische Episkopat Beschwerde beim Ministerium und Renan wurde seines Amtes entsetzt, obgleich feine Collegen für den Mann der freien Wissenschaft Partei nahmen. Schreiber dieses, welcher damals StudirenS halber sich in Paris aushielt, muß gestehen, daß das Interesse der Pariser und Franzosen für ihr Ooklöge de k'ianeo ein sehr großes war. Wenn man in das ansehnliche Gebäude im Quartier Latin eintrat, sah man immer Zubörer in die Lehrsäle strömen. DaS Auditorium 8, das größte der Anstalt, war oft schon eine Viertelstunde vor der angekündigten Zeit fast überfüllt. Draußen kamen Wagen angefahren, Damen und Herren aller Stände, Studenten und Lehrer, Alt und Jung, auch Arbeiter in der Blouse waren versammelt, um den Worten des Redners zu lauschen, der mit dem Glocken schlage erschien, von einem ungeheuren Beifallsturm empfangen. In den Vortiägen, die manche Professoren in den Abend stunden hielten, war namentlich der Arbeiterstand immer zahlreich vertreten. Findet sich doch gerade in der ärmeren Elaste oft ein lebhafter wissenschaftlicher Sinn und Lerneifer. Das Ooklego de Trance ist ein ganz eizenthümticheS Institut, das wir in keinem Lande wiederfinden. Zwar fehlt eS in Deutschland keineswegs an Vorträgen aller Art, aber eine Universität nicht blos für Studenten, sondern für das große Publicum, eine populäre Akademie für alle Stände, wo ledcr Mann aus dem Volke die ersten Gelehrten der Nation unentgeltlich hören kann, eine solche Volks-Akademie existirt sonst nirgends. Freilich finden wir auch in der „Sorbonne" — dies ist der herkömmliche Name für die Universität — in allen Facultäten nicht blos Studenten, sondern Männer aus allen Berufsarten; jeder hat daS Reckt, den Vorlesungen bei zuwohnen. Der französische Universitätsunterricht ist voll ständig öffentlich und unentgeltlich, Collegiengetder werden nicht gezahlt. Die Professoren sind vom Staate besoldet und haben die Pflicht, ihre Curse zu halten, unbekümmert, wer denselben beiwobnt oder nicht. Der Name „Sorbonne'' stammt von dem Gründer dieser altehrwürdigen nlmn inater Robert von Sorbon, Kanonikus von Paris und Caplan Ludwigs des Heiligen. Die Sorbonne war lange Zeit blos eine theologische Hochschule; als aber in die alten Mauern teS stattlichen, vom Cardinal Richelieu, dem großen Schüler der Sorbonne, errichteten Gebäudes die ..b'aeults dos Sciences" und „?aeultv des lettre?" einzogen, da entstand eine neue Sorbonne, wo Guizvt die Philosophie der Geschichte und Cousin die Geschichte der Philosophie mit begeisterter Sprache lehrten. Die Lecde de dwit (Rechtsfacultät) und Lcole de mödecine haben jede ihr besonderes Gebäude. Ueberbaupt herrscht in der Organisation des Universitäts- Unterrichts das Facultäts-Schulwesen vor. Die juristische und die medicinische Facultät sind eben nur Fachschulen. Als der Soldat des 18. Brumaire sich an die Spitze der Re publik stellte, schien ihm der freie Gedanke und die freie b niversitas verdächtig. Der alte Name der Universität wurde beibehallen, aber es sollte daraus ganz etwas Anderes gemacht werden. Und auch daS zweite Kaiserreich war wieder eine Periode des Rückschritts für die Universität. Als die Willkürlich- keilen sogar soweit gingen, daß im Jahre 1852 dieProfessoren der Lehrfreiheit und Unabhängigkeit beraubt wurden, da legten die berühmtesten Mitglieder der Universität, wie Cousin, Guizvt, Barthvlemy St. Hilaire, Jules Simon, Billemain u. A, ihr Amt nieder. Der Lehrkörper hatte den besten Theil seiner Professoren verloren. Heule ist, allerdings erst seit Kurzem, ein wichtiger Schritt der Reorganisation der Pariser Universität geschehen, wobei wohl auch der Gedanke obgewaltet haben mag, das französische Universitätswesen dem deutschen ähnlich zu gestalten. Es giebt außerdem noch viele höhere Specialschulen für einzelne Wissenschaften unv Wissenschaftszweige, die alle dem großen Publicum offen stehen. Jever Deutsche, der in Paris war, kennt Wohl den ckardin des pliwtes, wo sich das natur wissenschaftliche Museum befindet. Die erste Idee zur Grün dung desselben hatten zwei Aerzte des Königs Ludwig XHI. Ursprünglich ein ,.iLrdin rozsk des Herdes mSdieinales", der gewissermaßen nur eine Schule für Apotheker war, wurde er «->« B-m-n- v-i.un; L" Mi. 7.7'L>»Ü°» ,-m .in Das große Amphitheater faßte oft ,adlreiche ..ca, in t.r Borlksungrn über Astronomie gelmllen werde» solle», die oon ^,7 »7», , ,„„1.1-1,1,» best,«, werde» >-»»-». An, in Araae Auch ein deutscher Landsmann wirkte b>er, ^vm deckte »nd den Gebrauch der Meridian-.'lugeiiglaser in die praktische Astronomie einsührte. ^ Neck andere Special-Institute waren zu erwähn ,, vo denen an, wichtigsten die höhere Gewerbeschule ist. U> 1«. Vendömiai'-o III verfügte der Convent, daß Paris unter dem 'Namen „Oouse, vntoue des .uts et möners- Maschinen, Modelle, H^idwerlöze.ig, ^ Bücher und Beschreibungen von Künsten und Gewerben ge sammelt werden sollten, wobei gleichzeitig explicirender Unterricht einznrichten sei. Für diesen Unterricht wurde als Princip aufgestellt: „Man muß sie (die Handwerker und Arbeiter) mehr sehen lafsen, als zu cknen sprechen D Lehrstühle wurden durch die ersten Fachmänner besetzt, die stahl der Professoren hat sich allmählich auf vierzehn erhobt. Tie Anstalt verdient gewissermaßen eine Industrie-Sorbonne genannt zu werden. Die Vorträge fanden ,n den sechziger Jahren jeden Abend von 9-l0 Uhr statt und waren immer außerordentlich stark von Arbeitern und Arbeiterinnen besucht. Schließlich sei noch erwähnt, daß auch das „Institut mit seinen fünf Akademien, »Vc-Mmie k.an^ise, ^cadenne des Sciences w.» öffentliche Sitzungen hält, so daß Jeder ,u- kören kann, wenn die Mitglieder ihre Arbeiten vorlesen. Gegen diese Oeffentlichkeil sind allerdings schon Bedenken erhoben worden, man machte geltend, vaß die Sitzungs berichte der Akademie weniger gekauft werden, weil Die jenigen, welche sich dafür interessiren, es vorz-ehen. ven mündlichen Bortrag zu hören. Aber ein Arazo war es der die Oeffentlichkeil der Sitzungen einführte, und eine solche Autorität wird noch immer Hochgebalten. Daß die jetzige Bewegung zu Gunsten der VoltSbochschul- bildung von großer Wichtigkeit ist, kann nicht geleugnet werden, namentlich wenn man dabei den ethischen Gesichts punkt nicht unberücksichtigt läßt. Die Zeit hat gelehrt, daß, wenn ein Volk den Sinn für Wahrheit, Licht, Einfachheit verliert, es in Gefahr ist, bald nichts mehr von Recht und Gerechtigkeit zu verstehen. Die Begriffe werden verwirrt, an die Stelle der Liebe zur Weisheit tritt die Sophistik der »nk 91i>skreb,-ns cs sich hier in gewissem Sinne um eine Lebensfrage für das Nativnalwohl. Ob es nun aber gerathen wäre, jene fraiizösischc» Einrichtungen bei uns einzuführen, darüber ließe sich Manches sagen. Soll der Unterricht ein nützlicher sei», so kommt Alles auf die Methode an, die aber leine gründliche Bildung vermitteln kann, wenn das Publicum ein '»fälliges und kein beständiges Nt. Dann sind Einzel-Vor träge mehr zu empfehlen, und hieran ist ja in Deutschland wahrlick kein Mangel. Man denke nur an die vielen Vereine, die aller Orten bestehen, Kaufmännische Vereine, Gewerbe- und andere Vereine aller Art und Gesellschaften für die verschiedensten Zwecke, wo überall wissenschaftliche und gemeinnützige Vorträge gehalten werden, sowohl von Universitätslehrern, als auch von sonstigen Fachmännern aus allen Wissensgebieten. In dieser Beziehung wird inDeutschlano mehr geleistet als in jedem anderen Lande, namenlick in England kannte man die öffentlichen wissenschaftlichen Vortrage in solcher Ausdehnung wie bei uns noch nicht. Und wie man jenseits des deutschen Meeres seit 1870 schon so viel vom deutschen Schulwesen nackgeahmt bat, kürzlich sogar auch den Schulzwang einführte, so wollte man auch in der Bildung der Erwachsene» durch öffentliche Vorträge nickt zurückblcibcn. Und dies führte zu dem Gedanken der so genannten blnivcrsitv kxtensiou. Man wird dabei an die englischen Nähnadeln erinnert, die in Aachen sabricirt werden, dann nach England gehen und darauf mit dem englischen Stempel versehen wieder in das Land ihres Ursprunges zurückkoinmen, wo sie nun mit ganz anderen Augen an gesehen werden. Deutsches Reich. -2- Leipzig, l. Februar. Nicht uninteressant ist es, die Wellenkreise zu beobachten, die die Auseinandersetzungen zwischen der „freisinnigen Bereinigung" und der „freisinnigen Volkspartei" über ein Wahlcartell im Reiche ziehen, und den Acußerungen nachzugcben, die in der freisinnigen Provinzpresse in mehr offenherziger denn kluger Weise zu Tage treten. So schreibt das „Gcrhaiscke Tageblatt", das Herr Engen Richter in Nr. 29 der „Frei sinnige» Zeitung" wohlgefällig als seiner Auffassung hutdigrnr- citirt, in einem „DaS liberal-demokratische Wahlcartell" über- schriebenen Leitartikel u. A. Folgendes: „Zweitens aber müßte man sick bewußt jeiu, daß ein mit diesem Feldgcjchrei (für das bestellende Reichstags-Wahlrecht, gegen Aus nahmegesetze, Umsturzvorlagen und gegen reaclionaire junkerlich agrarilche und ziinstlerische WirlhschastSpolitik) geführter Wahlkampi für alle Stichwahlen, in denen ein Sociatdemokrat gegen einen Reactionair steht, die unbedingte und ener gische Unterstützung des socialdemokrätischrn Candi- baten bedeutet: denn in den Fragen, die Len Liberalismus gegen die Reaction einigen sollen, kann auch der beste großliberale Vertreter nicht zuverlässiger sein, als jeder Socialdemokrat es FauiUetsir. Berliner Kunstschau. Tie tanzen-e MSnade. Werefchtfchagin s Napolconbilver. Nachdruck vrrooren. Stix. Berlin, 4. Februar. Bezüglich der Ergänzungs entwürfe zu der tanzenden Mänade batten wir bereit» vor acht Tagen kurz berichtet, daß der vom Kaiser auSgesetzte Preis von 3000 ^ keinem der Concurrenten zu Tbeil geworden ist, da „die von 29 Künstlern und 3 Künstlerinnen ein- gelieferten Concurrenzarbeiten zur Ergänzung de» besagten Torsos die gestellte Aufgabe in vollem Umfange nickt gelöst haben". Inzwischen bat der „Reichs-Anzeiger" am Geburts tage de» Kaiser« die Allerhöchste Willensmeinung veröffentlicht, dakin lautend, daß den Schöpfern der drei besten Arbeiten je Eintausend Mark aus der kaiserlichen Schatulle zu zahlen ist und die drei Künstler zu einer engeren Concurrenz für dieselbe Aufgabe veranlaßt werden sollen. Mehr als doppelt so viel Bildner wie im vorigen Jahre haben sich diesmal an die gestellte Preisaufgabe gewagt, die, wenn sie auch nur die Ergänzung von Kops und Armen am vorhandenen Leibe der Tänzerin forderte, doch ihre Schwierigkeit hatte. Das sieht man so recht an den vorgrnommenen Ergänzungsversuchen, von denen auch un« nur wenige befriedigen. Zweiunddreißig MädchenstatuenI Ein Glück, daß die große Schaar der in bacchantischer Lust sich wiegenden Gestalten mehrfach durch Zwischenwände in Gruvpen getheilt ist; man würde sich sonst trotz drS gipsernen Aussehen- in einen Balletsaal versetzt glauben. Die geringere Anzahl der im Jahre 1896 eingelieferten Entwürfe auf sich «inwirken zu lassen und sich an den künstlerischen Problemen zu freuen, war ein weit böberer Genuß, als diese Unmassen von Kopf- und Armmotiven zu prüfen, dir im Grunde dock alle aus zwei Sonderheiten hinauskommen. Am Busen deS Marmor-Torsos befindet sich nämlich eine Stütze, und mit Beachtung derselben haben die Concurrenten entweder den rechten oder den linken Arm der Bruchstelle ge nähert. Darau» ergeben sich zwei Motive, die bei den ausgestellten Entwürfen sich der Zahl nach fast ein Paroli bieten. Die erster« Grupp» zeigt eine Mänade, die die rechte der mit Caftagnetten oder dergleichen bewehrten Hänve sanft an die Busenstelle legt, während sie in der Hand deS erhobenen linken Armes lustig die Klapper ertönen läßt; die andere Gruppe schuf ein« solche, die den rechten Arm ganz erhoben oder gekrümmt hält, um im nächsten Augenblick mit der rechten Hand daS an dir linke Brust gestützte Tambourin zu rühren. Die Kopfhaltung ist bald rechts-, bald linksseitig; hier ist da» schöne gelockte Mädchrnhaupt im Sinnentaumek rückwärts geworfen, dort in ernster G'berde mehr gerade gerichtet. Zur zweiten Gruvpe (mit dem erhobenen rechten Arm) gehirm zwei der drr, belohnten Mänadrn, di» von August Kraus, der der Tänzerin Castaanettrn beigegeben, und die von Hanö von Glümer, dessen Mänade eine Rose mit der linken Hand an den Busen drückt. Letztere Higur athmet bacchantisch zum Ausdruck gelangende Sinnlichkeit, doch niiithet unS der Entwurf zu modern an, ebenso wie auch der zweite zur Ausstellung gebrachte Entwurf, eine Tbyrsus- schwingerin, mit ihrem naiv-mädchenhaften Antlitz dem antiken Vorbild nickt sehr geähnell haben dürste. Gerade ob des modernen Gepräges dieser beiden Gestalten scheint indessen das kritisirende Publicum sich für Glümer's Arbeiten sehr zu begeistern. Dir Arbeit des dritten Hauptcvncurrenlen, Herter'S, die mit Janorirung der Brustbruckstelle zu Stande gekommen ist, kann schon infolge der Beigabe einer langen, mit den Daumen lose gehaltenen Doppelflöte nicht auf genügendes Verständniß seitens der kunstfreundkichen Besichtigen rechnen. Von den beiden außer Wettbewerbung eingelieferten Ent würfen von BegaS und Sch aper will uns der deS Letzteren weit mehr gefallen, als der von BegaS, welcher dem Kraus'schen abnelt. Sckaper'S Mänade hat heitere Züge, den Kopf lebhaft nach rechts gewandt, in den Händen trägt sie schmale Glocken; die von der rechten Hand gefaßte berührt die Brust. Von den übrigen Entwürfen halten wir noch den von Ludwig Cauer der Erwähnung wcrth, dessen Tänzerin sich selbst auf einer kleinen Doppelflöte aufspielt, ferner die Castagnettenscklägerin von Pfuhl. Endlich ist zu nennen die als echte Genossin bacckischen Uebermuthes zur Darstellung gebrachte Mänade deS Frl. Finzel berg, die, den Kops mit Weinlaub umkränzt, in der Hand deS ausgestreckten rechten Armes eine kleine Trinkschale hält und mit der linken Hand den üppigen Busen berührt: eine Bacchantin nach Michel- angelo'S Vorbild. Merkwürdiger Weise haben zwei Bildhauer die erwäbnte Stütze zu einem langen Tbyrsusstabe nach oben verlängert, der demnach auf der Brust der Tänzerin balancirt. Die Ausgabe, die der Kaiser den Künstlern für daS nächste Jahr zur Ausführung im Wettbewerbe überlckffen bat, ist die Ergänzung einer ebenfalls im Berliner Museum befindlichen schönen Bronzrstatue eine» nackten griechischen Jünglings von annähernd fünfzehn Jahren, die im Meere bei Eleusis ge funden wurde und von den Archäologen als eine dem L. Jahr hundert v. Cbr. entstammende Figur eines jugendlichen Apollo mit langaelocktem Haar auSgegeben wird. Die Großstadtbewohner in ihrem Verlangen nach Genüssen auf dem Gebiete drr bildenden Kunst auch in der aus- stellungslosen Zeit nach einer anderen Richtung bin zufrirden- zustellen, unternimnit zur Zeit der russische Maler W «reschtscha a in, der soeben mit seinem „Transport" einer Serie von Napoleonbildern in der ReickSdauplstadt einaetroffen ist. Die „tanzende Mänade" unv „Napoleon in Rußland 1812", daS sind die beiden Signale, die jetzt in Berlin alle Kunstverständigen — Wriblrin noch mehr als Männlein — dazu aufrusen, sich trotz der winterlichen Temperatur und der zum schmunigen Brei verwandelten Gchneemaffen muthig den Weg einen«,tS zum Neuen Museum, andererseits zum alten ReichStagsgebäude zu erkämpfen. DaS erste Mal, wo Werescktschagin sich einem größeren Publicum Berlins mit eindrucksvollen Malerwerken präsen- tirte, war im Jahre 1883 im Kroll'schen Etablissement. Die Schilderung der Greuel des Krieges Rußlands gegen die Türkei im Jahre 1877 unv 1878 war das Hauptlbema seiner damals ausgestellten Bilder, und die dreitheilige Sckilte- rnnq des im Schneesturm umkommenden Vorpostens („Alles ruhig auf dem Schipka") wurde ein auch durch Photographie weithin verbreitetes Bild. Es folgten dann äußerst realistisch gegebene Darstellungen auS dem Leben Christi, sowie mehrere in gewaltigem Format gebaltene LandschaftSbilver auS Indien. Die jetzt ausgestellten Bilder, den Feldzug Napoleon'S in Rußland 1812 behandelnd, ragen weder durch die Gräß lichkeit der Darstellung, noch durch große Dimensionen hervor. Die Hauptperson auf fast allen elf Bildern ist der erste Franzosenkaiser, und war eS dem Künstler, wie er in dem Vorwort zum „Führer durch die Ausstellung" sagt, besonders darum zu tlmn, der historischen Wahrheit in der Schilderung der russischen FeldzngSepisoden näher zu kommen, als es andere Maler vor ihm gelhan haben. So will Wereschtschagin beispielsweise bildlich darthun, daß Napoleon auf dem Rückzuge nicht im grauen Mantel, den Zweispitz auf dem Kopse, leichte Reiterstiesel an den Füßen den ihm vom Verhängniß befohlenen Marsch westwärts zu rückgelegt habe, sondern in warmer, mit Ohrenklappen ver sehener Mütze aus Zobelpelz, im Pelzmantel und hohen, mit Pelz gefütterten Stiefeln. DaS sind aber solche künstlerische Emzelfragen. dir den Napoteonforscher und Costümkundigen wohl interessiren können, dem großen Publicum, dem wobl nicht einmal die einzelnen Stadien jener in der Kriegsgeschichte ewig denkwürdigen Expedition bekannt sind, völlig gteichgillig sind. Das Publicum will den vom Schicksal umdräuten Napoleon im Bilde sehen unv bekommt dafür eine dicht in Pelz gehüllte kleine Figur zu schauen. Ueberbaupt hätte der „Führer" ruhig ungedruckt bleiben können; das über die Gründe des Feldzugs kurz Ausschluß gebende Vorwort ist in der historischen Auffassung so veraltet und mit Unrichtigkeiten untermischt, daß e» nur geeignet ist, den gebildeten Laien irre zu fuhren. Der Text zu den Bildern andererseits ist keine in mannig facher Hinsicht ausktärende Beschreibung der Darstellungen, sondern ein Sammelsurium von Geschichtlichem, Anekdoten haftem u. dergl., daS für daS Verständniß der Conipositionc» sehr überflüssig ist. Interessant durch Inhalt und Malweise sind von den Bildern eigentlich nur drei: 1) Napoleon, auf der Höhe vor Moskau angelangt, blickt auf die ihm zu Füßen liegende Hauptstadt herab, sehnsüchtig den russischen Parts- mrnlär mit Friedensbedingungen erwartend; 2) drr den anzutretenben Rückzug behandelnde Kriegsrath in der Bauern- stube zu Gorodn,a (Napoleon am Tisch über die Karte ae. beugt, vor ihm stebend die Marschälle); 3) Napoleon ru ZuL auf ein Dirkenstockchen sich stützend von, HauptauarNe/unv einer Equipage gefolgt, die große «Straße von KraSnoie vabir. «er,» ,2X3 w). ,st meisterhaft von Wereschtsckagin gemalt. Langsam bewegt sich der in goldstrooende Pelzuniformen ge hüllte Zug, mit dem Kaiser an der Spitze, durch die Winter liche Einöde auf den Beschauer zu, von rechts nach links, vorn am Wege starren aus dem fußhoch die Erde be deckenden Schnee die vor Mattigkeit, Hunger und Kälte hingeftinkcnen Leiber von Menschen und Pferden, hier eine Bajonnetspitzc, dort ein Stück eines zertrümmerten Gefährtes empor. ES ist natürlich, daß solche einen weltgeschichtlichen grausigen Hergang behandelnde Bilder auch bei einfachstem Inhalt viel zu erzählen wissen: jedes Bild läßt die Gedanken des geschichtlich Unterrichteten hinschweifen von Wilna oft wärt« gen Moskau und wieder zurück durch Schnee und Graus westwärts zur deutschen Grenze. Dazu die mit größter historischer Peinlichkeit auSgesührten Details, die Buntheit der Farben, alles Momente, welche die Bilder interessant machen. Daß Wereschtschagin jedoch nicht der Erste ist, der seinen virtuos arbeitenden Pinsel der Verherrlichung speciell Napo- leonischer Kriegsthaten geweiht hat, wird auch Derjenige wissen, der nicht darauf hin in einer Mußestunde die be treffenden Seiten des ersten Theils des „Vademeeum für Künstler und Kunstfreunde" (Geschichtsbilder) durchgelesen hal. Insbesondere ist auch die tragischste Episode aus den Napoleoniscken Kriegszügen, die Scenen vor und in Moskau, sowie die RückzugSstadien, in ergreifenden Compositionen ft i Jahrzehnten von Künstlern aller Länder zur Darstellung gebracht worden. Vermißt wird bei den Schöpfungen Weresck i schagin's die Beseeltheit der vorgesührten Emrelgestalten unr die lebendige Bewegung der Massen: Alles vollzieht sich ruhig, im goldigen Schiminer der Gewandung oder im kalten Schnee lickt der Landschaft. Man vergleiche mit den Bildern des russischen Malers beispielsweise das kleine von Adam 186'» gemalte Bild in der Berliner Nationalgalerie, das die vom Schnecslnrm umtosten französischen TraoSportcolonnen zu> Darstellung bringt; da wird man sich bewußt, was eS heiß:, in Elend, Winterkälte und Sturm den endlos langen Weg ans Rußlands Innern heimwärts suchen müssen. Vor Allen, aber dürfen wir nicht unterlassen, auf das seit den: Früh jahr 1896, zur Zeit noch in Berlin ausgestellte wunderbare Panorama, von Falat und Kossak gemalt, hinzuweisen, das den entsetzlichen Uebergang der französischen Heeresmasse» über die Beresina darstellt. Die Berliner gerade haben allen Grund, die demselben Lande entstammenden und die GeschichtS episvde desselben Reiches schildernden Kunstschöpsungen eines Wereschtschagin und eine« Adalbert von Kossak zu vergleichen, dann würden auch sie wie wir der Ueberzeugung sein, daß schon das eine Panorama die sämmtlichen Napolevnbildc, Wereschtschagin'S mehr als dreifach auswiegt. Zum Schluß bemerken wir noch, daß gegenwärtig auch im Münchener Kunsrverein der Düsseldorfer Maler Arthur Kamps ..Episoden aus dem Rückzug von Rußland 1812" ausgestellt hält. Man siebt: noch immer „Napoleon und kein Ende".
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