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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970216026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897021602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897021602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-16
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Nutlsvktt des Äömgkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit de» Morgen »Ausgabe, ohne Postbesörderunz ,/t 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännaifmeschlnß sül Anzeigen: Abrnd-Ausaabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei Len Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dir Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 85. Die Gccupirung Kretas. * Wir schloffen unsere gestrigeBeleuchtung der kretensischen Krise mit der Erwartung, daß ein entscheidender Schritt der Machte ohne Verzug geschehen werde, da die Lage sich aufs Bedenklichste zugespitzt batte und jeden Augenblick die Landung wtiterer griechischer Truppen und die Occupation der Insel durch Griechenland erfolgen konnte. Der Entschluß derMächte, endlich zu handeln, war, als wirdieS schrieben, wohl bereit« gefaßt. Schon die gestern Nachmittag durch das Wolffsche Telegraphen-Bureau verbreitete Nachricht, daß die kaiserlich deutsche Regierung infolge der völker rechtswidrige Haltung Griechenlands eS nickt mehr ihrer Würde entsprechend halte, weitere Schritte in Alben zu tbun, sondern im Einvernehmen mit den übrigen Mächten dem Kommandanten von S. M. S. „Kaiserin Augusta" Befehl ertheilt habe, zusammen mit den commandirenden Officicren der übrigen vor Kreta versammclten Schiffe der Groß mächte jeden feindselige» Act Griechenlands zu verhindern und zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Vermeidung weiteren Blutvergießens thunlichst beizulragen, ließ erkennen, daß eine Action der Mächte egen Griechenland im Zuge sei. Auch die scharfe prache, welche die Kommandanten englischer Schiffe gestern dem Prinzen Georg, wie dem Commandanlen der frei- beuternden „Hydra" gegenüber führten — sie drohten mit der Ergreifung von Gewallmaßregeln —, deuteten unver kennbar darauf hin. Heute liegen authentische Nachrichten vor, aus denen erhellt, daß die Mächte dem Entscb''iß die Tbat auf dem Fuße haben folgen lassen: der Haupl- bafen Kretas, Kanea, ist von Marinetruppen der Machte besetzt. Die Meldungen besagen im Einzelnen: * London, 15. Februar. Wie LaS „Reuter'jche Bureau" aus Kanea vo» heute meldet, haben die europäischen Flotten, befehlshaber angesichts des offenbaren Entschlusses der griechische» Kriegsschiffe, die Wünsche der Mächte zu mißachten, dem griechischen Commandeur eine Note Lberlandt, welche ihn auffordert, sich nach den Bestimmungen des Völkerrechts zu richten. * Kanea, 15. Februar. (4 Uhr 50 Min. Abends.) Nach einer Meldung des „Reuter'schcn BureauS" vollzieht sich soeben die gemischte Occupation Kaneas durch die Truppen der Mächte. E» herrscht allgemeine Befriedigung. * Paris, 15. Februar, 6 Uhr Abends. Die „Agence Havas" meldet aus Kanea: Mit Genehmigung der türkischen Behörde» wurde Kanea heute durch rin De lache ment, bestehend aus 100 Russen, 100 Franzosen, 100 Engländern, 100 Italienern und 50 Orsterreichern, besetzt. Das Tetoche ment ist befehligt von einem italienischen Oificier. Ein zweites Detachement, befehligt von einem sranzönjchen Lfficirr, in gleicher Slürke und Zusammensetzung, hält sich bereit, sich auS» zuschiffen. Auf den Wällen der Stadt sind russische französische» englische, italienische und österreichische Fahnen ausgepflanzt. Dem griechischen Geschwader»Eom Mandanten wu de die Occupation Kaneas notificirt. Gleichzeitig aber mit diesen Nachrichten geben uns andere zu, welche die Situation wieder in gefährlicher Weise com- pliciren: Griechenland trotzt auch jetzt noch dem ge meinsamen Willen der Großmächte und bat es ge wagt, unter den Augen derselben Truppen auf Kreta zu landen und die Befreiung der Insel zu proclamiren. Man meldet unS: * Athen, 16. Februar. (Um Mitternacht.) (Telegramm.) Meldung der „Agence HavaS". Aus den Beseht des Kriegsininisters ist der Commandeur und Flügeladjutant des Königs, Lassos, auf Kreta gelandet. Eine amtliche Bekanntmachung vom heutigen Tage besagt, es sei Vassos Befehl ertheilt, von der Insel im Namen des Königs Georg Besitz zu er- greisen, Vir Türken zu verjagen und die Festungen zu besetzen. Der Präsident der Deputirtenkammer theilte in der Kammer mit, Oberst Vassos sei Nachimttag in Platania, etwa eine Stunde von Kanea entfernt, gelandet. Prinz NicolauS geht morgen mit seinem Artillcrie-Regimenle nach Larissa ab. * Athen, 16. Februar. (Telegramm.) Nach einer Meldung de§ „Reuler'schen Bureaus" hat Oberst Bassos bei seiner Landung eine Proclamation an die kretensische Bevölkerung erlassen und dieselbe aufgesordert, Kreta zu übergeben. * London» 16. Februar. (Telegramm.) Nach einer Meldung der „Times" aus Kanea von gestern tollen 4 griechischrSchifse reguläre griechische Truppen an der Westküste Kreta- gelandet haben. In Athen herrscht natürlich über das tollkühne Vorgehen der Negierung ein Enthusiasmus sonder Gleichen. Das ganze Land ist in Erregung, und man kann vorauSseben, datz die Opferwilligkeil der Nation keine Grenzen kennen wird. Wir erhalten folgenden Drahtbkrickl: * Athen» 16. Februar. (Telegramm.) Meldung der „Agence Havas". Auf die Nachricht von der Landung griechischer Truvpen auf der Insel Kreta wurden zahlreiche Kundgebungen veranstaltet. Die Bevölkerung war vor Freude auHer sich Eine große Menschenmenge durchzog die Straßen bis zum könig- lichrn Schlosse unter dem Ruse: „ES lebe Kreta!" und brachte dem Könige begeisterte Huldigungen dar. Die Menge wandte sich dann nach dem Finanzmiiusterium, wo Delyannis von der Terrasse hrrab zu der Menge sprach, ihr für die zpm Aus drucke gebrachten Gefühle dankte und Ruhe onempfahl. Telyannis schloß mit den Worten: „Laßt uns hoffen!" Auch aus de» übrigen Städten Griechenlands werden begeisterte patriotische Kund gedungen gemeldet. * Athen» 16. Februar. (Telegramm.) Tie Erregung in Athen ist sehr groß. Die Reserven der Iahresclassen 187L und 1873 wurden einberufrn und müssen sich in 48 Stunden stellen. — Die Kammer ist von der Bevölkerung um» lagert und erwartet erregt Nachrichten aus Relhymo, Kandia und Kanea. Hiernach kann man annehmen, daß Griechenland zum Aeußersten entschlossen ist. Dir europäischen Schiffe, sagte vor einigen Tagen ein griechischer Staatsmann in Paris, können der griechischen Flotte zwar verbieten, in Kanea zu landen, sie können ibr aber nicht die ganze kretische Küste versperren. Nun sind sie etwa eine Stunde von Kanea gelandet, offenbar ohne daß die Wachsamkeit der internationalen Flotte etwas davon gemerkt bat, und so ist kein Zweifel, daß griechische Schiffe in den nächsten Tagen ' oder Nächten ungehindert auch an anderen Stellen rer Insel ankern und Truppen ausschiffen werben. Daß dieser Plan besteht, geht aus folgender Meldung hervor: * Athen, 16. Februar. (Telegramm.) Meldung der „Agence Dienstag den 16. Februar 1897 91. Jahrgang. veranlaßt. Die Truvpensendungrn fort- wegs durch den Wunich. Unruhen hervorznrut-n Negierung sei entichlossen, k»r» „ neme „ °n».r^n Lmcieren welche an» der griechischen Armee ausgetreten sind. Die erste Ab.'heilung stebt in der Wh- °°« Re.hymo unter dem Befehle eines Arlillerie-Majors. die zwe.te be, K°nd.° uM einem Genir-Hauptmann und die dritte bei Kanea un Artillerie.Hauptmann. . Min muß eS der griechischen Negierung und den griechischen i>>, ras b-i!- » u»° .<°ar -a - ,'invelii Wissen Was die Machte veryinvcrn wol'en haben sie ertrotzt, sie baden erreicht, daß e . wenn auch u.cht zur einst-il.ge.. Griechenland, so doch zu einer gle'Hzeitigen O.ccup mit den Mächten gekommen ist, ein „Streich , von ce'icn -ach «i. Laz, >fl. -- >»->"- i-slM.-m, «7^'"' land die Frücktc seiner „Heldenthal nickt ernte soll. Nasch dürsten numnehr die Ereignisse vorwärts 'chreitem DaS Nächste wird und muß die Landung ""'"rer Marinen: PP der groß,nächtlichen Flotten sein. e„, weiterer Sckriit bat n der bereits ins Auge gesaßie» Besetzung der Platze ^elbyno und Heraklio» zu be,leben, und wahrend die Kriegs,ckiffe der Mächie versuchen, wenere Landungen zu verbinde»», iu»ß Griechenland ein Ultimatum gestellt werden Vesten Nichtbeachtung die Kriegserklärung der Machte an das rauflustige Volk zur unmittelbaren .Fo'ge haben muß. Griechenland kann jetzt noch zurück, die Großmächte nicht mehr. Sie müssen ibr Wort ei,.lösen, wenn eS noih'g ist, durch den Mund der Geschütze. Welchen AuSgang eine s"lche Kraftprobe haben wird, ist unschwer vvrauSzusehen. Möglich ist übrigens, daß nunmebr die Mächte auch von der im letzten Augenblick beschlossenen Ferndaltung der türkischen Macht, sowohl von Kreta wie von Thessalien, wieder zurückkommen und so als Aüiirte der Türkei in den Kampf eiiigreifen. Wie die Verhältnisse jetzt liegen, schließt bas Vorgehen der Mächte außerdem ei», daß sie selbtt die Pacificirung der Insel in die Hand nehmen. Auch darüber scheint ein Einverstälibniß zu bestehen, wie auS nach stehender Meldung sich ergiebt: * London, 16. Februar. (Telegramm.) Was di« Paci- fication von Kreta anbelangt, jo ist die türkische Regierung damit einverstanden, dieselbe in den Händen der Mächte zu taffen. Die Cabinete zählen in dieser Hinsicht auf die Natdschläge der Schiffscominandanten. Wenn es erforderlich wird, werden die Kriegsschiffe jeder der in Kanea vertretenen Macht noch weiter Marine.Infanterie ausschissen, welche dir Insel nach einem in seinen Einzelheiten noch festzuictzrnden Plane ocrupiren wird. Die Mächte werden eS also nicht bloS mit den an- Land gesetzten griechischen Truppen, sondern auch mit den krelenst- scheu Insurgenten zu thun haben. Daß sie mit Beiden fertig werden, ist kein Zweifel. WaS das Ende ihrer Aciion sein wird, läßt sich jetzt auch andeutungsweise nicht vordersagen. E>nS aber scheint unS klar: Konnte d>» jetzt auf wiederholte Anregung Frankreichs noch die Geneigtheit bestehen, nach Beruhigung der Insel die Verhältnisse in einer den Wünschen Griechen- ands entgegenkommenden, den Uebergang Kretas an daS Königreich erleichternden und vorbereitenden Weise zu regeln, o kann daran nach dem völkerrechtlich uiiqualificirbaren Verhalten der griechischen Regierung kaum noch gedacht werden. Griechenland bat offenbar bei seinem wage halsigen Vorgehen daraus gerechnet, daß die Einigkeit Europas im letzten Augenblick noch in die Brüche geben werde, und »ack verschiedenen Anzeichen hat es auch auf die Macht der engen verwandtschaftlichen Beziehungen speculirt, welche die griechische Königsfainllie mit den Hösen von Berlin und Petersburg verbinde. Vergeblich! Wir betonten schon, daß die Mächte in diesem Augenblick nickt mehr zurück- könneii, und nack den gestrigen Aeußcrungen Salisbury'« im englischen Oberhanse zu schließen, wird das „sympathische Ein vernehmen der Mächte" fortbesteben. Gerade England, dem die zu weil getriebene eigennützige Actionslust Griechen lands enlschieden am unwillkommensten ist, schlägt den drohendste» Ton gegen die Athener Negierung an, gerade von England ist der Vorschlag der Besetzung Kaneas,Neldymos, Kandias ausgegangen. Von dieserSeile ist also schwerlich etwas zu erhoffen. Der Umstand aber, daß die Gemahlin des griechischen Kronprinzen eine Schwester unseres Kaisers ist, daß Kaiser Nicolaus und Prinz Georg Vettern sind und daß der Letztere dem Erstcren i» Japan einst das Leben ge rettet, läßt sich zwar zu sentimentaler Kannegießerei vor trefflich verwenden, auf den Gang der Politik Deutschlands oder Rußlands kann er nicht im Mindesten von Einfluß sein: dieser wird lediglich bestimmt durch die großen Lebens fragen belder Reiche und durch die Gestaltung der inter nationalen Machlverhälliiisse. Wir meldeten schon, baß die Antwortnote der russische» Negierung an Eindringlichkeit und Ernst die der übrigen Eabinette beinabe übrrtrifft, und was Deutschland betrifft, so har Kaiser Wilhrlm dafür ge- ,orgt, daß über seine Haltung in Athen auch nicht der leiseste Zweifel bestehen kann. Die wiederholten Eon serenzen, welche der Kaiser während der letzten Tage mit dem Reichskanzler gehabt bat, seine eingehenden Be sprechungen mit Frhrn v. Marschall und den Botschaftern, die plötzliche Absage der Neise nach Potsdam, alle« DieS deutet darauf hin, baß Kaiser Wilhelm eS an nichts hat fehlen lassen, um seine Stellung zu dem griechisch-kretensischen Eon- fstcl aufs Schärfste zu präcisiren, Deutschland« Wort Geltung zu verschaffen und König Georg die nölbigen Aufklärungen zukommen zu lassen. Der Ton der Eingangs schon erwäbnten osficiösen deutschen Berlautbarung zu der kritischen Wendung der Dinge atbmel ganz die Gerechtigkeit und da« entschlossene Pflichtgefühl, welche dem Monarchen eigen sind. Kaiser Wilhelm hat durch sein persönliches Eingreifen und die Entschiedenheit desselben sich überall neue Sympathien erworben. Selbst in Frankreich bat dasselbe imponirl. Der „TrmpS" bespricht die Haltung Wilhelm s U., dem es daran gelegen gewesen sei, sich nicht sür die Pläne des Königs Georg, des Schwieger vaters seiner Schwester, verantwortlich zu machen. Kaiser Wilhelm habe seinen unerschütterlichen Entschluß kundgrgeben, nicht bloS weiter am europäischen Einvernehmen festzuhalten, sondern auch die wesse Politik weiter zu verfolgen, die den Fortbestand deS türkischen Reiche« und die Durchsübrung von Reformen in Kreta wie in Armenien sichert. Da« Blatt lobt weiter die Politik des Kaiser«, von dem man annrhmen müsse, daß er die Wohltdaten des Friedens würdige und rer der deutschen Orienipolitik »ine glückliche Richtung gebe. Ferrrlletsir» In der Irre. 12j Novell« von M. v. Oertzen. Nochdru» »erröten. „Oh, der Vater!" schluchzte Nrsa. „Kannst Du ihn nicht rufen — holen —" „Vermißt Ihr ihn?" fragte Camill hastig. „Ist er nicht im Hause?" In diesem Augenblick eilte Julian um die Ecke, hinter ibm May mit Camill'S aufgespanntem Regenschirm, dem Nngeiküin. „Aber e« regnet entsetzlich — Ihr werdet Euch Alle zu Tode erkälten!" klagte sie. „Wo ist Herr v. Willow?" schrie Camill Julian an. Er ist nicht im Hause! Wo ist er?" Und er donnerte mit einer Stimme, die wie der Sturm dröhnte: „Vater I" Es war da« erst» Mab daß er „Vater" sagte. Und nun l'iberkam e« Resa, was Camill Adalhart für ihren Vater sein könne. Und nochmal«: „Vater!" Frau v. Willow durchlief alle Zimmer, vom Keller bi« zum Boden — der Regen wurde noch heftiger. „WaS ist da« auf der Ringmauer?" sagte May'« klare Stimme, ganz nüchtern und ruhig. „Es bewegt sich —?" Ein Schrei au« vier Kehlen antwortete ibr. „Auf der Ringmauer — Stein auf Stein bröckelte langsam lo«. versank mit bohlem Aufklatschen in dem schlam migen Wasser — Büsche und Sträuche wanden sich in der Flutb — bald wird die Stelle der Erde gleich sein — und dort stand er, sich anklammernd, obne einen Laut von sich zu geben — und starrte auf die Wasser unter ihm. Camill warf Julian einen bedeutsamen Blick zu. Beide entledigten sich ihrer Jacken. „Die Mauer wird einstürzrn, bevor Ihr sie erreicht — und alle — alle begraben —", sagte Frau von Willow eis kalt. Sie war ei-kalt vor Verzweiflung — der dort ver lassen stand, da« war ihr Mann. Resa sab in Camill'« Gesicht — und nun erkannte sie, daß ibre Mutter wahr gesprochen. Auch in May wurde e« Klarheit — und sie schrie gellend auf. Wir eine Schlange schmiegte sie sich um Julian, ihn sesthalienv — ihn fesselnd — er kennte sich nicht rühren. „Bleib!" schrie sie. „Du bleibst! Du gehst nicht in den Tod — nein!" „Lasse mich", knirschte Julian. „Gieb mich frei!" „Nein!" May wand sich zu seinen Füßen. Und der Regen prasselte berniecer — ihr aufgespannler Regenschirm tanzte aus den Wogen fort. „Lasse mich! Willst Du mich daran hindern, Manneswerk zu tbun?" „WaS frage ich darnach?" stöbote sie. „Bleibe bei mir. . Er rang verzweifelt mit seinem Weibe. Inzwischen hatte Camill sein todtblciche« Antlitz Resa zngewandt. Sie blickten sich schweigend an. Und sein Auae sagte: „Ick will." Mit finsterer Stirn sah er den Kampf zwischen Mann und Frau, und darauf mit düsterer Frage da« Gesicht seiner Braut — „Geb!" sagte sie. „Geh!" Er athmete tief auf, ein freudiger Strahl erhellte sein Auge. Und er ging. Die Wogen umichwankten seinen Körper und drohten, ibn niederzureißen — doch er stand, wie ein Fel« und arbeitete sich vorwärts — ehe er nabte, wankte die ganze Mauer und ein Reaen von Steinen stürzte hernieder. „Laß mick!" donnerte Julian. „Du machst mich zum Feigling! Zum Undankbaren! Zum Schurken!" Er Hieß May von sich, daß sie rückwärt« an dir Wand taumelte, und auch um ibn tosten die Wasser . . . May verbarg da« Gesicht in Len Händen. So verharrte sie lange. Resa sah nur Wasser und Nebel. Ihre Augen versagten den Dienst. Zuweilen bürte sie die Steine fallen und menschliche Stimmen rufen . . . Camill und Julian waren jetzt unmittelbar unter dem Gemäuer angelangt. Camill warf einen Strick in die Höbe — und dann sah Resa einen dunklen Körper von droben verschwinden und zwei Gestalten, die eine dritte in ihrer Mitte hielten. „Gelobt sei Gott!" flüsterte Frau v. Willow. In dieser Secunde gab es ein Donnern und Bersten, ein Schmettern und Dröhnen, rin Auszischen der Wasser — und dort, wo bisher die Mauer gewesen — gelb« Fluth — sonst nicht« — gar nicht«! Resa rübrte sich cklcbt. Sie wartete . . . „Es ist aus", stöhnte Frau v. Willow. „Nein, es ist nickt aus — eS kann nicht auS sein", sprach Resa und wartete. Und plötzlich sah sie ein dunkle« Etwas immer näher kommen. „Camill!" rief sie. Dann wußte sie nickt« mehr. Nach und nach klärte» sich ibre Sinne. Tor ihr stand Julian, seine Kleider waren ganz zersetzt, und eine Menge Menschen strömte die Treppe hinauf — ihre Mutter, May. Camill — ja, Camill! Da ging sie mit den Anderen. „Bitte, warte, bi« ick Dick rufe", sagte Camill zu ihr. Er schloß die Tbür zm» Zimmer ihres Vaiers. Sie wartete, ob eine Stunde, ob länger, sie wußte es nickt. Dann war eS wieder Camill, der sie zu ihrem Vater führte. Der alte Mann lag im Bette. Aber er lebte und lächelte auS eingefallenen Zügen. „Kind, dieser Tag hat mich sehr reich gemacht", flüsterte er. „Deine Mutter —' Frau v. Willow schluchzte laut auf. Er streichelte sanft ihre Hand ... „Und Camill — ich habe einen Cobn, Resa!" Ein dumpfe« Ctölmen wurde vernedmbar. Dock Niemand achtete darauf — Niemand kümmerte sich um den, der gestimmt Nur zuletzt sagte Herr v. Willow: „Julian?" Da war er fort. Der alte Herr schlief ein. Man huschte auS dem Zimmer, Und draußen tobten die Elemente. Frau v. Willow batte in, Saale ein mächtige- Feuer anzünden lassen. Tort warteten die Frauen, bis Camill und Julian erschienen. Resa erbob sich und ging Camill entgegen. Ihr Auge leuchtete — dunkel und doch hell — ihre Gestalt wuchs — ,.e legte einen Arm um Camill'« Hal« - zum ersten Male freiwillig. Fast wabnten die anderen, sie wolle ibn kütt,n Aber da löste sie sich au« seinem Arm. May's Summe schnitt klagend durch den Raum. Oh -"°°- """ .2t vnM, m,»- „Deine Selbstsucht, ja!" ries Julian außer sich. „Liebtest Du mich, so wäre meine Ebre Dir lieber al« mein Leben — Resa hat ihren Verlobten ziehen lassen!" „Oh — aber Resa — liebt ihren Verlobten nickt", sagte May langsam. „Tu weißt r« — sie konnte ihn für den Vater opfern —" Resa griff sich an die Stirn. Ihr Körper zuckte. „Resa liebt ibn nickt!" batte jene gesagt. Sie öffnete die Lippen, um ihnen allen ein Wort ent gegen zu schmettern, wie Posaunensckall — Da neigte er sich zu ihr . . . Camill. „Ich danke Dir, Resa, daß Du mich jener Aufgabe würdig erachtetest." Sie verstand ihn. Und das Wort blieb ungesprochen. Doch sie wandte sich an May. „WaS weißt Tu — von Liebe", sagte sie. Ihre Stimme zitterte. Sie gn g hinaus. Frau v. Wilstw bereitete May einen beißen Tbee. Doch Resa lag aus ihrem Bett mit aufgelösten Haaren und weitoffenen Augen und dachte über etwas nach — immer wieder von Neuem. „Mein Gott", sagte sie und preßte die Hände an die Schläfen. „Es tbut mir web, al« eine tiefe Wundc und brennt mehr al« zehn Feuer — wa« ist das? Was ist daS . . ." XIV. In Iulian'S Seele war ein finsterer Geist gezogen, der ihn ganz brberrschle. Früh Morgens stand er auf dem Söller und betrachtete die Verwüstung um sich her — die Wasser waren gesunken, der Bach brauste in seinem Bett dem Thale zu, und in Hof Garten verflossen die Onellen und schlammigen Lachen in, Kies — die Reste der Ringmauer, Steine, Felsblöcke, Sand und G'sträuch, lagen bockaufgethürmt an der West- seite der Burg, wo die Mauern der alten Capelle eine klaffende Wunde zeigten. Da« Wurzelwerk unzähliger Bäume und Büsche streckte ^"^"^lüchen Arme in die feuckte, dampfende Luft, reibe L>andberge, von den Wellen des Backes aufgewühlt, ausgewaschen und vorwärts getrieben, glitten langsam weiter, nur einen Fuß lang — bi« von oben ein winziger Stein kollerte, der einer Menge größerer Blöcke als Halt gedient. Nun folgten diese nach. (Fortsetzung folgt.)
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