Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970219025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897021902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897021902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-19
- Monat1897-02
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
5» bi 6. 0. «. 0. 6. U v. V. а. б. 6 v. U 6. 6. 6. br 6. e)k. !^40 >5.40 7,20 .4 30 »-« 0,— >7,20 >7,40 «10 'S,SO ^3,70 >4,30 t4.10 3^° 0 )S,— i«r. z?,3o >8.75 S. 54. 73.50 38.50 15.— 47.40 74- 83,25 43.— SS.20 >.75 1S.SS t.83>, 1.53 z,75 1.3? 07.7S -73- senen 7S-« 63^, 33-. S7'l 27'?.. 2-, 101 3°/° 29»,.. 743.— 518,— S83.- > 31SS 33,30 1'» ks SU» lkscdeu xoiiux- .sriscUs 108.— 98.80 104,— 100,— 88,50 54.80 37.30 50,25 86 50 80.80 138.80 133.30 83,40 134 — 84.— 85,10 3-i. 148.30 103.80 135,10 157,25 123,60 88,80 111.50 304.25 188 SO 176.75 106.50 188 — 133.25 344.— 78,— 370,— 78,25 . 175,— 138.75 !dsr 535 uo 80,— >. 363,50 I- 337,50 4,—» I 215,80 r> 216,15 u 83,40 368,— 185,50 157.— r. k. s 50,35 163.50 166,80 176,80 173,35 111.50 137,75 50,40 Lls, « 0.11). I>tsr .Uss kotters»iu :. vsiuptsr, kottsrN»»,, « »isserl- 8r«me» ov 8u»u»» A3) 8ctIIx »7/3> 7 Vvr Vezugs-PreiS ßtz Her -«ptrxpedttton oder de» d» Ttvibt» »«irk »»d dn, Vororten errichteten Ans- gavestrllrn atgeholt: vtertrljährlich^4^0, »ei ßweimaltger tiglicher Znftellnng m« Hon« »> LLO. D«ch die Post bezöge» für Lentschland Mid Oesterreich: virrreljährtich X Di«te vgltchr Kreuzdandiendung Übst An-tnnb: monnttich 7^0- Lik Nvkge»AsSgvbe erscheint «n V,? Uhr. dl» Lde»^A»-gabe Wochentag- «a 5 Uhr. Lt-artton »nd Lrve-itioa: Johannes,affe 8. Die ExpeMon ist Wochentag« nnunterbrochea geösfnel »oa früh 8 bt« Abend- 7 vhe. Filialkn: vtt« klrmm's Tortim. (Alfred Hahn), UniversitLt-strahe 3 (Panlimnn), Louis Lösche. Katharinenstr. 14, pari, und König-plat» 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Ämtslilalt des Aömglichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6gespaltme Petitzeile SO Pfg. Rrclamen unter dem RedactionSstrich (4ge- spalten) 50^, vor den Faunlieuaachrichten (S gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer und Zifsernfo- nach höherem Tarif. (kytra-Beilagen (gesalzt), nur mit bei Morgen - Ausgabe. ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderuug 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag- 10 Uhr. Borgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz i» Leipzig. Freitag den 19. Februar 1897. 81. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. Februar. Im Reichstage hat gestern da- Cent rum sein Haupt- orgau, die „Germania", im Stiche gelassen. Bekanntlich Halle da- Blatt den Conservativen wegen ihrer Inter pellation über den Stand der HandwerkSorgani- sation--Borlage vorgewvrfen, sie kümmerten sich im Grunde keinen Pfifferling um das Handwerk und bezweckten mit ihrer Interpellation, die einen praktischen Erfolg nicht haben könne, nur Handwerker- und Stimmen fang. Die CentrumSfractivn bat fick, wahrscheinlich um zu vermeiden, daß ihr mit gleicher Münze gezahlt werden würde, diese Vorwürfe nicht angeeignet. Ihr Redner, der Abg. Hitze, beschränkte sich, nachdem der Staarssecrctair vr. v. Boetticher auf die Anfrage deS Abg. v. Levetzow das Erscheinen der Vorlage im Reichstage für die Mitte deS nächsten Monat- in Aussicht gestellt batte, auf die Erklärung, daß seine Partei nach dieser Zusicherung aus die Besprechung der Interpellation verzichte. Das war ein Act der Vorsicht, aber auch zugleich ein Wink für die „Germania", künftig dieselbeVorsicht zu beobachten und dem Centrum nicht den eignen Stimmenfang zu erschweren. Gelebrig, wie die„Germania" ist, wird sw diesen Wink beherzigen. Daß der Abg. Richter die Besprechung der Interpellation beantragte, war zweifel los ein Act der Bosheit. Er konnte voraussebcn, daß der Abg. Ahlwardt nicht verfehlen würde, die Gelegenheit einer solchen Besprechung zu ergreifen und seinen Wiedereintritt in daS HauS durch eine Rede zu feiern. Und das sahen jedenfalls auch die übrigen Herren voraus, die den Antrag Rickter so zahlreich unterstützten, daß er die zu seiner Annahme nöthigen 50 Stimmen fand. So viele Abgeordnete wollten also Herrn Ahlwardt Horen. Aber als er diesen Wunsch erfüllte, zeigte sich der schnöde Undank des HauscS. Daß er auf die Juden in unparla mentarischer Weise schimpfen würde, war vorauszusehen, war selbstverständlich. Deshalb hätte man ihn also nicht verhbbnen dürfen. Und noch weniger wegen seiner langen Abwesenheit. Bei der großen Mebrheit deS Hauses gilt eS ja längst als Tugend, die Sitzungen zu schwänzen und während derselben allerlei anderen Geschäften nachzugeben. Herr Ablwardt müßte daher als der tugendhafteste aller ReickStagSschwänzer angesehen und demgemäß gefeiert werden. Aber Undank ist eben der Welt und daher auch Herrn Ahlwardt's Lohn. DaS HauS schämt sich seiner, selbst seine alten Parteigenossen rücken von ihm ab und möchten ihn loS sein. Wie alle großen Männer ist er jedoch zäh. Er harrt auS und hofft auf die Zukunft, von der er zu seinen alten Lorbeerkränzen neue erwartet. Will daS HauS ihn los sein, so muß es sein Beispiel nachahmen und seinerseits in die Ferien gehen. Es verlautet denn auck bereits, der Reichstag würde seine Tagung nochvorOsternschließen. So leicht wird das allerdings nicht gehen. Noch ein großer Theil der EtaiSberathungen und besonders die zweite Lesung deS MarineetatS, bei der eS jedenfalls zu recht umfänglichen Debatten kommen wird, ist zu erledigen; die Novelle zu den Unfallversicherungsgesetzcn und das Handelsgesetzbuch erfordern noch eingebende Com- missionSberatkmngen, bevor sie die zweite Lesung passiren können; die Vorlage über die Grundbuckordnung, das Sub hast at io nSgesetz und der Entwurf über die Subvention von Postdampfschiffen harren nock der erstenBerathung. Außer- sind außer dem Entwürfe über die Handwerksorganisation noch die Militairstrafproceßordnung und der Ent wurf über den ServiStarif zu erwarten. Das Aus- wanderu ngSgesetz hätte allenfalls noch Zeit, aber die baldige Verabschiedung der angekündigten Novelle zur Invalidität-- und Altersversicherung ist dringend zu wünschen. Daß eine solche Fülle von Arbeit vor Ostern nicht geleistet werden kann, liegt auf der Hand. Sich selbst freilich würde die Mehrheit des jetzigen Reichstags nicht un treu werden, wenn sie, um vor Ablwardt zu flüchten, seinem Beispiel folgte und die Arbeit im Stich ließe. Wie den Agrcirdcmagogcn die demokratisch-sreihändleriscke Hetze gegen das lanvwirtbschaftliche Gewerbe, das höchstens ironisch als nothleivend bezeichnet wird, so sind den M a n ch e st e r l e u l e n die Ueberlreibungen und Aus schreitungen von Vertretern der Lanrwirtbschafl will kommen. Die Einen sehen bei den Anderen, baß allzu scharf schartig macht; daß das Sprichwort bei der eigenen Arbeit nicht beherzigt wird, liegt theilS an fanatischer Selbstverblendung, theils an dem Umstande, daß die Agitation für Viele ein Beruf ist, der, wenn er lohnend bleiben soll, immer steigende Ansprüche an die Beläubungskunst stellt. Wie fatal den Freihändlern auch nur ein leises Anzeichen von Mäßigung bei ibren Gegnern ist, haben sie neuerdings wieder verralben, indem sie sich von der Thatsache un angenehm berührt zeigten, daß in der letzten General versammlung des Bundes der Landwirtbe viel weniger conservative Parlamentarier anwesend waren, als in den Vorjahren. Man hätte eS gern gesehen, wenn die conservativen Führer die Hetzereien der Herren Ploetz, Liebermann von Sonnenberg u. s. w. durch ihre Gegenwart sanclionirt und an den selbstverständlichen Folgen des Übeln Eindrucks, den diese Redner hervor- bringen mußten, nun zu participiren hätten. Tie „Kreuzztg." erklärt nun das Ausbleiben ihrer Freunve mit der Abhaltung durch die Militairetatsdebatte im Reichtage und die Berathung des LehrerbesolvungsgesetzeS in der conservativen Fraktion des Herrenhauses. Erfreulicherweise sind daS Ausreden; das Fernbleiben batte in der That ebenso seine politischen Gründe, wie die „Kreuzztg." ihre Gründe hat, das nicht zuzugeben. Viel ist auf dieses Zeichen der Nicht- idenlificirung mit Herrn v. Ploetz freilich auch nickt zu geben. Die conservative Parteileitung schwankt seit geraumer Zeit in ihrer Haltung zur Bundesleitung, wenn sie nicht gar be wußtermaßen ein zweideutiges Spiel spielt. Aber eS ist auch nickt zu verkennen, daß ihr die reinliche Scheidung groß« Schwierigkeiten bietet, da die Führung des Bundes ausschließ lich couservativ ist. Daß die Bundesmitglieder selbst das nickt überall sind und in manchen Ländern und Provinzen ehrlich an dem Charakter veS Bundes als einer reinen Bcruss- vereinigung festgrhalten wird, bat sich wieder auf der eben in Neustadt a. H. abgehaltenen Delegirtenversammlung der nationalliberaten Partei der Pfalz gezeigt. Alle BundeS- mitglieder, die als Rebucr auftraten, bekannten sich als ge treue Nationalliberale, und sie sind es auch. Die „Franks. Zeitung" und die „Germania" stimmen darin überein, baß sie die Möglichkeit der Vereinbarkeit von nationalliberaler Gesinnung und BundeSzugehörigkeit bestreiten. Sie kennen den Verlauf deS letzten Delegirtemages der national- liberalen Gesammtpartei nicht. Wir haben beim Lesen eines ausführlichen Berichts über die Neustädter Versammlung den Eindruck gewonnen, daß sie im kleineren Rahmen da» getreue Spiegelbild deS Berliner Delegirtentags gewesen. Man gestand sich hier wie dort zu, daß tiefgehende Meinungsverschiedenheiten wirtbschaftlicker Natur beständen, man war auch in der Pfalz einmütbig in der Ueberzeugung, daß jene Gegensätze im Interesse der Köder stehenden nationalen Aufgaben hinuntergewürgt werden müßten. Die „Franks. Ztg." verräih ihre Unkenntuiß des Zustandes innerhalb der Partei noch insbesondere davurck, daß sie schreibt: „Wie groß oder gering diese (in Neustadt wider spruchslos feslgestellle) Einigkeit in der Partei zwischen den Psälzern und der „Nat-Zlg." ist, brauchen wir nicht zu unter suchen." Wer auf dem Berliner Delegirlenkage anwesend war, weiß, daß nicht ein einziges Mitglied der nationalen Reichstagsfraction die „Nationalzeitung" noch als Parteiblatl betrackiet. Darüber war man sich auch in Neustadt klar; im anderen Falle — die Pfälzer machen aus ihren Herzen nickt leicht Mördergruben — hätte man wohl den Gegenstand nicht berührt und der „Franks. Ztg." keinen Zweifel daran ge lassen, daß die Haltung der „Nationalzeitung" eine die Einigkeit der nationalen Partei nicht berührende, weil externe Angelegenheit ist. Noch immer kein Scenenwechsel auf dem kretischen Kriegs- tbester! Abgesehen von dem am Sonntag auf der Halb insel Akrotiri stattgefundenenKampke, scheint es nicht zu größeren Zusammenstößen, wenigstens nicht mit regulären griechischen Truppen, gekommen zu sein. Nur folgende Nachricht liegt vor: * Aanca, 19. Februar. (Telegramm.) Meldung der „Agence Havas". Der österreichijch-ungarilche Biceconsnl in Kandia meldet hierher, daß in Sitia eine Schlägerei slattgesunden habe. Die Behauptung, daß Mohamedaner von Christen niedergemetzelt worden seien, sei falsch, es wären nur einige Christen im Kampfe Zetödtet worben. Ein türkisches Transportschiff habe fünf ver wundete Türken gelandet, die aus Selino gekommen seien und erklärt hätten, daß die Christen dort mehrere Türken ge- tödtrt hätten. Im Innern der Insel setzt Oberst Bassos unterdessen seine Thätigkeit fort, anscheinend ohne auf Widerstand zu stoßen, er occupirt eifrig drauf loS, organisirt, wie gemeldet, eine griechische Verwaltung, ernennt neue BerwaltungSbeamte in Städten und Dörfern und richtet sich bäuSlick ein. In Alben bat der Ministeriath gestern beschlossen, daß Griechen land auf seiner ActionSpolitik besteben solle, und die Regierung wird den Consuln in Kanea eine Weisung senden, dabin- aehknd, daß die vier von den Mächten besetzten Städte nicht zu Gunsten der Türkei besetzt worden seien, daß also diese Städte, wie auch der übrige Theil der Insel griechisches Gebiet seien. Die logische Conscquenz wäre, daß Griechenland die von den Mächten gelandeten Truppen aus „seinem Hause" binausweisen müßte. Nach dieser Richtung hin ist man aber äußerst zurückhaltend und vorsichtig und zeigt sich bemüht, die Occupatio» auf möglichst friedlichem Wege sich vollziehen zu lasten. Man meldet uns darüber: * Athen, 19. Februar. (Telegramm.) Meldung der „Agence Havas". Oberst Bassos hat Len Befehl ertheilt, jeden Zu- sammenstoß mit den Mannschaften der auswärtigen Mächte zu vermeiden und sich zuvorkommend gegen die Fremden und die Muselmanen zu benebmen. Er werde bemüht sein, letztere aus der Insel Kreta zuri,ckz»halten, indem er ihnen Schutz und Achtung vor ihrer Religion Zusage, auch werde er etwaige gegen sie verübte Gewaltthätigkeiten ahnden. Falls die türkischen Soldaten sich ergäben, würde er sie entwaffnen und nach Smyrna senden. Auf Haleppa in der Nähe von Kanea scheint ein Angriff der Griechen geplant gewesen zu sein; denn die fremden Admirale haben Oberst VastoS erklärt, daß sie einen solchen nickt dulden würden. Wie uns gemeldet wird, ist Bassos zu versteben gegeben worden, daß ein Angriff aus Haleppa einen Angriff der vereinigten Flotten auf die griechische zurFolge haben werde. Demnach scheint es nicht in der Absicht der Mächte zu liegen, sich zu Lande, d. l>. aus Kreta selbst, mit Griechenland auseinanderzusetzen. Dies wird nian voraussichtlich den Truppen deS Sultans, die stündlich erwartet werden, überlassen. Von niedreren Seiten wird behauptet, die Mächte würden weder griechische, noch türkische Truppen in de» Kampf gehen lassen. Das ist unS unverständlich. Kreta ist noch immer ein Bestand- tbeil der Türkei, dieser muß es also auch unbenommen bleiben, einen frechen Eindringling auS ihrem Besitze zu verjagen. Sollte sie allein dazu nicht im Stande sein, so hätten ihr die Mächte nicht nur ihre moralische Unter stützung zu gewähren, denn sie haben sich ja nach hundert fachen unzweideutigen Erklärungen dahin geeinigt, daß sie die Erhaltung des türkischen Besitzstandes unter allen Umständen wollen. Wie viel freilich im gegenwärtigen Augenblick noch aus die Einigkeit der Mächte zu geben ist, stebl dahin. Wir ließen gestern schon Zweifel in dieser Hinsicht laut werten, und wir werden in denselben dadurch bestärkt, daß von Berlin aus officiöse, im Wortlaut fast übereinstimmende Communiqu6s in die Blätter gelangt sind, auS Venen hervor- gebt,daß ma» inunseremAuswärtigenAmtewegender Haltung Englands besorgt ist. Hielt die im heurigen Morgenblatk mitgetbeilte Auslassung im „Hamb. Corr." noch an der Hoffnung fest, daß die Harmonie deS europäischen ConcerleS trotz englischer Machenschaften nicht werde gestört werden, so lautet der folgende Artikel der „Nat.-Ztg." schon viel skeptischer: Im Orient deuten verschiedene Anzeichen aus eine neue Ver schiebung der Lage hin, und schon die allernächste Zeit muß Klarheit darüber bringen, ob die bi-hrr so grwiffrahaft be wahrte Einigkeit unter den Großmächten durch da- Hervor- tretrn englischer Sander-Interessen eine Störung erleidet. Wir sagen absichtlich: eia« Stöyvtg; Venn ein eigentliche- Abbrechen der grmeiuschafllichen FtWknsarbeit unter den Cabinetten der festländischen Staaten möchten wir nach wie vor für ausgeschlossen halten. Treibt England jetzt wieder einmal Sonderpolitik, so liefert es nicht nur «inen neuen Beweis für dir Unzulänglichkeit einer auf die Vereinigung britischer und europäischer Interessen gerichteten Politik, sondern es lüftet auch mit eigener Hand den Schleier, der den Ursprung des so höchst eigenthümlichen griechischen Abenteuers umgiebt. Wir haben, als die ersten Nachrichten darüber eintrafen, sogleich die Auffassung vertreten, daß es sich dabei nicht sowohl um einen Angriff ausdieTürkei, alSumeinen Streich gegenden Frieden Europas handelt. Diese Gefährdung des Friedens müßte nothwendig noch ver- schärft werden, wenn eine der Großmächte da- loyale Zusammenwirken mit den anderen aufgeben zn können glaubt. Es würde in dieser Hinsicht auch keinen Unterschied machen, ob da- englische Cabinet die Maske fallen läßt und offen ans die griechische Seite tritt, oder ob man eS in London für angemessener erachtet, sich kn eine pseudo-neutrale Stellung zu begeben. In jedem Falle bleiben die Interessen der Festlands Mächte identisch in der Richtung, daß sie den Versuchen, Europas Frieden zu stören, in voller Ein- müthigkeit enigegentreten werden. Daß England mit den übrigen Mächten über eine „ge- FerrlH-tsir» In -er Irre. 15) Novelle von M. v. Oertzen. Nachdruck verboten. Die Mutter betrachtete ihre Tochter von der Seite und schüttelte den Kopf. Die glühenden Wangen und fieberhaft leuchtenden Augen strömten förmlich Hitze aus — und da» ganze Gesicht war so ander» als sonst — so gar nicht Resa. „Hast Du Kopfschmerzen?" „Nein — ja", sagte Resa ungeduldig. Sie verschanzte sich'hinter einem Vorwand — und der beste Vorwand war der Kopfschmerz, den sie durchaus h«ben sollte. „Sillmann I Halten Sie an der Apotheke", rief Frau v. Willow dem Kutscher zu. Sir bereitete schon in Gedanken einen sehr wohllhätigen Kräuterthre. Resa fühlt« sich Camill nahe — sie ertappte sich darauf, daß sie ihn suchte —; als der Wagen über da- Pflaster rasselte, um die Straßenecken, blickte Frau v. Willow rechts, Resa links i» höchster Spannung auS dem Fenster — die Eine auf die Firmenschilder der besten Kaufladen, di« Andere auf die Vorübergehenden — besonders auf dir Herren, welche groß und schlank waren. Ma» hielt bei verschiedenen Lieferanten. DaS Fieber in Resa'S Adern steigert« sich zur Gluth. „Nun noch zur Apotheke!" Wieder war e- Frau v Willow, die, dort angelanat, den Wagen verließ, um daS Nöthige zu besorgen, und Resa vrr- anlaßte, sitzen zu bleiben. Sie wollte den Apotheker fragen, ob er glaube, daß Resa Influenza bekäme — ob die Krankbeit überhaupt hier wieder auflräte — und ob Antipyrin wirklich ein so gefährliche- Mittel sei. U»d Resa wartete. Der Apothekengeruch schlug bi» zu ihr heraus — ibr Auge irrte umher — plötzlich blieb ,« an einer dunklen Gestalt basten, di« um di« Ecke bog. Ihr Herz pochte laut auf. Sillmann grüßte stolz mit der Peitsche und der Mann, an den fl, die ga»z« Zeit gedacht, stand dicht vor ihr. Sie wollte rufen „Camill I", aber ihre Stimme war erstickt. Wa- war da«? Er hatte die Braunen und di« Equipage von Burg Horst erkannt. Er trat zurück, al« wolle er flieben — in den Schatten eines HauseS — Resa sah ihn erbleichen und stocken. „Camill!" rief sie jetzt wirklich. Sie öffnete den Wagrn- schlag mit ihren zitternden Händen — und der Ruf brachte ihn an ihre Seite. Sein Gesicht — wie fahl, wie krank! Ein Gesicht, wie seine Briefe: Seltsam gemessen, aber doch durchbcbt von einem Etwa», da» Resa sich nicht erklären konnte — von dem Geheimniß! Am liebsten Härte sie hier, auf der Straße, seine beiden Hände ergriffen und ihn gefragt; „WaS hast Du?" Ich leide!" Ja, sie litt. In ihren Augen ruhte eine tiefe, dunkle Pein, die ihm nun entgegenströmte wie ein gewaltiger Vorwuf, eine Anklage. Und Camill senkte seinen Blick vor dem ibren. „Resa!" sprach er stockend. „Wie kommt Ihr — hierher?" „Mama hat Einkäufe zu machen. Sie ist hier in der Apotheke." „O —" er trat näher und faßte Resa'« Hand. „Die nicht — die andere", sagte er und ließ ihre Rechte wieder sinken. An der Linken trug sie keinen Handschuh. Er drückte einen Kuß darauf — „Du hast mir geschrieben", sprach Resa, „aber so kurz —" „Kurz?" Er wurde dunkelrolb. „Willst Du nicht mit uns fahren bis zu Julian? Wir beabsichtigen dort den Thee zu nehmen. O thu' eS, Camill! Ich — habe Dich so lange nicht gesehen!" DaS letzte kam rasch über ihre Lippen, fast als schäme sie sich deS Wortes. „Zu Julian!" sprach Camill, sich aufraffend. „Nein, ich würde Euck nicht ratben, zu Julian zu fahren." „Aber weshalb nichts „Er ist nicht zu Hause. Ich weiß r»." „Aber May ..." „Auch sie ist nicht zu Hause." Die Thürglocke de« Apotheker« läutete heftig. Der Mixtnrendnft wurde stärker, und Frau v. Willow kam au« dem Laden, einige Büchsen und Flaschen in der Hand. „Camill!" rief sie freudig. „Aber mein Gott, bist Du krank? Du bist krr,defadl?" Resa murmelte ein paar Worte, die ihre Mutter kaum verstand. „Nickt zu Hause? Da- ist ärgerlich! Alles ist ärgerlich ... bist Du gewiß, lieber Camill, daß sowohl Julia«, al- auch May au-gegangen sind?" „Ganz gewiß. Julian hat eS mir selbst gesagt, daß er heute — fort sein werde." Resa sab ihn durchdringend an. O daS Geheimniß! Da« Geheimniß seiner Kühle, seiner Traurigkeit! „Begleite uns ein Stück", sagte Frau v. Willow zu Camill. Und ehe er sich dessen versah, saß er auf dem Rücksitz neben Resa, während deren Mutter eine Menge von Schachteln und Kasten neben sich austbürmt. Der Wagen schwankte durch die Stadt. Camill fühlte Resa'S Arm weich an seiner Seite — er fühlte ihn so, daß es ibn schmerzte. Er fühlte ihren heißen Alhem und scklcß die Augen. — Resa ihrerseits empfand den leisen Druck gleich einem Stick, wenn im Rütteln deS Wagen» ihre Schulter die seine berührte. So litt eine» unter der Gegenwart, der Nähe de» andern. Vor der Stadt machten die Braunen Halt, damit Camill auSsleigen könne. „Bleib! Ich habe ja die große Frage noch nicht getban!" wollte Resa ibm zurufen. „Nur einmal Wahrheit! Offen heit! Ich muß, ick will eS wissen, ob Du mich liebst —" So maßen sie sich mit den Augen. Und, fortgeriffen von ihrer Schönheit, der Leidenschaft in ihrem Wesen, die ihm so neu und die er sich nickt erklären konnte, die ein Echo in ihm weckte, das sein Blut sieden ließ, beugte er sich zu ihr nieder und sagte nur ihren Namen: „Resa!" Ein Druck der Hand — „Fort!" rief Frau v. Willow. Resa sank zurück auf ihren Platz. Mir im Traume sah sie neben sich die Schachteln schwanken, über ibr die Baum» zweige — Alle- schwankte — und nur rin Gedanke kehrte »br immer wieder: „Ich werde ihn fragen, warum er mich zu seinem Weibe machen will." Und der Dämon ihre- Innern flüsterte ihr von Neuem in- Obr: „So wird er dich fragen, warum du ihn zum Manne wolltest — und WaS wirst du al-dann ant worten ... ? " XVI7I. Eine Woche später «rbielt Camill folgenden Brief: Ich habe da- HauS meine» Schwiegervater« und in ibm May gefunden. Es ist kein engliche« Hau«, wie Du es Dir denken magst, mit ieinen strengen Sonntagen, dunklen „Udraries" und ernsten Bewohnern, mit Tennisplatz und Park — eS trägt keinen bestimmten Charakter — ebenso wenig, wie das Leben, daS darinnen geführt wird. DaS Erste, was ich in diesem Hause sab, war ein neuer Bobby, der mich wüthend ankläffte. Uebrrall im Flur fanden sich Gegenstände zur Hundedressur, Peitsche, Stachelhalsband, Riemen. May war sehr überrascht, mich zu sehen, wie sie mir versicherte, vnd bat mich mit den Augen, keine Scene zu machen in Gegenwart der Stiefmama, die sie offenbar ebenso sehr baßt, wie fürchtet. Nun, ich war nicht gekommen, Scenen zu machen, und ersuchte sie höflich um eine Unter redung. — O Camill, war dies May? Als sie mit mir allein war und mir einen Stuhl anbot, wie einem Fremden, da über- mannte mich die Empörung — und wäre mir meine Empörung nicht zu schade für sie gewesen, so — doch schweigen mir davon. Sie ist mir fremd. Keine Wunde in mir spricht mehr von ihr. „Du hättest unS dies Wiedersehen ersparen können", sagte sie. „Denn ich kann Dir nicht mehr folgen — ich kann nicht — " „Und wenn ich nun kraft meine-Rechte-Dir befehle —" „Wie willst Du mich zwingen? Wie willst Du mich be siegen — oh, laß uns endigen!" Sie lächelte kalt und hohnvoll. „May!" rief ich. „Du hast Dick geweigert, mit mir zu gehen — gut, so gehe ick allein!" „Allein . . . ?" Sie zuckte die Achseln. „Ich habe Dir angedeutet, daß mein Jugendfreund, der Redjab Anthony KingSley, wieder meine Weg« gekreuzt — daß eine längst vergessene Kinder erinnerung mit einem Schlage erwacht — und wer will mir einen Borwurf daran» machen? Du etwa, der mein Herz verwaisen ließ!" „Borwurf? Es handelt sich um Ernstere», als um Vor würfe — um Deine und meine Pflicht! Um einen Elenden, der eS gewagt, in der Frau, dir meinen Namen trägt, .Kinder- erinnerungen" zu wecken —" „Julian!" rief sie, indem plötzlich ihre Rübe sie verließ, „Du bist ein Stein an Härte! Ich will krei sein — hörst Du, ich will — ich Haff« die Bande, die mich an Dich ketten, ich baffe " Bei diesen Worten stockte sie; denn ein heftiger Klingelzug gellte durch da- Han- und der Hund schlug an —
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite