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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970311020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-11
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Größere Schriften laut uoferem Preis- verzeichnitz. Tabellarischer und Ztsfrrnsa- nach höherem Tarif. Extra-vrtlagen (gefalzt), nur mit der Moraen-Au-aabr, ohne Postbrfvrderuo^ 60 —, mit Postbeförderung ><4 70.—. Annahmeschlnö für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreigen stud stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^ 128. Donnerstag den 11. März 1897. Sl. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 11- März. Die Nachricht der „Freis. Ztg.", der StaatSsecretair de« Reichsmarineamt- Hotlmann habe am Freitag ein EntlassungSaesuch eingereicht, da« jedoch vom Kaiser ab- gelehnt worden sei, klingt nicht unwahrscheinlich. Aber wir halten sie für erfunden, weil sie von einer Seile auSgeht, der e» gegen die innerste Natur zu gehen scheint, in der jetzt da« ganze Reich bewegenden Klottenfrage auch nur ein« Silbe zu sagen, die auf Wahrheit beruht. Wie dreist die demokratische Presse in inniger Gemeinschaft mit der ultramontanen die Thatsachen entstellt, eraiebt sich aus den Zahlen, mit denen diese Organe ihren Lesern Furcht und Grauen vor den von Herrn Hollmann in seiner Marinedenkschrift entwickelten Zukunflsplänen einzuflößen suchen. Nach dem FlottengründungSplane von 1873 war die Normalhöhe der jährlich aufzuwenvenden Bausunime für Schiffsmaterial auf 45«/, Millionen veranschlagt worden. Da dieser Betrag zum Schaden unserer vaier- ländischen Seewehr in einer Reihe von Budgetjahren wesentlich gekürzt worden ist, so wird in der Denkschrift — die übrigens nicht, wie die demokratischen und die klerikalen Blätter immer noch glauben machen möchten, den Charakter einer Vorlage bat, über die der Reichstag sich schlüssig zu machen hätte, sondern lediglich den einer informatorischen Darlegung über den jetzigen Flottenbestand und die ZukunflSprojecte des Admirals Hvllmann — vorgeschlagen, daß zur Ausgleichung dieser Differenz und zur Beseitigung der durch sie hervorgerufenen Gefährdung der Sicherheit des Vaterlandes in den nächsten vier Budgetjahren dieser Betrag überschritten werbe. Dem gemäß wird gesagt, man werde fordern müssen statt jährlich 45'/, Millionen: für da« Budgetjahr 1897/1898: 62 165 000 also mehr gegen die Normalböbe 16665 000 ^4 für da« Budgetjahr 1898/1899: 59 070 000 also mehr gegen die Normalhöhe 13 570000 ^ für da« Budgetiahr 1899/1900: 56 240 000 also mehr gegen die Normalhöhe 10 740 000 ^ für da« Budgetjahr 1900 1901: 60 510 000 also mehr gegen die Normalböbe 15 010 000 ^ Summa für vier Jahre 237 985 000 ^4, also mehr gegen die Normalböhe 55 985 000 Mithin wird also an Mehraufwendungen gegenüber der Normalböhe die auf vier Jahre zu vertheilende Summe von noch nicht ganz 56 Millionen vorgeschlagen, was bei einem Gesammtjabresbudget von fast 1'/, Milliarden, wie man meinen sollte, doch unmöglich als eine unerträgliche Belastung angesehen werden kann. WaS aber macht die demokratische und die klerikale Presse aus dieser Forderung? Sie sprengt aus, e« würden 328 Millionen für „uferlose Flottenpläne" gefordert. Wie gelangt sie nun zu dieser auf unerhörten Schwindel basirten Zahl? Sie stellt zunächst die ganzen geplänken Flollenaufwenvungen als Mehrbelastungen in Rechnung. Wenn ein solche« Verfahren berechtigt wäre, so müßte man die normale Aufwendung für die Flotte gleich Null setzen, was der klerikal-demokratischen Agitation aller dings als Ideal vorschweben mag. WaS würde man wob! einem Steuerzahler antworten, der, wenn er statt bisher 100 -4k künftig 101 -4t zahlen müßte, über eine neue Steuer last von 101 -41 Klagen führen wollte? Aber auch daS ungeheuerliche Resultat dieses plumpen Taschenspielerkunst- lücks genügt den demokratisch-klerikalen Bekämpfern der „uferlosen Flottenpläne" keineswegs. Denn selbst unter ungenirlester Anwendung desselben können sie doch nur bis zur Gesammihöhe der Flollenaufwenvungen im Betrage von nicht ganz 238 Millionen gelangen. Sie rechnen also flugS noch die schon bewilligten Bauraten hinzu, für welche die Geldmittel bereits vorhanden sind, und so wird dann das Schreckgespenst von 328 Millionen construirt, während eS sich tbatsächlich um ein auf vier Jabre zu vertbeilendes Plus von weniger als 56, im Durchschnitte also um jährlich noch nicht 14 Millionen über die im FlottengründungSplane von 1873 festgesetzte Normalhöbe der jährlich aufzuwenvenden Bausumme hinaus handelt. Das ist demokratisch - klerikale Rechenkunst! Be trübend wäre es und nicht schmeichelhaft für die UribeilS- fäbigkeit der Mehrheit des deutschen Volkes, wenn die hinter der klerikal - demokratischen ReichSragSmajoritäl stehende Wählerschaft einer solchen Bauernfängerei zum Opfer fiele. DaS Eentrum bereitet schon seit geraumer Zeit die Wahlen vor, das ist unverkennbar und auch schon oft fest- gestellt worden. Aber die Bearbeitung der Wähler war bisher doch nur eine mehr indirekte. Man tbat dies und unterließ jenes, WaS populär bezw. unpopulär schien, um späterhin sich berühr,,en zu können, das „Gute" habe das Centrum bewirkt, jenes „Arge" verhütet. Jetzt aber ist rin directer Appell erfolgt, man kann getrost sagen, der erste Wahlaufruf zu den 1898er Wahlen. Der Bischof Haffner von Mainz hat seinen Fasten- Hirtenbrief nach Form und Inhalt als partei-politisches Schriftstück gestaltet. Nachdem er die üblichen abgestandenen Phrasen von der Bedrohung der katholischen Kirche, von der Ent- ckristlichung der Schule u. s. w. gemacht, tritt er als ein purer CentrumSagitator vor die Gläubigen. „Ich empfehle die Tbeilnabme an der Centrumsparlei." Hirtenbriefe galten bisher als Ansprachen, welche die Bischöfe in ihrer Eigenschaft als höhere Geistliche an die Diöcesanen richteten, der neueste Mainzer ist eine veritable Parteiflugschrift. Also umgekehrt wie Priester und Kanzler im „Faust": der Bischof ging hinweg, der politische Streiter ist geblieben. Der Bischof hätte freilich auch nicht sagen können, die (bestehende) „liberal-politische Gewaltherrschaft" arbeite auf Zerstörung der Ebe, auf die „Vernichtung" der Kirche hin, der Culturkampf sei nicht beendet und dergl. mehr. Bei dem Sendling einer Partei nimmt man derartige „Ungenauigkeiten" nicht so streng. Freilich hätte aber auch ein Werber um Centrumsstimnien den Passus über die Ehe besser weg gelassen. Denn was die „liberale Gewaltherrschaft" mit der Ehe vorhatte, das bat sie im Bürgerlichen Gesetzbuch verwirklicht, und für dieses hat ja auch da« Eenlrum gestimmt. Die Partei wird aber dem Herrn Bischof dies kleine Versehen nicht verargen. Ist doch die von Geistlichen und noch dazu von Oberbirten in der Ausübung ihrer seelsorgerischen Func tionen dem Centrum geleistete Hilfe von unermeßlicher Wichtigkeit und geradezu eine Existenzfrage für die Partei. An dem Hirtenbriefe des Herrn Haffner ist ja auch nur die verblüffende Geradheit, mit der er als politischer Agitator austritt, neu und bemerkenswerth. Daß das geistlicke Schwert sich dem sehr weltlichen der Herren Lieber und Genossen thatsächlich zur Verfügung stellt, ist eine altgewohnte Erscheinung. Und in einem Hirtenbriefe geleistet, sind solche Dienste noch nicht einmal die wirksamsten; im Beichtstühle z. B. ist der religiöse Druck auf das politische Verhalten noch viel ausgiebiger. Wir wissen aus der neuesten Zeit, und zwar von Katholiken, daß in Württemberg Beich tende nicht absolvirt worben sind, weil sie ein bestimmtes Zeitungsblatt hielten, und auS Allbayern ist kürzlich bekannt geworren, daß einem Mitglieds des Bauernbundes eben wegen dieser seiner Eigenschaft die Lossprechung von den Sünden ver sagt worden ist. Ein Anreiz für die Regierenden, auch ihrerseits die Macht deS CentrumS zu verstärken, sollte eigentlich in dieser furchtbar gewaltigen heimlichen und öffentlichen Unterstützung der Partei durch die Beherrscher der Gewissen nicht gefunden werden. Auch der „Linksliberalismus" bat im Grunde keinen Anlaß, dem Einfluß des Cen- trumS noch solche Elemente dienstbar zu machen, die für die geistlichen Werber der klerikalen Partei unerreichbar sind. Und die evangelischen Orthodoxen baden besondere Gründe, die agitatorische Tbätigkeit gerade deS Bischofs Haffner ernst zu nehmen. Tenn dieser Herr ist es gewesen, der auf dein Mainzer Katholikentage im August 1892 es gerade beraus- sagte, Deutschland dürfe, wenn eö Gesittung^ und Frieden erbalten wolle, „nicht vor den Stufen von St. Peter Halt machen" — mit andern Worten, Deutschland müsse katholisch werden. Auf derselben Versammlung rief Herr Lieber auS: „Es muß doch Frühling in Deutschland werden". Bischof Haffner's Hirtenbrief ist eine nickt gering zu achtende Gabe dieser Jahreszeit, wie sie die Ullramontanen sich wünschen. Die Reichsrathswablen derV. Wählercl affe in Oesterreich, d. b. in Wien. Niederösterreich, Mähren, Schlesien und Kärnlhen, sind beendet. Ihr Resultat ist, wie schon mitgetheilt: 9 Christlich Sociale, 2 Teutschnationale, 3 Social demokraten, 4 Tschechen, 1 Kalbolisch-Conservaliver. Der Sieg ist auf Seile der Cbristlich-Socialen. Sie haben nicht nur die fünf Mandate der 5. Curie in Wie», sondern auch alle vier andere Mandate Niederösterreichs erobert. In Wien und Niederösterreich waren directe, in den übrigen Kcou- länbern meist indirekte Wahlen vorzunehmen. Mil Spannung wurde das Resultat der Wahl in der Reichsbauptstadt er wartet, wo es vor allem auf die Frage ankam, ob die christ lich-sociale Demagogie Lueger's von der internationalen Demo kratie überflügelt werben würde. Nicht ein Mandat baben die Socialdemok.^ten in Wien erhalten, aber auch die Christlich- Socialen baben Grund, trotz ihres Sieges mit einiger Besorgniß auf den Ausfall der Wahlen zu blicken. Von den 230 000 in Wien abgegebenen Stimmen baben sie mit 1l5 000 nur etwa die Hälfte auf sich vereinigt, 88 000 sind den Socialdemokraten zugefallen und 40000 Wähler sind zu Hause geblieben, weil ihnen die Demagogie in jeder Form widerstrebt. Aus diesen Zahlen gebt hervor, daß die christlich-sociale Alleinherrschaft in der Zukunft gegen Erschütterungen nicht absolut gefeit ist. Eine klägliche Rolle baben wieder die Deutsch-Liberalen in Wien gespielt. Sie haben zum großen Tbeil für die Socialdemokraten gestimmt und für die beiden von ihnen ausgestellten eigenen Eancibaten nur 7000 Stimmen zusammengebracht. Das Eintreten für die Umslurzcandidaten sollte, wie die „N. F. Pr. sagt, eine Demonstration gegen die Negierung sein. Diese sollte sehen, WaS aus den gemäßigten Parteien nach ihrer künstlichen Zerstückelung — eine Folge der klerikal feudalen Regierungspolitik — werden könne, wobin sie getrieben werde. Man sollte, führt die „Nat.-Zlg." mit Recht ans, denken, da Candidalen der Liberalen ausgestellt waren, so wäre es Pflicht der liberalen Wähler gewesen, Mann für Mann > zur Urne zu gehen und die eigenen Candidalen zu wählen. Ein taktischer Vortheil ist durch die sofortige Interstützung der Socialdemokratie doch nicht erzielt worden, denn der Sieg der Christlich-Socialen ist nicht verhindert worden. Richtiger wäre es gewesen, eine ehrliche, entschiedene Kraftprobe auch auf die Zahl der liberalen Stimmen zu machen^ denn wäre mancher Wähler nicht fern geblieben, manche Stimme vielleicht nicht aus Angst vor der Sociatdemokratie den Christlich-Socialen zu gefallen; und eine liberale Partei, die 50 000 Stimmen auf ich vereinigt hätte, würde den reactionairen Machthabern mehr imponirt baben, als 7000 liberale und so und so viele zweifelhafte Stimmen, die in den 88 000 socialdemokratischen lecken und je nach Bedürfniß den Liberalen oder den Social demokraten zugerechnet werden können. Wie auS Berlin officiös verlautet, ist das einmüthige Vorgeben der Mächte gegen Äriechenlanb heute nicht mehr von England, sondern von Frankreich abhängig. Schon die gestern bereits erwähnte Erklärung Balfour's im Interhause ließ erkennen, daß eine Absonderung Englands kaum noch zu befürchten sei. Heute geht uuS folgende Meldung zu: * London, 10. März. (Meldung des „Reuter'scheo Bureaus" ) Gestern waren in Aldershot verschiedene Gerüchte über die bevor stehende Entsendung von Truppen nach dem Mtttelmeer im Umlauf. Nach anderweitig nicht bestätigten Meldungen würden gewisse Regimenter des I. Armee-Corps, von denen die meisten in Aldershot liegen, für das Mittelmeer bereit gehalten. Ergänzend wird noch mitgetheilt, daß daS zu bildende Corps zunächst nach Malta und Gibraltar gesandt werden soll, um für gewisse Fälle in Bereitschaft zu sein. Die Nachricht harrt allerdings noch der Bestätigung, aber man darf aanehmcn, daß die englische Regierung ent schlossen ist, oder doch unmittelbar vor dem Entschlüsse steht, an dem auf Griechenland auszuübenden Zwang — in erster Linie wird wieder die Blockade der griechischen Häfen genannt — actio theilzunehmen. Auch Hanotaux hat, wie uns ein Privattelegramm aus Paris meldet, gestern nach dem Empfang sämmtlicher Botschafter im Ministerralh« sestgestellt, zwischen den Großmächten bestehe die vollste Uebereinstimmung in Bezug auf die allzuwendende» Zwangsmaßregeln. Ob das auch von Frankreich gesagt werden kann, ist vielleicht jetzt schon in der Depulirteukamnier entschieden, von deren Votum Hanotaux bekanntlich seinen Entschluß abhängig macken will. Es darf aber als sicher gelten, daß bei den französischen Abgeordneten, so weit verbreitet auch die Sympathie mit den Griechen unter ihnen ist, die Ueberzeugung die Oberhand ge winnen wird, daß den Unruhen im Oriente ein Ende gemacht werden muß, wenn nicht weitere Gefahren für den europäi schen Frieden entstehen sollen. Auch werden die von Rom aus getroffenen Vorbereitungen nicht ohne Einfluß auf das Votum der französischen Kammer bleiben und schließ lich wird die Rücksicht auf Rußland den Ausschlag geben. Man kann also darauf gefaßt sein, daß die Mächte in allernächster Zeit zur Blockade der griechischen Häfen schreiten. In Athen scheint der Ernst der Lag« doch weiteren Kreisen zum Bewußtsein zu kommen, sonst würde die National Liga sich nicht veranlaßt gesehen haben, eine Kundgebung an die Blätter zu richten, in der es nach einem uns aus Athen übermittelten Telegramm heißt: „Tie Nation ist zu jedem Opfer bereit, um ihren grausam unterdrückten Brüdern zu Hilfe zu kommen. Die Liga hofft, daß Ein Frauenherz. 171 Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Emil Bern seid. Nachdruck »erboten. „Sie sind der Meinung", fuhr sie, nicht mehr nur erregt, sondern in voller Leidenschaftlichkeit fort, „kein Mädchen auf der Welt würde Sie auSschlagen — aber Sie irren sich — in jenem ersten Theil Ihrer Annahme, wie in diesem! Ick, ich schlage Sie auS, daß Sie eS denn vorher wissen, wenn Sie je Lust verspüren sollten, mir die Ehre Ihrer Hand anzubieten! Ich möchte nicht Ihre Frau sein und wenn Sie König von England wären! Ich verabscheue Sie zu sehr — ich verachte Sie — ich — ich — ich hasse Sie!" Betroffen, bestürzt, von den Gefühlen der Reue und Beschämung und doch zugleich auch de- ehrenhaften, berech tigten Widerstreites gegen diese erfüllt, stand er vor ibr, sie mit großen, schmerzlichen, fest auf sie gerichteten Blicken betrachtend. Ihre Worte hatten ihn plötzlich seltsam auf gerüttelt, denn er mußte aus ihnen ersehen, wie tief sie ihn in seinen Gefühlen gegen sic selbst einerseits verkannte und andererseits, wie abstoßend seine Eigenliebe, seine lässige Siegesgewohnheit und träge, anerzogene Blasirtbeit gewirkt hat. Er schien in diesem Bewußtsein plötzlich ein Anderer geworden, als er jetzt, schmerzlich bewegt, aber hoch aufgerichtet, fester und männlicher als je zuvor, und doch auch wärmer und zärtlicher, als er je zu ihr gesprochen, ihr die Hand rntgegenstreckrnv und sich eia wenig zu ihr neigend, sie mit sanfter, bittender, leis vorwurfsvoller Stimme beim Namen rief. Allein sie war zu heftig erregt, um ihn hören zu wollen. Mit vor Aufregung bockgerötheten Wangen und fast geblendet von leidenschaftlichen Thränen, die sich in ihre Augen drängten, wandte sie ihm den Rücken und eilte in da» HauS. Der Lord blieb allein zurück und starrte nachdenklich, niedergeschmrttert vor sich auf den Boden hin. „Sie bat Recht — bei meiner Ehre, sie bat Recht!" murmelte er, an seinem vollen Schnurrbart drehend, daß eS fast mehr ein zorniges Zausen als ein gewohnheitsmäßiges Wirbeln war. „Ich muß in Ihren Augen als elender, nichtiger Geck dasteben, und sie ist daS herzigste, reizendste Geschöpf auf der ganzen Welt! Welch' ein Ungeheuer, welch' ein — welch' ein ver wünschter Narr war ich!" Niedergeschlagen kehrte er zu der Gesellschaft zurück, die sich jedoch soeben erbob und im Begriff war, auseinander zugeben. Stephen Grey faltete bedächtig seine Zeitung zusammen; er batte noch etwa- zu bemerken, von dem er wußte, daß es Margaret unangenehm berühren werde. „Blessington," wandte er sich an diesen: „Wenn ich mich reckt erinnere, hatten wir zugesagt, morgen Abend bei Ihnen zu speisen?" „Ganz gewiß. Und ich hoffe, Sie werden nicht etwa beabsichtigen, zun, Rückzüge zu blasen?" „Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie wenigstens mich jür meine Person entschuldigen wollten. Es ist in einer wickt gen Geschäftsangelegenheit morgen eine Conferenz an beraumt worden, an der ich tbeilnebnren muß, und ich fürchte, es wird ziemlich spät werden, bis ich frei bin. Selbstverständlich darf mein Fernbleiben die anderen Herrschaften nicht hindern, zu kommen." „Natürlich ausgenommen mich, Tom," schaltete Margaret ein. „Es versteht sich von selbst, daß ich nicht mitgehe, wenn Du zurückbleibst." „Nicht doch! Ich möchte vielmehr, daß Du Dich durch aus nicht stören läßt. Dein Alleinsein, wenn Du zurück bleibst, würde mich nur beunruhigen. Es ist mir lieber, baß ich Dich in der Zeit in angenehmer Gesellschaft weiß." „Aber zum Wetter, ich hatte keine Idee davon, baß Sir überhaupt mit Geschäften zu thun haben?" sagte Blessington verwundert. „Grundbesitzer wie Sie pflegen doch stelS alle Angelegenheiten einem Sachwalter zu übergeben und nur die Rechnungslegungen entgegenzunehmen? Und Sie haben einen solchen Sachwalter —" „Ich habe nicht behauptet, daß daS Geschäft meinen Grundbesitz betrifft", unterbrach ihn Grey ruhig. „Nein — allerdings, das ist richtig. Nun, eS thut mir sehr leib, daß Sie nicht kommen können. Aber Du, liebe Cousine — wirklich, wir dürfen Deiner Gesellschaft deshalb nickt gleichfalls beraubt werden. Nicht wahr, Du machst uns das Vergnügen —?" „In der Tbat, ich bitte Dich, zuzusagen", bemerkte Stepben und es war ihr, als liege in seiner Stimme mehr als eine B'tte, etwa« wie der leise Anklang eines Befehls, dem sie gehorchen müsse. „Selbstverständlich werde ich mich Deinem Wunsche fügen, lieber Stephen", sagte sie schnell entschlossen. „Ich werde kommen, Tom!" Leise seufzend erhob sie sich und tastete mit ihrem Stab zu einer einsamen Promenade durch den Garten dahin. XVII. Der folgende Tag schlich für die Insassen der Abtei träg und unfreundlich dabin. Es regnete unaufhörlich, man war auf das Haus angewiesen, wo heute keine Geselligkeit zu Stande kommen wollte und man meist vereinzelt für sich auf seinem Zimmer blieb. Besuch war nicht erschienen, selbst Blessington und Lord Arthur hatten des schlechten Wetters wegen ihre tägliche Visite heute ausgesetzt. Pansy, ärgerlick und beschämt über ihre Heftigkeit gegen Flcmmingdani, hing unruhig ihren Erwägungen nach, ob wohl wirklich daS Regenwetter der Grund seines heutigen Nicht- kommenS sei, ob er gekommen sein würde, wenn das Wetter schön gewesen und ob er überhaupt noch einmal wiederkommen oder ob man heute Abend beim Eintreffen auf dem Landhause Blessington's hören werde, daß er abgereist sei. Sie tadelte sich bitter wegen ihrer übereilten Heftigkeit, einerseits, weil sie sich eifrig einzureden suchte, daß sie daS, was sie ihm gesagt, auch wirklich glaube, wäbrend sic doch immer wieder fühlte, daß sie es in der Thal nicht von ihm glaube; und tadelte sich andererseits noch schärfer, so heftig gewesen zu sein, weil sie sich sagen mußte, daß diese Heftigkeit am deutlichsten zeige, was sie nickt einmal sich selbst zngestehen, geschweige denn gar ihn erratben lassen wollte: wie viel sie sich aus ihm macke und wie sehr er ihre Gefühle aufzurcgen im Stande sei! Hätte sie nicht gefürchtet, ihre Abwesenheit beute Abend als ein neues Zeichen ihrer Schwäche von ihm erkannt zu sehen, indem sie den Muth nicht habe, wieder mit ibm zusammen- zutreffeii, so würde sie unter irgend einer Entschuldigung ihre Tbeilnahme an der Gesellschaft bei Blessington abgelehnt baben. Allein sie nahm sich vor, ihm um keinen Preis der Welt einen solchen zweiten Triumph zu gönnen, und war trotzig entschlossen, ihren ganzen Math, all' ihre Kräfte auf zubieten, um durch die denkbar beste Laune und vaS denkbar unbefangenste Wesen nach Möglichkeit den Eindruck deS Fehlers zu verwischen, den sie gestern begangen hatte. Da sich Pansy unter dein Vorgeben, Briese schreiben zu müssen, den größten Theil des Tages auf ihrem Zimmer eingeschlossen hielt und die Herren meist mit ihren Zeitungen oder mit Billarbspielen beschäftigt waren, so blieb Margaret bis zun, späten Nachmittag alle,». Sie war erfreut, ais sie gegen 5 Uhr von Hannah, die, um einige Gegenstände Pansy'S zu holen, zu ihr ins Zimmer trat, hörte, daß es aufgehört habe zu regnen. Hastig sprang sie von ihrem Sitz empor. „DaS ist schön, Hannah", sagte sie. „Bitte, gieb mir meinen Hut und meinen Stock; ich möchte einen kleinen Spaziergang machen. Deine Herrin ist noch beschäftigt. Wenn sie Dick nicht braucht, wird sie erlauben, daß Du mich begleitest." „Gewiß, Ma'am. Und Miß Pansy braucht mich nickt. Sie befahl mir, sie nicht zu stören, bis eS Zeit sei, sie zuni Diner anzukleiden." „Gut, dann komm mit mir!" Sie pilgerten hinaus, durch die freieren Gänge des Parks, dem Ausgangölhor zu. Aber das schöne Wetter war nur vorübergehend eingetrete». Sie waren kaum bis in die Näbe des ParkwächterhäuschenS gelangt, als rin abermaliger heftiger Regenguß niederzuströmen begann und sie zwang, eiligst an einen Zufluchtsort zu denken. „Wir müssen irgendwo Schutz suchen, bis dieser Ansturm vorüber ist, oder wir werben vollständig durchnäßt", sagte Margaret, sich nach Möglichkeit io ihren Umbang hüllend und, so schnell sie konnte, weiter eilend. „Wir müssen, dächte ick, dicht bei dem Thorwächterhäuschen sein. Ist es nicht sc?" „Soeben haben wir es erreicht, wir sind gerade davor. Aber, Ma'am, würde eS nicht besser sein —wandte das Mädchen unruhig ein. „Nichts ist für den Augenblick besser! Wir müssen Schutz haben! Laß unS in das HauS eintreten!" Margaret von Hannah geführt, schritt bastig über den Weg auf das Haus zu, öffnete die Thür und trat ein. „Ist Jemand hier?" fragte sie laut, da sie nickt sehen konnte, ob sie allein sei, und ohne erst eine Bemerkung Hannah's abzuwarten. Niemand antwortete, aber au« dem Nebengemach ließ sich deutlich ein tiefes, schmerzliches Stöhnen vernehmen. Margaret erschrak. „Was bedeutet das?" fragte sie, die blinden Äugen, wie in dem Bestreben, zu sehen, weil öffnend. „ES ist Jemand krank. Weißt Du davon, Hannah?" „Nein — nein, ich weiß nichts!" erwiderte das Mädchen, daS merkwürdig unruhig geworden. „Darf ich Nachsehen. Ma'am?" „Gewiß! Geh hinein und sieb, was e« ist!" DaS Mädchen gehorchte eilfertig und Margaret blieb allein. Einige Minute» vergingen, in denen ihr scharfes
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