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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970218029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897021802
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897021802
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-18
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1284 Demonstrativ« vor Kreta Verhandlungen schweben und eine Verstärkung der aroßmächtlichen Geschwader in den griechischen Gewässern io Erwägung ist. Es liegt auf der Hand, daß durch die Anwendung solcher Mittel ein Tbeil dessen nachgebolt werden könnte, wa« durch die Mächte schon längst hätte geschehen können, um die Halsstarrigkeit Griechen lands zu brechen. Vorbedingung freilich bleibt, daß da« E > n - vernehmen der Cabinette verhält und daß dieselben sich auch wirklich über die „RichtungSlinie" ibreS Vorgehens, wie Salisbury sagte, einigen. Der Premierminister fügte hinzu, rS sei schwierig, diese RichtungSlinie zu finden — viel Köpfe, viel Sinne — und so wird mau gut «hu», nicht allzu fest auf die Harmonie im Concert der Mächte zu bauen. Die „Hamb. Nachr." machen bekanntlich eio große- Fragezeichen dahinter, indem sie schreiben: Die Laugmuth, welche die Mächte gegenüber dem völkerrechts widrigen Vorgehen eines Staates dritten Ranges au den Tag legen, verdient Bewunderung und hat ihren Ursprung anscheinend in dem Wunsche, europäische Conflicte zu vermeiden. Aber diele Sach, lag« läht dir angeblich bestehend« Einigkeit der Großmächte doch in einem etwa- unsicheren Lichte erscheinen. Wenn sie wirklich in dem behaupteten Maße vorhanden wäre, würde man gegen Griechenland mit größerem Nachdruck austreten, als e» thalsächiich geschieht. Die „Hamb. Nachr." lassen sehr deutlich durckblicken, daß eS England ist, dem sie nicht tränen. Englands Haltung erscheint allerdings zweiselbast. ES wird bcbanvlet, kaß eS sich für die Unterstützung Griechenlands einen Hafen aus Kreta gesichert babe, und die vielfach übersehene Konstantinopeler Meldung, Lord Salisbury habe kürzlich mit dem Sultan einen DepeschenauStausch gebabt, in welchem derLctztere an das „alte Freundschaftsgefühl" Englands für die Türkei appellirt und um eine Intervention Englands auf Kreta ersucht babe, läßt vermutben, daß von London aus noch andere Fäden nach Konstantinopel gesponnen werden, die zu dem Gewebe, an welchem die Vertreter der Mächte eben mühsam arbeiten, nicht stimmen. Albion bat immer im Trüben gefischt, und wenn die „Nordd. Allg. Ztg." sich aus Wien telegrapviren laßt, marinetrchnisch sei, wie man in diplomatischen Kreisen hervorbebe, dir Landung griechischer Truppen angesichts der großmächtlichen Action unbegreiflich, womit offenbar angevcutel werden soll, daß von irgend einer Seite die Landung griechischer Sckiffe gedeckt worden ist,so wollen wir dies wenigstens registriren, ohne uns die Auslassung der Wiener Correspondenz, die nicht ganz einwantsrei ist, anzneignen. Wenn übrigens der „Norde. Allgem. Ztg." weiter aus Wien berichtet wird, eS verlaute dort, baß eine seindselige Haltung der Großmächte gegen Griechenland unwahr scheinlich sei, weil die griechische Action unter der vollen persönlichen Verantwortung der Königs erfolge, so widerspricht dies der Haltung der beiden in dieser Hinsicht zunächst in Betracht konimenden Mächte, Deutschland» und Rußlands. Wäre die Meldung richtig, dann könnten die Mächte allerdings nichts Besseres thun, als schleunigst ihre Schiffe nach Hause zu beordern. Das Auftreten de» Herrn Eectl Rhode» vor der parlamentarischen UnlrrsuchnngS - Commission zeugt von einem Selbstgefühl, wie eS nur Denjenigen zu be seelen pflegt, der sich als Herr der Situation fühlt. Sonst hätte er nicht mit beinahe cynesck zu nennender Osseukeit zugegeben, daß er, was man freilich längst wußte, die eigent liche treibende Kraft deS geizen die staatliche Selbst ständigkeit der südafrikanischen Republik gerichteten Cvm- plols gewesen ist. Dabei heißt «S doch wirklich den tbat- sächlicben Hergang direct auf den Kops stellen, wenn Cecil RhodcS die Negierung de» Präsidenten Krüger mit der Ver antwortlichkeit für sein und Javeson'S völkerrechtswidriges Handeln belastet, weil jene rS aklehnte, die UitlanverS ohne jegliche Garantie für ihr staatSdreueS Verhalten zu Voll bürgern der Republik zu proclamireu, und unparteiischen Lesern der RhodcS'schen Ausführungen muß eS al» der Gipfel der Unverfrorenheit ersckeiven, wenn Herr RbodeS auö dem Scheitern de» Plane», mit der staatlichen Unabhängigkeit der Boereurepublik auf consliiutionellem Wege — der Majorisirung durch da» aä hoe mit dem Bürgerrecht sn müsse zu begabrnde Uitlanderthum — fertig zu werden, die Bcfugniß zur Be>chreitung deS nicbtconstitutionellen Wege» ablcitcn möchte. Aber Herr Cecil NooveS kennt die Herren im Untersuchungsausschuß so gut wie sie ibn; deshalb nahm er auch keinen Anstand, daS Märchen von den gemein schaftlichen Intriguen de« Präsidenten Krüger uud einer fremden Macht — gemeint ist naiüilich Deutschland — gegen die britische Stellung iu Südafrika anfzuwärmen, in der sichern Ueberzengung, dadurch rin sym- patdilcheS Echo in der englischen Volksseele wachzurufen. In der englischen Politik, mag rS sich nun um Südafrika oder wa« immer bandeln, spielen Recht und Billigkeit gar keine Nolle, eine um so größere aber spielt der Utilitarismus, der Alle» sauctioiiirt. wa« dem Lande nützt. Alles verwirf:, Wa den LandeSintel essen zuwiderläuft. Deshalb konnte Cecil RbodeS von seinem S'andpnncte au» mit vollem Fug die Be» setzungKretaSvurchGriechenland mit dem verunglückten Iameson'schen Raubzuge in Parallele stellen und er klären, daß. so zweifellos rechtswidrig da- griechische Vor gehen sei, eS doch in England allgemein gebilligt werde. — In Pretoria wird man, durch frühere Erfahrungen zur Genüge mit dem englischen VolkSckarakter und dem Geiste der englischen Politik vertraut, durch da« Auftreten Cecil RbodeS' vor dem parlamrntarischkn Untersuchungsausschüsse nicht weiter überrascht sein, wohl aber durch dasselbe sich in dem Entschlüsse bestärkt fühlen, der englischen Südafrika- Politik nach wie vor da» schärfste Mißtrauen entgegrnzusetzen. Deutsches Reich. — Leipzig, 18. Februar. Daß den führenden Herren de« „national-socialen Vereins" banqe wird vor den Geistern, die sie gerufen baden, beweist folg'noe in Nr. 8 der „Hilfe" ver öffentlichte Erklärung des Herrn Professor» Sobm: „Da ich für den Inhalt de« von Herrn Pastor Feddersen verfaßten Gedieltes „Wir sind ei« ehrliche» Geschlecht" einigermaßen mit verantwortlich gemacht werde, so erkläre ick hiermit, baß ich zwar in Erfurt das Bild vom Saal« gebraucht habe, daß mir aber nickt eingefallen ist, die Arbeiter in irgend welcher Form zu gewaltibätigem Eindringen in den Gesellschaft»«»! auf zufordern. Der ganze Ton und Inhalt de« Feddersen'scken GedickleS widerspricht durchaus dem, was ich für richtig halte". Herr Professor Sobm wird, hoffentlich zu eigenem Nutz und Frommen, auS der Verwendung seine» „Bildeö vom Saale" entnehmen, daß es nickr ganz leicht ist. Politik zu treiben. Wir möchten bei dieser Gelegrukeit an einige Sätze erinnern, die Herr von Bennigsen bei der Feier seines 7V. Geburtstage« am 10. Juli 1894 in seiner Rede au«- pracd: „DaS ist auch einer der großen Gegensätze, die in unserer politischen Praris liegen, in der radicalen Weise, wie man da glaubt, Politik treiben zu können — ich kalte eS aber für keine (Heiterkeit). Aber die Beherrschung und die Zusammenlügung der Menschen zu gemeinsamer Arbeit, zu einer gemeinsamen öffentlichen geord neten Politik, da» ist keine Schulaufgabe, Gott bewabre, daS ist eine der schwersten Künste, die nur in den seltenste» Fällen vollständig gelungen sind." Daß der „national sociale Verein" auck nur annähernd diele schwerste aller Künste bisker zu üben versucht habe, wird er weder be haupten wollen, noch beweisen können. * Berlin, 17. Februar. Der Mangel an Vaterlands- und Nationalgesühl, mit dem die Wortführer der deutschen Socialdemokratie sich zu brüsten lieben, ist bei den französischen Socialistcn im Allgemeinen nicht zu finden; diese sind zumeist mindestens eifrige Patrioten, zum Tbeil sogar Chauvinisten. NeuestenS bat auch Henri Rockeiort, dessen Ge> sinnungsrötbe dock gewiß eckifarbig ist, Gelegenheit genommen, sich gegen die Vaterlandslosigkeit zu wenden und uniimwunren für den Nationalismus auszusprechen. Es geschah daS. wie wir der „Voss. Ztg." entnehmen, am Sonntag bei einem Festeste» der Blanqnisten in Saint Fargeau, und tonnernver Beifall der zahlreich anwesenden „Geiiossen" bezeugte, vaß Nochefort mit seiner Ablehnung de» „Systems des InteriialionaliSmuS ä outrancs" so reckt auS dem fran zösilcken Empfinden heraus gesprocken batte. Mit Reckt bemerkt der socialistiscke Abgeordnete Castelin, einer der Festgenossen von Saint Fargeau, im „Jour" zu dieser Kund gebung: „DaS ist eln directer Hieb gegen die utopisch« und verschwommene Form deS deutschen Socialismus, Vesten dufelhast humanitärer Internationalismus unser innerste» Gefühl verletzt und sich jämmerlich verflüchtigt, sobald von einer Berwirklicbung die Rede fein könnte. Jetzt ist daS Bolk gewarnt vor dem Feld zug», den jene Internationalisten unternommen haben." Henri Nochrsort als Dcrtbeiriger des NationalgesüblS und der Vaterland-treue, daS ist eine Erscheinung, die gewisse Socialistensübrer deutscher Zunge in reckt beklommene Stimmung versetzen muß. (In ver neuesten Nummer de» „Vorwärts" kommt diese Stimmung bereit» zum Ausdruck: die Stelluiignabm« Nockefort'S wird dort nnt dem Hin weise zu entkräften gesucht, daß Rochefort der Haupt agitator Bonlanger'S gewesen sei. DaS beweist gar nicht» Red. des „L. T.") * Berlin, 17. Februar. Die „Germania" glaubt, einen Fall antipolnischen Chauvinismus geißeln zu sollen, oer ihr auS Lautenburg iu Westpreußrn mitgetheilt wird. Sie schreibt: „Der dortige deutsch-protestantische Gastwirth Schmalz hatte sich «In kaiholt'ch-polnstcheS Dienstmädchen grmiethet. welches, da eS der deutschen Sprach« wenig oder gar nicht mächtig ist. im Hause »nd mit der Frau de« Home« polniich lprach. Da» erbittert» den HauS- Herrn Io sehr, daß er lowoht drm Dienstmädchen at« auch 'einer Frau verbot, mit einander polnisch zu sprechen. Da seinem Verbote nicht Folge gegeben wurde, beantragte er bei der Polizei- Verwaltung di« Bestrafung des Dienstmädchens. Di« Polizei ver- fügte gegen dasselbe «in Strafmandat in Höh« von 10 Gegen diele» legte das Mädchen Beickwerd« ein, jedoch vergeblich. Das Schöffengericht vrrurtheilte da- Dienstmädchen zu 3 In den Urtheilsgritnden wird hervorgehoben, daß der Dienstherr das Recht habe, derartige Verbote wie den Nichtaebrauch der polnischen Sprache zu geben, und da- Zuwcbrrhandrla sich daher al- Ungehor sam charakterisire und auf Grund der Gesindeordnung zu bestrafen fei. Obgleich da» Mädchen vor dem Gericht betbeuert», e» könne nicht so viel Deutsch, um sich mit der Dienstherrschaft zu verslän. digea, so verblieb eS doch bei der Strafe Gegen dies Unheil legt« die Bestrafte Berufung ein bei der Strafkammer i» Strasburg in Mestpr. Diese verwarf jedoch di« Berufung und bestätigte da» auf 3 lautende Uriheil, indem «S sich den UrlheilSgründrn erster Instanz amckloß." Wir bezweifeln krinrn Augenblick, daß e» sich hierbei wieder um einen Fall polnischer Halsstarrigkeit handelt, und daß der Gerichtshof die Uebrrzeugung gewonnen hat, daß da« Mädchen sehr wobl im Stande gewesen wäre, der Anordnung ihre« Brvdbrrru Folge zu leisten. Fälle dieser Art sind in der jüngsten Vergangenheit öfter bekannt geworden. — Den Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft ist folgende» Schreiben, zugrgangen: „Die Gluckwuu'ch-Adresse. welche die Aeltesten der Kaufmann schaft vo» Berlin Mir beim Eintritt in ein neue- Lebensjahr ge widmet hoben, hat durch idre geichuiackvolle und künstlerische Aus führung Mein beionderes Wohlgefallen erregt und spreche Ich Ihnen für diele werlhvolle Geburtstagsjv'Nde Meinen Königlichen Tank auS. Ich freue Mich drrzlich. daß Handel und Gewerbe im letzten Jahre einen bemerkenSwerchen Auslchwnng genommen daben. und vertraue, daß die Grundlage für daS wirtdschustliche Gedeihen, der Friede nach außen und innen, unter Gölte» Führung unserem Deutschen Balerlonde noch lange erhalten bleibt. Die Adresse habe Ich dem Hohenzollern-Museum zur dauernden Ausbcivahrung überwiesen. Berlin, den 8. Februar 1897. (gez.) Wilhelm L." — Die aus Anweisung des Präsidenten deS Reichstags vervielfältigten Abschriften der von dem Kaiser der NeictrS- tagS-Bibliotbek überwiesenen Darstellungen über Kriegs marinen sind den ReichSlagsmitglievern zugesandt worden. — Au» Ostasrika wird der „Nordd. Allg. Ztg. der Tod deS indischen GroßkausmaniiS Sewar Havje ge meldet. Derselbe batte früher daS gesanimte Tiägerweien in Zanzibar an der ostasrikaiiische» Küste moiiopolisirt. Obne seine Mitwirkung war bis in die neuere Zeit hinein die Ausrüstung einer Expedition ins Innere fast gänzlich unmöglich. Den Deutschen zeigte er von vorn berein, in kluger Erkeiinlniß der Sachlage, großes Ent gegen komme n und erwieS ihnen iede nur mögliche Förderung. Der kalholischeu Mission schenkte Sewar Hadje eine ganze Hügelkette ,» der Näbe von Bagamoyo, wo acht Dörfer von den befreiten Sclaven und Missivn-zöglingcn errichtet wurden. Dem Gouvernement binterließ er einen größeren Giundbesitz in Bagamoyo zu woblthäiigen Zwecken. — In der Untersuchiingssacke gegen den Commissar v. Tausch wurde gestern der Reickstagsabgeordnete Bebel etwa zwei Stunden lang als Zeuge verhört. — Die Loruiiiernichung gegen de» Criminalcommissar v. Tausch und den Freiherrn v. Lützow wegen Urkunden fälschung soll »uumedr abgeschlossen sein, so daß die Er- bebung der Anklage demnächst zu erwarten stehe. ES bandelt sich um die Fälschung der Unterschrift deS Jour nalisten Kukutsch unter einer Quittung über 50 Die Untersuchung gegen Herrn v. Tausch wegen Meineids und Verbrechens im Amte wird unabhängig von jenem Verfahren noch forigefüdrt, dürfte jedoch, der „Voss. Ztg." zufolge, im Laufe dieser oder der nächsten Woche ebenfalls zum Abschluß gelangen. In dem Bersabren wegen MajestärSbeleidigung dauern die Erhebungen dem Vernehmen nach fort. — Die Budgetcomniission des AbgeordnetenbauseS stimmte der Erhöhung der Gehälter für 2270 definitiv aiigestellte wissenschaftliche Lehrer höherer Lehranstalten auf 2700 bis 5100 zu; ein weitergehender Antrag wurde abgelehnt. — Der NeichStagSabgeordnrte Frhr. v. Langen erklärt in hiesigen Blättern: „Aus verjchiedenen Berichten über den Berliner confer- vativrn Parteitag am 12. d. MtS. ersehe ich zu meinem Be- fremden, datz die von mir bei dieser Gelegenheit gehaltene Red» über da» conservatlvr Programm völlig entstellt reproducirt worben ist. Die Darstellung muß den Anschein erwecken, als entsprechen meine Ansichien denjenigen der Antisemit«». Demgegenüber möchte ich betonen, baß ich in meinem Borlrog» gerade auegesührr habe, ich siände weder aus antisemitischem, noch auf christlich- socialem Boden, ich hielte vitlinehr den Einfluß jener Elemente, die am lautesten „Juden rauS!" zu rufen pflegten, für den allergefährlichste» für unser Volksleben! Ich lntte Sir, diese meine E'tlärung veröffentlichen zu wollen, da mir dnran gelegen » ist. daß gerade bet Antritt meines neue» Amtes als Vorsitzender de» Beiliner coniervativen Wahlvereins keine Zweifel über meine politifche» Ziel» auikommen können." — Uebrr Adlwarvt'S Erscheinen im Reichstage lesen wir in der „Nat.-Zig.": „Der von Ainerika zurück,tekehrt« Abg. Ahlwardt hatte den Muth, io der heutigen S'tzung de» Reichstages zu erscheinen, und glaubte eS der Wichtigkeit feiner Perton schuldig zu sein, den Präsidenten von Buol üffentnch zu begrüßen. Er stieg dir Stufen zum Präsibrnlrnsitzt hinaus, neigte sich zn dem Präsidenten herab und reichte ihm die Hand. Herr von Buol, der ihn nicht hatte kommen sehen, ergriff zerstreut die Hand and schüttelte sie; erst da« allgemeine Gelächter d«S Hause» machte ihn daraus aufmerksam, wem er soeben dir Hand gedrückt hatte. Wätirenv der Präsident sichtlich ärgerlich «rröthete. stieg Herr Ahlwardt gravitätisch zum 8 tzungssaal herab, durchschritt die Rethen der ihn erstaunt und eniiüstet ansehenden Abgeordneten und entfernt» sich wieder." Betreff» seines Aufenthalt» in New Jork und Chicago erklärt Ahlwardt, wie die „Post" berichtet» daß ihm dir Deutsche Presse dir Arbeit reckt sauer gemach» habe. Unter Mühsal und Entbehrungen sei eS ihm endlich gelungen, siebzehn Club- aesellschaften mit etwa 3000 Anhängern zu bilden. Auch habe er das in englischer und deutscher Sprache erscheinende Blatt „Der Antisemit" gegründet, da« jetzt, da e« mit Ab bildungen erscheine, Aclieil-Unternebmen geworden sei und eine Auflage von etwa 30 000 Exemplaren habe. AuS dieser Gründung bezirke er bedeutende Procente. Ablwardt gedenkt mit erneuter Kraft und reicher an Kenntnissen und Erfahrungen demnächst in seinen Wahlkreis zu gehen, um die Agitation wieder aufzunebmen. Auf die Frage, ob er sein Mandat niederlegen werde und eine Entschädigung annehme, erwiderte er, das könne man von ihm nicht verlange» — Ter Deutsche Haftvflicht-Schutzverband hat an den Reichstag eine Eingabe bezüglich der Novelle zu den UnfallversickerungSqesetzen euigereicht, in welcher Anträge be treffs der Facnltativversicherung, der Paffantenversicherung, der Entschädigung der Hinterbliebenen, der Entschädigung bei Streitigkeiten unter den BerufSgenofsenschasten u. A. ge stellt und eingehend begründet werden. — Die „Deutsche Tageszeitung" schreibt, eS sei „nicht ausgeschlossen", daß ihre Angelegenheit die Gerichte noch cimal beschäftigen werde. — Na, na! — Eine überraschende Nachricht über den Propst Szadzinski bringen die „Bcrl. N. N." Sie schreiben: „Wir erfahren zu unserem lebhaften Erstaunen, daß an der ganze» Geschichte von ver Amtsniederlegung auch nicht ein wabres Wort ist! Der Propst übt nach wie vor seine „seclsorgerische" Thäligkeit in Witascbütz au«; der Patron Herr von Dulong theilt unS auf unsere Anfrage mit, daß ibm von einer Versetzung, geschweige denn von einer Amtsniederlegung de- Propste» nicht das Mindeste bekannt sei! Wenn nun auch seit zwei Tagen daS Gerückt verbreitet wird, dem Propst fei die Pfarrstelle in Pieranie, Kreis Inowrazlaw, übertragen, so ist unS doch jetzt erst die Mög lichkeit gegeben, fcstzustellen, daß bisher tbatsächlick nichts geschehen ist, was einer Nectificirung des Propstes für sein deutschfeindliches Gebühren ähnlich sieht, und daß eS den Anschein gewinnt, als sei durch die klerikalen Blätter die Nachricht von der Amtsniederlegung nur zu dem Zwecke erfunden, eine strafrechtliche Verfolgung de- Propste» SzabzinSki obsolet erscheinen zu lassen." — Ter Gebeime Medicinalrath Professor Lucae und andere Obrenärzte haben au den Reichstag da» Gesuch gerichtet, beim BundeSratb dahin zu wirken, daß in die Prüfungsordnung für Mediciner die Ohrenheilkunde als Gegenstand der Prüfung ausgenommen wird. — Der kaiierliche Minisierresident z. D. Anton v. Gram atz kt ist iu Baden-Baden »ach langem Leiden gestorben. * Lübeck. 17. Februar. Der auf den 23. Februar ein- berufene Landtag de» FürstenthumS Ratzeburg ist wieder nicht beschlußfähig, weil die bürgerlichen und bäuerlichen Abgeordneten it>r Nichterscheinen angemeldet haben. — Der Voranschlag im Staatsbudget Lübecks für 1897/98 weist einen Fehlbetrag von 528 429-ck aus. (Köln. Z.) * Hamburg. l7. Februar. Der Staatsvertrag zwischen Hamburg und Preußen betreffend die Elb-Correctron, ist beule von der Bürgerschaft bestätigt worden. * Altona, 17. Februar. Herr Mobr ersucht in einem Schreiben die LandtagSwahImänner, obgleich ibm die Majorität gesichert sei, einem andern, nickt ihm, die Stimmen zu geben. Als Grund der Ablehnung wird Krankheit und GeschäftS- überhäufung bezeichnet. * Brcmcn, 16. Februar. Die gestrige Wahl eines Predigers am Dom batte insofern ein größere« Interesse, als einerseits die Orthodoxen einen ihrer Leute durchzusetzen suchten und andererseits der langiäbrige Secretair des deutschen Prolestantei Vereins in Berlin, Pastor Werck»- bagen, in Frage kam. Die Ortbodoxen behaupteten, eS sei ungerecht, daß sie von den fünf Predigerstellen am Dom nur eine besetzten, während vier den Liberalen zufielen. (Es be- rubt bas auf einem allen Herkommen). I» der Wahl zeigte sich aber, daß ihre Partei nicht einmal ein Fünftel der ab gegebenen Stimme» aufgebracht hatte. Unter den elf liberalen Candidaten hatten, wie man der „Voss. Ztg." schreibt, nur Wercköbagen uud Pfarrer Mauritz in I Manchester Aussicht. Ersterer ist hier als Candidat an der liberalen Martinikirche in bestem Angedenken; auch ver bindet ihn seine langjährige Thätigkeit als Secretair des ProtestanlenvereinS mit den liberalen kirchlichen Kreisen unserer Stadt. Daß er jetzt als Prediger der Luthe»kirchc in Berlin gewählt ist und vielleicht abermals Schwierigkeiten mit seiner Bestätigung bat, wir eS ja auch in Hameln der Fall war, steigerte das Interesse für seine Wahl. Allein eü war auS verschiedenen Gründen eifrig gegen ihn agitirl worden und obgleich er im ersten Mahlgang die meisten Stimmen erhielt, unterlag er im entscheidenden dritten Wahl gang mit 95 Stimmen gegen 104, die auf den wenig be kannten Pfarrer Mauritz in Manchester fielen, für den einige Tomprediger warm eintrateu. In weiten Kreisen der Stavt erregt es lebhaftes Bedauern, daß WerckShage» nicht gewählt wurde. HanSikür und wurde de» verbitterten Manne» Kamerad, al» ob sich da- von selbst verstünde. Vo» May war nie die Rete mehr. Auch von Camill'» und Resa'S Hochzeit nickt. Camill und Julian lebten mit einander wie zwei Junggesellen, dir sich aus ihre Weise mit dem Leben einrichten, tranken ihr G>aS Wein im Gastbvf. machten ihr Spielchen, hörten auck wohl einmal ein Garten- concert mit au und sprachen über Alle» — nur nicht über May. Vierzehn Tage schlicken so dahin. Camill batte Julian in den letzten 24 Stunden nicht gesehen und mebrmal» vergeblich bei ihm angeklopft. Ihm war schwül zu Mulde. Er saß in seinem „Zell" unter dem Dach und la» Wort für Wort die Geschichte de» BurgfräuleinS von Willowen — sie vergegenwärtigte ihm stet» Resa mit unbeschreiblicher Deutlich keit; er meinte ihren Blick zu fühlen, den sonderbar düster glanzenden „wie rin Gewitter, da» am Berge aufrieht." Und jetzt dachte er an sein eigene» Glück. Sein Glück? Er lächelte bitter. Aste« war verspielt, verseblt . . . Wa» stand doch in der Geschichte? „Und da» Feuer ver zehrte ihn von innen heraus und er war kranker denn zuvor . . . und da weinte Maria Teresa . . Er schrak zusammen. Jemand stieß die Tbür auf und kam in sein Zimmer — einer, der nur selten hirr gewesen: Julian. Sein Gesicht war sabl. „Was ist geschehen?" rief Camill. E» mußte etwa geschehen sein. „Reden Sir, Julian. Ich bitte Sie darum; sind Sie krank?" „Nein, ich bin ganz gesund", sprach Julian leise, mit fast erschreckender Rübe. „Aber meine Frau hat mir soeben mit- geibeilt, daß sie mit ihrem Vater nach Indien gehen wird — sie ist in Indien geboren —" „Ab . . ." Camill stand der Albern still. „Und Sie?" „Ich?" fragte Julian mit einem seltsamen Lächeln. „Ich werde gebeten, ihr die Freiheit zurvckzugeben — anaesicklS der Verschiedenheit unserer Anschauungen in allen Dingen und angesichts dessen, datz ich sie nie so geliebt habe, wie sie e» verdient und bedars —" „Julian!" Camill sah wie dnrch einen Nebel. „Und daun — werden auch Sie — frei —" „Ick würde frei", sagte Julian, finster die Stirn run zelnd. „Aber, Camill. ich habe mich grweigrrt — ich bah« »br besohlen, sofort za mir heiiuzukrdrra — denn Julian Dillen» will sein Recht di» aus den tetztea Du»«, uud ich affe mich nicht von meiner Frau scheiden! Glauben Sie, daß ich so bandele auS — Liebe? Tausendmal nein! Ick gäbe mein Leben, wenn ich nickt mehr mit ihr dieselbe Luft zu athmen brauchte — denselben Himmel zu srbeo — dieselbe Erde zu treten — den» ick verachte siel Ick würde gern um eine Stunde wahrer Freiheit sterben — jedoch eben de«- bald, Camill — eben deshalb werde ich ihrer Schwäche und Laune nickt willfahren — ihr Platz ist bei mir — ich werbe sie zwingen, zwingen ..." Camill bebte heftig. Julian dagegen war so kalt, so ruhig, al» spräche er von einem Fremden, der ein einzige» Mal seinen Lebensweg gekreuzt. „Sie werden trotz alledem frei werden, Julian", sagte Camill. „Ich weiß eS — ich ahne e» — eine ungeheuere Umwälzung wird geschehen und dann werden Sie glücklich sein — dann wird Niemand mehr um Ihr Schicksal «einen —" Er schlug da» Buch zu, in dem er gelesen, und ordnet« mechanisch mehrere Gegenstände im Zimmer. „In drei Tagen wird e» fick enlsckeiden"» sagte Julian. „Und ste wirb komme» —" er schauderte bei dem Gedanken. „Nein, sie wird nicht kommen", sagte Camill. „Tie wird nach Indien geben und Sie — sind frei!" „Frei!" wiederholte Julian. Und plötzlich brach e» leiden schaftlich au» ihm hervor: „Wa» tdue ich mit der kostbaren Freiheit? Was ist sie mir, da» goldene Kleinod, jetzt? E» ist zu spät, zu spät!" „Vielleicht nickt", sagte Camill, indem er sich müde auf den Fenstersims setzte. Julian legte eine Hand auf Camill'« Schulter. „Oh. Sie sind mir ein Freund — ein wahrer Freund — aber e» wird Ihnen dreifach vergolten werden . . „Meinen Sie?" lächelte Camill schmerzlich. „E» kann sein, wenn Sie erst frei sind —" Tie trennten sich. „Wenn ich Nachricht erhalte, Camill. so werde ich kommen — di< dahin kann ich selbst Sie nicht sehen . . „Frei!- dachte Camill. „Sie wird nicht zurückkebrrn —" Wie ein Stick trat ihn der Gedanke bei Tag and Nacht, ob er arbeitete oder rudte — immer wieder. Zuweilen trieb ihn d,e Ungeduld umber, wir «ine Furie — und dazwischen Resa'» Briefe mit Grüße» an May und Julian. Sie schrieb sei» kurzer Zeit ander» al» sonst Er bemerkte es, aber er tonnte nicht hrrau«sta»ea, worin die Veränderung lag. Endlich, nach Verlauf einer Woche trat Julian zum zweiten Male in Camill'» Zimmer. Er lächelte und zog einen großen Bogen eng beschr-edenen Papiere» auS der Tasche. „Ich meine. Sie mit den Einzelheiten de» Inhalte« ver schonen zn dürfen. May v Willow, geborene Welton, schreibt mir, daß sie in ihrem Leben einen schweren Fehler begangen habe — den, mich zu beiraihrn. Ich werde ihrem Glück nickt im Weg« sieden wollen — in der Person eine« Eng länder». Abkömmling« einer indischen Fürstensamilir, bade sie den Mann erkannt, der ihr vom Schicksal bestimmt — May glaubte stet« an Bestimmungen Sir boffr. auch ich werde mich trösten und wa« da» rein formelle Verfahren u. s. w. anbe'rifft — ste meint die Scheidung — nnd hilft sich an- mulbig über diese peinlichen Momente mit „Und so weiter" binweg —, so werde ihr Vater sich mit mir in Verbindung setzen. Und Mr. Welton bat eS grtbaa . . ." „JulianI" rief Camill außer sich, „und diese Frau wollen Sie zwingen, zu Ihnen zurückzukebren?" „Bis auf» Letzie", entgegnet« Julian kalt. „Ich werde binreilen und meine Frau zurückfordern — und wenn Alles umsonst und wenn e» Wahrheit mit jenem Menschen — nun, so — wird May frei fein und ich werde deutsch spreche» mit dem indischen Fürstensobne —" „Inlian — Sie beabsichtigen —" „Einen Räuber zu bestrafen? Ja!" „Julian, Du bist toll", rief Camill, unwillkürlich der ver traulichen Anrede sich bedienend, bi« seitdem zwischen ihnen befteben blieb — „Du bist toll, aber Du hast Reckt". „Und habe ick den Tod davon" — eine Erinnerung stammte in ibm auf. „Du übernimm «» und sage Resa Alle«, aber erst bann, wenn Du Nachricht über mein Leben oder Sterben erhieltest — vorder nicht. — Kehre ich heim, so brauch» ich den Blick nickt vor ihr zu senken." „Uno dann wirst Du glücklich und frei sein", murmelte Camill. Julian bürte «S nicht: er hörte nur di« Sprache seine» eigenen Blute», seine» Willen». „Heute noch komme ich um meinen Urlaub eiu. Spätesten» übermorgen bin ich unterweg» — o Camill, e» ist «ine Er« löfuna. wie r» auch immer enden mag!" „Du telegrapdirst sofort?" „Sofort! Ick — oder ein anderer. Willst Du mich jetzt nach Hause begleiten? Für den Fall meine» Tode» bätte ich Dir verschiedene kleine Vermächtnisse — Wünsche — an» Herz »u legen." „Gewiß", sagte Camill. Und die nächsten Stunden brachte er damit zu, Julian'» letzte Wünsche in seinem Bucke zu notiren. Nur Resa wurde nicht genannt. „Ist daS Alles?" fragte Camill. „Nein — Resa — wenn ich sterbe, sage ihr — Lebewohl. Weiter nichts" „Und wenn Du lebst . . .? „Auch dann!" antwortete Julian fest nnd bestimmt. Sie besprachen noch praktische Dinge, Aeußerlichkeiten. Spät in der Nacht verließ Camill seinen Freund, um zu schlafen, wie letzterer meinte, in Wahrheit jedoch, um den tiefdllstern Wald hinauf und hinab zu irren, und vergeben« um Ruhe zu kämpfen. Am anderen Tage mußte er an Resa schreiben, und wie sollte, wie konnte er da», wenn er nicht ruhig war? Seine Seele war voll zum Ueberströmrn, ibr Jugendfreund war in Kummer und Gefahr, und das Schicksal, da» er so genau zu kennen meinte, verhüllte sich mit dunklen Schleiern. Ja, wenn er ihr hätte schreiben können, wa- sein Herz gen Himmel schrie, waS seine Brust zerriß, wenn eS zwischen ibnen keine trennende Mauer gäbe, aber seine kühlfreundlicken Briefe mit den Plaudereien über seine Arbeit und de» Nach richten aut der Stadl, mit den Grüßen an alle Bewohner der Burg Horst und dem Handkuß für Resa. zu welcher Qual waren sie ihm geworden! Und nun stempelten ihn diese Briese nicht zum Heuchler ihr gegenüber? Er kannte di« Wolke, die an ihrem Himmel aufzog — er kanute ste und heuchelte Sonnenschein! Camill sträubt« sich gegen die Lüge der That. Und dieser erste Brief an Resa seit Julian'» Abschied war da» Werk einer schweren, dunklen Stunde, freundlich «nd gemessen wie immer — doch durch diese Gemessenheit zitterte ei« kaum merklicher Ton der Sorge — unauffindbar uud doch gegen wärtig. So erfüllt zuweilen ein Laut die Luft» ohne daß wir wissen, von wannen er kam, wohin er sich verlor. XVII. „Haft Du gute Nachrichten von Deinem Verlobten, Resa ?" fragte Frau v. Willvw über ihre Zeitung hinweg, nachdem man zehn Minuten lang nur da» Knistern der Blatter gehört. E» war so still gewesen — und Resa't Wangen, di« erst bleich schienen, färbten sich böher — „O sehr gute, danke Mama." Resa la« ihren Brief noch «ia«»l von vor»« an. Da-
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