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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970310016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-10
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Tadellcirffcher und Aisftirnsatz nach höherem Larch Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbeförderung SV.—, mit Postbefvrderung 70.—. Annahmeschlnß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen»>«»gab«: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anteilen sind stet» an di« Expedition z« richten. Druck und Verlag von <ö. Polz in Leipzig. ^ IW. Mittwoch den 10. März 1897. 91. Jahrgang. Jur Lage iu Lagern. k. «Suchen, 7. März. Di« politische Strömung und die Parteiverhältnisse in Bayern arheu langsam einer wesentlichen Veränderung ent gegen. In den oberen Regionen hatte bekanntlich in den lebten Jahren die 2entrum«partei immer mehr Oberwasser bekommen; die schwachmüthige Haltung der Liberalen leistete keinen Widerstand und eine übertriebene RechnungSlrägerei gegen vermeintliche dynastische Neigungen, dir bei der durch aus loyalen, reich-treuen und auch in konfessioneller Be ziehung unparteiischen Haltung des Regenten keine that- sächliche Begründung besitzt, glaubte sich manchmal schon in den Dienst riar» ebenso unnützrrweise von der Zukunft erwarteten klerikalen Regiment» stellen zu sollen, das doch für jeden Einsichtigen durch die Grundlagen und die Leben-bedingungen de« bayerischen Staat« und KönigthumS auSgeschlofsea ist. Der ultramontane Traum von einer katholischen Vormacht- und Führerstellung Bayerns wird in München von keinem ernsten Politiker als ein realer Factor betrachtet, und wenn in jüngster Zeit die Koryphäen der baverischen Klerikalpvlitiker, die Herren Orterer, Sckävler rc. mehr in den Vordergrund getreten und von der Regierung durch Beförderung «»«gezeichnet worden sind, so wird man auch hierin weniger eine Gefährdung der correcten Wetter führung der bisherigen Polink al« ein taktisches Mittel der letzteren zu erkennen haben, durch Befriedigung persönlichen Ehrgeize- ohne sachlichen Schaven den Boden für die Ver hetzung de- Parteiweseus immer mehr einzudämmen. In That und Wahrheit hat die CentrumSparlei in Bayern neuerdings an Boden verloren. In den altdayerischen katholischen Provinzen hat die Bewegung für den Bauern bund an Macht und Ausdehnung sehr demerklich zugenommen, und diese Bewegung ist ganz geeignet, dem bi»her herrschenden Klerikalismus das Gegengewicht zu halten und das Macht gebiet desselben einzuschränkrn. Ausdrücklich wird von den Bauernführern die ungenügende Vertretung der Lanvwirth- schaft und des Bauernstandes durch die CentrumSpolitiker hervorgehoben; in den zahlreichen Versammlungen, auf denen in Over- und Nieverbayern wie in Schwaben die neue Heilsbotschaft verkündigt wird, fordert man statt der bis herigen klerikalen und von den Geistlichen angeführten Ab geordneten solche Vertreter, die entweder selbst aus der un abhängigen Bauernschaft hervorgehen oder doch ein gründliches Verständniß für Landwirlbschast und Bolkswirlhschaft besitzen. Insbesondere wird dringlich die Aufhebung der auf alte Bannrechte begründeten Bodenzinse und die Grenzsperre oder wenigsten- eine dreiwöchige Contumaz für ausländisches Schlachtvieh zum Schutze gegen Seuchengefahr und zur Förderung des Absatzes für die heimische Viehproduction ver langt. ES ist nachgrwiesen, daß die altbayerischen Provinzen mit ihrem Viehbestände den inländischen Bedarf an Schlacht vieh überreichlich zu decken vermögen, so daß daS vor vier Jahren bei einer außerordentlichen Futternolh zugelassene österreichische Schlachtvieh für Bayern gänzlich überflüssig ist. Der Mastenpetition an die Regierung in diesem Sinne dürfte das Ministerium nun vielleicht Folge geben, wiewohl die an geordneten officiellen Erhebungen in dieser Angelegenheit noch kein verwerthbareS Ergebnis, geliefert haben. Die Petenten werden in ihrer Hoffnung dadurch bestärkt, daß neuerdings auch der bayerische LandwirthschastSrath für Beschränkung der österreichischen Viedeinfuhr sich ausgesprochen hat. Die CentrumSpartei sucht der bäuerlichen Bewegung mit „christlichen" Bauernvereinen entgegenzuwirken, die indessen geringen Anklang finden. Hier und da weiß ein älterer Pfarrer, der sich von der fanatischen Agitation der letzten Jahrzehnte fern gehalten und im Geiste echt christlichen Priesterlhums neben der religiösen auch die gesellschaftliche und wirthfchaftliche Einwirkung auf seine Gemeinde bewahrt hat, auch dem Bauernbünde gegenüber den Zusammenhang kirchlichen und socialen Einflusses aufrecht zu halten, aber in zahlreichen BezirkSversammlungen, selbst in bisherigen Domainen von Centrumsfübrern, haben die geschickten und redegewanten Agitatoren beS Bauernbundes, unter Venen sich namentlich vr. Kleitner bervorthuk, gegen die Caplanspartei recht ansehnliche Erfolge errungen, die wohl auch bei den nächsten Wahlen nicht versagen werden. Abgesehen von der bäuerlichen Bewegung,erhofft vasCenkrum eineVerstärkung seiner bedrohten Machtstellung neuerdings vom Verein der „ Ei senbahner", d. h. der Bediensteten an den Staalsbabnen, der bereits viele Hunderte von Mitgliedern zählt. Mit Recht weist die „Allg. Ztg." auf die Bedenken hin, die eine derartige Ver einigung, auch wenn sie die Treue gegen den Staat grund sätzlich vorauSsetzt, bei nicht voraussehbarer Entwickelung in kritischen wirthsckastlichen und politischen Verhältnissen für den öffentlichen Verkehr erregen kann. Der Bund der Eisen bahner wird sich von der Politik wohl auch fernhalten, während der Bauernbund ganz das Zeug dazu hat, in der weiteren politischen und volkswirthschaftlicken Bewegung Bayern« «ine hervorragende Rolle zu spielen. Die bisherige klerikale Mehrheit im bayerischen Landtage dürfte endlich m die Brüche gehen. Deutsches Reich. * Berlin, 9. März. Professor Bautz, der Über Nacht zum berühmten Manne geworden ist, sucht sich in einer längeren Erklärung zu rechlfertigcn. Er versichert, daß er an der Münster'schen Akademie nur wissenschaftliche Dogmatik zu lehren habe und streng auf diesen Gegen stand sich beschränke. Bon den in seinen Abhandlungen über die letzten Dinge veröffentlichten Auffassungen könne daher in seinen Lehrverträgen nicht» Vorkommen. Wa» die Sacke selbst andelang-, so habe er in seiner Vorrede aus drücklich hervorgehoben, daß die Mystik, soweit sie über den Rahmen des kalhotischen Dogma» hinauSgehe, Glauben-sacht nicht sein könne. Er überlaste e» Jedem, dazu nach eigenem Ermessen Stellung zu nehmen, bransprucke aber ebenso für sich diese Freiheit. Wa» seine Ansicht über den Sitz der Holle anbrtriffl, den er bekanntlich in da» Innere der Erde verlegt, wie im Anschluß an die Heilige Schrift Kirchenväter und Theologen lehrten, so sagt Herr Bautz wörtlich: „Ich befinde mick also mit meiner Ansicht in recht guter Gesell schaft. Bei zweifelhaften Dingen, ia denen daS kirchliche Lehramt ntchtS entschieden hat, wie »S hier der Fall ist, pflegt sich der katho lische Theologe an das Urtheil anzuschließen, welche- bei den Kirchenvätern und in den späteren theologischen Schulen alS da» herrschende hervortritt, zumal wenn dasselbe in mannigfachen An deutungen der heiligen Schrift alten und neuen Bundes eine beachtens- werthe Stütze findet." Herr Professor Bautz erklärt dann noch, er habe keinen vernünftigen Grund, einer Ansicht zu widersprechen, die von der großen Mehrheit der Väter und späteren Theologen unter Bezugnahme auf die Heilige Schrift vertreten werde. — Herr Bautz wird hoffentlich von der „General-Versammlung der Katholiken Deutschlands" ein HuldigungStclegramm erhalten. * Berlin, 9. März. Die „Berl. Polit. Nackr." schreiben: Die Erörterungen innerhalb der Regierung anläßlich de» be kannten Rechtsspruches, inhaltS dessen ein wegen wider rechtlicher Entziehung von Elektricität de« Dieb stahls Angeklagter freigrsprochen wurde, weil Elektricilät nicht gestohlen werden könne, dürften zu dem Ergedniß ge führt haben, daß eine Lücke in unserem Strafrecht in Bezug auf den strafrechtlichen Schutz der Elektricitälsanlazen nicht besteht, mitbin auch ein Bedürfniß zu einem gesetz geberischen Einareifrn nicht anzuerkennen ist. Wenn e» richtig ist, daß elektrische Kraft nur unter besonderen Umständen, insbesondere, wenn sie io Accumulatoren aufgespeichert ist, Gegenstand eines Diebstahls sein kann, so braucht doch im Uebrigen die widerrechtliche Benutzung dieser Kraft nicht straflos zu bleiben. Tenn solche Angriffe auf fremde Kraft dürften aiS Betrug bestraft werden können. Widerrechtlich und vorsätz lich ist eine solche That jedenfalls. Durch die beim- liche Veranstaltung zur Ausnutzung fremder Kraft wird der Berechtigte über die Leistung seiner Maschine und ven dafür in Anspruch zu nehmenden Ersatz getäuscht, sie charaklerisirt sich als Unterdrückung wahrer Tbaksachen. Daß der Unternehmer durch die unentgeltliche Entnahme von Kraft auS der auf seine Kosten betriebenen EiektricitälS-Anlage ge schädigt wird, erscheint ebenso unzweifelhaft, wie daß derjenige, welcher sich widerrechtlich eine unentgeltliche Arbeitsleistung verschafft, dadurch einen rechtswidrigen VermögenSvortheil erlangt. Eine Analogie für diese Auffassung bietet die Rcchtiprechung des Reichsgerichts, nach welcher die Erschleichung der Eisenbahnsahrt ohne oder mit ungiltiger Fahrkarte, also die widerrechtliche Benutzung der Kraflleistung der Eisenbahn, als Betrug zu bestrafen ist. Man darf daher erwarten, daß, wenn auch Diebstahl an elektrischer Kraft in der Regel nicht anzunehmen ist, den ElektricitätSanlagen der Schutz des Strafrechtes wegen widerrechtlicher Benutzung der elektrischen Kraft durch Dritte nicht fehlen wird. L Vrrlin, 9. März. (Telegramm.) Der Kaiser arbeitete heute Vormittag von 10 Uor ad mit dem General v. Hahnke. Mittag« empfing er den Prinzen Georg. — Am 12. d. M., am Geburtslage de- Prinz-Regenten von Bayern, findet bei dem Kaiserpaar eine größere FrühstückS- tafel statt. L. Berlin, 9. März. (Privattelegramm.) Am heutigen Sterbetage Kaiser Wilhelm'« I. war da« Mauso leum im Parke von Eliarlottenburg wie alljährlich auf bas Kostbarste geschmückt. Von den Säulen an zog sich an den Wänden entlang eine Blüthen- und Pflanzrnvecoralion bis zum Altar und um diesen herum. Auf dem Altar und zu beiden Seiten desselben auf den Marmorleuchlern brannten Wachskerzen. Dte Gruft unter dem Eapellenraum, in welcher die Särge stehen, war ebenfalls erleuchtet. Der Kaiser und die Kaiserin legten einen Kranz auS Veilchen, weißen Rosen, weißem Flieder und Schneeglöckchen nieder. Im Aufträge der Großherzogin von Baden wurde ein großer Lorbeerkranz überbracht, ein gleicher im Auftrag der Ka iserin Friedrich. Weitere Kranzspenden wurden im Aufträge deS badischen erbgroßherzoglichen PaareS, von den Generalakjutanten des verewigten Kaisers, von Deputationen der Oificiere des 1. GardercgimenlS z. F., des Husarenregiments König Wilhelm I. Nr. 7, deS 2. Badischen Grenadierregiments Kaiser Wilhelm I. Nr. 110, des König- GrenavierregimentS Nr. 7 niedergelegt. Um 12 Uhr Mittags wurde die große Glocke der Kaiser-Wilhelm» Gedächnißkirche geläutet. L. Berlin, 9. März. (Privattelegramm.) Das Staatsministcrium trat heute Nachmittag 3 Uhr unter dem Vorsitz des Fürsten Hohenlohe zu einer Sitzung zusammen. L. Berlin, 9. März. (Privattelegramm.) Die Abendblätter melden: Professor Robert Kock ist eS gelungen, bei der Bekämpfung der Rinderpest ia Südafrika einen guten Schritt nach vorwärts zu kommen. In einem Bericht vom 10. Februar an den LandwirthschastSminister der Eap colonie war er bereits in der Lage, die Ergebnisse seiner JmpfungSmethove anzugeben. Es ist ihm gelungen, mit Hilfe deS Serum eine gewisse Immunität zu erzeugen. Er schreibt darüber: „Ich kann nur driagend darauf bestehen, die Methode sofort zur Kenntniß der Farmer zu dringen, deren Vieh von der Seuche befallen ist oder in Gefahr steht, da ich überzeugt bin, daß Tausende Stück Vieh täglich dadurch gerettet werden können. Der mockus vperaucki ist in beiden Fällen (die Behandlung I mit Serum oder der Galle der gefallenen Thiere) sehr ein fach, aber eS ist nichtsdestoweniger wünschenSwrrth, so schnell als möglich Tbierärzten und anderen geeigneten Personen die Methode vorzusübren. Ich bin bereit, einen Unterrichtscursus in der Versuchsstation von Kimberley zu eröffnen. Es ist auch ferner rathsam, in Erwägung zu nehmen die Errichtung von Laboratorien in anderen Tbeilen de« Landes, sie mit dem nötbigen Material auSzustatten und mit ihrer Leitung ge eignete Personen zu betrauen." Für uns hat diese Errungen- chaft noch eine besondere Bedeutung, wenn eS gelingt, die Seuche zu localisiren, da dann Drutsch-Südwestafrika ver schont bleiben wird. H. Berlin, 9. März. (Privattelegramm.) Die Mtige Verhandlung der Budget-Commission des Reichstages charakterisirte sich durch ein Zurückweichen der Conservativen um einen Schritt hinter die gestern von dem Grafen Holstein abgegebene, den Regierungsforderungen für die Marine günstige Erklärung, durch die Festigkeit in der Haltung der Nationalliberalen, durch die Politik der freien Hand der übrigen Parteien, mit Aus nahme der alle Forderungen ablehnenden Social demokraten, ferner durch die mehr als reservirte Haltung deS Staatssecretairs Grafen PosadowSky. AuS ihr ergiebt sich leider, daß man es bei den über den nächstjährigen Etat binauSgehrnden Marineplänen zur Zeit nur mit einer Reffortpolitik deö Marineamles, nicht mit einem klaren oder gar festen Plane der Reichsregierung (Reichskanzler) oder gar der verbündeten Regierungen zu thun hat. Immer hin ist anzunehmen, daß dergeforbertePanzer bewilligt werden wird, für beide Kreuzer werden wahrscheinlich die Natio- nallideralen und beide conservativen Parteien stimmen, nur für einen Kreuzer wahrscheinlich das Centrum. Der Aviso „Ersatz Falke" wird vermulhlich als Opfer von vielen Seiten preiSgrgeben werden. Auch der Trockendock dürfte diesmal endlich bewilligt werden. — Die Berliner demokratische „VolkSzeitung" schreibt: „Wollen dte gegenwärtigen Mmister die Verantwortung für die derzeitige Marine nicht mehr tragen, so werden die leitenden Personen auS derjenigen Mehrheit des Reichstages, die dte neuen Marinepläne wahrscheinlich ablehnen wird, jeden Augen blick bereit sein, diese Verantwortung auch in Ministerstellungen zu übernehmen." Wir zweifeln mit den „Berl. N. N." keinen Augen blick, daß es im demokratischen Lager auch heute noch Leute giebl, die Deutschland „den Großmachtskitzel austreiden" möchten, wie dies im Jahre 1863 in Bezug auf Preußen ausgesprochen wurde. Aber weder an den leitenden Stellen, die für eine Entscheidung in Betracht kommen, noch in der Nation selbst besteht Reizung, die Schmach der Aera Hannibal Fischer zu erneuern, selbst wenn sie in zweiter Auflage Eugen Richter heißen sollte. — Der fünfte Weltpostcongreß wird in diesem Jahre in Washington tagen und seine Berathungen am 5. Mai beginnen. Seit dem ersten, der 1874 in Bern zusammentrat, sind jetzt, wie die „Köln. Ztg." in Erinnerung bringt, 23 Jahre verflossen. Von den damaligen Cbef« der Postverwaltungen, die den Weltpostverein ins Leben gerufen haben, sind d,e meisten todt und nur noch ein einziger im Amt, der deutsche Generalpostmeister Staatssecretair Vr. von Stephan. Er hofft, an den Washingtoner Be- rathunaen persönlich tbeilnehmen zu können und wird dabei vom Ministerialdirektor Fritsch und dem Geh. Postrath Neumann vom Reichspostamt begleitet werden. Als der wichtigste Fortschritt, der von deutscher Seile vorgeschlagen ist, dürfte aus dem diesjährigen Congreß der Wegfall der Posttransitgebühren in Betracht kommen. Ferner ist der Bei Feuilleton. Neue Dramen. Eine sehr bunte Reihe neuer Dramen liegt vor uns: modern, phantastisch, historisch, auch urhistorisch, abgesehen von der Stoffwabl in ebenso verschiedenartigen Stilarien, womit jedenfalls bewiesen wird, daß unsere dramatische Dich tung keinen einheitlichen Stil gefunden bat. Hinzu kommen, um die Buntheit zu vermehren, ausländische Dichtungen, die für den deutschen Bühnengeschmack mehr oder weniger zu recht gemacht sind. Zu diesen gehört „Der König", ein Drama von Björnstjerne Björnson, welches in der einzigen autoristrten deutschen Ausgabe von F. von Enzberg im Verlag von Albert Langen (Pari-, Leipzig, München) erschienen ist. Björnstjerne Björnson, der Dichter deS „Fallissement", war seiner Zeit der Hauptvertreter des skandinavischen Drama« auf deutschen Bühnen, ehe er durch Ibsen mehr in den Hintergrund gedrängt wurde: daß er wie dieser ein dramatischer Geheimnißkrämer ist und an einem tiefsinnigen Symbolismus krankt, der für Profane, die an Autoritäten lauben, etwas Unverständliche-, für Andere etwas Unsinnige« at, daS beweist sein Drama: „Der König", daS allerdings schon vor zwanzig Jahren gedichtet worden ist, daS man früher ruhig der Bewunderung der Skandinavier überließ, während man jetzt da« Versäumte nachholt, um durch diese neue Ladung die Ueberfracht unserer dramatischen Ausländer«! zu vermehren. DaS Stück besteht au« einer Hauptbandlung, die sich in unseren politischen und socialen Gesellschaftskreisen abspirlt, und auS Zwischenspielen, die ia den Wolken vor sich gehen und im höchsten Orakrlton einer überschwunghaften, und wie e« un« scheint, auch die Grenzen de« gesunden Menschen verstände« überfliegenden Phantasie gehalten sind. Zwischen dem Prosadialog und diesen B»r«trgüffen der in einem Wolkenkukuksheim spielenden Geisterbandlung ist aber rin solcher Gtilunterschied, daß er beim Mangel jeder Vermitte lung geradezu peinlich empfunden werden muß. Die- tritt um so mehr hervor, al« die Prosa sich bisweilen bi« zur Trivialität verflacht: so liest sich die lange Verhandlung einer Generalversammlung über Einrichtungen de« Eisenbahn wesen«, die allein 20 Seiten umfaßt, wie ein Zeitungs ausschnitt. Damit beginnt der erste Act statt jeder Exposition; es feblt an jeder in die eigentliche Handlung hinüberfübrenden Stimmung; wir finden diese Scene unkünstlerisch im höchsten Grade, tactloS und geschmacklos. Erst allmählich entspinnen sich au« diesem Knäuel ein wenig die Fäden der Haupt- Handlung. Der Held, der König, dessen Hauptcharakterzug eine gewisse wüste Naivität ist, erscheint schon in dem kurzen Vorspiel, doch als Don Juan, der sich einem lustigen Leben ergiebt und einem Mädchen, Clara Ernst, den Hof macht. Dies Vorspiel hat zwar mehr mit der Haupthandlung zu thun, als die trockenen Verhandlungen der Generalversamm lung; doch eS ist so aphoristisch gehalten, so kurzalhmig, daß e« kein Interesse einflößen kann; man sieht nur, wie der zudringliche Könm von einer jungen Schönen einen Korb er hält. Nach der Versammlung, in welche Majestät am Schluß hereinplatzt, sehen wir den König in einer Unterredung mit seinen früheren, sehr liberalen Lehrern und Freunden, an welcher sich dann auch ein hinzukommender Republikaner von echtem Schrot und Korn, der den König nicht persönlich kennt, betheiligt. Dieser spielt sich hier al- Freigeist auf, dem da« Königthum selbst al« eine conventionrlle Lüge erscheint. 2« sn für rin Volk nickt notbwendig, daß es bei seinem ewigen Trachten nach Wahrheit mit einer Lüge an der Spitze marfchirt; er will ein BolkSkönigthum, auf bescheidene, bürgerliche, auf richtige Weise der erste Beamte diese« Laude- werden oder nicht mehr König bleiden. Der Fortgang der Handlung besteht darin, baß er da« Herz jener Clara für sich gewinnt, daß die Prinzessin, welche glaubt, auf die Hand de« König« rechnen zu können, sich von der Liebe de« Mädchen- über zeugt und dieselbe in ihren Schutz nimmt, daß aber Clara auf dem Wege zur Hochzeit sterbend »usammen- brickt, al« ihr der Geist ihre« Vater« in den Weg tritt, der eben auS dem Leben geschieden. Dieser Vater war ein durch de« König« Machlgebot eingekrrkerter FreibeitSmann, der bei einem Fluchtversuch beide Beine brach. Solche psycho logische Gespenster kann man sich ja allenfalls ge fallen lassen — sie gehören zur poetischen Zeichensprache. Der König erlebt noch ein zweite« Unglück. Sein Minister Gran, der Mann seines vollen Vertrauens, wird von einem srübereo Busenfreund desselben, dem Republikaner Flink, im Duell erschossen. Seinen neuen Berathern, dem General, dem Pfarrer, einem Großkaufmann, tritt der König mit sarkastischem Hohn entgegen, ihre servilen Huldigungen verspottend, und dann erschießt er sich selbst. Die- skandinavische politische Drama war ursprünglich eine Streitschrift gegen taS schwedische Königthum: manche« darin steht auf der Spitze, die Katastrophen sind von einer wenig motivirten Plötzlichkeit, und die Psychologie bewegt sich in lauter Sprüngen. Immerhin ist doch ein durch gehender Fluß der Handlung erkennbar, mag er ofl sich allzu sehr verbreitern und bisweilen sogar tobte Arme bilden. Die Beziehungen der Zwischenspiele aber zur Handlung sind nicht nur im höchsten Grade commentarbedürftig, sondern wir Weiseln auch, daß irgend ein Commentar den tieferen Zu- ammenhang zwischen diesen bochgegriffenen poetischen Offen barungen und dem Fortgang der dramatischen Handlung Nachweisen könnte. Welch ein unterschied zwischen der Geister- sprache in „Faust" und „Manfred" — und diesen himmlischen Dialogen «nd Monologen der Genien, der Gcistercköre und Tyrannenchöre. den Männer- und Frauenchören in den Wolken. Hunderten zuckt ja in diesem etwa« verfinsterten Hymnenstil, an dessen Unverständlichkeit vielleicht, wie Björnson selbst andeutet, die Uebersetzung einige Schuld trägt, obschon sich dergleichen unvcrstäiidliche« Zeug schwer Übersetzen läßt, ein poetisches oder gedankliche« Lickt auf; doch diese Sieget der Apokalypse der skandinavischen Wirrköpfe zu lösen, kann nur geistesverwandten Naturen, an denen eS in Deutschland nicht fehlt, eine Freude bereiten; unbefangenen Lesern und Hörern wird bei diesen Offenbarungen und diesem sich absichtlich in mystische« Dunkel hüllenden Tiefsinn zu Muthe sein, wie dem Schüler im „Faust", dem nach den Reden des Mephistopheles von all' dem Zeug so dumm wird, als ging, ihm rin Mühlrad im Kops herum oder wie Faust selbst in der Hexenküche, der einen Chor von hunderttausend Narren sprechen zu hören glaubt. Diese nordischen Fauste kommen mit ihren gesuchten Tunkelbeiten nicht viel über das absurde Hexeneinmaleins hinaus. AuS der von dichtem Gewölk des Symbolismus um- schatteten Gegenwart führt un« in die altersgraue Ver gangenheit die Tragödie Eduard Stücken'- „Ursa". (Berlin, F. Fischer'- Verlag.) Es ist eine Tragödie der Blut schande, die üppig in« Kraut schießt. Vater und Tochter sind verbeirathel und Bruder und Schwester haben ein »ntimeS LiebeSverhältniß. Die Schuldigen wissen nichts von ihrer Schuld; um die« zu motiviren, bedarf es natürlich einer romanhaften Vorgeschichte und jener Verwickelungen der Descenvenz, die bei den Romandichtern so beliebt sind. Wenn wir am Schluß die Handlung übersehen, die von Anfang an mit den Ahnungen des Schrecklichen erfüllt ist, wobei selbst der Geist eines tobten Königs und ein Ge spensterschiff nickt fehlen, so bilden die allmählich sich folgenden Enthüllungen einen Rattenkönig von Familien- verwickelungen, die der moralischen Weltordnung eine harte Nuß zu knacken aufgeben. Ein König von Dänemark, Negnar Lodbrok, liegt gegen den Feind draußen im Felde, während ein anderer Trupp desselben seine Burg niederbrennt: die Frau mit den Kindern rettet sich. Ihr Begleiter Hcimi wird von den Fischern in einer Strandhüttc erschlagen, während diese der Königin sagen, er sei früh aufgebrochen mit der Tochter. Sie eilt ihm nach, wird von Seeräubern gefangen und an den König Halfdan von Seeland verkauft. Als sie später von diesem die Kunde vernimmt, ihr Gatte, ihre Kinder seien erschlagen, reicht sie ihm ihre Hand und als auch dieser im Kampfe mit den Engelländern fällt, wird sie Königin von England. Diese ganze Geschichte ist etwa« seltsamuch — trotz de« Mangel« an telegraphischen Verbindungen in der Vorzeit muß man doch wohl annehmen, daß die Könige von Seeland und England von einem so gewaltigen Herrscher, wie der König von Dänemark war, doch wenigstens so viel erfahren mußte, ob er noch lebe oder todt sei. Denn die Schiffe gingen ja rwischen diesen Ländern bin und her. Dann kommt aber ihr eigener Sohn Eirek, den der Vater Ragnar verbannte, an den englischen Hof, verliebt sich in Aslaug, ihre Tochter, und die Königin, die damals wissen mutzte, daß sie zwei Mal der Biaamie sich schuldig gemacht, welche wußte, daß ibre beiden Kinder sich in verfebmter Liebe einander nähern, fährt erst nach Däne mark spazieren, ehe sie ihr Veto dazwifchrn ruft und b»U»bt
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