Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970223023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897022302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897022302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-02
- Tag1897-02-23
- Monat1897-02
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis Dl H« Ha»p1»xp»httt»il oder dm i« Stedt- be»m »ad dra >»r»eteu errichteten A«S- aabestellen «bgrholt: vterteljLhrlich^»4.bO, hei »wrlmaligrr täglicher Zukt«llaug in« Hau« » L.50. Durch di« Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteNährlich . Direct« tägliche Kreuzbandsraduag dü Ausland: monatlich 7.50. Dl« Morgm-Aulgab« erscheint um '/,? Uhr. di»Mbmd-Au«gabe Wochentag» um b Uhr. Nr-«rtton und Lr-edM-u: Aohannesgafle 8. Dl« Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh S bi« Abends 7 Uhr. Filialen: vtl« Ale««'» Eortim. (Alfred Hahn). UntversitätSstratze S (Paulinum), Laut» Lösche» Katharinenstr. 14, Part, und KönigSpla» 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Nmlsökatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Polizei-Amtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-PreiS die 8 gespaltene Petitzeile 80 Psg. Neclamen unter dem RedactionSstrich (4»e- spalten) vor den yamilieNnachrichten (8 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis« »erzcichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage« (gesalzt), nur mit d»^ Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderung ^l KO.—, mit Postbesörderung >>i 70.—. Ännahmeschlub für Anzeigen: Abend-AuSaabe: Vormittags 10 Uhr. B^orgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je »ine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 98. Dienstag den 23. Februar 1897. 91. JahMNg. Politische Tagesschau. * Leipzig. 23. Februar. Die kretische Frage, die ganz Europa in Spannung erhält und in den meisten europäischen Parlamenten bereils zu eingehenden und aufregenden Debatten geführt hat, hat gestern auch den deutschen Reichstag beschäftigt. Daß die Besprechung sich streng in den Grenzen hielt, die beobachtet werden müssen, wenn die Regierung in ihrer Haltung nicht beirrt und gehindert werden soll, ist in erster Linie das Ver dienst der deutschen Neichsregierung selbst, die in der kretischen Frage eineHaltung beobachtet hat, die nicht um einen Schritt über das Ziel, den europäischen Frieden zu wahren, hinausgegangen, aber auch um keinen Schritt hinter diesem Ziele zurück geblieben ist; e» ist aber auch in zweiter Linie dem Abg. Prof. vr. Hasse zu danken, der die Angelegenheit in der maßvollsten Weise zur Sprache brachte, von seiner Absicht nach altem löblichen Brauche augenscheinlich dem Reichskanzler vorher Mittheilung gemacht und ihn dadurch in den Stand gesetzt hatte, durch den Mund beS Staatssecretairs des Auswärtigen eine genau formulirte, allenAbirrungen derDebattc vorbeugende Aus kunft zu ertheilen. Endlich ist aber auch anzuerkennen, daß alle Redner, die zur Sache sprachen, ein Tactgesübl bekundeten, das nicht immer zu Tage tritt, auf daS Vortbeilhasteste aber von der leidenschaftlichen und verwirrenden Sprache, die in außerdeutschen Parlamenten geführt wird, absticht und den erfreulichen Beweis liefert, daß das ebenso energische wie taktvolle Vorgehen der deutschen Reichsregierung die volle Billigung des gesammten Reichstags hat. Alle Mächte — be- sonders England — haben gestern erfahren, daß die deutsche Volksvertretung einmüthig den Entschluß der Regierung billigt» nach wie vor egoistische Interessen im Orient nicht zu ver folgen, um so rückhaltloser aber in möglichster Uebercin- stimmung mit den übrigen Mächten für die Aufrecht erhaltung des Friedens einzutreten, die wachsende Gefahr anarchischer Zustände auf Kreta zu ersticken und Raum zu einer definitiven Ordnung der Verhältnisse auf Kreta zu schaffen, ohne die Souveränität des ottomanischen Staates anzutasten. Gegenüber diesem Resultate der Debatte komnit es — besonders für das Ausland — nicht in Betracht, daß kleine Meinungsverschiedenheiten zu Tage treten. Kein englischer Politiker z. B. wird sich ans die An sicht des Abg. Nichter stützen, daß die deutsche Regierung etwas mehr in den Vordergrund getreten sei, als eö ihren Interessen an Griechenland und Kreta entspreche; eine Ansicht übrigens, die keineswegs ein Zurückweichen auf der bisher verfolgten Linie befürworten sollte. Für die deutschen Hörer war es lediglich belustigend, daß Herr Richter auf die Traditionen der Bis- marck'schen Politik sich berief und dadurck dem Manne eine Verbeugung machte, den er sonst zu schmähen nicht müde wird. Auch dem Centrumsredner vr. Lieber siel eS nicht ein, an der Regierungspvlitik zu mäkeln, als er behauptete, die Rede deS Abg. vr. Hasse mit ihrer Befürwortung eines thatkräftigen Ein tretens für die Erhaltung des Friedens im Orient bedeute einen Widerspruch gegen die Adresse, die im Jahre 187l unter Führung des Abg. v. Bennigsen vom Reichstage an Kaiser Wilhelm I. gerichtet wurde und für die auswärtige Politik den Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegen heiten fremder Staaten empfahl. Mit Recht erinnerte der Abg. vr. v. Marquardsen Herrn vr. Lieber daran, daß seit 187l genau 26 Jahre vergangen sind und daß es sich damals um die sogenannte „römische Frage" handelte, bei der eine Intervention Deutschlands zu Gunsten deS i Papstes der Sacke des Friedens und einer den I Frieden sichernden Gruppirung der Mächte sicherlich nicht gedient hätte. Der große CentrumSdiplomat sah nun ein, daß er mit dem Versuch, sein Licht in besonderem Glanze strahlen zu lassen, sich „verbauen" hatte, und philosophirte über die Einigkeit der Parteien dem Auslande gegenüber» die, ob roth, ob schwarz, sich alle zu der schwarz-weiß-rotben Fahne bekennen müßten. Das ist gestern gescheben, aber eS wäre jedenfalls mehr am Platze gewesen, wenn Herr vr. Lieber seine Mahnung nicht an den Reichstag in seiner Totalität, sondern an seine engeren Parteigenossen gerichtet hätte, von denen ein Theil das schwarz-weiß-rolhe Banner bedenklich hinter die blau-weißen Farben zurücktreten läßt und die in ihrer Gesammtbcit nicht sckwarz-weiß- rothe, sondern nur schwarze Politik treiben, wenn sie auf Katholikentagen die Wiederherstellung des Kirchenstaates fordern oder von ihrer Presse das mit Deutschland ver bündete italienische Königshaus mit Schmutz bewerfen lassen. — Nach dieser Debatte, die im Nahmen der Berathung des Etats des auswärtigen Amtes sich ab spielte» kamen noch einige andere, gleichfalls durch den Abg. vr. Hasse angeregte wichtige Angelegenheiten zur Sprache. Nachdem der Ministcrialdirector Hellwig versichert, daß das auswärtige Amt der Förderung ver deutschen Schulen im Auslande durchaus sympathisch gegenüberstebe, und der Ministerialdirektor Reichardt die baldige Vorlage eines Auswanderungsgesetzes in Aus sicht gestellt, wurden die Interessen der deutschen Gläubiger-Griechenlands noch besonders betont. Staats- secretairFrhr.v.Marsch all erklärte, die Neichsregierung werde in Verbindung mit den anderen Mächten die geschädigten Interessen der griechischen Staatsgläubigcr energisch weiter ver folge». Darauf wurde das Gehalt des Staatssecretairs be willigt. Das Haus ging hierauf zur Berathung des Etats der Schutzgebiete über. Sie verlief ruhig im Vergleich zu den letzten Jahren. Beim Etat für Kamerun erneuerte allerdings der freisinnige Abg. Beckh die schon im vorigen Sommer von verschiedenen Seiten gegen den Kameruner Gouverneur von Puttkamer erhobenen An schuldigungen. Direktor v. Richthofen Lntgegnete, daß von Herrn v. Puttkamer deswegen Strafantrage gestellt sind und die Angelegenheit weiter verfolgt werde. Beim Etat für Deutsch-Südwestafrika tadelte wiederum der Abg. Graf v. Arnim die den englischen Gesellschaften dort zu gestandenen Concessionen. Direktor v. Nicht Hofen hob hervor, er habe bis jetzt keinen Anlaß zu der Annahme, daß die Tbäligkeit der englischen Gesellschaften die deutschen Interessen schädigen werde. Heute stehen die Vorlage, be treffend die Verwendung der Ueberschüsse des ReicksbauS- halts, der Gesetzentwurf, betr. die Beschlagnahme des Arbeits und Dienstlohnes, sowie die Fortsetzung der Etalsberalhung auf der Tagesordnung. Mit welchem Rechte der Staatssecr etair v. Marschall gestern im Reichstage bei seiner Antwort auf die Frage über den Stand der kretischen Frage darauf hinwies, daß das Landen regulärer griechischer Truppen auf der Insel, weit entfernt, zur Wiederherstellung der Ruhe und der Ordnung bei zutragen — dies war der angebliche Zweck der Landung —, vielmehr eine injedemAugenblickwacksendeAnarchie dort hervorgerufen habe, belegen die letzten Meldungen, die nicht nur die ganze Insel vom Bürgerkrieg durchtobt und diesen auf die barbarischste Weise geführt zeigen, sondern auch von einer allen völkerrechtlichen Begriffen geradezu ins Gesicht schlagenden Kriegsmoral der griechischen Truppen und der kretischen Insurgenten berichten. Nicht genug, daß Kanea, wo die Mächte sich selbst Vorbehalten halte», die Ordnung aufrecht zu erhallen, wiederholt angegriffen wurde, auch das Leben der Consuln ist bei dem Versuch, Frieden zu stiften, wiederholt in so unmittelbarer schwerer Gefahr gewesen, daß von weiteren derartigen Ver suchen kaum mehr die Nede sein kann. Man berichtet uns hierüber: * Kanea, 22. Februar. (Meldung des „Reuter'schen Bureaus".) Der englische, der italienische und der russische Consul sind mit 170 flüchtigen Mohamedanern auf dem Seewege ans Selino hierher zurückgekehrt. Es gelang den Consuln nicht, Verhandlungen mit den Führern der Aufständischen zu eröffnen, welche zu einem Vertilgnngskriege entschlossen sind. Die Mohamedaner und die Christen in Selino haben beiderseits die Gefangenen um gebracht. 2000 Einwohner und 250 türkische Soldaten mit drei Geschützen halten dort noch aus, doch ist ihre Lage sehr kritisch. In Kadano feuerten die Christen auf die Consuln, obgleich ihnen deren Ankunft angekündigt war und ungeachtet der von denselben geführten weißen Flagge. Als die Consuln nach Selino zurückkamen, batten die Christen neue Stellungen eingenommen und feuerten gleich falls auf die Consuln. Rund um die Boote derselben gingen Schüsse nieder. In Kastelt schonten die regulären griechischen Truppen das Leben der inohamedanischen Gefangenen. In Kanea sind 2 Osficiere und 60 Soldaten eingetroffen, welche bei dem Gefechte von Vukolis entkommen sind. Gegen eine solche Art der Kriegführung sind nur Mittel angebracht, wiedieBeschießungdeSgriechischenLagers vor Kanea. Ob freilich diese den Griechen sehr uner wartet gekommene Maßnahme den gewünschten durchgreifen den Erfolg haben wird, läßt sich auf Grund der bis beute eingegangenen Meldungen noch nicht sagen. Auf der einen Seite dauern Plünderungen und gegenseitige Angriffe fort, und vor Kandia, der Hauptstadt Kretas, haben es die Insurgenten sogar gewagt, der Stadt, die bekanntlich gleichfalls unter den besonderen Schutz der Mächte gestellt ist, das Wasser ab zuschneiden. Ein solches konsequente Vorgehen auf dem Wege rücksichtsloser Vergewaltigung der in der Minderheit sich befindenden Mohamedaner und frivoler Verhöhnung der Mächte entspricht ganz der Erklärung des Ministerpräsidenten Telyannis nach dem Eintreffen der Nachricht von dem Bombardement der Schiffe bei Kanea, die Regierung wisse sich einig mit dem Willen des Volkes. Andererseits wird unS aus Athen telegraphisch gemeldet, die Regierung prüfe die Vorschläge der Admirale, die natürlich dem aus Zurückziehung der griechischen Truppen abzielenden Pacificationsplan der Cabinelte konform sind, und, wie uns der Draht aus Kanea berichtet, haben die Mohamedaner und die Christen in Selino den Vorschlag des britischen, italienischen und russischen Consuls angenommen, einen siebentägigen Waffenstillstand eintreten zu lassen. Sonach hat eS doch den Anschein, daß das Exempel, welches die Geschwaderchefs in Kanea statnirt baden, nicht ohne alle Wirkung geblieben ist. Diel griechische Regierung hat zwar gegen die Beschießung l deS Lagers Einsprache erhoben, aber Angesichts der Einig-> keit aller Mächte betreffs der Anwendung von Gewalt maßregeln gegen den Uebermuth Griechenlands darf man doch annehmen, daß die Lehre von Kanea der erste Anstoß für das Zurückweichen Griechenlands sein wird. An der eben hervorgehobenen Ueber- einslimmung aller Cabinette kann nach den gestrigen Erklärungen der englischen und französischen Minister thatsächlich nicht mehr gezweiselt werden. In beiden Ländern hatte bekannt lich die Oppositionspresse den sofortigen Sturz der Regier rungen als unabwendbare Folge eines bewaffneten Ein schreitens gegen Griechenland angekündigt. WaS ist gescheben? Die französische Depulirtenkammer trat mit der überwältigenden Mehrheit von 413 gegen 83, daS englische Unterhaus mit der unerwartet großen Majorität von 243 gegen 125 Stimmen auf Seite der Negierung. Die Opposition siebt sich in beiden Parlamenten in einer Weise überstimmt, die den Regierungen die gewünschte Freiheit verbürgt und eS ermög licht, die Demonstrationen der regierungsfeindlichen Parteien in Frankreich wie in England auf sich beruhen zu lassen. Die Erklärungen Honotaux' sowohl wie die Balfour'S (die wir an anderer Stelle ausführlich wiedergcben) stehen durchaus im Einklang mit der charaktervollen Präcisirung des deutsch en Standpunktes durch Freiberrn v. Marschall im Reichstag. Was den französischen Minister des Aeußeren anlangt, so war man darauf vorbereitet, Aeußerungen zu hören, wie: der Wille Europas werde sich bei Griechenland zur Geltung bringen müssen, die ehrgeizigen Pläne der griechischen Regierung, welche sich ohne Ueberlegung in einen Eroberungskrieg stürze, der das europäische Gleichgewicht zu stören drohe und einen Weltkrieg erregen könne, weil es andere Begehrlichkeit erwecke, müsse in Schranken gehalten werden rc. Das Concept der Rede Hanotaux' könnte sein russischer College Murawjew geschrieben haben. Man wußte, daß Frankreich von der durch Rußland vorgeschriebenen Linie nicht abgehen würde. Ganz anders aber liegen die Dinge in England. Es war bekannt, daß die Londoner Regierung erklärt halte, sie könne keinerlei Vorgehen gegen Griechenland dulden, bevor nicht die Frage nach der Zukunft der Insel Kreta gelöst sei. Sie wollte auf diese Weise nicht nur Griechenland schonen, was natürlich nicht aus altruistischen Gründen geschehen wäre, sondern das Concert der Mächte stören. D i e gestrige Unterhausdebattezeigt England plötzlich auf dem Rückzug. Wer hätte nach der bekannten Note Salisbury's erwartet, daß Balfour gestern zugestehen würde, Griechenland sei nicht im Stande, Leben und Eigenthum auf Kreta zu schützen, Beides sei vielmehr in beklagenswerther Weise massenhaft hingeopfert worden? Wer hätte geglaubt, daß der Erste Lord des Schatzes das Bombardement deS Admiralschiffs mit der Wendung rechtfertigen würde: „Wenn die Mächte die Ver antwortlichkeit für Len Frieden einer Stadl übernommen haben, so dürften sie die Einmischung einer außerhalb stehen den Streitmacht nicht dulden"? Mag nun immerhin der deutsche Vorschlag einer Blockade des Piräus unaus geführt bleiben, WaS allerdings noch nicht entschieden ist, so hat Deutschland doch die Genugthuung, zu sehen, daß sein principielles Eintreten für ein schärferes Vorgehen gegenGriechenl ayd jetzt von allen Mächten, auch von England, als richtig und nicht mehr zu umgehen anerkannt wird und dje Zeit der diploma tischen Winkelzüge vorbei ist. Nach übereinstimmenden Be Feirillrtoi,» 3, Ein Frauenherz. Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Emil Bern seid. Nachdruck verboten. Nachdem die Recherchen nach dieser Richtung hin so bald ihr Ende erreicht, richtete Mr. CateS sein Augenmerk noch einmal auf das kleine Geheimniß, das die Herzenssache der Zofe Miß Margaret - und ihren unbekannten Liebhaber umgab. Hannah Hemming bewahrte darüber jedoch nach wie vor ihr hartnäckiges Schweigen, zu dem sie immer eigen sinniger entschlossen schien, je nachdrücklicher man wegen der Sache in sie drang, während ihre College« und Colleginnen vom Domestikenzimmer ebenso bestimmt bei ihrer Behauptung verblieben, Hannah habe überhaupt gar keinen Liebhaber oder Bräutigam, und wenn sie sich eine- solchen zu rühmen hatte, würde man in der kundigen Assembler deS DomestikrnzimmrrS unfehlbar davon wissen. „Junge Mädchen sind nur zu flink bei der Hand, wenn sie von einem Bräutigam erzählen können", erklärte die Köchin, welche als eine zweimal verheirathet gewesene Wittwe noch lebenslustigen Alters, dir nicht ungern aus einen dritten Gatten geblickt haben würde, sich eine gewisse Autorität in der Sache anmaßen zu dürfen glaubte und aller dings in dieser Richtung wohl nicht ganz ohne Erfahrung sein mochte. „Haben Sie nie bemerkt, daß Hannah Briefchen oder kleine Geschenke erhalten hat?" fragte der Detektiv. „Nein, Sir, davon habe ich nie etwas gesehen." „Hatte sie dir Gewohnheit, öfter Abend« oder auck bei Tage fortzuschlüpfen und einige Zeit sortzubleiben, wie sie gestern gethan?" „I nein doch — gewiß nicht! Sie hatte häufig Nach mittags auSzugrhrn, um Besorgungen sür Miß Margaret zu machen, war aber stet« zur rechten Zeit wieder zurück." „Sind Sie überzeugt, daß auch keiner der Diener hier im Hause ihr Liebhaber war?" „Keiner, ich will darauf schwören, — e< müßte denn ge rade James gewesen sein, der thut immer mit einem oder dem anderen von den Mädchen schön." „Gut. Könnte sie gestern vielleicht fort gewesen sein, um sich mit ihm zu treffen?" „Nein, S,r; sie wußte s» gut wie wir alle, daß James den Abend über bei Tische und in der Gesellschaft aufzu warten hatte, und das Haus also nicht verlassen konnte." „WaS denken Sie also über ihr Fortgehen gestern Abend?" „Schaufenster besehen, Sir! Weiter nichts als Schau fenster besehen, ich will darauf schwören! Es ist ihre Leiden schaft, von Schaufenster zu Schaufenster zu geben und sich die schönen Sachen alle anzusehen — besonders in den Fenstern der Kleiderläden, Putzläden und Schmuckläken. Mary erzählte gestern, eS lägen wieder lauter neue Moden aus und daS Schaufenster von Peldram L Co. sei wie ein leibhaftiger Ballsaal. Ich will darauf schwören, sie bat sich gesagt: „DaS mußt Du sehen!" und hat sich weggestohlen, um zu Peldram <L Co. zu gehen." „Weshalb sollte sie aber das nicht gesagt haben?" „Ich weiß eS nicht, Sir — außer wenn sie dachte: der Herr Major Willmor ist ein guter Mann — denn daS ist er, Mr. CateS — der ein Herz für seine Diener hat und er würde weniger böse sein, wenn er hörte, es habe sich um einen Bräutigam, einen richtigen, wirklichen Bräutigam ge handelt, statt um solche eitle Geschichten wie Putz und Staat." „Sagt das Mädchen leicht dir Unwahrheit, ist sie lügenhaft?" „Nein, Sir — der Himmel soll mich behüten, daß ich so etwas sage!" versicherte die Köchin warm. „Hannah ist immer ein brave« Mädchen gewesen, da mögen Sie Jeden im Hause fragen, und ich denke nicht schlecht von ihr. Auf Schwindeleien und ähnlichem Zeug habe ick sie noch nie er tappt, und eine Lüge habe ich auS ihrem Munde noch nicht gehört." Da» Hausmädchen Mary wurde vorgerufen und bestätigte die Angabe der geschwätzigen Köchin, daß sie gestern im Domestikrnziinmer von den neu ausliegenden Modegegen- ständen erzählt und besonder- die Schaufenster von Peldram L Co. gerühmt. Sie fügte hinzu, daß Hannah, wie immer bei solchen Dingen, lebhafte« Interesse dafür gezeigt und viele Fragen über die Sacke gethan. Sodann ließ der Inspektor Hannah selbst wieder vor sich kommen. Sie war rin hübsche«, etwa neunzehnjährige« Mädchen, sehr sauber und nett, aber ohne Koketterie gekleidet, mit frisch rotbem, offenem Gesicht, freundlichen blauen Augen, di« heute ziemlich entschlossen blickten, und etwa« trotzig auf geworfenem Munde. „Nun, Hannah", begann der Inspector streng, „wir wünschen jetzt die volle Wahrheit von Ihnen zu hören." „Sie können sich darauf verlassen, daß ich Ihnen nichts als die Wahrheit sagen werde", antwortete das Mädchen mit einem Tone, das wie ein Uebergang zum Schluchzen klang. „Gut also, Sie gingen gestern Abend auS, um sich die Schaufenster anzusehen, nicht wahr?" „Nein, Sir." „Nun, zu welchem Zweck gingen Sie denn fort?" „Ich sagte es Ihnen schon gestern Abend. Um einen jungen Mann zu treffen." „Ihren Bräutigam?" Hannah's hübsches Gesicht färbte sich hochrotst. „Wenn Sie erlauben, Sir, ich weiß es nicht!" erklärte sie mit mühsam unterdrücktem Schluchzen. „Eine seltsame Sachlage, wenn Sie daS nicht wissen, in der Tbat!" bemerkte der Inspector. „Gestern Abend erklärten Sie, daß es Ihr Bräutigam war, den Sie treffen wollten; heute scheinen Sit Zweifel darüber zu hegen. WaS soll ich davon denken?" Das Schluchzen trat jetzt unverbüllt in seine Reckte. „Ich habe mir die Sache überlegt", sagte sie weinend, „und bin — bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß — er sich — nichts — aus mir — machen kann!" Sie drückte ihre schmucke Weiße Schürze auf die tbränengefüllten Augen und erstickte ihre Bewegung wie ihre Stimme in den Fallen des spitzenbesetzten Batist». „Er bat Sie doch aber, ihn gestern Abend zu treffen?" „Ja, Sir, das that er — aber er ist nicht gekommen!" „Nun passen Sie einmal auf, Haanab Begreifen Sie nicht, daß Ihr Fortgehen gestern Abend gerade zu der Zeit, wo hier di» Explosion eintrat, Sie dem Verdacht auSgesetzt, fortgegangen zu sein, um die Gefahr hier zu vermeiden. Sie mithin verdächtig erscheinen läßt, davon vorher gewußt zu haben?" „Meinen Sie, Sir?" erklärte daS Mädchen entrüstet und mit großer Festigkeit. „Ich sage Ihnen aber, daß ich lieber zehn Mal gestorben wäre, als daß ich geduldet hätte, daß dem Herrn oder Miß Margaret ein Leid zustoße!" „In einem Fall wie hier genüat eine solche bloße Ver sicherung nicht. Sie können mit Leichtigkeit Ihre Unschuld darthun, wenn Sie den Namen Ibre« Liebhaber» nennen." „Auch wenn ich e» nicht versprochen hätte, seinen Namen ru verschweigen, würde ich nicht sagen, wer er ist!" entaegnete sie standhaft. „Es ist klar genug: wenn Sie seinen Namen wissen, wollen Sie sagen, er war es, der die Unthat be gangen!" „Wenn er unschuldig ist, kann ihm mein Verdacht nichts anhaben!" Aber das Mädchen schüttelte trotzig den Kopf. Nicht im Stande oder nicht dreist genug, gegen den Inspektor zu argu- mentiren, blieb sie doch eigensinnig in der Passivität und ver harrte bei ihrem Entschluß, den Namen ibres Geliebten nicht zu nennen. Selbst Major Willmor, der berbeigrrufen wurde, erschöpfte vergeblich seine ganze Beredtsamkeit und verlor schließlich alle Geduld. „So hören Sie denn, Hannah!" rief er ärgerlich aus. „Wenn Sie von ihrer eigensinnigen Weigerung nicht lassen, können Sie nicht länger in meinen Diensten bleiben!" „Da« tbut mir leid, Sir, aber ich kann» nicht ändern!" erklärte das Mädchen, immer eigensinniger werdend, je ener gischer man in sie drang. Major Willmor, dem die Röthe deS Zorns in das sonst so ruhige, Wohlwollende Gesicht gestiegen, verließ mit raschen, dröhnenden Schritten das Zimmer und kehrte nach einigen Augenblicken, eine Anzahl Geldstücke in der Hand, zurück. „Hier ist Ihr Monatsgehalt", sagt« er entschlossen, das Geld vor Hannah auf den Tisch legend. „Sie sind aus meinem Dienst entlassen. Packen Sie sofort Ihre Sachen und verlassen Sie das Haus. Und merken Sie: ich wünsche nicht, daß Miß Margaret mit dieser Angelegenheit gestört wird! Sie werden gehen, ohne Ihrer Herrin Adieu zu sagen." Das Mädchen nahm daS Geld, machte einen trotzigen Knix und verließ das Zimmer. Kaum aber war sie ans den Augen der Anwesenden, al« ihre erkünstelte Selbst beherrschung sie verließ, sie sich aus die unterste Stufe der Treppe niederließ, in Thränen ausbrach und schluchzte, als ob ihr das Herz brechen wollte. Sie bemerkte i» ihrem leidenschaftlicken Erguß ihre« Kummer« nicht, daß der Lakai James die Flurtbür öffnete und eine junge Dame einiieß, welche hastig auf bi« Treppe und damit auf sie selbst zuschrilt. „Wie, was giebt's, weshalb weinen Sie so, Hannah?" fragte eine muntere, silberhelle Stimme mit leichtem ameri kanischen Accent. „O, liebe Miß Russell, es ist zu schrecklich, zu grausam!" schluchzte da« Mädchen verzweiflungsvoll. „Ich bi» aus dem Dienst gejagt, entlassen! Sie glauben, ich hätte bei den, Unglück gestern Abend die Hand im Spiel gehabt — ich könnte sagen, wer das fürchterliche Zeug hergebracht hat, von dem daß Han« in Stücke gegangen und Miß Margaret blind geworden ist!"
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite