Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970312010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-12
- Monat1897-03
- Jahr1897
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS ß» t« Hauptrxpedttiou oder de» im Stadt bezirk ,nd de» Vororten errichteten Aus- aabrstrllrn abgeholt: vierteljährlich4^0, vei zweimaliger täglicher Zustellung tn» Hau» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,Shrlich 6.—. Direct» täglich« Kreuzbandirnduag t«» Au-Iand: monatlich 7.L0. Di« Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? Uhr. dt« Abend-Au-gabe Wochentag» um 5 Uhr. Nr-attio» und Lrpeditio«: Johanne»,affe 8. Dk« Expedition ist Wochentag« ununterbrochen grvfsnet von früh 8 bl» Abend» 7 Uhr. Filialen: Vit» Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn)» Universitätsstrahe 3 (Paulinum), Laut» Lösche, Aatharinenstr. 1», pari, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe TagMalt Anzeiger. Amtsblatt des Löiüglicherr Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Aatljes nnd Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- dle Ogespaltme Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redactionsstrich (4 ge spalten) 50^, vor den Familtrnnachrtchten (S gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis» Verzeichnis. Tabellarischer und Ztffernsatz uach höherem Tarif. vxtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung So.—, mlt Postbeförderung .st 70.—. Zinnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen»Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei de» Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 129. Freitag den 12. März 1897. 91. Jahrgang. Der Lprachenstreit in Gelgien. Der Abstimmung im belgischen Senat, die an Stelle be vor, der Kammer angenommenen Gesetzentwürfe- de Bricndt den Antrag Lejeune setzte, der nur eine vlämische Ueber- setzung neben dem französischen Texte des Gesetze- zu» lassen will, war eine lebhafte wallonische Bewegung im Lande vorangegangen. Ganz wie 1830 die Brüsseler Advocaten an der Spitze der gegen Holland gerichteten Bewegung standen, so waren eS auch die-mal wieder namentlich die Juristen, die gegen die Gleichberechtigung der vlämischen Sprache eiferten. Wenn man dabei die Behauptung auf- stellte, man könne den Wallonen unmöglich zumuthen, vlämisch zu lernen, da- sei für diese viel schwieriger, als umgekehrt für die Blamen das Erlernen de- Französischen, so stellte man dabei sich selbst, d. h. den Wallonen, ein schlimme- Armuthszeugniß aus, das, ohne eS zu wollen, die Vlamen als die geistig bedeutenderen und damit doch wohl auch als die zum Herrschen berechtigten erklärt. Das böse Gewissen war e-, daß die Triebfeder der wallonischen Gegner schaft bildete; man erkannte klar, daß mit Einführung der völligen Gleichberechtigung der vlämischen Sprache es mit der Vorherrschaft der Wallonen im Beamtentbum und damit in der StaatSleitung vorbei sei; denn noch jetzt ist vaS Ver- hältniß der wallonischen zu den vlämischen Beamten wie 4 :1, obwohl die Blamen in der Bevölkerung de- Landes weitaus die Mehrbeit besitzen.*) Natürlich fehlt e», wie die „Alldeutschen Blätter schreiben, auch in Belgien nicht an Doctrlnären, die daS Gesetz de Vriendt lediglich deswegen bekämpften, weil es von der Geistlichkeit so lebhaft befürwortet wurde, „nd dieser doktrinäre Liberalismus, der von jeher den engsten Anschluß an Frankreich gesucht hat, ist es, der auch den schimpflichen Abfall der vlämischen Senatoren verschuldet, die unter Führung von Surmont de Volsberghe gegen die Gleichberechtigung ihrer eigenen Sprache gestimmt haben, während die katholisch - konservativen Wallonen für das Recht der Vlamen eintralen; ja, ihr Führer Poncelet erklärte geradezu, daß er im Laufe der Erörterung immer mehr eine Blame geworden sei. AuS der letzteren verdient ganz besonders hervorgehoben zu werden die Rede des Socialvemokraten Picarv, der, au- dem französischen Hennegau stammend, in begeisterten Worten sich auf die Seite der Blamen stellte und seine ungemein wirkungsvolle Rede mit den Worten schloß: „Welche Partei soll den Sieg behalten? Unzweifelhaft die, welche die Gerechtigkeit für sich hat. Blicken Sie auf die Gemälde dort (es sind das die Wand- und Deckengemälde der Kammer), dort zuerst habt Ihr die Guidenfporenjchiachl (in welcher die Blame» die Franzosen schlugen), dann seist Ihr dort den Kamps gegen Lud» wig XIV. (hier standen die Vlamen mit Marlborough und Prinz Eugen gegen die Franzosen), dort die Kämpfe gegen Dumouriez (den französischen Rcvolutionsgeneral, der die Niederlande eroberie), also immer und ewig seht Ihr dort den Kampf gegen den fremden Unterdrücker, der seine Sprache ausdringe» will. Lange haben die Vlamen den Kamps ausgeführt mit der Waffe in der Hand, jetzt muß er ausgesührt werde» mit dem Jawort auf den Lipve»." Weiter sei noch der AnSspruch des JustizmiiiisterS Be- gerem, der die vlämische Sache mit ebenso viel Wärme als Geschick verfocht, hervorgehoben: „Wenn hier ein Abgeordneter oder Senator erscheinen sollte, der nur die deutsche Sprache kennen würde, so niüßlen wir dem deutschrevenven Theile unserer Bevölkerung dasselbe bewilligen, was wir jetzt den Vlamen geben wollen." Diese Worte lassen für die Deutsch-Belgier in den Provinzen Lüttich und Luxemburg das Beste hoffen. Es ist keine Frage, daß die Vlamen das nunmehr an die Kammer zurückgegangene Gesetz Lejeune nicht annehmen können und werden; sie haben Gleichberechtigung für ihre Sprache verlang», und man gab ihnen „die Uebersetzung", den Stein statt des BrodeS — denn es ist doch klar, daß die „Uebersetzung" stet» daS Untergeordnete ist, einer Bezug nahme auf sie wird man stets die Einrede entgegenbalten: „das ist nicht beweiskräftig! Maßgebend kann nur der Urtext *) Auf 3 790000 Vlamen kommen 2 621 000 Wallonen. sein, niemals aber die Uebersetzungl" Kein Wunder also, daß sich sofort nach der SenaiSabstimmung eine tiefgehende Bewegung der Vlamen bemächtiatigte, in der auch der Zorn über die abgefallenen Volksgenossen, die als Verrätber durch Maueransckläge aebrandmarkl wurden, zu kräftigem Auch druck gelangte. Wie gewaltig dir Erregung de« Volkes ist, geht daraus hervor, daß öffentlich erklärt wurde, diese RechtS- verweigerung werde daS letzte Band zwischen Vlamen und Wallonen zerreißen, und in einer vom „N'derduikschen Bond" einberusenen Versammlung besprach der junge vlämiscke Advocat Hendrikx kühl und offen die avmiwstrative Trennung deS vlämischen Landesgebietes von dem wallonischen. „Ich verlange sie nicht", ries er, „denn man kann unS zufrieden- slellen, ohne zu diesem Aeußersten zu greisen. Aber wenn wir unsere Ehe scheiden müssen — um den AuSvruck eine» Brüsseler Blattes zu gebrauchen — so wissen wir, wer die Verant wortung dafür trägt I" Was die Wallonen unter Gleichberechtigung verstehen, erhellt auS dem Verbote der Versammlung m Brüssel, welche die Vlamen zuerst für den 28. Februar, dann für de» 14. März geplant hatten. Der steUverlrenbe Bürgermeister deS zu zwei Dritteln von Vlamen bewohnten Brüssel verbot die Versammlung, weil sie die öffentliche Ordnung gefährden könne I DaS beißt, Oel in'S Feuer gießen, und so ist denn der Kampf entbrannt in Belgien, und da die Vlamen unter keinen Umständen nachgeben werden, so geht das Land einer schweren Krisis entgegen. Die Schuld tragen die Wälschen, von denen der Senator Ponclet, selbst ein Wallone, meinte, sie würden keine 24 Stunden Geduld haben, unter solchem Unrecht zu leiden, wie eS dir Vlamen nun schon seil 60 Jahren ertrage» müßten. Der endliche Ausgang des Kampfe- kann und bars daher nickt zweifelhaft sein, so wenig wie eS zweifelhaft sein kann, auf welcher Seite wir Deutsche im Reich zu stehen haben. Wohl mochten die Vlamen sich fast vergessen von unS glauben, aber auch das ist eine der köstlichen Früchte des glorreichen Jahre» 1870,7l, daß, seit wir wieder ein Volk geworden sind, wir auch wieder an unsere Volksgenossen außerhalb deS Reiches zu denken gelernt haben, und darum beitzl io diesem Kampfe auch für unS die Loosung: „2» Blanderen vlaamschl" Deutsches Reich. k Berlin, 11. März. Die dem Reichstag zugegangene Vorlage über die Errichtung einer Gevenkhalle zu Evren der im Feldzug 1870/71 gefallenen und schwerver wundeten Krieger hat, nach den Erörterungen darüber im Lande zu schließen, Bedenken hervorgerufcn, sowohl in Bezug auf die künstlerische Ausgestaltung dieses Namensverzeichnisse» wie auch in Bezug auf die Forderung überhaupt. Weil man in Deutschland zu oft der Lebenden zu wenig gedacht und den Tobten Denkmäler errichtet, wirb von verschiedenen Seilen angeregt, lieber in besonderem Maße bedürftigen Wittwen der Gefallenen zu gedenken, ferner der Wittwen und Waisen derer, die schwer verwundet wurden und dem Slecktthum erlegen sind, und der bedürftigen und arbeits fähigen Veteranen, die, wie sich bei den letzten Beraihungen deS NeichsinvalidenfonbS ergeben hat, den Ehrrnsold nicht erhalten, weil daS Geld nicht ausreicht, oder der Veteranen schließlich, die der Ebrrnjolv noch nicht der Notb enthebt. In parlamentarischen Kreisen ist man gleich falls der Ansicht, daß vor allen Dingen, ehe man dir Tobten feiert, deren überall in der Heiniath durch Krieger-- und Grabdenkmäler bereits gedacht ist, der Lebenden sich erinnern solle, denen das Vaterland eine Ehrenschuld abzutragcn hat, — so sehr auch allseitig die Ueberzeugung herrscht, wie sehr diese Vorlage den Zweck hatte, der Dankbarkeit der Nation an die Väter und Brüder, die 1870/71 im blutigen Streit für die Ebre und Einheit deS Vaterlandes gestritten haben, in warmem Empfinden zu betbäligen. Es wird aber auch noch eine zweite Frage aufgeworsen: Hätte eS, wo eS sich darum handelte, rem Fühlen und Denken der Nation uud ihrer Dankbarkeit für ihre großen Söhne Ausdruck zu geben, im Interesse der Sache nahegelegen, vorher eine vertrau liche Fühlung mit den Vertretern des Volkes zu suchen, ob und inwieweit ein solcher Plan auch wirklich dem BoltSempfinden entspricht, was sich ja leicht durch Rückfragen in die Heimath feststellen läßt, als kurzer Hand die Volks vertretung plötzlich mit dem Zwang einer vorgefaßten Form der Ehrung vor eine bestimmte Geldbewilligung zu stellen? * Berlin, 11. März. Um den „Judengott", „Ritual mord" rc. drehte es sich wieder bei einer Privatklage de» antisemitischen ZeilungSredacteurS Karl Sevlatzek gegen den Herausgeber der „Allgemeinen Israelitischen Wochen schrift" Levin und den Rabbiner vr. Singer auS Koblenz. Letzterer hatte in der Nr. 4? der „Allg. Jsral. Wochenschr." einen Artikel unter der Ueberschrift „Vom Tage" veröffent licht, in welchem er Betrachtungen über Ablwarvt, Sedlatzek, das Märchen vom Ritualmorve rc. anstellle und satyrische Ausfälle gegen die enraainrn Feinde deS Judenihums machte. Herr Sedlatzek fühlte sich dadurch beschwert, daß die „All gemeine Israelitische Wochenschrift" in Verbindung mit «einer Person Ausdrücke, wie „dunkle Ehrenmänner", ..Verleumder", „Tintenfisch, dessen Berührung man am besten vermeidet" u. s. w., zur Anwendung gebracht hatte. Am meisten gekränkt fühlte sich Herr Sedlatzek darüber, daß in dem Artikel in einer gegen Herrn Ablwarvt gerichtete» Spitze gesagt war: „Biellrickl überläßt er veränderungshalber sein Mandat dem festgesetzten „Deutschen" Sedlatzek um einen billigen Preis, und wäre es auch nur gegen Uebernakme der Abzahlung der Gerichlskosten, welche Ahlwardt in seinem be rühmten Ehrabschneideprvceß zu zahlen hat." Rechtsanwalt Ulrich erblickte hierin den schwer beleidigenden Borwurf, baß Herr Sedlatzek im Stande sein würde, um daS hohe Amt eines Volksvertreter- Schacher zu treiben. Er hielt auch den K l87 für anwendbar, wenn der Artikel Herrn Sedlatzek unter die Verleumder gruppire, weil er den Ritualmord nicht als ein Märchen, sondern als eine feststehende Tbatsacke behandle; beide Angeklagte mußten aus anderen Processen ganz genau, daß der Prival- kläger fest daran glaube und sich vor Gericht erboten habe, die Beweise für daS Vorkommen von Rilualmorden zu er bringen. Der Vertreter deS Klägers beantragte daher Gefängnißstrafen gegen die Angeklagten. — R.-A. vr. Holz bestritt dagegen, daß die anstößigen Ausdrücke des Artikel» auf den Kläger gemünzt seien. Die Angeklagten hätten sich außerdem in einer Art Nothwer befunden, denn der Privat kläger, der sich immer al- ein Mann aufspiele, der das Prestige des Deutschthums zu wahren habe, schmähe und be- jchimpfe fast in jeder Nummer seiner Zeitung die Juden in ihrer Totalität mit den heftigsten Worten. Einem solchen Manne gegenüber müsse eS den fortgesetzt Gereizten gestattet sein, die Dinge bei dem rechten Namen zu nennen. — Der Gerichtshof dielt nur einfache Beleidigungen (tz 185) für vorliegend und verurtheilte den Angeklagten Levin zu U10 vr. Singer zu 50 Geldstrafe. Verleumderische Beleidigung lönne nicht angenommen werden, denn die Angeklagte», die als religiös gesinnte Juden von dem Kläger so oft so schroff angegriffen worden, hätten sich durchaus in gutem Glauben befunden, wenn sie aunahmen, daß Sedlatzek wider besseres Wissen das Vorkommen der Rilualmorde behaupte, weit sie von ihrem Slandpuncte aus fest davon überzeugt fein könnten, baß jeder Mensch mit fünf gesunden Sinnen die Unsinnigkeil dieses Märchens erkennen müßte. )s. Berlin, 11. März. (Telegramm.) Der Kaiser börle heute Vormittag von lO Uhr ab den Vortrag de- KriegSnilnistelS GenerallieutenantS v. Goßler und arbeitete, anschließend daran, mit dem General v. Haknke. DaS Früh stück gedachte er beim OsficiercorpS des 1. Garve-Dragoner- Regimeitts einzunebmen und Abends um 7 Uhr im Kreise der Officiere des Garve-Kürassier-RegimentS zu diniren. (-) Berlin, 1l. März. (Telegramm.) Der Kaiser ermächtigte den jeweitigcn Colonialdirector, in Ver tretung deS Reichskanzlers den Deckofficieren Ser kaiserlichen «chntztruppe bei ihrem Ausscheiden aus dem Dienste, sofern sie sich tadellos geführt haben, die Anstellungs- Berechtigung nach Maßgabe der Bestimmungen zu ver leiben, die in dieser Beziehung hinsichtlich der auS dem activen Dienste AuSscheidenben ergangen sind. (-) Berlin, ll. MätH. (Telegramm.) Der VundeSrath bat in seiner heutigen Sitzung den Ausschußanträgen zu dem Entwürfe eines Gesetzes, belr. die Abänderung der Gewerbe Ordnung, sowie zu dem Entwürfe eines Gesetzes über das Auswanderungs-Wesen die Zustimmung erlheilt. Dem Ausschußberichte über die Vorlage, betr. den AuSliefe- rungSantrag zwischen dem deutschen Reiche und den Niederlanden, und dem Ausschußberichte über die Berechnung der nach dem HauShattetat für 1897/98 aufzubringenden Matricularbeiträge wurde gleichfalls die Zustimmung ertheilt. v. Berlin, 11. März. (Privattelegramm.) Wie die „Nat.-Ztg." hört, wird dem Reichstage eine neue Vorlage zugehen wegen Uebernakme der Landeshoheit und Verwaltung von Reuguinca durch daS Reich. Der zwilchen der Colonialverwaltung und der Neuguinea-Com pagnie vereinbarte neue Vertragsentwurf entspreche den vom Coloniatrath gemachten Vorschlägen und weiche von dem vorjährigen, vom Reichstag abgelehnten Entwürfe in ver schiedenen Puncten ab. So seien insbesondere die mehrfach teanslanveten Bestimmungen gefallen, welche bas Recht der Neuguinea-Compagnie auf herrenlose- Land und der An werbung von Arbeitskräften betrasen; dieses Recht soll nach dem neuen Vertrage auf daS Reich übergeben. Allerdings würde der Compagnie dafür eine Entschädigung zuzubilligen sein, über deren Bemessung die Verhandlungen noch schweben. — Von dem Fürsten BiSmarck ist, wie bereits ge meldet, dem Vorstände deS Vereins Berliner Künstler ein Dankschreiben für die deni Fürsten übersandte Ehrentafel zugegailgen. Dasselbe wurde in der am 9. d. M. abgehailenen ordentlichen Haupiversammlung dieses Vereins zur Verlesung gebracht und lautet wie folgt: „Friedrichs ruh, Len 3. März. Euren Hochwohlgcboren bitte ich, dem Verein Berliner Künstler für die mir gewidmete Ehrenlaiel meinen verbindlichsten Dank auszujprechen. Ich bedauere l» erhöhtem Maße, daß ich die Herren nicht persönlich zu begrüßen vermag. Ich bitte Eure Hochwoylgeboren, dem Herrn Julius Wolfs sür ieiiie wohlwollende und gelungene Dichtung und den Herren Künstler», die die Herstellung de» hervorragenden Kunstwerks güligst übernommen habe», meinen besonderen Dank zum Ausdruck bringen zu wollen." — Dem „B. T." zufolge sollen auf Befehl de» Kaisers bei der Centen ar feier an die Veteranen Medaillen vertheilt werben. — Die UnterrichtScommission des Abgeord netenhauses bat sich Hestern Abend wiederum mit der Dissidenlenfrage beschäftigt. Es lagen Petitionen vor, welche die Aufhebung der Verfügung des Ministers Grafen Zedlitz vom 16. Januar l892 verlangten, nach der die Dissi- denleukinder den Religionsunterricht in den Volksschulen zu besuchen haben, sofern nicht der Nachweis erbracht ist, daß diese Kinder anderweit einen ausreichenden Religionsunterricht erbalten. Die Commission bat mit 9 gegen 8 Stimmen be schlossen, gemäß dem Anträge des Berichterstatters die Petitionen der Slaalsregierung als Material zu über weisen. * Hamburg, 10. März. Die Bürgerschaft bat zum Vorsitzenden Bankier Sigmund Hin richten mit 94 gegen 38 Stimmen, zum ersten Vicepräsidente» Landgerichtsdireclor Möller mit 90 gegen 49 Stimmen gewählt. * Vrannschweig. 11. März. (Telegramm.) Prinz- Regent Al brecht ist heule früh aus dem Haag hier wieder eingelroffcn. * Brannschwcig, 10. März. DaS Verbot der Ankündi gung von Gedeimmitteln wurde auch auf Thierkrank heiten ausgedehnt. * Tortmnnd, 10. März. Die Stadtverordneten versammlung bewilligte einen Betrag von vier Millionen für Errichtung einer Thalsperre bei Schwerte a. d. Ruhr. * BreSIa», 10. März. Der preußische C ultuS mini st er bat an den Rector und Senat der Universität Breslau ein Schreiben gerichtet, in welchem er seine Anerkennung zum Leuillrtoi,. Gebende Photographien. Novellette von L. Eysell (Halberstadt). Nachdruck verboten. Nickt« Reizendere», als wenn die jugendliche Mama und da« ganz junge Töchterchen bei Handarbeiten nnd froben Gesprächen zusammen sitzen! Mutter und Tochter und doch zugleich zwei Freundinnen; der Altersunterschied scheint hinweggewischt durch da« volle gegenseitige Vertrauen; die Aeltere giedt von ihren Erfahrungen, die Anoere von ihrem jugendlichen Frohsinn — es ist ein Austausch, bei dem Beide gewinnen. Beide erscheinen gleich jung, gleich frob, Beide schauen mit gleich ungetrübten Augen in die Zukunft. So sollte e« sein, und so war eS — vor Kurzem noch. Aber nun? Da« Gesicht de- Mädchen-, da- sich so tief über die seine Stickerei beugt, ist blasser und schmaler geworden, die schön geschnittenen Lippen sind durchsichtig matt in der Farbe, die dunklen Augen bräunlich umschattet. Tie Mutter nimmt den Lridensrug auf dem süßen Kindergesichte mit banger Sorge wabr. Trude läßt sich nicht geben, sie ist musterhaft in ihrem Benehmen, sie wirthschastet, sie kocht, sie unterzieht sich jeder Arbeit, mehr, viel mehr, als man von dem verwöhnten Kinve früher erwartete; sie ist nie unfreundlich, nie ungeduldig. Mit einer engelhaften Geduld bindet sie der kleinen Schwester Erna zum buudertsten Male im Tage die Schürze zu und seift ibr die kleinen Schmutzbändr ab. Sie hat kaum einen Wunsch; mit Allem, was man ihr vorfchlägt, ist ste freundlich einverstanden. „Wollen wir jetzt unfern Spaziergang machen, Trude?" — „Gewiß, Mama." — „Möchtest Du nicht Lotte Homann einmal besuchen?" — „Gern, Mama." Aber gerade diese wunschlose Nachgiebigkeit bei ihren jungen achtzehn Jahren ist es, was der Mutter in'S Herz schneidet. Früher war es anderS; da wußte Trude schon genau ihr eigene« Köpfchen zu behaupten, da fehlte eS nicht an Wünschen, da war sie fast zu laut und unruhig — aber Alles ist wie auSgewechselt seit der dummen Geschichte .... Diese „dumme Geschichte" gilt als der Merkstein in der Familie Schotten. Seit dieser dummen Geschichte fühlt sich der hübsche, und sich seiner Hübichbeit vollbewußte Papa Schotten nicht mrbr so behaglich wie früher in seiner Familie. Er gebt längeren Gesprächen aus dem Wege, widmet sich der Zeitung intensiver als zuvor nnd verbringt die Abende häufig außer dem Hause. Die dunkel umschatteten Augen seiner Tockter wirken auf ihn wie ein beständiger Vorwurf — unv dennoch ist er im Recht, natürlich, wie alle Väter eS von Alter- her gewesen sind. Seit dieser dummen Geschichte bat Mama Schotten auf ihrem frischen Gesicht das erste Fältchen am Munde entdeckt — mein Gott, eS geht einem doch nah, wenn man daS Töchterchen leiden siebt I — bat sie ihren ge sellschaftlichen Verkehr einer fürchterlichen Musterung unter zogen nnd zwei Familien, die zu jener Zeit mit ihnen auf Borkum zusammen waren, ängstlich vermieden. Seit jener dummen Geschichte ist die früber so muntere Trude blaß uud einsilbig geworden. Nur ihrer vertrauten Freundin Lotte Homann gegenüber spricht sie sich zuweilen au» und schließt mit dem Bekennlniß, sie wisse jetzt erst, wa- Leben heiße — aber sie erwarre nicht« mebr vom Leben. Selbstverständlich ist diese dumme Geschichte nicht als eine ganz banale Liebesgeschichte, wie sie sich in der Einförmigkeit keS BadelebenS bei Croquetpartien am Strande, bei vielen Spaziergängen in den Dünen anzuspinnen pflegt. E« läßt sich ja nicht leugnen: Der Held, ein junger, angehender Chemiker, ist „entzückend" und mit seiner „Hohen G-stalt", dem schwarzen Kraushaar und den blauen, kühnen Augen wohl geeignet, eia siebzehnjährige- Mävcheoherz zu erobern und eS vergessen zu lassen, daß es neben hübschen Augen und Haaren auch noch allerlei weniger hübsche Dinge in der Well giebt, als da sind: drohende Examina, der noch nicktt erworbene Doctortitel, das gänzliche Fehlen alles schnöden Mammons u. s. w. Der Papa aber, wie Papa'S nun einmal sind, unv noch dazu solche, die vom Glück und der eigenen geschäftlichen Geschicklichkeit be günstigt, schon früh ein sorgenfreie- Rentiersdasein erreicht haben, will durchaus nickt über diese verschiedenen Mancos hinwegseben. Er betrachtet die Tragödie wie eine Kinderei, aber eine unverantwortliche. Er erklärte sich als der enl- schikdenste Gegner aussichtsloser oder auch nur lang auS- schauender Verlobungen. Er ordnet die schleunigste Abreise an und giebt de» Befehl, es dürfe von keinem Verkehr, weder einem mündlichen, noch einem schriftlichen, mehr die Rede sein. Danach fühlt er sich eine Weile ungemein erbaben, wie der Retter der Familie — freilich nur eine kurze Weile, denn Trude, sein Liebling, kann sich nun einmal durchaus nicht dazu versieben, die Sache als abgelhanr Kinderei zu betrachten; sie wird blasser und schmaler und mit jedem Tage trauriger. Frau Schotten — Mütter sind ja doch stet- im Geheimen die Verbündeten der Töchter — redet ibrem Galten gut zu, warum er denn nicht nachgeben wolle, er sähe doch, wie da» Kind sich abhärme, eine Verlobung sei ja doch noch keine Helrath, der junge Schubert gälte zudem als tüchtig, und würde semen Weg schon machen, er möge den Kindern dock wenigsten« die Hoffnung auf die Zukunft lasten. Oder ob er, der schöne Mann, fürchte, im Besitz eines Schwiegersohn- unter« alte Eisen geworfen zu werden? Damit hatte sie einen wunden Puact berührt, und in großartiger Rede setzte er ihr nun auseinander, daß zu „seinen Zeiten" — diese Zeiten liegen genau um zwanzig Jahre zurück! — ein Mann eS für edrenbafl gehalten habe, erst dann um die AuSerwählte zu werben, wenn er im Besitz des erforderlichen Vermögens gewesen sei, um für ihre Existenz sorgen zu können. Frau Schotten seufzt. Sie erinnert sich, daß ihrem Gatten durch seine vermögenden Eltern diese Ehrenhaftigkeit leicht genug gemacht geweien war. Und sie seufzt tiefer, da sie sich weiter erinnert, daß die Familien Kühne und Reu mann, die zugleich mit ihnen in Borkum sich aufgchallen, und die sie seiidem so consequent geschnitten, sie schon ver schiedentlich bei einem Begegnen auf der Straße ganz eigen- thümlich forschend angesehen baben, als erwarteten sie irgend etwas von ihr, irgend eine Aufklärung, ein Geständniß. Sollten sie in Borkum ihre Beobachtungen gemacht haben, wohl gar genau um Trude'S Herzenstragödie wissen? Es wäre entsetzlich, hier in der kleinen Stadt, wo eS kein Ge- heilnniß giebt, wo noch mehr als anderswo daS Wort gilt: die ganze Welt weiß, was Dreie wisse»! Von diesem fürchterlichen Verdacyl sagt sie jedoch ihrem Manne nichts, der, vor dem Spiegel stehend und die Wirkung eines neuen Hellen Schlipses zu seinem etwas angegrauten, wohl verschnittenen Spiybarte sludirend, ihr anräth, Trude zu zerstreuen. „Für so junge Mädchen giebts noch keinen Seelenkummer, eS ist nur die Langeweile, eS fehlt ihr an Abwechselung! Sorge dafür, daß daS Mädchen mehr hinauSkomntt, geh' mit ihr in Gesellschaften und kauf ibr meinetwegen ein Paar neue Kleider und JacketS, damit sie auf andere Gedanken kommt. Und L propos — um gleich den Anfang zu machen, werde ich diesen Nachmittag mit Euch die erste Vorfübrung deS Kinematogravben, — Du weißt doch, lebende Photo graphien nennen fie'S, besuchen. Solche Wunder der Wissen schaft muß man kennen lernen, auch Erna kann mitgeben, muß sich aber ruhig dabei verhalten. Und laß Trude das Hellrosa mit dem schwarzen Sammet anziehen, es ist zwar vorjährig, steht ibr aber famoS."
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite