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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.03.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970313023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-13
- Monat1897-03
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Größere Schriften laut unserem Preis» vetzetchniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra »Vcilagcn (gesalzt), nur mit der. Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuiui >l Sv.—, mit Postbesörderung ^l 70.—. ^nnahmeschlvß für Anzeige«: Abend-AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Niorgr n-Ausgabe: Nachmittag» 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anreigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck «nd Verlag von E. Polz ln LeipzkA. 132 Sonnabend den 13. März 1897. politische Tagesschau. * Leipzig. 13. März. In der Erwartung, daß die Beralhung des Gesetz entwurfes. betreffend die Errichtung einer Gedcnkhaüe für die im Feldzuge von 1870/71 gefallenen oder schwer ver wundeten Krieger, zu einer interessanten Debatte Beran- lafsung geben würde, hatten sich zu der gestrigen Sitzung de« Reichstags die Abgeordneten in ungewöhnlich großer Zahl eingesunden. Aber ihre Erwartung wurde ent täuscht. Zunächst wurde die Berathung de- EntwursS. der als zweiter Gegenstand nach einer Rechnungssacke auf der Tagesordnung stand, verschoben, wie eS hieß, auf Wunsch veS Reichskanzlers, der zum Bortrag beim Kaiser war. Und dann, als der Gesetzentwurf über die Verwendung überschüssiger ReichScinnalmien zur Schuldentilgung die zweite Lesung passirt hatte und die Etatsberalbung weiter gefördert worden war, begründete der inzwischen im Hause erschienene Reichskanzler die Vorlage in so unzureichender Weise und wußte über die Details VeS Planes so wenig zu sagen, daß keine Partei Neigung empfand, in eine Debatte einzutreten. Die Socialdemokraten ließen vom Abg. Singer ihren ablehnenden Stanvpunct mit kurzen Worten vertreten, die übrigen Fraktionen traten einfach dem vom Abgeordneten Or. Bachem im Namen des CenirumS gestellten Anträge auf Verweisung der Vorlage an die Bub getcom Mission bei. Wann diese den Entwurf berathen kann, muß vor der Hand dahingestellt bleiben. Zunächst jällt in die Waagschale, daß der Reichstag bis zum Ende des Monats, wo der Etat nach der Verfassung unter allen Umständen fertig gestellt werden muß, im aUergünstigslen Fall nur noch dreizehn Sitzungs- tage vor sich und die Budgetcommission noa» nicht einmal alle Etats für die zweite Lesung vorbereitet hat. Daß beute der Marine-Elat zu Ende kommen könnte, ist nicht wahr scheinlich. Es ist daher ausgeschlossen, daß in der nächsten Woche die Commission sich mit der Vorlage beschäftigen kann. Sie wird also erst nach der Cenlenarfeier zur Beralhung kommen und dann eine sachgemäße Beurtheilung finden. — Der Plenarsitzung war eine Sitzung der Budgelcommission vorangegangen, in der die S p e c i a l b e r a t h u n g des Martne-EtatS begonnen wurde. Der Verlauf der Sitzung bat unsere Hoffnung, daß die in diesem Etat enthallenen Forderungen ein günstigeres Schicksal haben würden, alS eS vor einem Vierteljahr möglich schien, wenigstens zum Theile erfüllt. Zwar wurden drei zweite Raten und eine dritte Rate um je eine Million Mark gekürzt, aber eS scheint fast, als ob das nur geschehen sei, damit das Centrum darauf Hinweisen könne, daß es nicht zu allen Forderungen Ja und Amen gesagt habe. Die Verzögerung bei dem Baue dürfte, da immerhin je drei Millionen Mark bewilligt worden sind, keine allzu große sein, besonders da eventuell im nächsten Jahre daS Versäumte nackgeholt werden kann. Den Haupl- streilpunct bilde» ja natürlicherweise immer vie ersten Raten, da sie den ReichSlag auf hohe Summen festlegen, mögen diese nun im Laufe von drei ober von vier Jahren bewilligt werden. So war eS also von besonderer Wichtig keit, wie die Abstimmung über das Panzerschiff I. Elaste Ersatz König Wilhelm ausfallen würde. Nach dein höchst ungünstigen Eindrücke der ersten Etalsberathung war bis vor Kurzem die Befürchtung nicht abzuweisen, daß selbst marinefreundliche Mitglieder der Coinmission zur Streichung dieser Forderung sich entschließen würden, um eine Brücke zur Verständigung Uber die übrigen Forde rungen berzustellen. Und nun ist gerade die erste Rate für diesen Panter mit starker Mehrheit unverkürzt bewilligt worden. Zwar glaubten einige Redner dieser Mehrheit ver sichern zu sollen, daß sie durch ihr Votum sich keineswegs für die Denkschrifk des Herrn Hollmann mit ihren ZukunstS- plänen verpflichteten, aber Liese Versicherung war überflüssig, weil selbstverständlich, und wohl nur eine Maske für den Rückzug. Wenn beute die Entscheidung über die beiden neuen Kreuzer in ebenso günstigem Sinne erfolgt, so kann Herr Hollmann trotz seiner au« mehr als einem Grunde verfehlten Taktik zufrieden sein. Der vom BundeSratbe angenommene und gestern dem Reichstage zugegangene Entwurf eines AuSwanderungS- gesrtzcS ist dazu bestimmt, eine gesetzgeberische Action wieder auszunebmen, die vor einigen Jahren ergebiiißlo« ver lief. Ende November 1802 überreichte der damalige Reichskanzler dem Reichstage einen AuswanderungSgesetz- entwurf, der Bestimmungen über die Unternehmer, die Agenten, über die Auswanderung im Allgemeinen, über die über seeische Auswanderung nach außereuropäischen Ländern im Besonderen, über die Beaufsichtigung des AuSwanderungS- wesens und über die Beförderung von außerdeutschen Häsen aus enthielt. Der Entwurf fand damals so wenig Anklang im Reichstage, baß, obwohl er bei Beginn der Tagung rin gebracht war, daS Präsidium auch nicht einmal den Versuch machte, ihn zur ersten Lesung zu stellen. Er erfuhr eine Berathung nicht, dagegen wurde bei der Etatsberalhung der damaligen Tagung von verschiedenen Seiten kein Zweifel darüber gelaffen, daß namentlich der polizeiliche Charakter des Entwurfs, d. h. die Bestimmungen, die der Polizei eine Conlrole über daS AuSwanverungswesen in weitestem Maße zugeslanven, die Abneigung gegen ihn hervvrgerufen Hallen. Diese Vorschriften sind nun in dem neuen Entwürfe nicht uiiwesenllich abgeändert worden; ob diese Aenderung genügt, kann sich freilich erst bei einer sorgfältigen Vergleichung Herausstellen. Vorläufig entnehmen wir dem Entwürfe folgende Bestimmungen: Wer die Beförderung von Aus wanderern nach außerdeutschen Ländern betreiben will, bedarf der Erlaubniß, für die der Reichskanzler zustä.-dlg ist. Die Erlaubniß darf in der Regel nur an Reichs angehörige oder Gesellschaften ertheilt werden, die ihren Sitz im Reichsgebiet haben. Vor der Enheilung der Erlaubniß bat der Nachsuchende eine Sicherheit von mindestens 50 000 ^ zu bestellen. Die Erlaubniß ist nur für bestimmte Länder, Theile von solchen oder bestimmte Orte und nur für bestimmte EinschiffungshLfen zu er- theilen. Die Erlaubniß kann jeden Augenblick beschränkt oder widerrufen werden. Der Unternehmer darf Aus wanderer nur befördern auf Grund eine- vorher ab geschlossenen Vertrages. Verboten ist der Abschluß von Verträgen über die Beförderung von Wehr pflichtigen. Verträge über die überseeische Beförderung von Auswanderern müssen aus Beförderung und Verpflegung bis ur Landung im außereuropäischen LalidungShafen gerichtet ein. Jedes Auswandererschiff unterliegt vor dem Antritt der Reise einer Untersuchung über seine Seetüchtigkeit, Einrichtung, Ausrüstung und Verproviantirung. Zur Mitwirkung bei der Auswanderung wird ein sach verständiger Beirath gebildet, der au« einem Vor sitzenden und mindestens 14 Mitgliedern besteht. Zur Uederwachung des AuSwanvrrungSwesenS und der Aus führung der darauf bezüglichen Bestimmung sind an den Hasenplätzen, für die Unternehmer zugelassen sind, von den Landesregierungen AuSwanderungSbehörden zu bestellen. Unternebmer werden bei Uebertretungen mit Geldstrafe von 150 bis 6000 ^ oder Gefängniß bis zu 6 Monaten bestraft. Der Termin deS Inkrafttretens ist offen gelassen. Auf die Einzelheiten der Vorlage werden wir zurückkommen. Die griechisch-kretische Krisis eilt ihrer Lösung entgegen, da an Frankreichs Mitwirkung bei den gegen Griechenland zu erwartenden Maßregeln kaum noch zu zweifeln ist. In eingeweihten Pariser Kreisen verlautet, Hanotaux wolle nächsten Montag der Kammer erklären, Frankreich werde in der Kretafrage mit den Großmächten gehen, da der Austritt aus dem Concerr Europas daS KrenndschaftS- verbältniß mit Rußland trüben müßte. Tbat- sächlick bat, wie uns ein Pariser Privattelegramm meldet, der „Russischen Telegr.-Agentur" zufolge Murawjew den französischen Außenminister dahin verständigt, daß „das Aus- scheiden Frankreichs aus dem europäischen Concerte daS russisch-französische Bündniß trüben würde". Beide Meldungen stimmen fast aufs Wort überein, was jür ihre Richtigkeit spricht. Danach muß die französische Regierung k och nabe daran gewesen sein, den Drohungen der Kammeropposition nachzugeben, sonst würde eS einer wichen Nackenstärkung von russischer Seile nicht bedurft haben. Nun aber Frankreich weiß, daß sein Bündniß mit Rußland auf dem Spiele steht, wird die Kammer wesentliche Schwierigkeiten nicht mehr machen. Ja, eS verlautet, die Regierung habe bereits den Mächten ihre Zusage gegeben und werbe am Montag die Kammer vor eine vollzogene Tbatsache stellen. Auch geht die Negierung jetzt strenger gegen die philhelleniscke Bewegung vor. So ließ sie eine Versammlung von Griechenfreunden in Marseille, in der Deutschiand be leidigt wurde, polizeilich auflösen. Ob eS freilich schon so weil ist, daß, wie die „Frkf. Ztg." auS Rom erfährt, die athenische Regierung gestern bereils eine neue So m mation auS den Händen der Gesandten der Mächte entgegengenommen habe, in welcher angezeigt wird, baß nach kurzer Bevenksrist die ZwangS- maßregeln beginnen werden, erscheint noch zweifelhaft. Eine Bestätigung hat die Nachricht noch nicht gefunden. Neben der Blockade der griechischen Häfen wird fortgesetzt vie Frage der Pacificirung Kretas lebhaft erwogen, und wie man dört, haben die Admirale der Flotte den Mächten empfohlen, jede der selben solle lausend Mann Truppen entsenden, um die Nord« küste Kretas wirksam besetzen und eventuell ins Innere der Insel Vordringen zu können. Zu welchem endgiltigen Be schluß Griechenland gelangen wird, steht noch dabin. Nach Londoner Meldungen wäre der König zum Kriege mit der Türkei entschlossen, nach römischen Informationen dagegen scheine Griechenland jetzt zur Nachgiebigkeit bereit und warte nur das Vorgehen der Mächte ab, um einen anständigen Rückzug zu haben. DaS in Athen anscheinend nicht ungern gesehene energische Hervortreteu der vis mujor der sechs Großmächte dürfte auch durch den Inhalt der sog. griechischen Ergänzungsnote nicht aufgehalten werden. Man meldet uns darüber: * London, 13. März. (Telegramm.) Im Parlamente wurde heute von der Regierung »in Schriftstück vertheilt, welches über den Besuch des griechischen Geschäftsträgers im Auswärtigen Amte folgenden Bericht giebt. Der Geschäftsträger erschien am 10. März im Auswärtigen Amte und überdrachte folgende Mltthellung de» griechischen Minister- de« ««»bereit: „In Verfolg der von den Großmächten an die königliche Regierung gerichteten Note kalte ich eS für meine Pflicht, Eie zu benachrichtigen: 1) daß die königliche Regierung, indem sie vorschlägt, daß dir Großmächte den hellenischen Truppen da- Mandat auf Kreta übertragen sollten, es gerne sehen würde, daß Abtheilungen von den Geschwadern der Mächte bei dieser Ausgabe mit den griechischen Truppen zusammen wirken; falls di« Mächte dieser Maßnahme zustimmen, 2) daß wir, wenn Las Princip eines PleblscitS des kretensischen Volkes angenommen würde, nicht- dagegen etniveuden würden, daß Kreta unter der Suzeränität des Sultans bliebe, bis diese Maßregel durch geführt sein würde." Wir haben schon gestern ausgeführt, daß, so lange griechische Truppen sich auf der Insel befinden, von einer unbeeinftußlen Entschließung der Kreter nicht die Rede sein kann. Daran würde weder da« zeitweilige Fortbestehen der Suzeränität deS Sultans, noch die Anwesenheit von Geschwaber-DetachemcntS etwas zu ändern vermögen, Wohl aber bänden sich die Mächte, wenn sie auf den griechischen Vorschlag eingingen, die Hände und machten sich für das fernere Vorgehen der Griechen verantwortlich. Man hätte dann das kostbare Schauspiel, daß Griechenland Das, was cS bisher wegen der ablehnenden Haltung der Mächte nicht durchsetzen konnte, mit Wissen und Willen Europa« unter dessen Augen tbäle. Die Ergänzungsnote ist offenbar nur ein neuer Ver- schleppungsversuch. Wie die „Post" au- Wien erfährt, taucht dort abermals da- Gerücht von der Abdankung des Königs auf; gleichzeitig wird behauptet, DclyanniS plane die Ausrufung der Republik. Allerdings befindet sich König Georg in einer hochgradigen Erregung, er ist erbittert über den „Verrath" des englischen ConsulS Billioti, der jetzt, wie er sagt, türkischer sei als der Sultan, und spricht sehr wegwerfend von seinen Verwandten in Petersburg, Berlin und London; allein wir halten das Abdankungsgerücht nur für einen erneuten Einschüchlerungsversuck. Der Umstand, daß die Möglichkeit der Proclamirung der Republik in einem Alhem genannt wird, läßt deutlich erkennen, daß man es mit einer Erneuerung der Drohung zu tbun hat: „Wenn die Monarchen Europas mir nicht den Willen lbun, so wird Europa eine Republik mehr haben." Eine amtliche Bestätigung der Wiener Meldung über eine Be drohung deutscher R e i cb S a ng eh öriger in Athen liegt in Berlin noch nicht vor; doch ist man geneigt, die Mittbeilung für übertrieben zu halten. Jedenfalls würde die griechische Regierung ihre eigene Lage noch erheblich ver schlechtern, wenn sie die PolkSteivenschaft nicht im Zügel halten und die Sicherheit der Fremden preisgeben wollte. Für dieselbe hat sie sich wiederholt bis zuletzt heilig und theuer verbürgt. Glaubwürdiger erscheint dagegen, daß griechische Firmen aus Haß gegen Deutschland größere Be stellungen in Apolda unsrrm thüringischen Manchester, rückgängig gemacht haben. Wir denken aber, diesen Schmerz wird die Apoldaer Weltindustrie wohl noch überwinden können. Wie schon gemeldet, ist in Frankreich eine neue Auslage deS Panamascandals in Sicht. Nach der „Libre Parole" bat Arton dem Untersuchungsrichter nackgewiesrn, daß sein Vorgänger Frangueville den ganzen Panamakandel falsch auf- gefaßt habe. Von einer Bestechung von Parlamentariern isi Ein Frauenherz. Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Emil Bern seid. Nachdruck verdaten. DaS Geräusch von Wagenrädern, das sich, die Allee heraufkommenb, vernehmen ließ, bewog das Paar, seitwärts zu treten, wo sie unter dem Dunkel der sie umgebenden Bäume den Blicken der von der Gesellschaft in Comberhiü Zurückkehrenden entzogen waren. Der Schall der Stimmen, in gleichgiltigem Alllagsgespräch, der als ein Klang auS der nüchternen Außenwelt zu ihr herübenönle, löste den Bann von Margarets überreizten Nerven und durchbrach das Eis ihrer unnatürlichen Ruhe. „Gott helfe uns — nur er kann uns Kelsen!" rief sie schluchzend auS und warf sich stürmisch in die Arme de« Galten. Von dem naben Kirchthurm im Dorf schlug cS Mitter nacht. Sie durften nicht länger verweilen, wenn sie nicht fürchten wollten, daß man sie im Schlosse vermisse und sich aufmacke, sie zu suchen. Langsam schritten sie, einander um faßt haltend und in tiefem Schweigen verharrend, der Abtei zu, deren graue Thllrme sich im Schein de« soeben über den Boumgipfeln emporsteigenden Monde- wie mit einem Silber licht übergossen vor ihnen erhoben, als sie, da« Dunkel unter den Bäumen de« Parke- verlassend, ans den freien Raum vor dem Hause hinaus traten. ES war ein Bild von mächtiger, magischer Schönheit, da- mit innerem Auge auch Margaret sah, a>« Grey ibr, seiner Gewohnheit getreu, für sie zu sehen, klanglos mitideilte, daß der Mond erschienen und man bei der Lisibre de» Parke« angelaugt sei. Würde da« geheimnisvolle, gespenstische Licht, da« dort wie rin Wahrzeichen ihre« Schicksals und ihrer Gefühle ihr Heim umfloß, sich je »och einmal in den Hellen Sonnenschein vollen reinen Glücke« verwandeln? -- XIX. Die nächsten zwei bi« drei Tage verflossen ruhig. Es schien Margaret fast seltsam, daß Alles seinen gewohnten Gang ging, Alle« sich vollzog, »vie e« sich vordem vollzogen, als lauere nicht eine furchtbare Gefahr über ibr und ihre« Gatten Haupt, als ständen sie nicht Beide am Rande eines Abgrunde-, der sie jeden Augenblick zu verschlingen drohte. Dann vergegenwärtigte sie sich, daß eS für Stephen seit Jahren so geweien, und begriff nicht, wie er eS so lange allein habe tragen können. Selbst jetzt, wo er an ihr eine Leidensgefährtin und Vertraute hatte, wo dir Bürde eine gemeinsaui getragene war, lastete sie ja noch so fnrchtbar schwer — doppelt entsetzlich in dem Gedanken, daß jeder Tag bestimmt sein konnte, jene äußerste Katastrophe herbei- ufübrrn, die nur al- Möglichkeit ins Auge zu fassen schon chrecklich war. Dennoch halten kaum je zuvor die Gatten so fest und innig zu einander gestanden, als gerade jetzt. E« war, als sei ihre Liebe zuvor nur eine sorglose zärtliche Tändelei gewesen, di« erst in der Feuerprobe dieser Zeit gestählt, zu einer wahren, edlen, großen Leidenschaft geworden. Margaret, von Natur vertrauensvoll und da« Gute zu hoffen geneigt, hatte wohl noch Augenblicke, in denen sie ihr düsteres Bangen von sich »u weisen vermochte unk dessen Veranlassung fast vergaß; Stepbrn jedoch, der die Situation klarer überblickte und dessen Kenntnitz durch daS, wa« er von dem Geheimbunbe wußte oder schon mit durchlebt, tiefer und schärfer war, mußte sich sagen, daß die Zukunft für ihn nie drohender auSgesehen, al« eben jetzt. Nach dem, wa- an jenem Abend der einsamen Rückkehr Margaret'« von Coinber« Hill geschehen, war kaum zu bezweifeln, daß der Geheim- dund bedacht sein werde, seinen, Stephen'«, Gehorsam gegen vir Gesetze de« Bunde- auf die Probe zu stellen — ja, mehr noch: ihn durch irgend eine compromiltirenve Tbat, die er aus sich zu laven habe, mit festeren Banden als je an die Existenz de» Bunde« zu fesseln. Und nur zu bald sollte sich seine Befürchtung al« nicht unbegründet erweisen. Am vierten Tage »ach jener Gesell schaft bei Blessiogton erreichte ihn eine geheime Botschaft, daß er sich zur Ausführung eine« besonderen Aufträge«, zu der die Wahl auf ihn gefalle» sei, dem Bunde zur Verfügung zu stelle» habe und sich an einen bestimmten, ihm genannten Örte außerhalb begeben solle, um dort weitere Ordre« zu empfangen. Obgleich nicht unerwartet, traf ihn der Streich koch um dk«willen nicht mit geringerer Schwere. So war denn also der Moment gekommen, der über sein Schicksal entscheiden mußte. Wa« sollte erihlin? In blindem Gehorsam die Befehle de« Bunde« au«fllhren oder, da« Joch gewaltsam zerbrechend, sich der blutigen Rache der Verschworenen, der er dann, wo er wußte, nicht entgehen konnte, prei«geden? Und Margaret — wie würde sie e« tragen? Wie konnte er e« Uber sich gewinnen, Abschied von ibr zu nehmen, in dem Gedanken, baß e« vielleicht da« letzte Lebewohl sei, und wie würde sie ihn von sich lasten? Schon ihre jüngste Trennung von einander war so schwer gewesen, und eine wie viel schrecklichere lag diesmal vor ihnen, wo sie Beide die Gefahr kannlen, die verhäugnißvoll über ihnen schwebte I Er entschied sich nach vielem Ringen dafür, ohne Ab schied von ihr zu geben. Er mußte ibr da«, wenigstens diesen einen furchtbaren Augenblick ersparen, und wenn er bei Erreichung seines Bestimmungsorte- etwa finden sollte, daß er sich in dem Charakter dessen, wa« man ibm über tragen wollte, getäuscht hatte, konnte eine Depesche ihr schnell Beruhigung bringen. Die Umstände begünstigten ihn in der Ausführung seines Planes. Man hatte «ine Piknikpartie in die Umgegend für den betreffenden Tag festgesetzt, an der Margaret theilnehmen sollte »nd eS ließ sich für ihn leicht arranziren, unter iigend einer Entschuldigung zurückzubleiben, um angeblich später nachzufolgen. Wenn Margaret dann statt besten bei ihrer Rückkehr hörte, daß er adgerrist sei, konnte die BerubigungSdrpesche, wenn sie überhaupt möglich war, vielleicht schon gleichzeitig mit ihr anlangen, vielleicht kurze Zeit nach ihrer Rückkehr und so die Dauer ihre» Dulden« wenigstens verringern. Leider entschloß sich jedoch Margaret im letzten Moment vor dem Aufbruch der Gesellschaft, gleichfalls zurückzubleiben. Alle anderen Tdeilnebmer der Partie wollten diese zu Pferde machen, während sie, die hiervon natürlich ausgeschlossen werden mußte, im Wage» folgen sollte. An ihre« Galten Seite wäre ihr dies eine Annehmlichkeit gewesen- al- sie jedoch hörte, daß Stephen Zurückbleiben Werve, erschien ihr die einsame Wagenfabrt traurig und als eine Last, und sie beschloß, zu warten, bi- Stephen sie begleiten könne, in der Hoffnung, daß, wenn e« auch lange wäre und er beschäftigt sei. er doch in den Stunden ihres Warten» bin und wieder einmal Zeit finden werde, zu ibr zu kommen und ibr die Einsamkeit durch freundliche Augenblicke zu verkürzen. Um ihm ihren Entschluß mitzutheilen, saß sie, nachdem die Gesellschaft aufgebrochen, seiner harrend an der Brüstung der Gartenterrassc vor der GlaSthür dt« Salons, als Stephen, der von der Aenderung durch dir Fortgerittenen bereit« unterrichtet worden war, sich geräuschlos, vorsichtig, damit sie ihn nicht köre, auf den, weichen Rasen ihr nahte, um einen letzten Blick auf sie zu werfen. Schmerzlich sinnend, in ihren Anblick verloren, stand er da, bas geliebte, schöne junge Weid mit seinen Augen er fassend, al« gelte e«, ihr Bild für die Ewigkeit in sein Her, zu graben. Ahnung-Io«, seiner Nähe unbewußt, saß sie auf ihrem Platz und spielte träumerisch mit einer dunkelrothen Rose in idrer Hand, dir Blume bald gedankenvoll an ihre Lippen führend, al« wolle sie sie küssen, bald zart mit den Spitzen ihrer Finger über sie hingleitend, als wolle sie sich tastend an ihrer schönen Form erfreuen. Dann, einen leichten Seufzer der Ungeduld ausstoßend, warf sie die Blume auf die Balustrade der Terrasse und stützte den Kopf in die Hand; dabei schob der Aermrl ihre« Kleide« die Rose eia wenig zu weit an den Rand der Balustrade und sie glitt von der Brüstung hinab auf den Nasen nieder. Leise, zögernd wie ein Dieb, der siebten will, schlich Stephen naher, um die Blume an sich zu nehmen. Sie er schien ihm wie eine Botschaft ihrer Liebe und sie sollte auf dieser Reise zu dem Unheil bin, dem er entgegenging, auf seinem Herzen ruhen, bis es anfgebört haben werde zu schlagen oder er sein geliebte« Weib selbst wieder werde an seine Brust schließen dürfen. Ach, würde t» je der Fall sein! Er durfte nicht wagen, diese Frage, dir in seinem Hirn und Herzen brannte, aufs Neue zu erwägen, wenn er sich nicht der Gefahr au«setzen wollte, von seinem Schmerz, seiner Vcr- weiflung übermannt zu werden. Was sein mußte, mußte ein. Nur noch der Glaube deS Fatalisten, der Glaube an ein unverrückbare«, vorauSbestimmteS Schicksal konnte ihm einen gewissen, düsteren Trost gewähren. Wa« gab e« zu hoffen, was zu fürchten, wo wa« geschehen sollte, nicht zu ändern war?" Sein langer, schmerzlicher Blick, obwohl sie ihn nicht sehen konnte, schien magnetisch auf sie gewirkt zu habe», es war, als ob sie seine Nähe ahne, fühle. Sie wurde plötzlich unruhig auf ihrem Sitz, er sah sie den Kzpf von ihrem Arme emporrichten, sich halb von ihrem «tuhl erheben. Ein schwache«, unbestimmtes Lächeln erhellte ihr Gesicht «nd sie öffnete weit die Augen, wie sie, gleichsam in dem Bestreben, zu sehen, zn tknn pflegte. A-ngstlich, daß sie zu ihm sprechen und ihn in seinem Entschluß, ohne den Trost eine- Abschied- von ihr zu gehen, wankend machen werde, nahm er hastig die Rose an sich und entfernte sich lautlos, leisen Schritte« über den Rasen dahin. „Stepben!" sagte sie sanft, in fragendem, gedämpftem Ton: „Bist Du .,? Bist Du hier?" Keine Antwort erfolgte. Grey war gegangen. Sie wartete den größte» Tbeil des vormittags Uber ver geblich, daß er zu ibr kommen werde. Dann wurde gegen zwölf Uhr daS zweite Frühstück srrvirt, «nd er erschien auch nicht am Frühstück-tisch. Sie wurde unruhig. Wa« konnte
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