Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970301016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897030101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897030101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-01
- Monat1897-03
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezn-IUPrett Dlt h« Hauptrxpedttion oder den im Stadt« bezirk und den Vororten errichteten AuS- aaorsteLni «bgeholt: vierteljü^lich^l4L0, bei »weimaliaer täglich« Anstellung ins Hau» ^tl S-öö. Durch dt» Post bezöge» für Deutschlaud u»d Oesterreich: vierteuichrlich ^ 6.—. Direct« täglich« Itrruzbavdirooanq in« «»«lmch: monatlich » 7.50. Dir Morgen-A-Sgabe erscheint um V»7 Uhr. die Mend-Au-gabe Wochentag« um 5 Uhr. Moraen-Ausaabc. NrV«ttA» «id -r-edMo«: Aohmme«,nst« 8. DieExvedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Otto Mem«'» Sorti«. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 8 (Pauli«»«), Lo«t« Lösche. Aatharinenstr. 14. patt, and Ikönigöplatz 7. «MM und Tageblatt Anzeiger. Ämlsötatt des ÄSnigNche« Land- «nd Äintsgmchles Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Lladt Leipzig. 108. Die Königin Luise?) «In Leden-dUd. Boa vr. O. ideyer (Leipzig). Nachdruck verbot'«. ' II. ^ Vehr wohltbuend wirkte Luisen« Beispiel auch auf die Trachten ein. Die weiten Reifröcke, die turmhohen Frisuren, die meterlangen Schleppen wurden beseitigt, seit man die Kronprinzessin, die Königin selten ander« als in leichtem Mousselinkleide und ihr Haupt in einfachem Schmucke sab. Auch Stande«voruttrile bekämpfte sie mit größter Ent schiedenheit. Eine« Abend- bemerkte sie aus einem Balle, daß kein Kavalier mit einem hübschen jungen Mädchen tarnte, wett eS bürgerlich war. Sogleich bat sie ihren Gemahl, dem Mädchen die Ehre zu geben. In Magdeburg wurde ihr bei einem großen Empfange unter anderen eine bürgerliche Offiziersfrau vorgestellt. „WaS sind Sie für eine Ge borene?" fragte die Königin. „Ach, Ibro Maiestat, ich bin gar keine Geborene", antwortete die Frau. Als darauf ein Kichern und Naserümpfen unter den anwesenden blaublütigen Damen anhob, ja eme der Ebrendamen die hochmütige Bemerkung machte: „Also eine Mißgeburt", da blitzte es aus den Augen der Königin voll Entrüstung, und sie sagte mit erhobener Stimme in der ihr eigenen beredten Weise: „Ei, Frau Majorin, Sie haben mir da in einer recht naiv-satirischen Weise geantwortet. Ich muß ge stehen, mit dem herkömmlichen Ausdruck „von Geburt sein", wenn damit ein angeborener Vorzug bezeichnet werden soll, habe ich niemals einen vernünftigen Begriff verbinden können; denn in der Geburt sind sich ja alle Menschen gleich. Allerdings ist eS von hohem Werte, ermunternd und erbebend, von guter Familie zu sein. Von ausgezeichnete» Vorfahren und Eltern adstammen, wer wollte da« nicht ehren und bewahren? Aber das findet man — Gott Lob! — in allen Ständen. Ja, selbst aus den untersten sind oft die größten Wohlthäter deS menschlichen Geschlechts hervorgegangen. Acußere glückliche Lage und Vor züge kann man erben, aber .nnerc persönliche Würdigkeit muß doch jeder für sich und seine eigene Person erwerben. Ich danle Ihnen, liebe Frau Majorin, daß Sie mir Ge legenheit gaben, diese, wie ich glaube, für's Leben nicht un wichtigen Gedanken auszusprechen, und ich wünsche Ihnen in Ibrer Ehe viel Glück, dessen Quelle doch immer im Herzen liegt." Ein wahrer Engel war Luise für die Armen und Be drückten. „Wo sie auf ihren Wegen des Elends ansichtig wurde, ka litt ibr großes Herz es nicht anders, sie mußte helfend und rettend wirken", ohne ängstlich zu untersuchen, ob der Arme der Hilfe wert war. Denn, so sagte sie, „die Grenzen zwischen verschuldetem und unverschuldetem Elend sind sehr fein ge- zogen und laufen in einander. Und wie macht eS denn der liebe Gott mit unS, denen er reichlich giebt, auch nicht immer nach Verdienst und Würdigkeit?" — Und was für eine Gattin und Mutter war sie! „Sonst mußte man sich vor den *) Ans Wunsch vieler Leser läßt der Herr Verfasser diesen Aus satz unter dem Titel: Die Königin Luise. Ein Lebens bild von vr. Otto Geyer im Verlage von Paul Beyer, Leipzig, erscheinen. ArrzeigeN'Preis bk 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrkch («ge spalten) 50/H, vor den Famttiemrachrtcht», (tz gespalten) 40 4. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Atfferasatz nach höherem Tarif. Extra «veila-en (gefalzt), nur mit der Morgen - Au-aabe, ohne Pvstbeförderung 60,—, mit Postbesörderung 7V.—. Aunahmeschluß siir Aryel-en: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag« «Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die 8rprditi,n zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 91. Jahrgang. Höfen wie vor einem ansteckenden Orte mit Weib und Kindern flüchten", schreibt der Dichter Novalis; „an diesen Hof wird man sich jetzt vor der allgemeinen Sittenverderbnis wie aus eine glückliche Insel zurückziehen können . . . . — Wer den ewigen Frieden jetzt sehen und lieb gewinnen will, der reise nach Berlin und sehe die Königin." Luise lebte ganz in ihrem Manne und ihren Kindern, deren ihr Gott neun bescherte. Sie batte die tiefste Einsicht in daS, was bei der Erziehung vor allem not thut, er spartet« aber, wie überall, auch hier den Segen von oben. Überhaupt erfüllte die tiefste, innigste Frömmig keit ihr ganzes Wesen, und nur sie gab ibr in allen Lebenslagen Geduld und inneren Frieden. So gerüstet sehen wir die Königin der unendlich traurigen Zeit entgegengehen, die mit dem Oktober 1806 begann und erst mit dem Tode für sie enden sollte. Per französische Macht haber, Napoleon Bonaparte, der tyrannische Erbe der großen Revolution, hatte mit fast allen Völkern Europas Krieg ge führt und allenthalben gesiegt. Längst gelüstete es ihn, auch die Monarchie Friedrichs des Großen anzufallen, nur waren ihm bislang die Umstände dazu nicht günstig genug erschienen. At« ihm aber gegen Ende des Jahres 1805 gelungen war, izi der Dreikafferschlacht von Austerlitz die Russen und Österreicher zu schlagen, und Preußen sich herauSnahm, den FriedenSvermittler zu spielen, da stand für ihn der Entschluß fest, bei nächster Gelegenheit Preußen zu zerschmettern. Er zog daher — entgegen allen Versprechungen — seine Truppen gar nicht erst aus Deutschland heraus, sondern ließ sic, un geachtet der Forderungen Preußens, in Franken stehen, das heißt in nächster Rahe der preußischen Grenze. Unv nun erfolgte Demütigung auf Demütigung für Preußen, bi« dieses endlich gar nickt anders konnte, als dem unerträglichen Zustande durch die Kriegserklärung ein Ende zu machen. Leiber war eS ein Ende mit Schrecken, dem ein Schrecken ohne Ende folgte. Am 14. Oktober stießen — nach einigen vorauSgegangenen kleineren Gefechten — die beiden feindlichen Armeen bei Jena und Aucrstävt auf einander. Dichter Nebel lag auf der Gegend. Weder die Franzosen noch die Prrußen waren an diesem Tage einer Schlacht gewärtig. Beide Heere waren im Vormarsch be griffen, als sie plötzlich auf einander trafen. Rascher Ent schluß^ Geistesgegenwart, Gehorsam und Vertrauen mußten das Schicksal deS Tages entscheiden. Führer und Heer der Franzosen besaßen sie im höchsten Maße, auf Seiten der Preußen fehlten sie fast gänzlich. DaS Unglück voll zu machen, wurde ihr Obcrbesehlvhao^r, der He.zog von Braunschweig, bald nach dem Beginne der Schlacht tödlich verwundet, und der König unterließ eS, einen neuen zu ernennen. Mörderisch schlugen die Kugeln der Franzosen in die dichten Reihen der Preußen, und bald trat unter diesen große Verwirrung ein. Was halfen jetzt einige Heldenthaten, was ScharnborsiS Besonnen heit und Blüchers Draufgehen ? Man mußte an den Rück zug denken. „In leidlicher Ordnung ging das Hauptheer zurück, um weiter westlich bei Büttstedt gegen Norden ab- zubiegen und den Weg über Sangerhausen nach Magdeburg einzuschlagen. Dieselbe Rückzugsstraße hatte auch Hohenlohe von Weimar auS genommen, und jetzt erst, da die beiden ge schlagenen Heere im Dunkel der Nacht auseinander trafen, A " ch-s, sium»! ->"» st, " ? 2 cv_ seinen Ansprachen an die Armee uber- ^chtttt^ervor allem die ebtt Königin mit pöbelhaftem Schnupf- sie sollte die Schuld tragen an dem Bürgerkriege, de? das arglose Frankreich so ganz unvermutet überraschte , sagt Treitschke. Die arme, unglückliche Königin. ^Nock t7ute giebt eS Kreise, d.e ,hr v,e Hauptschuld an diesem Kriege be,messen, aber ^rckauS wider d,e ge schichtliche Wahrheit. Kurz vor dem Entsche.dungs kämpfe bat sie Gentz gegenüber ausdrücklich und mit deut^ lichem Hinweise auf den Krieg erklärt, daß sie " öffentliche Angelegenheiten zu Rate gezogen wcrden sei und auch nicht danach gestrebt bade. Und ihr Gemahl sagte etwa fünf Jabre nach ihrem Gewiß ist, daß die Königin sich nie in Angelegen beiten der Regierung gemischt hat; höchstens bat sie zu Fürbitten für Unglückliche, die der Hilfe bedurften, sich verstanden und solche aus eine Art eingelegt, daß man sie nicht abschlagen konnte. Nie ist sie auS ihrer weiblichen Spbare derausgetreten, nie bat sie in die meine ein- q-griffen." Aber allerdings billigte sie den Krieg und bätte obn. Zweifel für ibn gestimmt, wenn sie gefragt worden wäre. Auch ist richtig, daß sie ihren Gatten ,nS Feldlager begleitete, einerseits, um dem Heißgeliebten jederzeit nahe zu sein, anderseits, um das Heer zu höchstem Mute zu ent flammen. Sie brach aber schon am 13. Oktober von Weimar au? um nach dem Wunsche de« König« die Schreck nisse einer Schlacht nicht mit erleben zu müssen. Dann blieb sie mehrere Tage obrre jede Nachricht über den AuS- gang. Endlich erhielt sie d,e Schreckensbotschaft: „Der König lebt, die Schlacht ist verloren." Sie erkannte d,e Sachlage sogleich für so schlimm, wie sie wirklich stand. „So sehe ich denn ein Gebäude an einem Tage zer- stört, an dessen Erhöhung große Männer zwei Jahrhunderte gearbeitet baden. ES giebt keinen preußischen Staat, keine preußische Armee, keinen Nationalruhm mehr, der ist ver schwunden wie der Nebel, der auf den Feldern von Jena und Auerstädt dir Gefahren der unglücklichen Schlachten verborgen hat", soll sie in diesen Tagen gesagt haben. In stürmischer Hast eilte sie nach Berlin, ihre Kinder zu reiten. Doch waren diese bereits mit ihrem Lehrer nach Schwedt geflüchtet. Sie vernahm, daß soeben ein vom Könige abgesandter Offizier angekommen sei. Sogl.ch ließ sie ibn rufen und erhielt auf die Frage, wo der K'.iig jetzt sei, die Antwort, er wisse es nicht. „Aber mein ->otl, ist denn der König nicht be, der Armee?" — „Bei der Armee?" antwortete der Leutenant, Herr von Dorville, in tiefer Bewegung, — „die Armee existiert nickt mebr." — In der Frühe de« nächsten Morgens ließ sie ihren Leibarzt vr. Hufeland rufen. Mit Thränen in den Augen, der Verzweiflung nahe, trat sie ihm entgegen: Alles ist verloren. Ich muß fliehen mit meinen Kindern. Sie müssen uns begleiten." Der Arzt war bereit. Mit geringer Habe, nur mit dem Notdürftigsten versehen, setzte sie die Flucht fort, um ,bre Kinder zu suchen. Im Schlöffe von Schwedt, auf der großen Freitreppe, eilten sie ihr entgegen. Sie blieb stehen, schloß sie in ibrc Arme und sagte: „Ihr seht mich in Thränen, ick beweine das schwere Ge schick, da« uns betroffen bat. Der König hat sich in der Tüchtigkeit der Armee und ihrer Führer geirrt, und so baden wir unterliegen sollen und müssen flüchten." Erst in Küstrin traf sie mit dem Könige zusammen. Welch ein Wieder sehen! Niemand bat je erfahren, was die Gatten damals mit einander gesprochen haben. Doch waren beide gefaßter, seit sie sich wieder batten. Ruhe war ihnen jedock nickt besckieden. Der Feind schritt rast los vorwärts und fand nirgends ernstlichen Widerstand. Eine Hiobspost folgte der andern. „Zum ersten Male in Preußens ehrenreicher Geschichte gesellte sich dem Unglück die Sckande." Die „Federbüsche" ließen fast aus nahmelos ibre Pflicht im Stiche. Ihnen war zu Mute, als ginge die Wett unter. Hohenlohe übergab bei Prenzlan dem Prinzen Mural, der an der Spitze von 800 Reitern stand, ein Heer von 10 000 Mann, 325 Offizieren, 180«» Pferden, 45 Fahnen und 64 bespannten Geschützen, ohne einen ernsten Kampf auch nur zu versuchen. Erfurt, Magdeburg, Küstrin, Stettin und andere feste Plätze kapitulierten in der schimpflichsten Weise. Feigheit, Niedertracht, Verrat, ehrlose Unterwürfigkeit machten fick breit. Selbst Johannes Müller, der Lobrevner altdeutscher Freiheit, schämte sich nickt, sich umzudenken. Wie schmerzte das alles die teuere Königin! Und nun noch die unflätigsten Schmähungen Napoleons, dieses gemeinen Menschen, gegen ibre Person, diese Verunglimpfungen ikrer Ehre, ihres RuseS. Damals war eS, als sie mit gramerfüllter Seele schrieb: „Wer nie sein Brot mit Thränen aß, Wer nie dir kummervollen Nächte Auf seinem Belte weinend saß, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte." Dürfen wir uns wundern, wenn bei solchen Seelenqualen ihr Körper litt? Ein heftige« Nervcnfieber warf sie in Königsberg auf das Krankenlager, und lange Zeit ding ihr Leben an einen: Haare. In diesen fürchterlichen Augenblicken traf plötzlich die Nachricht ein, daß die Franzosen heran rückten. WaS tbun? Sie entschied für die Flucht. „Ich will lieber in die Hände Gottes fallen als in die Hände dieses Menschen." Zwanzig Meilen bei heftigster Kälte, unter Sturm und Schneegestöber, zu Land, zu Wasser, durch Schnee, durch EiS krackte man die arme, kranke Königin nach Memel. Die elendesten Hütten dienten zum Nachtquartiere. Einmal webte in einer Kammer, deren Fenster zerbrochen waren, der eiskalte Wind den Schnee sogar auf ibr Bett. Aber wunderbar! Die Königin genas und blickte von Stund an hoffnnngSfrendigcr in die Zukunft; ja, als nun doch endlich Feuilleton. Gesrg Ebers. Ein literarisches Charakterbild zu seinem 60. Geburtstage. Don Gustav Adolf Erdmann-WrißeafrlS. Nachdruck »erboten. Ein alter Freund der deutschen Familie ist es, besten 60. Geburtstag wir am 1. März d. I. begeben, ein Freund, dem man schon seit Jahren zur bestimmten Zeit den Ehren platz einzurichten gewohnt ist, um mit Spannung seinen farbenprächtigen Erzählungen zu lauschen. Besonders in Leipzig werden an diesem Tage viele Freunde des liebens würdigen Dichters gedenken, der Jahre lang eine Zierde unserer Universität bildete, der nicht allein in strengwissen« sckaftlicher Beziehung die Egytologie in unschätzbarer Weise förderte — welches Aufsehen machte nicht allein die Ent- deckung und Entzifferung deS „PapyroS Eber«", dieses ältesten Schriftwerkes der Welt — und seinen Schülern rin begeisterter »nd begeisternder Lehrer war, sondern auch in seinen publice gehaltenen Collegien über egvptische Kunst geschichte, Sitten und Gebräuche der alten Egypter rc. eine über hundert Personen zahlende Zuhörerschaft nachhaltig zu fesseln wußte. Ungern schied Ebers 1889 von hier, wo ihn zahlreiche Bande der Freundschaft festhielten, schweren Herzens entsagte er dem akademischen Lehramte, dem er, wie zahllose mündliche und schriftliche Arußerunaen beweisen, mit ganzer Seele ergeben war. Aber daS grausame Leiden, daS :bm seit Jahrzehnten marterte und quälte, machte daS Ent sagen nothwendig; der Dichter mußte, um sich den Seinen z« erhalten, starker Hand alle Bande zerreißen. Er siedelte nach München über, um seinem geliebten TuScnlum, der laubversteckten Villa am herrlichen Starnberger See möglichst nahe zu sein. Hier hin flüchtet er sich in jedem Jahre, „wenn der Frühling von den Bergen steigt", und bleibt dort, den kranken, von den Schmerzen de« Winter- geschwächten Körper in der ozonreichen Berg- und Seeluft kräftigend, bis ibn der Reif des Herbstes wieder in di« Stavt verbannt. „Hätte ich mein Tutzing nicht, so ruhte ich schon längst unter dem kühlen Rasen", äußerte EberS schon vor Jahren mir gegenüber. Hier in dieser kleinen Villa, vor welcher nach der Seeseit« bin zwei mächtige steinerne Löwen Wache halten, sind im Anblick der silbrrblitzrnden Alpengipfrl zahlreiche von den Werken entstanden, welche da« Gemeingut de« gebildeten Deutschland» ja der gebildeten Welt geworden sind, denn zahlreiche seiner Roman« sind in nicht wrni-«r al« 1« Sprachen übersetzt worden, so daß man sehr Wohl von einer Universalität derselben sprechen kann. Ein Gedenktag wie der 60. Geburtstag eines Dichters ist besonders dazu geeignet, einen Rückblick auf sein bisheriges Schaffen und auf die Grundsätze, von welchen er sich in diesem Schaffen leiten läßt, zu werfen. Suchen auch wir in kurzen Zügen einen Ueberblick über die reiche dichterische Thatigkeil Georg EberS' zu gewinnen. Seinen Rubm hat der Dichter durch seine sog. „archäo logischen" Romane begründet, die sich so eng mit der dichteriscken Eigenart deS ManneS verknüpften, daß eS vielen Leuten gar nicht in den Kopf wollte, als EberS nach Er füllung seines großen egyplischen Programms nich mit Romanen aus dem deutschen Culturleben an die O ffentlich- keit trat Bei dem hervorragenden epischen Talent, welches dem Dichter schon in früher Jugend eigen war, kann eS nicht Wundlr nehmen, wenn er dieses in den Dienst seiner Wissen schaft stellte, oder auch seine Wissenschaft dazu benutzte, seine Pbantasie zu inspiriren und sein Talent auf eine bestimmte Bahn zu leiten. So verdankt z. B. sein erster Roman: „Eine cgyptische Königstochter", seine Entstehung der EberS- schen Habilitationsschrift, die sich mit der Zeit deS Heimfalls EgyptenS an die Perser beschäftigte. Es schien ihm eine dankenswerthe Aufgabe, die drei Völkergruppen: Egypter, Griechen und Perser, in einem Culturromane neben einander zu stellen, und dazu bot ibm die Negierungszeit deS Königs Amasis uud seines unglücklichen SobneS PsammetichoS III. die beste Gelegenheit. Bekannt ist. welchen großen Erfolg EberS mit diesem Roman hatte. Nicht allein die Gunst deS Publikums wandte sich ihm zu, auch kunstverständige Fachgelehrte wie Max Müller in Oxford, Droysen, LeemanS in Leyden, LepsiuS und Andere erkannten lobend an, daß c« dem Dichter wirklich gelungen sei, die Gestalten und Zustände einer sehr alten Zeit als freier Bildner wiederzugeben und dabei mit aller Treue daS archäologische Detail der Wirklichkeit nachzubilden. Doch auch der Widerspruch blieb nicht auS. Im Allgemeinen aber übrrwog doch die Zustimmung die Ablehnung bei Weitem, und sie hätte jeden Dichter ver anlaßt, die einmal betretene Bahn ungesäumt zu verfolgen. Bei Eber« aber trat nun trotz de« heißen Wunsche« nach weiterem dichterischen Schaffen eine dreizehnjährige Pause ein, auSgesüllt durch ernste wissenschaftliche Studien und Arbeiten. Für Eber« al« Dichter ist diese Schaffen-pause jedoch keine verlorene Zeit gewesen; in ibr bildeten und klären sich die Grundsätze und Ziele seine« Streben« als Dichter, in ihr entstand auch der große Plan, der seinen nach folgenden egyplischen Romanen den Stempel der Einheitlich keit aufprägre. Man bar nur zu oft versuch», Georg Eber« in wez- schreibrr zuruweisen, die sich ganz dem Geschmack ihre« Publicums fügen und nur dafür sorgen müssen, diesen Ge unberechtigter als die«; Georg Eber« verdiente eS sonst nickt, den Ehrentitel eine« Dichter- zu führen. Frühe schon war Eber« ,n enge Beziehungen zu dem geistvollen Aestbetiker F. Th. Bischer getreten, dessen ästhetischer Geschmack sich in künstlerischen Dingen gewöhnlich mit d«m seinigen deckte. Nun batte Bischer gelegentlich die Forderung aufgestellt, jeder gute Roman müsse ein Culturroman sein, und diese Forderung siel bei EberS auf fruchtbaren Boden. Daß der Culturroman für den Forscher auf dem Gebiete egyptischer Eultur die größte Anziehung auSüben mußte, ist natürlich, daß die Forderung Vischer's daS Ihrige dazu thun mußte, ihn jeder anderen Gattung zu entfremden, ist erklärlich. Er versenkte sich nun ausschließlich in dir Aufgaben deS Cultnr- romans, und eS ist unumwunden anzuerkennen, daß die Be strebungen, welche in seinen Werken klar bervortreten, den Ansprüchen, die man an einen echten Culturroman stellen kann, wirklich Rechnung tragen. EberS sagte sich, daß eS durchaus nicht die Aufgabe eine« solchen NomanS sei, ein Lehrbuch der Geschickt: zu ersetzen, ja er durfte eS sogar unternehmen, einen echten historischen Roman zu schreiben, ohne eine geschichtliche Persönlichkeit darin Mitwirken zu lassen — ich erinnere an ^öomo rmu" und „SerapiS" —, sein Bestreben richtete sich darauf, die Eultur der von ihm gewählte,. Zeitrpoche in ihren be deutendsten und am meisten bezeichnenden Zügen wieder- W'.HN. *-bers gebt sogar soweit — unv von wirklich kün,tierischem Standpuncte aus kann inan ihm nur zu- stimmen! — den mehr oder minder geschickten GeschichtS- klitterungen, die alljährlich unter der Flagge des historischen NomanS auf dem Büchermarkt erscheinen, ihre Berechtigung abzusprechen. v » Müßige Frager forschten auch nach den Ursachen, die feine dichterische Kraft früher so aus schließlich in den Dienst de« egyplischen Culturlebens und später in den de« deutschen Mittelalters zu stellen. Man wollte wissen, warum der Gelehrte sich nicht den großen sociale» unv politischen Fragen und Problemen der Gegen wart znwende, und vermerkte in manchen literarischen Kreff-n diese« ablehnende Verhalten de» Dichter« gegenüber rer Gegenwart recht übel. Nun, die erste Frage erledigt sich meine« Erachten« schnell und gründlich damit, daß Georg Eder« nnt Leib und Seele Egyptolog« ist. Ferner aber- wer kann e« unternehmen, einem Dichter, der frei sein m»b .... di, «»,!>. k.,,»D,i,st„ „ ist. zuschreiben oder zu verbieten, wer anders kann dies, als sein eigene« Gefühl, a»S dessen Tiefen er die Ideen und Gestalten feiner Dichtung schöpft? Trotz dieser Erkenntniß interprllirte ich vor ungefähr fünf Jahren den Dichter über diese Angelegen heit, um eine für seine Stellung maßgebende Aeiißerung herdeizufübren, und erhielt Folgendes zur Antwort: „Mir ist die allerjüngste Zeit noch zu actuell, zu wenig übersehbar und historisch, als daß ich ihr meine Stoffe entnehmen möchte. Ich kann erst über den Dingen stehen, wenn sie aufgehört haben, mir web zu thun oder mir Erfreuliches zu bringen. Ich fühle mich noch in der Partei und mitten im fließenden Strom meiner Zeit zu subjektiv, um sie mit jener Objektivität darstellen zu mögen, die nicht nur der Historiker» sondern auch der in Prosa dichtende Epiker erlangt haben sollte. Es ist gut, daß Andere es bester verstehen, sich über die eigene Gegenwart zu stellen. Mir geht es noch wie dem Schau spieler, der bei der Vorstellung und während der Bühnen lhätigkeit schwer dazu kommt, daS Stück und die anderen Mitwirkenden recht zu beurtheilrn." Es ist zwar zweifellos, daß man diese Aeußerunz dcs Dichters nicht als ein Kunstgesetz von allgemeiner Geltui:: griffspuncte darbieten, eS zu Falle Ausfluß individuellen Empfindens Ebers es, dem vor( hat eS Anspruch au Welche Absicht proclamiren kann; in diesem Falle würde c« genügend A zu bringen. Aber al? und als solchen w, i etzten Satze zufolge, betrachtet wissen - Giltigkeit. ^ ag aber dem großen CykluS egyptischer Romane zu Grunde? In der langen Pause war in dem Dichter der Gedanke herangewachsen, jeder Epoche der eghp tischen Geschichte in einem Roman gerecht zu werden. Er wollte die Cultur jedes Abschnittes der egyplischen Geschichte im Zusammenhang mit der der Weltgeschichte geben, und al« er im Wmter 1872 und 73 in Egvpten weilte, kam der Plan der „Uarda" in ihm zur Reife; mit ihr sollte die Serie beginnen. Auf die einzelnen Romane hier einzugehen, gebricht e» leider an Raum: eS ist dies auch weniger nöthig, da ei» Jeder sie kennt. Nur das sei noch erwähnt, daß kein einziger im „alten Reiche" spielt, sondern daß nur die jüngere» Epochen behandelt werden. Man erkennt hier den Einfluß Lepsius' auf EberS, der gelegentlich die Forderung aufgesteltt bat, für die Zwecke künstlerifcher Darstellung sei Egypten i» seinen Berührungen mit anderen Culturrn aufzusuche». Würde eS aber nicht eine interessante Aufgabe für Georg Ebers sem, seine Kraft auch einmal gelegentlich der Darstellung älterer Culturepochen egyptischer Geschichte zu veriuchen? Fall« die» Unternehmen gelänge — und warum sollte es e,nrm Eber« mißlingen? — würde sein Cyklu« dadurch nur an Bedeutung gewinnen. Man hat dem Dichter vorgehalten. di« Personen in seincn
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite