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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970220029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897022002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897022002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-20
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Gröbere Schriften laut unserem PreiS- verzeichntß. Tabellarischer und Ziffrrnjatz aach höherem Tarif. Extra-Vellage« (gesalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbesörderung M—, mit Postbesörderung ^l 70.—. Tlnnaflmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. «siorgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. Sonnabend den 20. Februar 1897. 81. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. Februar. Die Margarine-Arage hat gestern zwei parlamentarische Körperschaften beschäftigt, da« preußische Herrenhaus «nd den Reichstag. Letzterem liegen bekanntlich gleich lautende Anträge de« CentrumS, der Conservativen und der Antisemiten vor, deren Hauptbestimmungen sind: Kenntlich machung der Verkaufsräume (K I), Verbot der Vermischung von Butter und Margarine (S 2), Färbeverbot (83) und Vorschrift getrennter Verkaufsräume für Orte von 5000 Einwohnern an (H 7). Diese Anträge unter scheiden sich von dem im vorigen Jahre im Reichstage an genommenen, vom BundeSralhe aber abgelehnten Gesetz entwürfe nur dadurch, daß die Vorschrift getrennter Ver kaufsräume aus Orte mit mehr als 5000 Einwohnern beschränkt werden soll. Die Ablehnung jenes Entwurfs durch den BundeSrath erfolgte wegen des FärbeverbvIS und der Vorschrift getrennter Verkäussräume. Es zeigte sich nun gestern im Herrenhause, dessen Mehrheit einen Truck auf die Regierung zur Befürwortung deS neuen Antrags im Bundesratbe ausüben wollte, daß die Antragsteller die Hoffnung hegten, durch die Beschränkung der Vorschrift ge trennter Verkaufsräume auf Orte mit mehr als 5000 Einwohnern die Regierung dem Anträge geneigt machen zu können. Und aus der Antwort des Landwirthschaftsministers v. Hammer- stein-Loxten ging hervor, daß die Herren Antragsteller in dieser Hoffnung sich nicht getäuscht haben. Die preußische Regierung ist, da sie die Frage des Färbeverbotes durch die Auffindung eines unschädlichen Färbemittels aus der Welt schaffen zu können hofft, bereit, den Margarine- Gegnern die Viertel-Million von Leuten, die an Orten mit mehr als 5000 Einwohnern im Kleinverkehr Handel mit Margarine treiben, zu opfern und ihnen die Vorschrift getrennter Verkäussräume aufzuerlegen. Herr v. Hammerstein erklärte nämlich: „Im Reichstage wurden (im vorigen Jahre) zwei sehr wesentliche Verschärfungen des Gesetzes vorqenommen. Einmal war das die Beschränkung des Verkaufs auf getrennte Locale. Die Frage ist durch den gegenwärtig dem Reichstage vorliegenden Antrag erledigt, insofern als die Verkaussbejchränkung nur die Städte von über 5000 Einwohnern treffen soll. Wir zweifeln keinen Augenblick, daff die preußische Regierung in Bezug auf diesen Puct ihren Widerspruch fallen lassen wird, wie mein Commissar das ja auch bereits in der Commission erklärt hat. Ter zweite Dlsserenzpunct, der zwischen de» ver- büudeten Regierungen und dem Reichstag bestand und noch besieht, bezieht sich auf das Färbeverbot. Diese Frage ist eingehend und reiflich erwogen worden. Einmal waren die verbündeten Regierungen der Auffassung, daß dieses Verbot über den von mir gekennzeichneten Rahmen des Gesetzes hinausgeht; andererseits war man nicht im Zweifel darüber, daß die Einführung eines solchen Fürbeverbots dem Interesse der Landwirthschaft wahr- scheinlich nicht entspricht ; denn es ist sestgestkllt, daß durch die Ver- Wendung exotischer Oele, die einen sehr reichen Farbstoffgehalt haben, zur Herstellung der Margarine eine Färbung derselben erreicht werden kann, die vollständig der Butter ähnlich ist. Drängt man also zu dem Färbeverbot, jo wird die Margarineiabrikation an Stelle der jetzt von derpLaudwirthschast erzeugten Fette diese exo- tischen Oele mit ihrer Natursärbung verwenden. Die Schädigung der Landwirthschaft liegt also aus der Hand. Ich habe mit Freude vernommen, daß die Commission mit Befriedigung die Erklärungen memeS Commisjars zur Kenutiilß genommen hat; denn hierunter fällt auch die Erklärung desselben, daß die preußische Regierung das Färbeverbot nicht annehmen kann. Ich schließe daraus, daß Ihr Antrag, die preußische Regierung zu ersuchen, daß sie dem jetzt dein Reichstage vorliegenden Anträge zustimme, nicht die Absicht hat, unbedingt das Färbeverbot aufrecht zu erhalten, sondern daß Sie auch mit einer latenten Färbung zufrieden iein würden. Dir Untersuchungen tm ReickSgesundheitsaMt sind jetzt einen wesentlichen Schritt weiter gekommen al» früher. Sie haben rin Präparat als vollständig dazu geeignet ergeben, «ine latente Färbung ohne Schädigung der Brichaffenheit der Margarine und ihres äußern Aussehens zu bewirken. Im Reichstag wird der Gesetzentwurf jedenfalls wieder an die Commission verwiesen werden und in dieser wird der Antrag auf Einführung der latenten Färbung gestellt werden. Wird dieser Antrag angenommen, so sind alle Schwierigkeiten überwunden." Die preußische Regierung wird sich also im BundeS- rathe dafür aussprechen, daß in Orten mit mehr als 5000 Einwohnern Butter und Margarine nur in getrennten Verkaufsräumen feilgeboten werden dürfen. Ob der Bundesrath diesen halben Umfall der preußischen Regierung mitmachen werde, siebt allerdings noch nicht ganz fest; denn im Reichstage äußerte sich der Slaatssecretair l>r. v. Boetticher über die Frage der getrennten Verkaufs räume etwas reservirter, als Herr v. Hammerstein sich vorher im Herrenhause geäußert halte. Herr v. Boetticher erklärte nämlich, nachdem er über das neue Färbemittel, das den reizenden Namen „Dimethylamivoazobenzol" trägt, einige Mittbeilungen gemacht halte, Folgendes: „Die zweite Bestimmung, die im vorigen Jahre den Stein des Anstoßes bildete, war das Gebot getrenn terBerkaufsräume. Im Laufe der Zeit sind nun doch erhebliche Bedenken dagegen aufgetaucht, die sich namentlich auch im Interesse der Buttrrpro- duction erheben lassen, ob die vollständige Durchführung eines solchen Verbots wirklich im Interesse der Landwirthschaft liegen würde. Ich höre auch, daß in landwirthschaftlichen Kreisen man inzwischen sehr zweifelhaft geworden ist. Ich kann Sie nur bitten, den Gedanken fallen zu lassen, daß das Verbot sür das ganze Reich und ohne Unterschied der Größe der Orte durchgesührt wird." Immerhin ergiebt auch diese Aeußerung, daß dem Klein handel mit Margarine in Orten mit mehr als 5000 Ein wohnern eine Gefahr droht, die Jeder ermessen kann, der sich vergegenwärtigt, wie hoch der Micthpreis von Verkauss- localen in solchen Orten ist. Von der moralischen Benach- theiligung der Verkäufer, die einer überaus lästigen Controle unterworfen werden würden, wollen wir ganz absehen. Aber ganz zweifellos führt oie Höbe diese« Preises dazu, daß eine sehr großeZahlvon Verkäufern lieberauf den Verkauf von Butter ver zichtet, als zur Einrichtung eines besonveren Locales für diesen Verkauf sich entschließt. Mit den Verkäufern würden also auch jene Landwirlhe geschädigt werden, die an solchen Verkäufern ständige Abnehmer hatten. Mögen sie daher mit den Händlern sich über Eingaben an den Bundesrath einigen, damit dieser in seiner Mehrheit fest auf dem vorjährigen Beschlüsse bleibt und wie damals die Vorschrift getrennter Verkäussräume für alle Orte ablehnt. Als unlängst Graf Mirback auf die Schwerhörigkeit des Rrichstagspriifipenten v. Buol anspielte, wurde Vieser „Scherz" auch in solchen Kreisen, die dem Grafen Mirbach politisch näher stehen als dem Präsidenten, mit Recht als mindestens unpassend angesehen und bezeichnet. Denn im Reichstage ist der Präsident die Verkörperung der Würde des Hauses und jeder Abgeordnete verletzt diese Würde und sich selbst, wenn er den Präsidenten verletzt. Die öffentliche Meinung aber steht dem Präsidenten nnabhängiger gegenüber, als die Abgeordneten. Und da muß denn doch gesagt werden, daß jene Schwerhörigkeit sich wiederholt und in den letzten Tagen wieder sehr störend bemerkbar gemacht hat. Der Abgeordnete Ahlwardt hat am DonnerSlag eine Be merkung gemacht, für die er einen Ordnungsruf verdiente; er hat dann am Schluffe der Sitzuna diese Bemerkung in einer verschärften Form wiederholt. Den Ordnungsruf für die erste Bemerkung erhielt er erst, nachdem der Abg. Richter den Präsidenren auf das Unzulässige der Bemerkung Ahl- wardt's aufmerksam gemacht hatte, der Ordnungsruf sür die zweite Bemerkung wurde ihm gar erst gestern zu Tbeii, nach dem der Präsident das Stenogramm eingesehen halte. Dazu ist zu bemerken: 1) Der Ordnungsruf verliert an Wirkung, wenn er der zu ahndenden Bemerkung nicht auf der Stelle folgt. 2) Die Verzögerung des Ordnungsrufes birgt die Gefahr in sich, daß der ungehörigen Bemerkung sich eine turbulente Scene anschließt, weil ev. der Angegriffene die Wahrung seiner Rechte, die vom Präsidenten nickt rasch genug geschützt werden, selbst in die Hand nimmt. 3) Es ist einem Abgeordneten unter Umständen nicht immer angenehm, einen Colleaen wegen ungehörigen Benehmens beim Präsidenlen gewiss rmaßen denunciren zu sollen. 4) und vor allen Dingen, der Präsident ist eben dazu da, selbst und ohne Beihilfe von Abgeordneten dieWürde deS Hauses zu wahren. In einem Parla mente kommt eS darauf an, Reden zu überwachen, und deshalb kann der Präsident jedes andere körperliche Gebrechen eher haben, ohne dadurch seiner Stellung nicht gewachsen zu sein, als Schwer hörigkeit. Da daS gegenwärtige Parlament sich ohnehin nickt eines übermäßigen Ansehens erfreut, so sollte der Prä sident die Consequenz aus seinem Leiden ziehen. Denn es fehlt nicht an Beispielen dafür, daß Scenen, die der Würde des Hauses Abbruch tbalen, infolge der Schwerhörigkeit des Präsidenten über Gebühr sich ausvehnen konnten. Es ist nie bezweifelt worden, daß Präsident von Buol sich derselben Unparleilichkeit befleißigt, wie seine Vorgänger, aber schon weil diese nicht an dem Gebrechen deS Herrn von Buol litten, war das Präsidium bei ihnen in besseren Händen. Im Auswärtigen Amt in Berlin haben in diesen Tagen Be sprechungen über die von uns seiner Zeit berichtete wider rechtliche Deportation des Suahalis Said ben Achmed in Lamu, eines Angestellten des bekannten deutschen Afrikareisenden GustavDenhardt, stattzefunden. DerLetzlere hat zu Protokoll gegeben und an der Hand von Documenten nachgcwiesen, daß Said ben Achmed zur Zeit seiner Ver haftung und Deportirung tbatsächlich in seinen Diensten gestanden und folglich England gegen den Vertrag zwischen Deutschland und Zanzibar vom Jabre 1885 verstoßen hat. Im Artikel 97 dieses Vertrages ist ausdrücklich vereinbart worden, daß Eingeborene, die im Dienste eines Deutschen stehen, der Gerichtsbarkeit des deutschen Reiches unterliegen. Man darf demgemäß jetzt erwarten, daß die deutsche Regierung bei der englischen Wege» jenes Uebergriffs ihres Beamten, des Viceconsuls RogerS i» Lamu vorstellig werden und die Freigabe Said ben Achmed's verlangen wird. „Wir müssen", schreibt die „Post", der wir diese Mittheilung entnehmen, zutreffend, „bei dieser Gelegenheit die Hoffnung aussprechen, daß auch die anderen Gewaltthätigkeiten, die sich Rogers in neuer Zeit Deutschen gegenüber erlaubt hat, nachdrücklich zur Sprache gebracht werden und Genngthuung sür sie gefordert wird. Die HandlnugSweise Rogers' — wir erinnern unter Anderen nur an sein jedes Gerechtigkeitsgefühls spottendes Verhalten gegenüber dem inzwischen verstorbenen Sultan Fumo Omari von Witu und dessen nächsten zur Thronfolge berechtigten Verwandten — bat nickt allein bei den Deutschen, sondern gleichmäßig auch bei allen anderen in Ostafrika lebenden Europäern, von den Eingeborenen ganz zu schweigen, den größten Unwillen erregt und allgemein die abfälligste Benrtheilung gefunden. Das Gefühl der Rechtsunsicher- jeit und Schutzlosigkeit der deutschen Reichsange hörigen, die Interessen im Witulande haben, ist infolge der brutalen Gewaltthätigreit der Engländer so groß geworden, daß kein Deutscher mehr wagt, seine wohlerworbenen Rechte im Witu lande selbst auszuüben. Angesichts dieserThatsache wird man er warten dürfen, daß die deutsche Regierung jetzt ernstlich der Lösung der Witufrage näher tritt. Wie wir hören, werden Anfragen über ihre Haltung in dieser Angelegenheit >ei der zweiten Lesung des Colonialetats im Reichstag gestellt werden. Das sehr energische Eintreten der Colonialfreunde bei der vorjährigen Colvnialdebatte ini Reichstag, wo der Abg. Hasse diese Angelegenheit eingehend darlegte, hat bekanntlich schon zur Folge gehabt, daß die ini Gebiete des Sultans von Zanzibar lebenden Deutschen vom Juli vorigen JahreS an wieder der deutschen Gerichts barkeit unterstellt und damit der ihnen keinen genügenden Sckutz bietenden englischen Gerichtsbarkeit entzogen worden sind. Daß ein Gleiches auch für die Deutschen im Sultanate Witu burchgesetzt wird, würde nur dem Ansehen und der Würde deS deutschen Reiches entsprechen. Nach den sehr entgegen kommenden uud wohlwollenden Erklärungen, die der Direclor der Colonialabtheilung über dir Witu-Aiigelegenheit voriges Jabr im Reichstag abgegeben hat, Erklärungen, die an scheinend den Beifall des ganzen Hauses fanden, können wir uns wohl der Hoffnung hingeben, daß von den NeichS- behörden alles Mögliche geschehen wird, um Entschädigung für die frühere und jetzige Verletzung deutscher Interessen durchzusctzen." Infolge der Haltung Englands in der kretischen Krage ist diese nicht nur abermals in eine neue Phase getreten, sondern, wie die „Jtalie" sagt, in eine Sackgasse gerathen, falls die übrigen Mächte England gegenüber nicht fest Zu sammenhalten. Lord Salisbury hat erklärt, und zwar, wie wir heute hinzufügen können, in der streng amtlichen Form einer Circularnote an die Mächte, daß England erst dieFrage der Zukunft Kretas gelöst wissen wolle, ehe es zu irgend welchen Maßnahmen gegen Griechenland seine Zustimmung gebrnkönne. Nun wird auch klar, weshalb die englische Regierung die von Deutschland vorgeschlagene Blockirung de« Piräus al« „ver früht" bezeichnet hat. Da« ist ein Meisterstück echt englischer Geriebenbeit und unehrlicher Verschlagenheit. Offen und direct wagt man sich nicht von gemeinsamen, die Sache vom Fleck bringenden Maßregeln auszuschließen, Wohl aber sucht man solche überhaupt unmöglich zu machen, indem man Principienfragen dazwischen wirft und in den Vorder grund rückt, für deren Lösung logischer Weise noch alle Vorbedingungen fehlen. Der Stanbpunct der deutschen Regierung, daß vor allen Dingen der von Griechen land begangene VölkerrrchtSbruch ausgeglichen werden muh, ehe an die Prüfung der griechischen Ansprüche auf Kreta herangetreten werden kann, ist der allein richtige und vernünftige. Sucht England sich über denselben hinweg zusetzen, so bekundet es damit eben, wenn auch verhüllt, leinen Willen, den Friedeiisplan der Mächte zu durchkreuzen. Man wende dagegen nicht ein, daß ja wiederholt englische Kreuzer griechische Transportschiffe an der Landung auf Kreta gebindert haben. Der principiellen Erklärung Lorv Salisbury s gegenüber kommen dergleichen Emzelfälle, welche nach Art englischen Doppelspiels einen etwa Angesichts de« Zusammenhalten« der übrigen Facloren doch noch Ferrttlctsi,» o Lin Frauenherz. Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Emil Bernfeld. Nachdruck verboten. I. „Zu Hilfe! Polizei! Hierher!" „Helft! helft! Ein Arzt! Lord Timburh ist verwundet!" Schreckensbleiche Diener stürzten herbei, Befehle. Rufe tönten durcheinander, eine Menschenmenge begann vor deni Hause zusammenzuströmen. Das prächtige Gesellschafts zimmer Major Lester Willmor's, das noch vor wenigen Augenblicken im strahlenden Lickt seiner Lüstres und Giran- dolen, durckströmt vom Duft seines reichen, fast den ganzen Tisch bedeckenden Flors köstlicher Warmhauspflanzen, von dem fröhlichen Lachen und Plaudern der Gäste widerhallt hatte, schien in ein Trümmerfeld verwandelt. Scherben von Glas und Porzellan, Kalkstücke, umhergeschleudrrte Gebrauchs- gegenstände, umgcworsene Stühle bedeckten den Boden. Die Mauer nach dem Innern des Hauses hin war an mehreren Stellen geborsten und an ibrem einen Ende ringestürzt, so daß die Lücke, die einen wüsten Haufen Schutt in de» Saal geschleudert hatte, einen Blick in den unheimlich gähnenden Raum des dahinter liegenden unerleuchteten Gemachs ge stattete, in den sich gespenstig ein bleicher Strahl de« Mondes stahl. Sämmlicke Fensterlcheiben waren zersprungen, die Glocken der Gasflammen, das Krystall der Gläser, Karaffen, Frucbtschaalcn in Stücke zersplittert. Der Schauplatz war Dublin, die Gesellschaft den vor nehmsten Kreisen der irischen Hauptstadt angehörig »nd die Explosion, obwohl zum Glück daS Gesellschaftszimmer nur streifend und dort weniger Unheil anrichtend, als zu erwarten gewesen, batte sie nicht verschont. Mr. Lovett Warde. hervor ragende» Parlamentsmitglied; seine liebliche junge Frau, die heftig gegen eine der Wände geschleudert worden war. an der sie entsetzt, verstört, halb ohnmächtig und mit ausgelöstem Haar, da« ihr durch den Stoß aus allen seinen Fesseln ge gangen, lehnte; Miß Blessington, eine ältere unverbeirathete Schwägerin deS Gastgebers, die au» mehreren Glasschnitt wunden am Arm und an den Händen blutete; Major Will- mor, der Hausherr stlbst, den einige Steinstücke von der einstürzenden Mauer getroffen; seine reizende Tochter Mar garet, die unbestrittene, angebetete Königin der Gesellschaft, die jetzt ohnmächtig in den Armen ihres Nachbars Stephen Grey von Grcvstone Abtei lag, Ver die Fallende aufgefangen, — sie sämmtlick und noch einige Andere batten mehrfache, leichtere oder ernstere Schnittwunden oder ähnliche Ver letzungen davongetragen. Der bleiche, schmächtige, zartnervige, junge Lord Timbury lag unterm Tisch, aschgrau im Gesicht, die Augen geschloffen, ohne sich zu regen, und stöhnte. Tom Blessington, der Neffe des Hausherrn, einer der wenigen unverletzt Gebliebenen, zog mit Mühe den Lord unter dem Tisch hervor, richtete» neben ibm knieend, seinen Oberkörper empor und betastete seine Glieder. „Kommen Sie zu sich, Mylord, öffnen Sie die Augen!" mahnte er. „Sind Sie verwundet?" „Ja!" stöhnte der Gefragte. „Wo denn?" „Ich glaube — überall!" stöhnte der Lord. „Zum Teufel, wenn es weiter nichts ist, als daß Sie überall verwundet sind, lassen Sie mich ungeschoren! Richten Sie sich ans, Lord. Sie sind nur erschrocken!" „Lanolin ist sehr gut!" sagte der Lord kläglich, sich müh sam in eine sitzende Stellung emporrichtend. „Ich habe immer ein Büchscken mit Lanolin bei mir.- Bitte, suchen Sie eS aus meiner Tasche heraus und reiben mich damit ein!" „Einen Stuhl her — sie kommt zu sich!" dröbnle in diesem Augenblick die sonore Stimme Stephen GreyS durch den Raum. Aller Augen richteten sich auf ihn. Er stand aufrecht in der Mitte des Gemachs, die schöne Margaret Willmor, die Tochter de« Major«, noch umscdlungen haltend, die ohn mächtig m seinen Armen lag. Sie hatte daS Gesicht mit den Händen bedeckt und sein Arm hatte sie so umfangen, daß sie in dieser Haltung verblieben war. Sie erbolte sich jetzt, richtete sich empor und »ahm die Hände vom Gesicht. Ihr Antlitz war bleich, zwei schmale kleine Blutstreifen zogen sich über die zarten Wangen herab, mit weit aufgerissenen, ver störten Augen starrte sie vor sich hin. „Es ist so dunkel hier — so finster! Zündet Licht an — ick fürckte mich!" rief sie in leisem, bangem Ton, der die allgemeine Aufmerksamkeit mehr fesselte, als in dieser Situation ein gellender Angstschrei getdan haben würde. E- war bell in dem Zimmer; die meisten Gasflammen waren brennend geblieben, und Stephen Grey sagte es ihr, sanft, sogar zärtlich, mit bebender Stimme, in einer bangen Vorahnung eeS schweren Geschicks, das sie getroffen. Sie machte sich von seinem Arm frei, der sie noch umschlang, und stand allein, bleich und zitternd, mit de» weit aufgerffsenen, einst so schönen, seelenvollen blauen Augen wirr umberstarrend, während die beiden schmalen rvthen Streiscben auf ihren Wangen langsam einzelne Blutstropfen auf ihre Brust und ihr Kleid herabfallen ließen. Ein Moment des Schweigens, der die Nerven Aller auf das Aeußerste anspannte, sie mit einem dumpfen Vorgefühl erfüllend, das ibnen, sie wußten selbst nicht was, sagte, ob wohl der Schrecken Jeden alles denkbare Unheil ahnen ließ — dann brach das Entsetzliche laut, jäh, verzweiflungsvvll aus dem Munde des jungen Mädchens hervor. „Vater — wo bist Du?" schrie sie im höchsten Weh auf. „Ich kann Dich nicht sehen, Vater — ich sehe nichts — o, Vater, Vater, ich bin blind!" * Man hatte die unglückliche Margaret auf ihr Zimmer geschafft und auf ibrem Lager gebettet; Dienerinnen waren um sie beschäftigt, ärztliche Hilfe berbeigebolt. Poliz-i, Aerzte, Diener waren auch in dem Gesellschaftszimmer zur Stelle. Den Verwundeten wurden Verbände angelegt, die uniberliegenden Trümmer beseitigt, Stä'kungSunttel sür die Erschreckten und Verletzten beordert. Lord Timbury, der nach der Apotheke geschickt und sich noch eine ganze Serie BüchSchen mit Lanolin batte holen lassen, wankte bleich umber und offerirte den Damen von seinem Vorrat!», von Stolz geschwellt, wenn er hier und da dem Ruf eines der Samariter folgen durfte, ein Sckächtelchen seines Haus mittels in dessen Hände niederzulegen. Die Empfindungen Lord Timbury's schwankten zwischen Stolz und Nerven erschütterung wie das Goldblättchen in einem Elektroskop, wenn eS nicht weiß, ob cs der positiven oder der negativen Elektricität nachgeben soll, unter deren Einfluß es zappelt. DaS HauS, gegen welches da» Attentat, al« ein solches konnte eS nur angesehen werden, verübt worden war, lag in der Merrion-Street von Dublin und war Besitztbum des MajorS Lester Willmor, der sich durch sein politisches Auf treten den Haß der revolutionaire» irischen Partei mit ihren fanatische», schonungslos gewaltthätigen Gcbeimbünden zu- gezogrn hatte. Ob man es bei dem Verbrechen mit einem politischen Racheact dieser Partei oder einer Tbat privater Feindseligkeit zu tbun batte, war im Moment nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Zunächst sprach allerdings der Anschein dafür, daß erslereS der Fall war. Major Äillmor batte im Lause der verflossenen Monate mebrsach Droh briefe des gefürchteten geheimen ExecutionScomitäs der Fenier erhalten, sich jedoch nicht dadurch in dem Vertreten seiner poli tischen Richtung beirren lassen und nur die Vorsicht gebraucht, die Aufstellung eines Constabelpostens vor seiner Tbür zur Ueberwacbung des Ein- und AuSgangeS des HauseS zu ver anlassen — auS Fürsorge für Vas Wohl seiner Tochter, nicht um s iner eigenen Sicherbeit willen. Noch am heutigen Nachmittag war ihm, wie er erzählte, von befreundeter Seite der bringende Rath ertheilt worden, sehr auf seiner Hut zu sein und lieber das Land auf einige Zeit zu verlassen, da sich die Tliätigkeit des fenische» Executionscomitös neuerdings wieder lebhaft rege. Allein er batte, entschlossen, Nichts in der Welt einen Einfluß auf sich zu gestatten, der auch nur wie ei» Schimmer erfolgter Einschüchterung erscheinen könne, die Sache lachend von der Hand gewiesen, und Niemand wäre im Stande gewesen, in dem in bester, heiterster, unbe fangenster Stimmung befindlichen Herrn deS Hauses einen Mann zu erkennen, dem wenige Stunden vor dem fröhlichen Zusammensein der Gesellschaft eine solche Warnung ertbeill worden war, die schwere, ibm drohende Gefahren verkündete. Major Lester Willmor war Witlwer und lebte mit seiner Tochter, der »eunzebnjäbrigen Margaret, oder „Margot", wie man sic zu nennen pflegte, allein. Sie war sein einziges K nd und der Abgott seines Lebens, wie der Abgott »och zweier anderer Personen und mindestens der gefeierte Liebling Aller, die sie kannten. Die erwähnten „anderen beiden Personen" waren Stephen Grey und ihr Vetter, der elegante junge Dandy und Sansewind Tom Blessington. Mr. Stephen Grey, Besitzer der großen GutSbcrrschaft Greystone Abtei, war ein Mann, der di« Grenze der ersten Jugend überschritten hatte und den Eindruck »lackte, als ob noch Mehr als nur die Zahl der Jahre seine Züge in so ernste, ja zuweilen selbst düstere, kummervolle Falten gelegt. Sein dunkles Haar zeigte, obwohl er erst da« acktunddrcißigste Jahr erreicht, an den Schläfen ein leichte» Cilbergrau, und sein Auge, das in seinem ernsten, aütigen Blick so warm sympatbisch berührte, Linien in seiner Umgebung, die nur erduldetes Leid gezeichnet haben konnte». Er war vor ungefähr zwei Jahren durch Erbschaft in den Besitz von Greystone Abtei gelangt batte vor einigen Monaten die Be- kanntichaft Major Willmor's und seiner Tochter gemacht und war zum ersten Mal in seinem Leben, so viele Jünglings- und Mannesjahre auch schon hinter ibm lagen, der Alles überwältigenden Macht einer wahren, inn-gen, heißen Liebe verfallen. Die schöne, liebliche Margaret Willmor hatte sein
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