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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970222022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897022202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897022202
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-22
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13öS Frieden auf- Schwerste gefährden würde. Wie wir schon früher auSführtrn, würde der Uebergang der MinoSinsek an Griechenland caS Signal für die kleinen Balkanstaaten sein, auch ihrerseits „berechtigte" Ansprüche an Tbeile der europäischen Türkei geltend zu machen. Hierzu werden in Belgrad, Sofia und Bukarest schon Borbereitungen getroffen, die man vergeblich officiöS zu bemänteln sucht, und in einem Augenblick kann der ganze Balkan in Flammen stehe». Diesen Brand zu löschen, wird aber der diplomatischen StaalSkunst noch weniger gelingen, als Griechenland Raison zu lehren, ja bei der unmittelbaren Betheiligung Oesterreichs und Rußlands an den Borgängen aus der nördlichen Balkanhalbinsel wäre die Aufrechterhaltung der Einigkeit unter den Mächten kaum noch zu ermöglichen. Daß aber noch ganz andere Ber wickelungen die Folge sein können, sieht man aus der folgenden Nachricht: * Rom, 21. Februar. Die Concentrirung der Seemacht bei Sicilien für die Eventualität einer Expedition nach Tripolis ist vorbereitet. Man sieht: überall halte» die „historischen Ansprüche" auf Fetzen des ottomanischen Reiches sich bereit, sich Geltung zu verschaffen, sobald die Griechen ihren Theil bekommen haben. Außerdem aber würde, falls Griechenland freie Hand gelaffen bliebe, die Autorität der europäischen Mächte auf immer dahin und ihre Mission in Konstantinopel zu Ende sein. ES wäre daher nur aufs Tiefste zu bedauern, wenn Deutschlands Borgehen bei der Gesammtheit der übrigen Mächte — mag auch England, waS aber noch zweifelhaft ist, andere Wege einschlagen — keinen Anklang fände. Wie ein Berliner Blatt zu der Befürchtung gelangen kann, Deutsch lands prononcirte Stellungnahme könne demselben, falls eS isosirt bleibe, von Schaden sein, ein Schade, den eS sich ohne Noth zufüge, da eS nicht in erster Linie betheiligt sei, können wir nicht verstehen. Bei den beiden von der deutschen Reichsregierung bisher gethanen Schritten handelt es sich lediglich um eine Fried enSsa che im hervorragendsten Sinne, um einen Versuch, die Lage zu klären, den Knäuel zu ent wirren und jeder schlimmeren Eventualität vorzube^en. Gelingt der Versuch nicht, so involvirt das doch nicht im Entferntesten eine Schädigung unseres Prestiges und wir haben höchstens bei den jenigen Faktoren, Venen an einer Störung des Friedens gelegen ist, England und Griechenland, die Sympathie verloren, die wir bei ihnen nie besessen. Dabei ist es durchaus noch nicht aus geschloffen, daß Deutschlands Vorschläge doch noch durch dringen, und dies umsomehr, als die Notbwendigkeit einer Beschießung des griechischen Lagers vor Kanea durch die fremden Schiffe den Mächten die Lage in ihrem ganzen Ernst gezeigt hat. Abgesehen von der Blockade des Piräus, scheint auch England einlenken zu wollen. DaS Reuter'sche Bureau in London verbreitet nämlich folgende auS Wien datirte Meldung: Dem Vernehmen nach herrscht in den maßgebenden Kreisen Londons, obwohl die britische Regierung nicht geneigt ist, einer Blockade des PiräuS zuzustimmen, andererseits tvenjig Neigung, dir gegenwärtige Lage zu accepttren. Abgesehen von der Erwägung, daß rin solches Acceptiren andere kleine Staaten ennuthigen könnte, zu ähnlichen Methoden zu greifen, dir das ganze östliche Europa in Flammen setzen könnten, wird Griechenland alS völlig ungeeignet für seine selbstaofrrlegte Mission betrachtet. Griechenland, daran hält man fest, besitzt keine besondere Fähigkeit dafür, Kreta zu regieren, und es fehlt ihm speciell an dem zur Errichtung seiner Herrschast nöthigen Gelbe. Es heißt, di« britische Regierung heg« deshalb den lebhaften Wunsch, Griechenland zu bewegen, von seinen Plänen in Kreta abzuftehen, ohn daß England einen übermäßigen Zwang ausübe. Aehuliche Vorstellungen sind auch noch von anderen Seiten im Gange, und in Wiener diplomatischen Kreisen glaubt man. daß König Georg sich doch noch dahin bescheiden werde, daß Kreta thatsachlich zwar dem Machtbereich der Pforte entzogen wird, formell aber bei der Türkei bleibe und daß ein« solche Lösung der Frage ihn zur Zurückziehung seiner Truppen veranlassen werde. Biel Hoffnung auf eine Abkühlung de- griechischen Fieber- ohne Anwendung drastischer Mittel haben wir freilich nicht. In Belgien ist der öffentlichen Moral durch einen Sieg des Ministerium- in der Frage wegen der öffentlichen Hazardspiele ein arger Stoß versetzt worden. Man schreibt dem „Hamb. Corr." auS Brüssel darüber: Dank den Bemühungen des Ministerpräsidenten ist folgendes erbauliche Abkommen endgiltig mit dem Senat zu Staude gekommen. An öffentlichen oder dem Publicum ge öffneten Orten sind alle Hazardspiele, Bankspiele, Spiele mit Geldeinsätzen und Wetten verboten. Zuwiderhandlungen werden mit Geld- und Gefängnißstrafen (8 Tage bis 6 Monate) geahndet. Mit denselben Strafen werden diejenigen belegt, die irgendwo und unter irgend welcher Gestalt Hazardspiele einrichtrn, betreiben, auSbeuten. Die Strafen werden verdoppelt, wenn e- fich um gewohnbeitSmäßige Spiele, um Mißbräuche der Bedürfnisse, der Schwäche, der Leidenschaften der Spieler handelt. Dieselben Strafen erhalten die Vermittler bei Spiel operationen, diejenigen, welche ihre Locale dazu hergeben oder durch Anzeigen, Anschläge oder sonstwie Personen, die Hazard spiele betreiben, und die den Hazarbspielen dienenden Locale bekannt geben. Alles das ist wunderschön, aber das dicke Ende kommt nach. Iu Ostende und Spaa bleibt dasSpiel erhalten. Der Staat, nicht mehr die Gemeinde, ertbeilt auf ein Jahr giltige Spielconcessiouen, für welche 300 000 Francs bis 500 000 Francs an die Hilfscassen für die In validen der Arbeit abzuliesern sind. An den Spielen der amtlichen Spielcluds können nur die als Mitglieder Aufgenommenen, die ihren von den Spielclubs fest gesetzten Beitrag gezahlt haben, Theil nehmen. Die Spiel- clnbs unterstehen nach ministerieller Anweisung behörd licher Aufsicht. Endlich bleiben alle wirklich privaten Spielclubs im Lande geduldet, erhalten aber eine behördliche Regelung des Spielens. Also: es wird fortab in Belgien von Staatswegen gespielt! Belgien reiht sich würdig Monaco an. Und da nach der Versicherung des Ministerpräsidenten die Spielhöllen in Oft ende und Spaa nur der Ausländer wegen ausrecht erhalten werden müssen, es sich also um deren Ausbeutung im Interesse Belgiens bandelt, so müßte man sich diese Moral im Aus lande merken. Die Deutschen müssen die belgischen Spiel bäder, in denen Industricritter die Hauptrolle spielen, meiden. DaS ist die beste Antwort auf diese absonderliche klerikale belgische Moral. Um die Angriffe der Sociaiisten abzuwehren, sollen die Invaliden der Arbeit aus den Spielen Nutzen finden, aber das ändert nicht- an dem ganzen Tcandal. Deutsches Reich. * Berlin, 2l. Februar. Die „Deutsche Tageszeitung" besitzt die Keckheit, nachdem ihr nichtsnutziges Gebabren mit der Erfindung von einem beabsichtigten und vereitelten Zarenbesuch in Friedrichsruh vor Gericht gebübrend ge kennzeichnet worden, von „verleumderischen Darstellungen" zu reden, welche gegen sie, die „Deutsche Tagesztg.", mit Bezug auf diesen Proceß verbreitet worden seien. DaS würdige Blatt wünscht die Veröffentlichung des stenographischen Berichts, damit „verleumderischen Darstellungen über die Ergebnisse, wie über die Aufstellungen des Zeugen Herrn v. Marsch all und deS Oberstaats anwaltes der Boden entzogen werde." Es werde behauptet, baß der StaaiSsecretair Frbr. v. Marschall daS Verhalten der „D. Tagesztg." als eine Infamie bezeichnet habe. „DaS bat er", so bramarbasirt das Blatt, „wohlweislich nicht gethan, sonst würde er sich deswegen eine Beleidigungsklage zugezogen haben." Nun, in der „Nordv. AUg. Ztg." wird ein steno graphischer Bericht über den Proceß veröffentlicht. Danach sagte Oberstaatsanwalt Drescher: „Es wird in diesen Artikeln (der „Deutsch. Tagesztg.") — natür lich in durchaus unwahrer und erdichteter Weise — ein ganz ungeheuerlicher Vorwurf gegen das auswärtige Amt und dessen Beamte erhoben, und dieser Vorwurf, dieser unwahre, unbegründete und erdichtete Vorwurf erfolgt auch wieder bezeich- nender Weise gerade von demjenigen Theil der Presse und hier von demjenigen Blatt, welches so gern mit dem Vorwurf gegen das auswärtige Amt bei der Hand ist, daß dasselbe Preßmißwikth- schaft betreibe. Ich frage: Wo ist denn die größere Preß» mißwirthschaft als auf Seiten derjenigen Presse, die heule durch diese Beweisaufnahme in der beschämendsten Weise comprimittirt worden ist? .... Mit Recht hat der Herr StaatSsrcretär hervorgehoben: eine größere Infamie könne er sich gar nicht denken als diejenige, die hier in diesen beiden Artikeln zum Ausdruck gelangt, worin Len Beamten ein wissentlich unwahrer Angriff, der auch gegen die Allerhöchste Stelle gerichtet ist. zum Vorwurf gemacht wird. Wenn man sich vergegenwärtigt, was da gesagt ist: das auswärtige Amt soll einen solchen iufamtrenden Angriff selbst gegen die Allerhöchste Stelle ae- richiet haben, dann wirdman das Maß derInfamir allerdingsiermessen können .... Ich meine, einer solchen klaren Sache gegenüber, einer so klaren, gar nicht mißverständlichen Deutung gegenüber hätte jeder ehrenhafte Mann eigentlich sagen müssen: Ja, ich über- zeuge mich, ich bin zu weit gegangen, ich sehe mein Unrecht ein und mag dafür büßen. Das wäre ehrliche deutsche Art gewesen. Ich habe einmal an einem anderen Ort dieselben Worte gebraucht und muß sie leider hier wiederholen, weil ich immer finde, daß selbst die gröbsten Angriffe, die ungeheuerlichsten An griffe dann immer in einer Weise entschuldigt und gedeutet werden, die meines Erachtens alles Andere eher zuläßt, als die Ueberzeugung von einer Offenheit, Redlichkeit und einer ehrlichen Gesinnung. Ich glaube, der Angeklagte hätte wohl Veranlassung gehabt, dem Wortlaut und dem Sinn dieser beiden Artikel nach ganz offen seine Schuld rin zuräumen, dann würde ich auch in seiner Perion einen mildernden Gesichtspunct gesehen haben. DaS trifft aber nicht zu. Wir haben ja gesehen das Bemühen, wie er sich dreht und windet, wie er einen Satz tierausrrißt und daraus Deductionen macht, dir dem Sinn des ganzen Artikels vollständig widersprechen. — Was aber meines Erachtens ganz besonder» schwer in Berücksichtigung zu ziehen ist, das ist der Angriff selbst, der in den beiden Artikeln aus- gesprochen ist, die ungeheuere Infamie, die einer Behörde und deren Vertretung in diesem Artikel vorgeworsrn wird, öffentlich vor- geworfen wird vor aller Welt. Das bestimmt mich, weil ich hierin »gerade die größte Mißwirthschaft der Presse sehe, die von Grund aus beseitigt wrrdea muß, gegen den Angeklagten ein Strafmaß in Antrag zu bringen, welches sonst bet der erstmaligen Berant- Wartung eines Redacteurs vielleicht nicht zur Anwendung zn ge- langen pflegt." Also durch Bezugnahmen auf die Rede des Oberstaats anwalts ist die brave „Deutsche Tageszeitung" nicht „ver leumdet" wotdeu; schärfer, als er, bat sich wohl schwerlich irgend eiue Stimme in der Presse geäußert. * Berlin, 21. Februar. Im Widerspruch mit den Ab- leugnuogen in der socialdemokratischen TageSpreffe, wonach der Hamburger Streik keine Niederlage der Social demokratie bedeute, schreibt die socialdemotratische „wissen schaftliche" Revue „Neue Zeit": „Während die prole tarischen Vertreter der Arbeiterklasse (beispielsweise die „Proletarier" Bebel, Singer, von Vollmar u. A.) die Gegner fort und fort trefflich adtrumpfen, geht ein Lohukampf nach dem andern verloren, und besonders der Hamburger Streik hat dem classenbewußten Proletariat weit über die Ham burger Grenzen hinaus einen Krästeverlust zugefügt, der durch die schönsten parlamentarischen Erfolge nicht aus geglichen werden kann. Möglich, daß die neuen Wahlen binnen Jahr und Tag Zustände schaffen, die den Schwer punkt deS proletarischen Elassenkampfes wieder auf daS parlamentarisch-politische Gebiet verlegen; heute liegt er entschieden nicht dort, und so lange der gegenwärtige Reichs tag besteht, wird er dort auch nicht liegen. Eine parla mentarische Debatte kann unter Umständen viel wichtiger sein als ein Dutzend Streiks; gegenwärtig aber liegen die Umstände so, daß der Hamburger Streik allein ungleich wichtiger war als sämmtliche Debatten, die seit Jahr und Tag im Reichstage geführt worden sind." — Der Vorstand deS Reichstages unterbreitet dem Reichstag den Antrag, als einmalige Ausgabe in den Etat des Reichstages zur Projectbearbeilung für den Bau eines Präsidialgebäudes deS Reichstages, sowie als erste Bau rate 300 000 einzustellen. In der Begründung wird an geführt: Der Zeitpunkt für die Errichtung eines Präsidial gebäudes ist nicht mehr hinauSzuschieben, nachdem der An kauf eines geeigneten bestehenden Gebäudes in der Nähe deS ReickstagSgebäudes sich nicht hat ermöglichen lassen und in der Nähe des Reichstages nur noch ein unbebautes zweck dienliches Grundstück vorhanden ist. Nachdem das für den Bau früber in Aussicht genommene reichSfiScalische Grund stück zwischen Reichstagsplatz und ReichsragSufer als unge eignet erkannt worden ist, soll das Präsidialgebäude aus dem etwa 1000 gm großen Eckgrundslück zwischen Sommerstraße und Reichstagöufer errichtet werben. Die auf 790 000 veranschlagten Baukosten sind auf den Etat deS Reichstages zu übernehmen und als einmalige Ausgabe einzustellen. — Bei der Besprechung der Interpellation wegen Ver hütung des ZusammrnstoßenS von Schiffen auf See erkannten die Vertreter der Reichsregierung an, daß die neuerdings sich bemerkbar machende Strömung in den deutschen Interessentenkreisen das Wegerecht der Frscherdampfer gegenüber den Beschlüssen der Washingtoner Conferenz ab- zuänbern, ihr eine sehr willkommene Stütze sei, um Len auch vom Reichstag gelheilten Standpuncle der englischen Re gierung gegenüber wahrzunebmem Um derartige Schritte wegen Abänderung des WegerechtS und der Lichterführung für die von der britischen Regierung geplante internationale Conferenz vorzubereilen, hat nun, wie die „Post" hört, die deutsche ReichSrezierung zum kommenden Mittwoch (den 24. d. M.) nach Berlin eine Conferenz der deutschen Interessenten einberufen. Die vom Reichskanzler aus gehenden Einladungen sind sowohl an Vertreter der Fischerei- und der nautischen Interessen wie an die Regierungen der BunbeSseestaaten erlaffen. — Die Commission deS Reichstags zur Vorberathung der von dem Cenlrnm und den Conservativen beantragten Margarinevorlage hat sich consiituirt. Vorsitzender ist Abgeordneter vr. Bachem, Stellv. Graf Holstein. Außer dem gehören der Commission an die Herren vr. Kruse, Rothbarth, Schulze-Henne (nl); Rettich, v. Ploetz, v. Puttkamer-Plauth (cons.); Reichmulh (Rp.); Fusangel, v. Grand-Ry, Humana, Klose, Schmid-Jmmenstadt (E); Prinz Cjartoryök, (Pole); Weiß, vr. Hermes (fr. Vp.); Benoit (fr. Vgg.); Wurm, Harm, Herbert (Soc.). Die Commission tritt am 25. Februar zur ersten Sitzung zu sammen. — Im vorigen Iabre führte der Landwirthsckaftsminister von Hammerstein-Loxten gegen die von ihm als sehr schwer durchführbar bezeichnete und kaum zu überwachende Trennung der Geschäftsräume beim Verkauf von Margarine Folgendes auS: „Wenn ich mir einmal denke, daß beispielsweise in den westlichen Jndustriebezirken die kleinen Verkäufer von Feltwaaren, von Speisefetten u. s. w. jetzt neun Zehntel Margarine und nur ein Zehntel Butler verkaufen, und Sie bringen den Mann, der sich übrigens nicht im Besitz so ausreichender Localitäten befindet, um eine vollständige Trennung vornehmen zu können, in die Lage, zu wählen, waS er nun verkaufen will, so wird er sich wahrscheinlich dafür entschließen, dasjenige beizubebalten, worin er den größer» Absatz hat, und gerade in den westlichen LandeStheilen wird ihür zu, die sie sich selbst öffnete, um hinaus zu gehen. Ich sah dabei nur ihren Rücken, da ich mich hinter ihr befand." „Hm! So, so!" Aber Major Willmor wurde ungeduldig und begann eines Verhörs überdrüssig zu werden, dessen Richtung seiner Meinung nach nicht zum Ziele führen konnte. „Ich denke dock, Sie werden es nicht für nöthig ballen, unter meinen persönlichen Freunden und Bekannten nach den Schurken auSzuschauen, die diese niedere Verbrecherthat voll brachten", sagte er mißmutbig. „Wenn nicht besondere Um stände vorliegen, die einen directen Verdacht auf sie werfen, sind wir, glaube ich, berechtigt, die Mitglieder meines persön lichen Umganges als nichtschuldig zu betrachten." „Sie und ich gehen da von verschiedenen Standpuncten auS, Mr. Willmor!" bemerkte der Polizist mit feinem Lächeln. „Wir in unserem Beruf nehmen das Recht für uns in An spruch, jeden Menschen so lange für möglicher Weise schuldig zu halten, bis ex unS bewiesen hat oder wir entdeckt baden, raß er unschuldig ist." „Wie Sie wollen, — jedenfalls indeß ist eS zu spät, wollen wir nicht die Diener entlassen? Die Leute sind müde und haben noch die Arbeiten zu verrichten, die zur Nacht nötbig sind. Morgen mögen Sie das Verbör mit ihnen sortsetzen, so lange eS Ihnen beliebt, — obwohl ich nicht glaube, baß Ihnen die Leute viel werden zu sagen wissen. Was mich betrifft, so stehe ich Ihnen natürlich auch jetzt weiter zur Disposition." „Ganz wie Sie wünschen", erklärte der Inspector. Dann, als die Diener sich auf einen Wink ihres Herrn entfernt hatten, fragte er, zu diesem gewendet: „Haben Sie nock weitere Drohbriefe erhalten außer denjenigen, die Sie uns im vorigen Monat zustellten? Ist Ihnen insbesondere im Lause der letzten Tage eine Drohung oder Warnung zu gegangen ?" „Ja — eine Warnung sogar erst heute Nachmittag selbst. Man benachrichtigte mich, daß eine verdächtige Person aus meinem Hause kommend gesehen worden sei." „Und stellten Sie keine Nachforschungen an?" „Ich vernahm EvanS darüber, der mir dieselben Mit theilungen machte wie Ihnen. Niemand als die von ihm genannten Personen hat, wie festzuftrhen scheint, da» HauS betreten oder verlassen." „Darf ich fragen, von wem Ihnen die Warnung, die Sie erwähnten, zuging?" „Bon Mr. Grey." „Ist IhrHausmeister schon längere Zeit in Ihrem Dienst?" „Seit etwa zwei Jahren." „Und hat sich immer zuverlässig erwiesen?" „Treu und zuverlässig wie das Muster eines rechtschaffenen, pflichtaetreuen DicnerS. Ebenso lauten die Zeugnisse über seine früheren Stellungen. Ich habe keinen Grund, auch nur einen Augenblick an der Wahrheil Dessen zu zweifeln, waS er sagt." „Wurde Mr. Russell, als er zum Besuch kam, durch den Hausmeister zu Ihnen geführt?" „Nein, Ruffell kam allein in mein Zimmer, nachdem er zuvor mit Miß Russell bei meiner Tochter gewesen, wohin sie der Hausmeister geleitet." „Wurden die Herren Lord Flemmingbam, Mr. Thomas Blessington und Mr. Grey in der gewöhnlichen Weise bei Ihnen gemeldet und zu Ihnen geführt?" „Lord Arthur Flemmingham war bei meiner Tochter zum Besuch, ich habe ihn nicht gesehen. Die beiden anderen Herren wurden wie gewöhnlich angemcldet und durch EvanS zu mir gebracht. Ebenso sckellte ich diesem, als sie gehen wollten, und er geleitete sie hinan-." „Sehr wohl; ich will Sie jetzt nicht länger bemübrn, Sir. Wir werben unser Aeußerstes aufbieten, zunächst die Person zu ermitteln, welche die Vernichtung-Maschine ins Haus gebracht, und in Anbetracht deS UmftanveS, daß eS sich hier um ein Privalbaus mit geringer Frequenz und wohlbewachler Thür handelt, sollte daS, wie ich denke, nicht allzu schwierig sein." „Sind Sie bei Ihren Nachforschungen auf irgend eine Spur gestoßen?" „Ich weiß eS selbst noch nicht. Ich muß Zeit haben, die Sache zu überdenken Gern wissen möchte ich den Namen de- Liebhabers jenes Mädchen-. Ein Mittel, sie zu zwingen, daß sie ihn nenne, bieten unsere Gesetze nicht, eS liegt ja, tbatsächlich genommen, auch nicht» gegen den Mann vor. DaS Mädchen kann nicht gezwungen werden, ihre privaten Herzensangelegenheiten unter Eid bekannt zu geben. Wir müssen sie aus andere Weise zu bestimmen suchen, den Mann zu nennen. Ferner liegt mir daran, zu wissen, ob Miß Russell, als sie sortging, den Earton mit sich nahm, den sie bei ihrem Kommen brachte." „Pad, Mann, wo denken Sie hin!" sagte der Major wegwrrsend, mit einer Handdewegung nach den Zimmern dindeutend, die voller Trümmer lagen. „Können Sie glauben, daß da- dort Frauenwerk sei?" „Je nun — ich kann nicht darauf schwören, daß eS nicht der Fall ist!" lautete die trockene Antwort. Dann empfahl sich der Inspektor, nachdem er sich zuv-r überzeugt, daß eine sichere Kette von Polizisten um vaS HauS gezogen war, das in Anbetracht seiner Mauerlücken und zer sprungenen Fensterscheiben tbatsächlich offen stand. Major Willmor durfte jetzt an daS Leidenslager seiner Tochter zurück- kehren, an dem er den Rest der Nacht wachte. IU. Die Dynamit-Explosion in der Merrion-Street bildete für die nächste Zeit daS Tagesgespräch von Dublin, daS Hauptthema der Erörterung in den Zeitungen, in allen poli tischen und socialen Kreisen. Die Verwegenheit in der AuS- füdrung deS Verbrechens einerseits, die mysteriöse Schlauheit andererseits, verbreitete eia starkes Gefühl deS Schrecken« und der Befürchtung für die eigene Sicherheit. Wie hatte eine verborgen gebliebene Verbrecherhand ein solche- Attentat wagen und wie hatte eS glücken können gegen ein von Polizei bewachte- PrivathauS, inmitten deS vor nehmsten, belebtesten TheileS der Stadt! Der verwegene Streich traf die Gesellschaft Dublins, vaS politische Leben der Hauptstadt und da- Recht der freien Meinung für jeden ihrer Bewohner aufs Schwerste, und wenn eS nicht gelang, die Urheber »u ermitteln und die härteste Strafe üver sie ergehen zu lassen, durste Niemand mehr wagen, seiner poli tischen Ueberzeugung Ausdruck zu geben oder sich am öffent lichen Leben zu betheiligen, der nicht der geheimen Partei der SchreckcnSmänner angehörte oder sein und der Seinigen Leben der Zerstörung preisgeben wollte. Die tiefste, aufrichtigste Theilnahme erregte Margaret'« traurige- Geschick, und endlos war die Zahl der von diesem Gefühl berbeigesührlen Besucher und eingehenden Er kundigungen nach dem Befinden der armen Leidenden, als die volle Größe ihre- Unglück- bekannt wurde. Dean die entsetzliche Wahrnehmung, die sie im Moment nach der Explosion gemacht, war durch die Aerzte, die man noch au demselben Abend wie in den folgenden Tagen hinzuzog, nur zu vollständig bestätigt worden: Margaret war blind, auf beiden Augen blind, ihr Augenlicht für immer verloren! Der Schmerz, di» Verzweiflung ihre« Vater« gewährte einen erschütternden Anblick. Thranen rollten au« seinen Augen, die nie geweint; er raufte sein Haar, er schlug seine Brust. E- war rin Glück für ibn und für sie, daß er durch dir nothwendigrn Schritte und Maßregeln zur Ermittelung man dann aus den kleineren Läden die Butter im Tausch handel und im Verkauf verdrängen und wird die Leute zwingen, sich aus den ausschließlichen Verkauf von Margarine zu legen. Da« würde also nicht der Margarine schaden, wohl aber dem Absatz der Butter, und zwar vor zugsweise dem Absatz der aeriagwerthiaeren Butter, die heutzutage im Preise schon gedrückt ist, die aber von den mittleren Landwirthen in ziemlich umfang reicher Weise im Tauschhandel oder im directen Verkauf z» Markte gebracht wird," — In den Werkstätten der Firma Schlauch L Rößler in Kiel sind, wie die „Kiel. Ztg." mittheilt, iu diesen Tagen zwei geschmackvolle Gedenktafeln vollendet worden. -Als Material ist Earraramarmor für die eigentliche Schriftplatte, BekrönungSnmS und Umrahmung genommen worden, letztere ist mit einer Einlage auS grünem griechischen Marmor ver sehen, worin eine erhabene Eichenlaubkante eiogravirt ist. Die eine Tafel ist für die „IltiS"-Mannschaft bestimmt und trägt die Ueberschrift: „Dem Andenken der bis in den Tod getreuen Besatzung Meines am 23. Juli 1896 bei Sbantung uotergegangenen Kanonenbootes „Iltis" gewidmet. Wilhelm, deutscher Kaiser, König von Preußen." Hierauf folgen die Namen der ?1 Verunglückten. Die andere Tafel ist der Besatzung der im Jahre 1885 unterargangenen Mann schaft der „Augusta" gewidmet. Beide Tafeln kommen in die Garnisonkirche Wilhelmshaven«. — Im Anschluß an den Proceß Schwennhagen- Sedlatzek sind von Herrn Sedlatzek 14 Beleidigungs klagen angestrengt; neben einer Reihe von Redacteuren Berliner Zeitungen ist u. A. auch Freiherr von Mirbach verklagt worden. — Die Untersuchung gegen den Criminalcommiffar v. Tausch ist, wie dem „Berk. T." gegenüber einer anderen Meldung mitgetheilt wird, noch nicht „vollständig ab geschlossen"; lediglich die Voruntersuchung gegen Herrn v. Tausch und Herrn v. Lützow wegen der bekannten Quittungsfälschung sei jüngst zum Abschluß gekommen. In der Meineidssache gegen v. Tausch dauern angeblich die Erhebungen noch fort. — Der Berliner Magistrat hat beschlossen, für das Etatsjahr 1897/98 an Einkommensteuer 100 Proc. und an Realsteuer 150 Proc. zu erheben. — Der russische Botschaftsrath Baron Budberg Ist in gleicher Eigenschaft nach Wien versetzt worden. Sein Nachfolger ist Gras Pah len in London, der bereits längere Zeit der hiesigen Botschaft angrhört an. * Oldenburg» 20. Februar. In der Freitag-Sitzung des olden, burgischen Landtags wurde über die Schuworlage verhandelt. Der Berichterstatter Tautzen erklärte, daß der Ausschuß zur Be- rathung des GeietzeS nicht mit dem nöthigen Vertrauen an das Gesetz hätte herantrrten können, und zwar wegen LeS bestehenden Consltcts mit dem Cultusministerium. Hieraus erwiderte laut dem „Hamb. Corr." der Eultusminister Flor, daß die Stellung der Minister in dem Vertrauen des Großherzogs und nicht in dem Verlrauen des Landtags beruhe. Wenn der Landtag die Anträge des Ausschusses, welche die Regierung nicht für annehmbar erklärt hat, annähme, würde das ganze Gesetz fallen. Demgegenüber gab der Abg. Plagge die Ertlärung ab, daß der Landtag aus keinen Fall mit einem Minister arbeiten könne, der das Vertrauen des Landtags verloren habe. Der Landtag werde bei seinen Beschlüssen stehen bleiben. Das treue oldenburgische Volk gebe dem Fürsten, was des Fürsten ist, und so möge man dem Volk auch geben, was des Volkes ist. Aus dem Boden der Regierungsvorlage stehen die Ab» geordneten aus dem katholischen Theil des Großherzogthums. Ein Birkenselder Abgeordneter führte noch aus, daß man, sobald die Ausbesserung der Lehrergehälter in Frage komme, immer die schlechte Finanzlage ins Feld führe, was aber niemals geschehe, wenn »S sich um die Aufbesserung anderer Beamtenkategorien handle DaS Gehalt der Nebenlehrrr wurde von dem im Gesetzentwurf vor- gesehenen Satz von 650 ./L mit Einwilligung der Regierung aus 700 erhöht. Der Abgeordnete Ahlhorn hielt dies sür un zureichend, während Abgeordneter Meyer meinte, daß ein junger Mann von 24—30 Jahren bei bescheidenen Ansprüchen damit ans- kommen könne. Die Berathung wurde noch nicht beendigt. * Posen, 20. Februar. Die „Schles. Ztg." tbeilt gegen über den „Berl. N. N." auf Grund „bester Informationen" mit, daß der Erzbischof vr. von Stablewöki den Propst SzadzinSki sofort zum Verzicht auf sein Beneficium in Wltaschütz veranlaßt habe, nachdem dieser in der Gerichts verhandlung (erst da!) zugestanden hatte, daß er da« deutsche Gebet als Sünde bezeichnet habe. Ob SzadzinSki sväter eine anberweite Verwendung in der Seelsorge finden wird, sei ihrem GewährSmanne nicht bekannt. Unter solchen Umständen wird es um so unverständlicher, daß das erz- bischöfliche Consistorium den Patron der Kirche bis zum 16. d. M. über diese Thatsache in völliger Unkenntniß ge lassen hat und eS diesem selbst auf seine Nachforschungen hin nicht gelungen ist, darüber irgend etwas Bestimmtes zu er fahren. Die anfangs von der klerikalen Presse behauptete Freiwilligkeit des Verzichtes tritt übrigens durch diese Mit theilung in ein Licht, welches zur Satire auffordert. * WeitzcnfelS, 21. Februar. (Telegramm.) Der Fachverein der Schuhmacher beschloß am Sonnabend, den Streik für beendet zu erklären. Zu unterstützen sind noch 56 stellenlose Streikende. der Tbäter vielfach in Anspruch genommen wurde und daher während der ersten Tage der fast unerträglichen Schmerzen der Leidenden nur wenig bei ihr sein konnte. Er würde sonst entweder unter dem Bestreben, den AuSbruch feiner Gefühle in Gegenwart der Kranken gewaltsam zu unterdrücken, zu sammengebrochen sein, oder die lauten wilden Flüche, welche er, ein so ruhiger und maßvoller Mann er sonst auch war, auf die Unholde herabschleuderte, die vaS Leben seiner un schuldigen Tochter so grausam in Dunkel und Nacht gestürzt, würden das Ohr der Leidenden erreicht und die Heiligkeit der Ruhe und Stille am Krankenbett verletzt haben. Konnte doch selbst Miß Blessington nicht verhindern, daß sich ihr Gefühl deS ZornS gegen die Bösewichter bi« zu einem Genug thuung heischenden Haffe steigerte, wenn sie dem leisen SchmerzenSstöhnen lauschte, das trotz aller Anstrengungen, eS zuruckzuhalten, hin und wieder den bleichen Lippen de« jungen Mädchen« entschlüpfte. Die Fortsetzung der Recherchen am Morgen nach dem Attentat war ohne nennenSwerlhen Erfolg. Die Erlaubniß, seine Gäste vom vorausgegaugenen Tage zu vernehmen, hatte Major Willmor dem Delectiv auf da« Entschiedenste versagt — zum nicht geringen Aeraer de« geschäft-eifrigen Manne«. „Ich muß mich Ihren Wünschen fügen, Herr Major — aber nehmen Sie mir« nicht übel, Sie geben mir wenig Chancen, etwa- auSzurichten!" grollte der Inspector un geduldig. sich zum Zeichen seine- Mißmuthe« lebhaft hinter dem Ohr kratzend. „Wie soll ich den Thäter entdecken, wenn mir alle Tdüren verschlossen werden, in die ich gucken will?" „Nicht alle. Aber ich würde eS für unschön von mir halten, wenn nicht gar für eine Beleidigung der betreffenden Personen, meine Zustimmung dazu zu ertheilen, daß meine Freunde, die Gäste meine- Hause-, gleich dem ersten besten Verdächtigen einem Verhör unterworfen werden. Meine Diener, die Mitglieder memr- Hausstandes, ich selbst, stehen zu Ihrer Verfügung." „Lasten Sie mich wenigsten- Mr. Grey'S Diener ver nehmen." „Da« mögen Sie thun, wenn Mr. Grey nicht- dagegen hat. AlS man sich jedoch an Stephen Grey wandte, war dieser außer Stande, dem Wunsche nachzukommen, da der Diener, wie sich ergab, am selbigen gestrigen Nachmittage einer gröblichen Ungedührlichkeit wegen von ihm entlasten worden war und aus seinen Befehl sofort da« HauS geräumt hatte. Mr. Grey vermochte nicht anzugeben, wohin er ge gangen sei. (Fortsetzung folgt.)
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