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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970310029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-10
- Monat1897-03
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Größere Schriften laut unserem Prei«- verzetchniß. Tabellarischer und Zifsernfatz nach höherem Tarif. Extra rveilagen (gesalzt), nur mit d«. Morgen-Au-gabe, ohne Postdesörderuni, >li KO.—, mit Postbesörderung 70.—. Aunahmeschluk für Anzeigen: Kbend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Ssiorgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je «iae halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 12«. Mittwoch den 10. März 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. März. Mußte man gestern auS der am Montag in der Budget- Commission des Reichstags verlesenen Erklärung des Reichskanzlers über die Martneptäne schließen, er so wohl, als auch der ihm untergebene Reichsschatzsecretair batten die vom StaatSsecretair deS Reichsmarine-Aiutes der Commission vorgelegte Denkschrift gekannt, die in ihr entwickelten ZukunftSpläne im Großen und Ganzen gebilligt und nur bezüglich des Tempos der Durchführung dieser Pläne sich und dem Reichslage weitere, von der Finanzlage ab- bängige Entschließungen Vorbehalten, so hat die gestrige Sitzung der Commission gezeigt, daß wenigstens der Reichs schatzsecretair von der Denkschrift überrascht worden ist, den in ihr im Anschluß an den Fiotlengründungsplan von 1873 entwickelten Zukunftsplänen kühl bis ans Herz hinan gegen überstehl und sich über die Frage, woher bas Geld zur Durch führung dieser Pläne kommen soll, den Kops nicht zu zer brechen gedenkt. Auf die „Einhelligkeit" der Ansichten unter den Inhabern der obersten ReickSämler, auf die „Planmäßig keit" ihres Borgebens und die Festigkeit der Zügelführung des Reichskanzlers fällt dadurch ein seltsames und nichls weniger als erfreuliches Licht, und wenn die gestrige Er klärung deS Reicksschatzsecretairs dazu fübren sollte, daß die in, vorliegenden Etat erhobenen Forderungen zur Ergänzung unserer Marine wesentlich beschnitten würden, so wurde wahrscheinlich das Resultat dieser Einhelligkeit, Planmäßig keit und Festigkeit eine Krisis sein. Aber eS ist wenigstens möglich, daß ^die gestrige Erklärung des ReichSschatz- secretairs den Forderungen des vorliegenden Etats mehr zu statten kommt, als die vorgestrige Kundgebung des Reichs kanzlers. Diejenigen Parteien, die entweder über die Gesamint- pläue deS ReichsmarincamtS wirklich erschrocken waren, oder sich wenigstens erschrocken stellen, um sich den Wäblern als Muster von Sparsamkeit zu empfehlen, athmen erleichtert auf; blickt der Reichsschatzsecretair auf die weiteren Pläne seines College» an der Spitze des Reichsmarineamls als auf Privatprojecte, über deren Durchsübrung man sich den Kops nicht zu zerbrechen brauche, so erhalten die parlamentarischen Gegner Vieser Pläne das Recht, diese auch ihrerseits als Zukunftsmusik eines Flottenenthusiasten anzusehen und ihre Aufmerksamkeit auf den im Namen des Kaisers vorge- legten und vom Bunbesralhe gebilligten und vertretenen Etat für das kommende Jahr zu concentriren. Bewilligen sie diesen unverkürzt oder ohne wesentlicve Abstriche, so können sie sich daraus berufen, daß dasBedürfnißgarzudriiigend sei und mit der Bewilligung nichl die leiseste Verpflichtung für die Zu kunft übernommen werde. So kann eS kommen, und hoffentlich kommt es so. Ganz ohne Eindruck ist der Nachweis der Denkschrift, daß der jetzige Bestand unserer Marine weit hinter dem von allen maßgebenden Factoren nichl förmlich angenommenen, aber doch gebilligien Flottengrüvdungsplane von 1873 zurückgeblieben ist und zur Erfüllung der unserer Wehrmacht zur See gestellten Ausgabe schlechterdings nicht ausreicht, selbst aus die Vertreter der schärfsten Opposition nicht geblieben. Derjenige Theil des Centrums, der, gleich dem Prinzen Arenberg ein Herz für unsere Coloinalpolitik bat, wird sich, nachdem ihm Graf Posatowsky den Stein bestimmt formulirter und von der ganzen Reicks- regieruug gebilligter Zuku-iftspläne vom Herzen gewälzt bat, kaum entschließen, bedenkliche Abstriche an Len Forderungen des vorliegenden Marine-Etats zu machen. Und wird dieser im Wesentlichen angenommen, so kann man vorläufig zufrieden sein. Sache der Wähler wird es dann bei den nächsten ReichStagswablen sein, eine Mehrheit in den Reichstag zu senden, die sich freundlicher zu den „Zukunstsplänen" des Admirals Hollmann stellt und dadurch dem Reichsschatzsecretair beweist, daß er wohl daran thun wird, sich mit der finanziellen Durchführbarkeit ernster und wohlwollender zu beschäftigen als bisher. Ähn lich bat, wie uns, scheint auch die „Nat.-Lib.-Corr." die durch die gestrige Sitzung der Budget-Commission geschaffene Sach lage ausgefaßt, denn sie schrieb gestern Abend unmittelbar nach Schluß der Sitzung: „Dem Vernehme» nach wird hier und da die politische Situation in Rücksicht aus die Berathungen des Marineetats als außerordent lich tri tisch angesehen. ES bestehe an maßgebender SleUe die Ueber- zrugung, Laß die Forderungen des Etats das gebotene Maß dessen dar- Nellen, was im Interesse derErhaltnng derFlotte gefordert werben m üsje. Auf Seilen des Centrums, dessen Volum den Ausschlag zu geben bat, habe sich bisher noch keine Neigung bekundet, das geforderte Schlachtschiff oder die beiden Kreuzer anzunehmen. DerSlaatsjecretair des Nochsmarineamts, Admiral vollmann, scheine entschlossen zu sein, von dem Ausgang dee Elalsberathungen sein Verbleiben im Amte abhängig zu machen. Ob es dann bei dieser Verände- rung sein Bewenden baden werde und welche weiteren Folgen sich daran knüpfen würden, lasse sich vor der Hand nicht übersehen. Wir glauben unsererseits nicht, daß man k»e Lage so pessimistisch zu beurtheilen braucht. Die heutige Sitzung hat den Vertretern des Centrums, Las den Ausschlag zu geben hat, vollauf Gelegenheit zur Aussprache gegeben, und trotzdem hat es keine Beschwerden Vorbringen können, die eine Ablehnung ernsthaft begründen. Ferner hat dir heutige Sitzung gründlich da- für gesorgt, daß eine Ablehnung der durchaus als berechtigt nach gewiesenen Forderungen des Etats sich nicht mehr hinter „angeb liche Ueberraschungen" wegen der vom Reichsmarineamt vorgelegle» „Denkschrift" flüchten kann. Damit ist die Situation geklärt für die morgen zu erwartenden Emzelberathungen und Abstim mungen, die seitens des Centrums schwerlich jo negativ aussallen werden, wie es zu Beginn der Berathungen den Anschein hatte." Auch die „Post", die noch vorgestern der Ansicht war, die Aussichten auf die unverkürzte Bewilligung der Forderungen >es vorliegenden Etats seien sehr gering, schrieb gestern Abend, die Folge der Erklärungen des Reichsschatzsecretairs sei, „daß eine ganze Reihe von Abgeordneten, die anfangs den Plänen der Regierung mit schwankenden Gefühlen gegen überstanden, jetzt, wo die Lage geklärt ist, sich in der Haupt sache rückbaltslos mit der Regierung eins füblen. Wir möchten nach dem Verlauf der beutigen Sitzung glaube», daß der diesjährige Etat im Wesentlichen ange nommen wird, d. h. die Bewilligung eines Panzers und zweier Kreuzer gesichert erscheint." Was an der Blamage, die sich an die Fersen der Köller'schen „Aclion" gegen die socialdcmokratische Parteiorganisation gehestet bat, noch zu vervollständigen war, das ist jetzt «ingeheimst. Das erste Unheil eines Berliner Gerichts in dieser Sache lautete auf die Ver- urtheilung von 10 der 47 anzcklagten Personen zu kleinen Geldstrafen und auf vorläufige Schließung der socialdcmv- kralischen Parteileitung und von 4 der 6 Berliner Wahlvereine; binstchtlich weiterer 6 Organisationen, die von der Anklage als ungesetzlich bezeichnet worden waren, war schon im ersten gerichtlichen Erkenntinß ausgesprochen worden, daß deren I Schließung nicht verfügt werden könne. Jetzt, nach ein- I gelegter Revision, hat das Gericht abermals gesprochen, ! und das Ergebniß ist die Freisprechung aller An geklagten und die Aufhebung der Schließung derjenigen Organ,- sationen, über die sie verhängt war. „Die Kosten fallen der Staatscaffe zu." Der Drang, allgemeinen Anregungen obne nähere Betrachtung der realen Verhältnisse busarenmäßig praktische Folge zu geben, hat also der Social demokratie zu einem vollständigen Triumphe verholten. Man darf das Urtheil als eine zwar nicht schöne, aber dem Texte vortrefflich angepaßte Illustration zu der Rede, durch die Herr v. Köller am letzten Tage der „Umsturz- Debatte im Reichstage exccllirt hat, der Curiositätcn-Samm- lnng des neuen beziv. neueren Curses einverleiben. Wie recht der neueste Curs daran thut, sich durch Reden gehen den Umsturz nicht allsogleich zuThaten,d. h. unter den gegenwärtigen Umständen: zu aussichtslosen Anläufen, fortreißen zu lassen, ergiebt sich aus dem Verlause der im Herbste 1895 eingelei- teten Aclion Köller's deutlich genug. Denn die Kosten fallen dem Staate zu, und dies ist nicht nur finanziell zu verstehen. Ist der Mißerfolg der Behörde gegenüber der Socialbemo- kratie höchst beklagenswerth, so bringt andererseits das Urtheil der Berliner Gerichte dem durch das fast überall in Deutschland herrschende Vereinsrechl arg behinderten politischen Leben keine Erleichterung. Denn über die Existenz des Verbotes des „Jnverbindunglretens" von Vereinen (tz 8 des preußischen Vereinsgesetzes) hat sich natürlich das Gericht nickt hinweggesetzt. Es hat nur befunden, den An geklagten sei nicht nachgewiesen, daß sie von der statl- gehabten Verbindung von Vereinen Kenutniß besessen hätten. Ein schärferer Sporn zur raschen Beseitigung jenes Ver botes, als diese Freisprechung, läßt sich nicht denken. Ter gegenwärtige Zustand ist der, daß die politischen Or ganisationen ohne Unterschied sich in ihrer Thätigkeit gehemmt fühlen, weil die Vereine nicht unter einander in Verbindung treten dürfen, daß aber auch die Strafgewalt schwer oder gar nicht zu ihrem Rechte kommen kann, wenn dennoch eine Verbindung stattgcfnnden bat. Selbstverständlich sind es nur die Ordnungsparteien, die trotz der Schwierigkeit, die Uebertrel ung des Verbots nachzuweisen, dasselbe getreulich respectiren; die Socialdemokratie ist also in ihrem Wettbewerbe mit anderen Parteien durch das Gesetz in Vorlheil gesetzt. Eine ge richtliche Untersuchung wegen Verletzung des tz 8 des preu ßischen Vereinsgesetzes ist bekanntlich auch gegen Vertreter anderer Parteien eingeleitet worden, aber, wenigstens soweit die nationalliberale Organisation betbeiligt war, wegen Mangels eines Tatbestandes eingestellt worben. Ob jetzt bas un nütze Chicanir-Jnstrumenl in das alte Eisen wandern wird? Ob es Griechenland gelingen wird, die Großmächte zu weiteren Verhandlungen in der kretischen Frage zu veranlassen, ist im Augenblick noch nichl zu erkennen. Die Diplomatie der Mächte ist in angestrengtester Tbätigkeit, sich über die Antwort Griechenlands zu resolviren, gestern fanden im Berliner Auswärtigen Amte Besprechungen mit verschiedenen Botschaslern stall, das englische Cabinet hielt auf dem Zimmer Balfour's im Unterbause eine besondere Sitzung ab, und Aebnliches wird aus den Hauptstädten der übrigen betheiligten Länder gemeldet. Ueberall sieht man in der griechischen Antwortnote eine molivine Ablehnung, und nur einige französische Blätter meinen, dieselbe solle den schließlichen Rückzug vorbercilen. Dein „Neuen Wiener Tagbl." zufolge sind, wie uns aus Wien durch den Draht gemeldet wird, Oesterreich-Ungarn, Deutschland und Rußland bereits darin einig, daß sie die Antwort Griechen lands als unbefriedigend erachten, und es scheint sich auch zu bestätig-», daß das zweite Bataillon des 87. Regi ments in Triest Befehl erhalten har, sich aus Kriegs fuß zu setzen, um zur sofortigen Einschiffung nach Kreta bereit zu sein. Wie uns weiter aus Wien berichtet wird, ist auch die Instandsetzung einer Sanitätsabtheilung angeordnet, welche das Regiment nach Kreta begleiten soll. In Wien verlautet, es sei eine gemischte Okkupation der Insel beschlossen. Sicher scheine, daß auch die übrigen Cabinelte die Auffassung der drei Kaiser mächte theilen. Anscheinend lenkt, wie wir erwartet haben, Italien an die Seite der Dreikaisermächte ein. Nickt nur daß, wie gemeldet, ein italienisches Kriegs schiff gestern auf die Aufständischen vor Hicrapetra geschossen hat — beim gemeinsamen Bombardement der Insurgenten bei Haleppa war bekanntlich kein italienisches Schiff betheiligt — sind im Marineministeriuin alle Vorbereitungen getroffen, um zu den 15 jetzt in Len kretischen Gewässern befindlichen Kriegsschiffen im Notbsalle noch 15 Schiffe zu senden, um an der Blockade und den übrigen noch erforderlich werdenden Maß regeln tbeilzunebmen. Ebenso sind 30 Transportschiffe bereit, die eventuell 10 000 Mann aufnehmen können. In Frank reich hat die Regierung mit einer gesäbrlichcn Opposition zu rechnen, die mit Begierde den kretischen Zwischenfall be nutzt, um das Cabinel zu stürzen, aber die Kammer zeigt doch Neigung, der Negierung ihr Vertrauen zu voliren, und die Pariser Blätter bringen, soweit sie sich bis jetzt zur griechischen Antwortnote geäußert haben, keine Andeutung darüber, daß sie die ernste Sprache, welche sie Griechenland gegenüber in den letzten Tagen gesprochen, bereuten. Der „Te m p S" schreibt: Schon der Wortreichtbum der Antwort der griechischen Re gierung beweise den Wunsch derselben, den endgiltigen Bruch nicht zu überstürze»; aber den geheimen Wünschen Griechenlands würde noch mehr entsprochen werden, wenn eine Pression auf dasselbe aus- geübt würbe, welche gerade hinreichte, um aus ,einem Gehorsam in extremis einen Act absoluter Noth- wenbigkeit zu macken. Francis Cbarmes erklärt im „Journal des Dsbatsr „Griechenland feilscht be treffs der Unterwerfung unter den Willen der Mächte; es bleibt in seiner Rolle; es fragt sich, ob auch die Mächte in den ihrigen bleiben werden. Die griechische Antwort ist ausweichend und ermöglicht vielleicht, baß nicht sofort die Consequenzen der Collectivnote gezogen werden; aber die Note beslebt; cs ist Sache Europas, dieselbe zu verwirklichen. Nock bestimmter äußern sich die heutigen Pariser Morgen- blätter. Wir erhallen darüber folgende Meldung: * Paris, 10. März. (Telegramm.) Alle gemäßigten Blätter erklären, die Antwort Griechenlands dürfe, obwohl sie voraus sichtlich neue Berhandlungen veranlasse, die Mächte nicht hindern, die in der Summation angekündigten Zwangs- maßregeln anzuwenden. Eine friedliche Blockade dürste genügen, um Griechenland zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Die neuen Kämpfe auf Kreta bewiesen, daß eine wirksamere Intervention der Mächte nothwendig sei. Die griechische Behauptung, die Anwesenheit des Obersten Bassos auf der Insel reiche zu ihrer Beruhigung hin, werde durch eben diese Kämpfe praktisch widerlegt. In England war der erste Eindruck der griechischen Ant wort ein dem gemeinsamen Hanteln der Mächte günstiger. Sowohl in diplomatischen Kreisen wie in der Presst wird für Feiirlletsn» Ein Fraueilherz. Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Einil Bernfeld. Nachdruck verboten. Margaret lächelte kühl und um eine Antwort zu ver meiden, wendete sie sich zu Pansy mit der Bille, daß sie singen möge. Allein Pansy war von dem Instrument hinweggetreten und lehnte den Gesang jetzt plötzlich ab, mit einer Stimme, die so seltsam und unsicher klang, daß Margaret annebme» mußte, die Freundin sei von dem soeben Gehörten peinlich getroffen. DaS erschreckte und beunruhigte Margaret aus's Neue, sie wußte selbst nicht warum. Am anderen Morgen zeigte sich Stepben so unbefangen und beiter, daß ihre Befürchtungen abermals wichen. Den warmen Sonnenschein auf ihrem Antlitz füblend und das trauliche Zwitschern der Vögel durch das offene Fenster hörend, fand sie es schwer, sich ibre düsteren Gedanken vom gestrigen Tage zu vergegenwärtigen und sie wieder zur Sprache zu bringen, würde ihr wie Undankbarkeit gegen das Schicksal erschienen sein. Ihr Gatte war wieder bei ihr, liebevoll, sorgsam und zärtlich, wie immer — sie durste nickt einen dunklen Schatte» in das Helle, sonnige Glück ihrer Wiedervereinigung werfen. Allein die ersten Worte, die sie bei ihrem Eintritt in das FrübstUcksziinmer vernahm, sollten alsbald ibre Seelenleiden neu entfachen. „Sie haben aber, meiner Treu, verwünscht fleißige Leute auf der Abtei, lieber Grey", sagte der Major munter zu ihrem Gatten. „Ihre Gartrnarbeiter muffen wahrhaftig die reinen Mustermenschen sein — oder bezablen Sie ihnen vielleicht die Arbeit stückweis? Auf meiner Zimmerseite im Garten sind sie, weiß der Himmel, heute mitten in der Nacht thätig gewesen. Mein Zimmer geht nach dem Theil des Gartens hinaus, der so bübsch wild und romantisch, ohne weitere Pflege, sich selbst überlassen ist. Sie wollen nun vermutblich mit größter Anstrengung der Kunst eine Ordnung hineinbringen, liebster Schwiegersohn, und das ist gar nickt recht. Dieser Theil des Gartens ist gerade in seiner ab gelegenen, stillen, romantischen Naturwüchsigkeit so bübsch. Ich konnte NachtS nicht schlafen und als ich mein Fenster öffnete und hinaussah, Höne ich dort unten zwischen den dichten Hecken und Büschen emsig arbeiten, obwohl eS so dunkel war, daß ich nichts sehen konnte." „Was hörten Sie — um welche Zeit? fragte Stephen, dessen Stimme, obgleich er sich bemühte, seine volle Ruhe zu bewahren, eigcntbümtich klang. „Ich habe nicht nach der Uhr gesehen. Aber mitten in der Nackt mußte eS sei». Und sie gruben eifrig Erdreich um, wie es schien. Ich hörte deutlich das leise Knirschen der Spaten und das Fallen der geworfenen Schollen in der Stille der Nacht. Ich ging wieder zu Bett, und indem ich mir das melancholische, tactmäßige Geräusch weiter vorstellte, benutzte ich es als Schliimmerlieo, um dabei einzuscktafen." „Vermutblich mein Gärtner mit seinem Gehilfen, die eine versäumte Arbeit nachbolten. Ich mag den Leuten zu frübe zurückgekoiiimen sein", sagte Grey gepreßt, und indem er die Worte sprach, wurde er durch einen halbunterdrückten Schrei von seiner Frau unterbrochen. Er sprang auf und war mit einem Satz an Margaret'- Seile; was sie soeben gehört, ließ, jeden Zweifel ausschließenk, nur eine Deutung zu: Es war das nächtige Begräbniß deS fremden, gebeimnißvollen Leichnam- gewesen, was ihr Vater im stillen Dunkel der Nacht fast unter seinem Fenster und fast unter ihrem eigenen vernommen —, der Gedanke an diese LeiLe, der sie gestern gepeinigt, überwältigte sie hier, wo deren Bestattung gewissermaßen nickt mebr als bloße Vorstellung, sondern zur tbatsäcklichen Wirklichkeit geworden, aus- Neue ganz, und sie sank ohnmächtig in die Arme ihres Galten. XVI. ES war ein lieblicher Herbsttag einige Wochen nach dem im vorigen Capitel Berichteten. Auf schattigem Rasenplatz, unter dem Laubdach eines der prächtigen alten Bäume im Garten der Abtei, saßen deren Bewohner, zu denen ihre drei Besucher, Willmor, Pansy und Mr. Russell noch gehörten, zu einer Gruppe vereinigt beisammen. Jeder einer Muße bingegeben, die seinem Geschmack bebagte. Major Willmor und Grey hatten sich in ihre Zeitungen vertieft- der irische Amerikaner lehnte lang in seinem Stuhl zurück, die Beine auSgestieckt, die Hände tief in seinen Taschen vergraben, den Ausdruck der trockensten Gleicbmütbigkeit auf seinem unbeweg lichen Gesicht, dem nur sein verstohlen umherblitzendes, scharfe-, späkenves Auge widersprach. War eS die Nähe diese- ihr unangenehmen Manne-, die Margaret so schweigsam machte, oder etwa- Andere-, genug, sie hatte, seit sie vor fast einer Stunde au- dem FrübstUcksziminer zu der Gesellschaft hinaus in den Garten gekommen, kaum die Lippen zu einem Wort geöffnet, außer wenn sie eine nölhige Erwiderung geben mußte, wenn sie direct angcredet wurde; sie sah matt und abgespannt aus, wie ermüdet von einer Anstrengung. Pansy ihrerseits war ganz ibr munteres, reizendes Selbst. Welche Besorgnisse sie auch bei den Ereignissen am Tage der Rückkehr Grey's oder bei der Erwähnung des Umherspürens Mr. Cates' momentan gehegt haben mochte, sie waren längst geschwunden. Es lag ni l t in ibrer frischen, offenen, kecken Natur, durch düsteres Grübeln dem Unglück aus balbem Wege eutgegenzugehen, noch schwarzseberisch und miß trauisch das Schlimmste vorauszusetzen. Sie war wieder ganz im Besitz ihrer guten Laune und hatte auch den heu tigen Morgen über die Gesellschaft durch ibr munteres Plaudern und ihre drolligen Einfälle aufs Beste unterhalten, bis sie jetzt plötzlich Lord Arthur Flemmingham und Tom Blessington als Besucher auf die Gruppe zukommen sah. Mitten in einer fast ausgelassenen lustigen Schilderung brach sie plötzlich ab und wurde gleichfalls still, wobei unmerklich ein rascher Ausdruck der Befangenheit und ein flüchtiges Er- rölhen über ihr hübsches Gesicht glitt. „Wie kalt Sie Alle dreinschauen!" bemerkte Lord Artbnr mit Bezug auf die ernste Stille der Gesellschaft, indem er Allen der Reibe nach feierlich die Hand schüttelte — durch Zufall oder mit Absicht Pansy zuletzk. „O, wir frieren nicht — wir stellen uns nur so kalt", entgegnete die junge Dame schnippisch — aber das tiefe Er- rölhen, das ihr reizendes Gcstchtchen überzog, als seine Hand leise die ihrige drückte, schien ihren Worten fast eine ganz andere Deutung zu geben, als sie batte bineinlegen wollen. „Wenn Sie sich nur so zu stellen belieben, so gestatten Sie mir die Bemerkung, daß Ibre Verstellung — wie Alles, was Sie tbun — vollendet ist!" sagte der Lord rubig. Mr. Russell hatte inzwischen einen forschenden, spähenden Blick aus Blessington geworfen, an dessen Gesichlsausdruck sein scharfes Auge sofort etwas Besonderes bemerkie. „Nun, was isls, Mr. Blessington, ,oaS haben Sie Neues?" fragte er, obne seine Haltung oder eine Miene seines un beweglichen Gesichts zu verändern, lauernd. „In der Thal, ja, ick habe Neues, obwobl ich nicht weiß, woraus Sie baS schließen können", erklärte Tom eifrig. „Zunächst, was Sie Alle hier in erster Reihe interessire» wird, Neue« aus Stetsord drüben. Dort hat eS in den letzten Tagen allerlei Aufregungen gegeben Verdächtige Persönlichkeiten von dem Gelichter der Fenier und Schreckens- männer sollen dort gesehen worden sein, und die Polizei war hinter ihnen ber. Gestern hatte sic Wind von einer geheimen Versammlung ber Burschen in einem abgelegenen Hause und umzingelte es, um das ganze Nest auszubeben. Aber die Kerle wehrten sich wie die Teufel, Schüsse wurden ge wechselt, ein förmliches Gefecht fand statt, und das Ende war, daß die Hallunken doch sammt und sonders entkamen. Wohin, weiß man nicht; in rer ganzen Umgegend, so scharf man auch suchte, ist keine Spur von ihrem Verbleib zu finden. Es ist, als ob der Erdboden sie verschlungen bätte." „Oder die Eisenbahn, die dort zwanzig Mal des Tages hält", spottete Mr. Russell grinsend. „Nein, mit der Eisenbahn können sie nicht entkommen sein — man batte sich da vorgesehen, und der Bahnhof, der Perron, die Billetcasse waren so streng bewacht, daß keine Katze unbemerkt durchschlüpfen konnte. Aber ich habe noch andere Neuigkeiten. Das Neueste, was mich persönlich an geht, ist, daß die hübsche kleine MrS. Warde, die Frau deS lamosen, gestürzten Parlamentsmitgliedes, jetzt endlich ihrem Manne mit dem kleinen Lord Tymbnry durchgegangen ist." „Ah — sieh' an — und so fällt denn Wohl die Der- leumdungsklage in sich zusammen?" „Die Verleumdungsklage ist ohnedies fallen gelassen worden, seit der famose Mr. Warde, wenn man auch die Anklage wegen Unterschlagung gegen ihn zur Vermeidung deS ScandalS unterlassen hat, doch von seiner Höhe für iuuner heruntergestürzt ist und seinen Parlamentssitz auf gegeben hat, um sich in stiller Zurückgezogenheit zu ballen. Aber eine Genugthuung für mick ist die Sache immerhin — ick habe doch Recht gehabt mit dieser bübschen kleinen Mrs. Warde und dem kleinen Lord Tymbury!" „Du hast Recht bckaltcn und die Sache ist glücklich für Dich verlaufen", versetzte der Major trocken, „aber ein übles Ding bleibt sie immerbin, das Dir wenig Rubm bringen kann. Ich kann nur hoffen, daß sie Dir für die Zukunft als Warnung dienen wird. DaS Spiel mit dem RenommS und den Privatangelegenheiten seiner Mitmenschen sollte der Schriftsteller, der Mann der Oesientlickkeit verschmähen." „Pah! Wenn man Recht behält, schafft eS Erfolg, und Erfola >st Alle«!" »Der Erfolg ist zuweilen auch ein trauriger, wenn r« sich um ein trauriges Ding handelt!" bemerkte Pansy ebenfalls spitz. „Und ein trauriges Ding ist eS in diesem Falle, da- lasse ich mir nicht nehmen. Ich habe MrS. Warde nie gern
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