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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.03.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970319026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897031902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897031902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- S. 2074-2075 fehlen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-19
- Monat1897-03
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Hätten sie das aber vermocht, das Ergebnis nämlich das Be- harren des EentrumS bei den Commissions- beschlüssen, also bei der Ablehnung der beiden Kreuzer, wäre dasselbe geblieben; denn vor der Plenar sitzung batte die CentrumSsraction, um sich nicht von der Zweckwidrigkeit dieser Beschlüsse überzeugen zu lasten, das Fest- kalten an ihnen einhellig beschlossen. Der Reichskanzler und die slaatssecretaire sprachen eindringlich und verständig, sie machten die Anforderung der nationalen Sicherheit, der materiellen Interessen deS deutschen Handels, wie die des Ansehens des Reiches und des Friedens mit gleichem Nach druck geltend, aber sie konnten zwei Thatsachen nicht aus der Welt schaffen: die Legislaturperiode geht ihrem Ende entgegen, und die ohnehin aus bekannten Gründen gegen das Reichs regiment verstimmten klerikalen Wähler in Rheinland, West falen und im Süden erwärmen sich eher für directe Sparsam keit, sei es auch nur eine scheinbare, als für die von jenem Regiment befürwortete Bezahlung von Assecuranzpramien gegen Gefahren, die, wenn sie sich verwirklichen, um Milliarden iheurer sein werden, als die Aufwendungen, die die klerikalen Volksfreunde nickt einmal vermeiden, sondern nur hinausschieben wollen. Gegen die Folgerungen, die das Eeiitrum aus diesen Thatsachen zieht, ist nickt anzukämpfen und höchstens die „Aufrichtigkeit", mit der der CentrumSredner in die Begründung seiner Weigerung das Baterland binein- zog, kann man sich verbitten. Ueber die anderen Glieder rer Opposition ist überhaupt gar nichts zu sagen. Der von ihnen so hoch gepriesene Held der «Flucht in die Oeffent- lichkeit" war ihnen gestern, da er für das Reich eintrat, zur bkto noire geworden, die sie mit Lärm und Gelächter am Reden zu hindern versuchten. So wandelbar ist Volksgunst! Tie Behandlung, die dem Marine-Etat in der Commission, man könnte auch sagen der Commission selbst, zu Theil wurde, ist aus dem Hause heraus gestern nicht berührt worden. Dagegen wurde erzählt, daß ein Abgeordneter einen College» die Folgen der Ablehnung der Kreuzer mit den schwärzesten Farben ausgemalt habe. Der Mann, der auch sonst eine unglückliche Hand zeigt, batte zu seinem Thun jedenfalls keinen Auftrag. Wenigstens vermieden Fürst Hohenlohe und Frhr. v. Marschall jede Wendung, die sich vom Felde des UeberzeugenwollenS nach dem Gebiet der Pression hin entfernte. Für die Opposition ist das private Drohen mit Ministersturz rc. schon ein willkommener Stütz punkt in der eingenommenen Stellung. Die Stimmung — übrigens auch in den zur Bewilligung aller Forderungen entschlossenen MinderheitSparleien — ist wahrlich nicht danach angelban, daß durch die Einsetzung der Autorilät die Lage verbessert werden könnte. Welches Vergnügen der im Vorstehenden erwähnte Abge ordnete, der gestern im Reichstage unter angeblicher Berufung auf eine Aeußerung des Kaisers die Folgen der Ablehnung der Kreuzer ausmalte, der Demokratie bereitet hat, gebt aus einem „Mtnister-Klavderadatsch" überschriebenen Leit arlikel deS „Berl. Tagebl." bervor. Er lautet im Wesent iichen: „ES liegt so etwas wie Gewitterschwüle in der inner- politischen Atmosphäre. Die Beschlüsse in der Budgetcommijsion müssen an maßgebender Stelle den allerhöchsten Unwillen hervor- gerufen haben, und allerhand abenteuerliche Gertlchie werden wieder verbreitet, die nur dazu angrthan sind, die schon vorhandene Spannung noch zu vergrößern. Herr v. Stumm wird all gemein als der Träger derartiger Gerüchte bezeichnet. Danach soll der Kaiser im Lause eine» Gespräches mit dem genannten Abgeordneten die Aeußerung gethan haben, daß es für den Fall der Ablehnung der Marinevorlage einen „ Kladderadatsch " geben würde, wie er noch nie dagewcjen! Ja noch mehr! Auch über die nähere Beschaffenheit dieses in Aussicht gestellten „Kladderadatsch" soll sogar Herr v. Stumm in der Lage gewesen sein, Mitlheilungen zu machen. Es würden nämlich die gesammten Minister die Kosten einer eventuelle» Ablehnung der Marinevorlage mit ihren Portefeuilles zu bezahlen habe». In dieser angedrohten Ministcrkrisis, in diesem „Minister- Kladderadatsch" liegt nun andererseits auch der Preis, de» daS Parlament im Ablehnungsfälle zu zahlen hält». Will also der Reichstag das jetzige Ministerium noch weiler »in Ruder erhalten wissen, dann niöge er die Vorlage annehmen. Wenn nicht, so würden die Minister allesammt „zum Teufel gejagt", Io er zählt wiederum Herr v. Stumm, der die Worte vom Kaiser ge- hört haben will. Nun ist wenigens die Frage klipp und klar gestellt: Sind die gegenwärtigen Minister dem Reichstage wohl so viel Werth, wie die Annahme der Marine-Borlage dem deutschen Bolle Kosten verursachte? Soll wirklich, wie behaupiet wird, Herr v. Stumm den Auftrag gehabt haben, diese Aeußerungen des Kaisers im Reichslage zu verbreiten? Selbst wenn man sich die Horazijche Lebensweisheit, sich über »ichls zu verwundern, ganz zu eigen gemachk haben sollte, wäre man dennoch versucht, an der Wahrheit dieser Mittheilungen zu zweifeln. In solchen Aeußerungen läge ein Rückfall in die Anschauungen aus der Zeit Lud- wig's des Vierzehnten. Und das halten wir für ganz aus gejchlo sjrn. Sollte indessen wider alles Erwarten diese oder eine ähnliche Aeußerung gesallen sein, dann ständen wir im Reiche immer noch vor keiner furchtbaren Katastrophe, sondern cinsach vor einem — Ministerwechsel, und das ist ja nur die Folge des constitutionellen Systems I Sobald die Bolksvertrctung in einer entscheidenden Angelegenheit sich im Wibrrlpruch mit dem Miiiisterum befindet, tritt eben das Letztere ab. Bei uns freilich hätte der Eonstitutioiialtsinus die Abweichung sich gefallen zu lassen, daß die Minister — weggegangen würben! Aber auch diese Variation auf das constitutionelle Thema ist durchaus nicht übel. Oder sollte mit dem „Kladderadatsch", wie er noch nicht dagemesen, ein Minislerwechsel — und eine Reichs» tagsauslösung verbunden gemeint sein? Dann freilich wäre die innere Politik in eine Sackgasse hineingerathen oder hin rin ge tri eben, deren Folgen sich zweckmäßig in das eine Wort „Kladderadatsch" zusammensassen ließen." Die Hoffnung aus eine Sackgasse, in die die „innere deutsche Politik" oder vielmehr ihre Leiter „hiaeingetrieben" werden könnten, klingt aus dieser Auslassung zu deutlich heraus, als daß sie mißverstanden werden könnte. Und eS ist selbstverständlich, daß diejenigen Kreise, auf welche die Auslassung berechnet ist, durch sic in eine immer liefere Mißstimmung gegen das Reichsregimenl Hineingetrieben werden sollen, die bei einem Appell an die Wähler die Aus sichten der Opposition wesentlich verbessern würde. Schon aus diesem Grunde wäre eS Pflicht der Führer der nationalen Parteien, der»' 'igc Ausstreuungen nicht im Stillen circuliren und wirken zu lassen, sondern sie offen zur Sprache zu bringen und r.ne Aufklärung herbeizusübren, die in jedem Falle, selbst im ungünstigsten, zu einer vorsichtigeren Rück sichtnahme auf die leicht zu bewegende und aufzureizende Boiksstimmung führen müßte. In der griechischen Kammer hat der Minister des Aeußeren, SkuzeS, mitgetheilt, die Admirale hätten an gekündigt, daß die Blockade von Kreta (deren Gebiet übrigens nicht wie anfangs fälschlich berichtet worden ist, durch 25., sondern 23. Grad 24 Min. gebt) amSonntag,den 21. d. M., 8 Uhr Morgens beginnen werde. Kein griechisches Schiff dürfe an der kretischen Küste landen. Die Schiffe anderer Flaggen bedürften hierzu der Erlaubniß der Admirale. Die Ankündigung drückt ferner (wir folgen im Nachstehenden den unS zugegangenen telegraphischen Nachrichten) die Hoffnung der Admirale aus, daß die griechischen Sckiffe, die fick noch in den kretischen Gewässern aufbalten, an gewiesen werden» noch vor dem 2l. d. M. Kreta zu ver lassen, widrigenfalls sie dazu gezwungen werden würden. — Die Proklamation der Admirale an die kretische Bevölkerung wird erst heute früh veröffentlicht werden, da hinter dem Satze von der Suzeränilät des Sultans folgende Aenderung eingeschoben werden soll: Wohlver standen, sollen die Kreter von jeder Ueberwachung der Hohen Pforte in ihren inneren Angelegenheiten befreit sein. — Nach einer Meldung der „Daily News" aus Kanea vom 17. wurden französische und italienische Osficiere in das griechische Lager gesandt, um Oberst Vassos aufzu fordern, die Truppen einzuschiffen und Kreta in 36Stunden zu räumen. Die europäischen Truppen auf Kreta sollen in folgender Weise vertheilt werden: Die Franzosen besetzen Sina und Spinalonga, die Eng länder Kandia, die Russen Retimo und die Deutschen dieSudabai. Nach Kanea kommen von jeder Nation 300 Mann miiAusnahme derFranzosen,dienur 200 Mann dort hin senden, obwohl sie dort die französische Mission und die Christen zu schützen haben, die sich unter den Schutz Frank reichs gestellt haben. Die französische Colonie bereitet eine Protestschrift vor, die nach Paris gesandt werden soll und sich gegen die Besetzung Kandias durch die Engländer allein richtet. Kandia sei die Centralstelle, die für die tele graphische Verbindung mit Frankreich allein in Frage komme und sei außerdem der Hauptmarkl für den Handel mit Oel, Wein, Carolten, Citronen und Getreide. Fast alle Handel treibenden auf Kreta seien Franzosen. Man sieht : sobald eS an die Durchführung de» vereinbarten Programme» geht, kommt eS zu Differenzen, die gegebenenfalls zu großen Unzuträg- lichkeiten führen und die Action der Mächte lähmen können. ES muß außerdem auffallen, daß bei diesem VertheilungSplan Oesterreich nicht genannt ist. Gegen die Hinauszögerung des Beginns der Blockade haben wir uns bereils aus gesprochen. Es sieht fast aus, als hätten die Großmächte vor dem Experiment mehr Furcht als die Griechen. Es scheint als krauten sie selber nicht recht der mühselig er zielten Einigkeit und eS melden sich schon wieder Stimmen, welche dieselbe als gestört binstellen oder doch stören möchten. Natürlich sind es wieder englische. So wollen Londoner Blätter wissen, der Sultan habe Griechenland Kreta gegen die Zahlung eines Tributes angeboten, Deutsch land und Oesterreich hätten dir Verhandlungen gekreuzt, man wolle dieselben jetzt aber wieder aufnehmen, zumal Salis bury und Hanoiaux dem Plane günstig seien. Gleichfalls ein Londoner Blatt ist es, daS sich aus Athen telegraphiren läßt, der Abmarsch der russischen Truppen nach Kreta sei abbestellt worden und man erblicke darin ein Anzeichen dafür, daß im letzten Augenblicke Zerwürfnisse zwischen den Mächten entstanden seien. Unmöglich ist dies nicht, denn wenn auch eine formelle Einigung zu Stande gekommen ist, so ist es doch kein Geheimniß, daß die Mächte, die sich dem europäischen Concert nur gezwungen angeschlossen haben, eine zögerndeHaltung einnehmen und davor zurückschrecken,Griechen land härter anzufafsen. Dies um so mehr, al« sie besürchten, ein energischer Schritt, z. B. die Blockade der griechischen Häsen, werde das Signal zu jener gefährlichen Conflagration in Makedonien geben, die alle zu verhüten bestrebt seien. Thatsächlich ist der Schwerpunkt der Situation schon nicht mehr auf Kreta, sondern im Balkan zu suchen und auf Makedonien setzt man jetzt in Athen alle Hoffnung, weil man derUeberzeugung ist, daß dort dieZnterventionspolitikderMächte nahezu machtlos sein werde. Man glaubt, daß die Letzteren deshalb doch noch ihren Willen unter den Griechenlands beugen werden, oder daß doch das europäische Concert wieder auseinandcrfallcn werde. Dazu kommt, daß sich zwischen den Serben und den Bulgaren einerseits, und der Türkei andererseits Zerwürfnisse vorbereiten. So könnte man sich aus die Ausrottung der Orientsrage im großen Stile gefaßt macken. Aber käme sie zur, voraussichtlich blutigen, Debatte, so trüge daran lediglich das Zögern der Mächte die Schuld. Dieses ist eS gerade, welches alle Teufel auf dem Balkan zum Hexentanz verlockt, während ein fester Griff in den Nacken des widerborstigen griechischen Gernegroß die bösen Geister mit einem Schlage verscheuchen würde. Die prima culpa der Mächte rächt sich schwer. Erst ließ man Griechenland Zeit, seine Truppen nack Kreta zu werfen, ehe man die Küste besetzte, dann verhandelte man über die weiter zu ergreifenden Schritte so lange, bis die gesammle griechische Armee mobilisirt und ihre Auf stellung an der makedonischen Grenze vollendet war, jetzt ist man endlich einig, kann aber zu keinem, wenn auch noch so milden, Anfang kommen und erzielt damit nur, daß mittlerweile auch die übrigen Balkanstaaren sich zum Schlag gegen die Pforte bereit machen. Nur immer langsam voran! Unter diesen Umständen können wir nickt umhin, den Wunsch zu wiederholen, die Mächte hätten von Anfang an der Pforte eS überlassen mögen, mit ihren Feinden und renitenten Unterthanen selbst fertig zu werden. Schließ lich dürfte sie doch darauf angewiesen sein. Aus den erledigten Lehrstuhl der Gynäkologie an der medicinischen Facultät der holländischen Universitär Groningen wurde kürzlich ein Deutscher, vr. Döder- lein, berufen. Bis jetzt hatte an der Ernennung von Aus ländern oder, was im vorliegenden Falle dasselbe ist, von Deutschen zu Universitätsprosessoren Niemand Ansroß ge nommen, denn man fand cS nur natürlich, daß, wenn der Bedarf an Lehrkräften für die vier Universitäten nicht im Jnlande selbst gedeckt werden kann, man gezwungen ist, sich an das Ausland zu wenden. Der Professor der Gynäkologie an der Amsterdamer Universität, Vr. Trend, dagegen ist anderer Ansicht, denn er hat vor ein paar Tagen das Katheder dazu mißbraucht, eine Art Fremden Hetze in Scene zu setzen, indem er an seine Zu- börer eine Anrede hielt, in der er die Berufung Döderlein's eine ebenso schmerzliche, wie erbitternde Thatsache nannte, über grundsätzliche Zurücksetzung unv Uebergehung von Hol ländern klagte und seinen Schülern den Rath gab, auf jed wedes wissenschaftliche und höhere Streben zu verzichten, da sie, weil sie ja Lock nur Holländer seien, einmal dazu ver- urtheilt seien, ihr Leben lang Medici zweiten Ranges zu bleiben. Selbstverständlich ist diese sonderbare Leistung eines Professors nicht ohne Antwort geblieben, denn sowohl Pro fessoren wie einzelne Blätter haben dem chauvinistischen Professor die wohlverdiente Züchtigung ertheilt und ihn besonders darauf aufmerksam gemacht, daß er al- Vertreter der Wissenschaft am allerwenigsten auf einem so beschränkten Standpunkt stehen dürfe, da die Wissenschaft ihrem innersten Wesen nach international und kosmopolitisch sei. Freilich ist Feurllston Ein Frauenherz. S3j Roman frei nach dem Englischen bearbeitet von Emil Bern selb. Nachdruck verboten. Der Major, der in seiner stürmischen Erregung immer schneller vorwärts geschritten war, machte jetzt, fast athemloS vom raschen Lauf und dem heftigen Sprechen, Halt und strich, sich den Schweiß trocknend, mit dem Taschentuch über die Stirn. Seine Lippen preßten sich fest aufeinander; er war, die Wahrheit zu gestehen, von dem, was er gehört, mehr beunruhigt, als er sich merken zu lassen wünschte. Blessington benutzte sein Schweigen, um ihm, in dem Wunsch, sich nach Möglichkeit zu rechtfertigen, das Nähere über Grey'S seltsam eiligen Besuch in Comberhill und sein Vorsprechen in dem Stall wenige Minuten vor der Explosion mitzutheilen. Willmor hörte ihm aufmerksam zu, schien aber zu Tom'S Aerger nicht im Geringsten überzeugt zu sein. „WaS ist leichter erklärt, als dies Alles?" sagte er hastig „Grey hatte Eile, den Zug nicht zu versäumen, wünschte aber noch, Dich zu sprechen oder irgend ein anderer Grund, den er angeben wird, führte ihn über Comberhill; kann eS da überraschen, wenn er schnell weiterfubr, ohne sich auf einen langen unnützen Aufenthalt dort einzulafsen, zumal er weder Dich noch die Dienstleute, nach denen er fragte, antraf? Und was er im Stall wollte, fragst Du? DaS werden wir schon von ihm hören, legen wir ihm nur erst die Frage vor — und ist eS notbwendig, einen Mann zu verhaften, um ihn zu fragen? Erklärt nicht schon der Umstand, daß er Dich oder Jemand vom Stallpersonal suchte, sei» Betreten des Stalle» zur Genüge? Ja, kann er nickt sogar einen Grund gerade zu Deinem Besten bei dem Besuch de« Stalles gehabt haben? Dein eigener Reitknecht sagt auS, daß er ihn zur Wachsam teil ermahnt, ihm anempfohlen habe, auf den Stall besser Acht zu geben. Wäre es nicvt möglich, daß ihm etwas Ver dächtiges ausgefallen, zu Ohren gekommen war und er ebeu deshalb dort vorsprach, um zu sehen, ob die Leute auch gut aus dem Posten seien? Ich sage Dir, Du verdienst nicht, daß man auch nur den Finger rührte, und wenn man gleich dächte, daß Du leibhaftig selbst noch heut' mit sammt Deinem Haus« in die Luft fliegen solltest!" „Du bist sehr gütig, in der Tbat, daS ist sehr christlich gesprochen. Onkel," bemerkte Blessington ärgerlich. „Laß mich mit Deinem „Onkel" zufrieden, sage ich!" brauste der Major auf, dessen Erregung sich immer mehr teigerte. „Ich habe Dich als Neffen behandelt um meiner verstorbenen Frau willen, deren Namen Du trägst und die Dich lieb batte, als Du noch so'n kleine« Bürschchen warst, das mir bis zum Knie reichte — aber beim Himmel, ich sage mich loS von Dir: Ich würde eher einen Schuldenmacher, einen Tauge nichts als Verwandten willkommen beißen, als Dich, mit all' Deiner klug berechneten Tugendhaftigkeit, Deinem engherzigen Weltmannthum und Deinen vielgepriesenen Erfolgen! Ich gewann eio wahres Bild von Deinem Charakter zuerst damals, al« Du, ein vorsichtiger Geschäftsmann, eiligst auf Deine Ansprüche auf Margarets Hand verzichtet, nachdem daS Unglück sie betroffen. Aber wetten möchte ich, so doch einer will, daß Deine damalige kaltblütige Entscheidung Dich seitdem längst schon gereut j und jetzt spielst Du auS Nieder tracht diese lächerliche Geschichte als einen Trumpf gegen ihren Gatten aus!" „Ich glaube wahrhaftig. Du denkst, ich habe meine Pferde absichtlich in die Luft sprengen lasten, um nur Grey zu be schuldigen, er habe es Methan!" „Für fähig halte ich Dich dazu; ich halte Dich jede« erbärmlichen Streiches in der Welt für fähig!" sprudelte der Major wüthend heraus, machte Kehrt und stürmte, Blessington in sehr erregter Stimmung allem stehen lassend, von dannen. Er sagte sich, daß ihm obliege, vor allen Dingen mit keiner Tochter zu sprechen, der daS Gehörte ohne Zweifel noch fremd war und die benachrichtigt werden mußte. Margaret saß einsam in dem Arbeitszimmer Grey'S, in einer Haltung äußerster Niedergeschlagenheit und Erschöpfung, den Kopf gesenkt, beide Arme auf ein Schreidpult ihres Gatten gelegt, den Oberkörper etwa» vornüber gebeugt, als habe sie, mit dem Kops auf der herabgeschlagenen schrägen Klappe des Pultes ruhend, dort geweint oder geschlummert. Sie erhob sich ein wenig, als sie die Schritte des Ein- tretenden hörte, und fragte matt: „Wer kommt? Bist Du eS, Vater?" „Ich bin eS, Kind." „Ah! Hast Du Neues für mich?" „Keine guten Nachrichten, fürchte ich. Du mußt gefaßt sein, Kind — eine kleine Unannehmlichkeit, die, wie ich über zeugt biu, schnell vorübergehrn wird —" Sie streckte, unsicher tastend, ihre Hand auS und ergriff nervös seinen Arm. „Was ist eS, sag' es mir, schnell!" „Dieser Bursche CateS hat Tom eingeredet, oder Tom ihm, Dein Gatte habe — habe mit der verwünschten Explosion in Tom'S Stall etwas zu tbun. Und — erschrick nicht, Margot, es wird ja Alles nur eine Sache von ein paar Tagen sein — sie sind soweit gegangen, ihn verhaften zu lassen, um zu sehen, ob sie etwas gegen ihn herausfinden." Zu seinem Erstaunen blieb der Anfall von Entsetzen, den der Major gefürchtet hatte, bei der jungen Frau aus, und statt überwältigt zu sein, schien sie wie in einem Gefühl der Erleichterung lief aufzuathmen. Die hastige Frage, die sie an ihn richtete, überraschte ihn nicht weniger. „Wo hat man ihn verhaftet? Wo fand man ihn?" sagte sie. „In London, in feinem Hotel. Du scheinst nicht über rascht davon zu sein. Ist Dir die Nachricht nicht neu?" Er blickte sie verwundert an. „Ich war — ich war darauf vorbereitet. Ich fürchtete eS bereits. Tom sprach gestern Abend zu mir davon." „Du nimmst eS sehr ruhig auf, wie ich sehe, Margaret." „Ich nehme eS so, weil ick es für eine Lächerlichkeit halte, für Wahnsinn. Ich denke, Tom selbst kann nicht im Ernste glauben, daß mein Mann zu einem solchen Bubenstück gegen die armen unschuldigen Tbiere beigetragen haben sollte. Ich bin der ganzen Sache müde — so müde!" Sie schien in der Tbat aufs Höchste abgespannt, wie sie so dasaß, mit den Armen noch immer auf der Klappe deS Pultes ruhend, auf der ihre Hände sich nervös hin und her bewegten, die blinden Augen ins lichtlose Leere auf die gegen über liegend« Wand starrend, der leise, schmerzliche Zug, der stets um ihre schön geschweiften rosigen Lippen lag, markanter hervortretend als sonst. „Ich bin empört über Tom!" fuhr der Major erregt fort. „Daß er im Stande sein konnte, seine Zustimmung zu Catc«' Maßregel zu geben, übersteigt mein Begriffsvermögen in Bezug aus Denk- und Handlungsweise eines Gentleman! Er, Grey'S persönlicher Freund, der Einführer Grey'S in unsere Gesellschaft, der gern gesehene, oft aufgenommene Gast in dessen Hanse — und jetzt dieser niedere Verdacht, Vieser schonungslose Schritt gegen ihn — eS ist schimpflich, eS ist unerhört!" „Tom ist ein Unwürdiger, er soll die Schwelle meine- Hauses nicht wieder überschreiten!" rief Margaret leiden schaftlich auS. Im ersten Augenblick, als sie die Nachricht über Grey vernahm, batte in den verzweiflungsvollen, ge heimen Aengsten, die sie empfand, nur die gute Seite der Sache sie berührt: der Umstand, daß seine Verhaftung, vie sie gewünscht und erstrebt hatte, ihn von der Ausführung irgend welcher schlimmen That, die man ihm aufgetragen haben mochte oder ibm zu übertragen gedachte, zunächst befreit haben mußte. Allein sie verkannte auch nicht die niedere, schlechte Gesinnung, welche Blessington damit gegen Grey bekundet, den er in Wirklichkeit und ohne Zögern, auf den haltlosesten Grund hin jenes schimpflichen, verbrecherischen Attentates hatte schuldig glauben können, und die ihrem Gatten angetbane Beleidigung erfüllte sie mit dem Gcfübl heißer Entrüstung gegen den;enigen, der eS gewagt Halle, ihr Ideal in den Staub zu ziehen. In ihrer Erregtheit beschäftigten sich ihre Hände un bewußt mit der beweglichen schrägen Platte, welche das Pult schloß. Nervös klappte sie diese empor und ließ sie wieder nieder. Dabei siel unbemerkt von ihr ein zusammcnzebun- deneS Päckchen Briefe, das unter der Klappe gelegen und an das ihre unsichere Hand gestoßen, auf den Boden nieder. Der Major bückte sich, bob eS auf und legte eS an seinen Platz; ein bedrucktes Stückchen Papier jedoch, das an dem Packet festgehaftel und mit herabgefallcn war, blieb, von ihm unbeachtet, auf dem Boden liegen. ES war anscheinend ein abgeschnittenes Stück von irgend einem Zeitungsblatt mit einigen kurzen Nachrichten darauf, und Willmor, welcher meinte, daß eS als ein Stückchen Löschblatt oder dergleichen gedient, achtete nicht darauf. Er war tief in Gedanken versunken. Das Verhalten seiner Tochter machte ihn betreten. WaS er ihr von Blessington berichtet, batte zwar unzweifelhaft ihren vollen Zorn gegen diesen erregt; aber wie kam eS, daß sie die ischreckenSnachricht selbst, die Nachricht von der Verhaftung Grey'S in so seltsamer Weise ausgenommen? Sie hatte sich weder bestürzt, noch von Entrüstung durchdrungen gezeigt — nur, wie eS jchien, kummererfiillt und niedergeschlagen. Was hatte daS zu bedeuten? Sollte sie ihn schuldig gewußt haben und auf das Schlimmste vorbereitet gewesen sein? Es war ja unmöglich, das auch nur zu dealen! „Wie konnte Tom eine so empörende Gesinnung gegen Stephen zeigen, den er Freund genannt unv der ihm ein wirklicher Freund gewesrn?" fuhr Margaret hastig sprechend
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