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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189703211
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970321
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970321
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-21
- Monat1897-03
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1897
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Bezng-'Prei- k» der Hauptexpeditioa oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: viert,Ijührlich^ls.bO, lei zweimaliger täglicher Zustellung in» Haus 5.50. Durch dir Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: oiertel>ährlich 6.—-. Directe tägliche Kreuzbandsendung ins Ausland: monatlich 7.50. Tie Mvrgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhr. öie Abend-Ausgabe Wochentag- um L Uhr. Nedaction und ErpeLition: Johannesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununtrrbrochr» geöffnet von sriih 8 bis Abends 4 Uhr. Filialen: Otto »lemm's Sortim. (Alfred Hohn), Universitätsstrabe 8 (Paulinum), Louis Lösche. Katbariuenstr. 14, Part, und Königsplatz 7. eiMgrr und Tageblatt Unzrigen.Preis - die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Aedactionssrrich l4a»> spaltral 50^, vor den Familiennuchrichtrn tv gespalten) 40/H. Größere Tchristen laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernlatz »ach höherem Tarif. Extra »Veila-en (gesalzt). nur mit der Morgen - Ausgabe , ohne Postbrförderuag ea»««sg«t .M M—, mit Pvstbesörderung 70.—.' Anzeiger. AmtsAatt -es Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes LnWg, des Rathes nnd Nslizei-Ämtes der Stadt Leipzig- ^nnahmelchlnß für Tinzrigm: Abrnd-Ausgab«: Bormittags 10 Uhr. Morgrn-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filiale» und Annahmestellen je »tne halbe Stunde fraher Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck uad Verlag von E. Bolz in Leipzig. IG. Sonntag den 21. März 1897 31. Jahrgang. Zu Kaiser Withelm's 1. Geburtstag. L2 Neun Jahre sind verfloffen, seit Wilhelm l. von «ns gegangen. Nicht Dankbarkeit allein, auch die Dinge, die seinem Hintritte gefolgt, haben es verwehrt, daß die am o. März 1888 den, deutschen Herzen geschlagene Wunde sich schließen durfte. Frisch und nagend ist der Schmerz um ren heute noch weniger als in seiner Entstehung-stunbe auS- zumessenden Verlust geblieben und er stellt sich, vergegenwär- ligend, was wir verloren, mit gleichem Anrecht auf die Herr schaft über die Gemüther neben die Freude, die jubelnd vrr- tündet, was vor hundert Jahren in dem Sohne der Königin Louise Deutschland geschenkt worden ist. Einem Schooße entsprungen, mögen beide Gefühle geschwisterlich in diesen Tagen der Erinnerung uns begleiten. Gehören sie doch nicht zum wenigsten auch darum zusammen, weil ein wundergütiges Schicksal das zu beglückenden Thaten auS- ersehene Leben des unvergleichlichen Herrschers zu so hoher Dauer reifen ließ, daß Tod und Hundertjahrgedenken der Geburt in seltener Nähe einherwandeln. Freudiger Ernst geziemt diesem Feste, und wenn ihm nach deutscher Art die Klänge lauter Fröhlichkeit nicht fern bleiben, so möge sich doch Deutschland auch in seiner FesteSlust so zeigen, wie der verklärte Gefeierte eS zu sehen wünschte, wenn er noch über uns waltete, so, daß sich ihm Bürgschaft böte, wie die Nation, die er neugeschafsen, seines Geistes einen Hauch verspürt und bewahrt hat: deS Geiste- groß artiger Einfachheit und inneren Genügen- nach treu geübter selbstverleugnender Pflichterfüllung. Wenn Kaiser Wilhelm heute hienieden sein Leben an sich vorüberziehen lassen dürfte, der klare Blick de- Siegreichen würde nicht am längsten auf dem Glanze verweilen, der sich um das Silberhaar gewoben, sondern fest sich saugen an den gehäuften Bitternissen einer für da- Kind, wie für den Königssohn schmerzensreichen Jugend, an der Nutzlosigkeit der doch so eng gezogenen Reformbestrebung deS früheren ManneSalters, an jenen Mühen, die er auf der Sonnenhöhe seines Daseins mit grimmiger Verfolgung, mit Flüchen einer irrenden Menge gelohnt sah; das Königsauge würde haften auf schier unübersteiglichen Hindernissen, die sich dem Vierundsechzigjährigen entgegenthürmten, als er, zur Herrschaft gelangt, die Sicherheit und Machtstellung Deutschlands durch Aufrichtung eines starken Preußens zu begründen sich anschickte, und eS würde nicht vorbeigleiten an den Stunden der Verzagtheit, die auch diesem tapferen Leben nicht erspart geblieben sind. Und wenn der Blick dann messen dürfte die Höhe der Macht, deS Ruhmes, der Verehrung, von der herab wir den ersten Kaiser haben in die Gruft steigen sehen, er würde die letzten Dinge von den ersten herleiten, nicht daö Glück auS einem von der Vorsehung oder der Ge schichte verbrieften Ansprüche, sondern den Erfolg von dem vergossenen Schweiß, den ragenden Sitz von der Mühsal deS EmporklimmenS, die Hilfe Gottes, die der Seelenfromme stets über alles gepriesen, als den Segen lauteren Wollen- und nimmer rastenden Schaffens. So hat Wilhelm I. allezeit sein Leben verstanden, und wenn er, ein einzig in der Geschichte dastehende- Beispiel edler Bescheidenheit auf dem Throne, sich selbst nicht völlig gerecht geworden ist, so hat in diesem einzigen Stücke ibn sein Volk berichtigen dürfen und berichtigt. Den ersten Kaiser umgiebt nicht der Ruhm eines weltgeschichtlichen Staatsmannes wie Bismarck, krönt nicht der Lorbeer eine größten Schlachtenden!»- wie Moltke, aber daß diese Männer die Thaten, um derentwillen sie Dank und Bewunderung verdienen, verrichten konnten, ist ein Verdienst, da- ihrem königlichen Herrn allein gebührt. Au- Moltke- eigner Niederschrift wissen wir, daß der geniale Feldherr nichts weiter zu werden wünschte und hoffte, als ein bald nach seiner Beförderung zum DivistonS-Eommandeur verabschie deter General; ohne den Prinzen Wilhelm würden heute wenige Specialforscher ihn au« seinen Werken für das türkische Heer und als tüchtigen Kartographen kennen. Der Name BiSmarck-, hätte ihn ber König nicht an die höchste Stelle in der Regierung berufen, wäre vielleicht von kleinen memoirenschreibenden Diplomaten und von Anekdotenjägern der Vergessenheit entrissen worden, und den dritten großen Berather, Roon, schätzte ohne seines Krieg-Herrn Dazuthun die Gegenwart Wohl nicht einmal mehr als Verfasser von Leitfaden für Schüler. Diese Männer waren nicht etwa Werdende, sie standen auf der Höhe ihres SchaffenSver mögen», als Wilhelm ihre Bedeutung erkannte; sie hätten vor ihm bewertbet werden können, aber dieser große Menschenkenner erst fand sie und machte ihre Kräfte frei. Wie vorher und wie später umdrängten den Tbron, das Ohr des Herrschers suchend, machtgierige, untüchtige Ge sellen, aber über sie hinweg sah Wilhelm die Tauglicken, die Großen. Und er rief sie nicht wie ein hilfloser, seiner nicht sicherer Herr, der den Dienern überantwortet, was er selbst nicht zu überblicken vermag. Nein, Wilhelm I. stellte auf einen von ihm vorbereiteten, für die Zwecke einer Politik wie die nachmalige BiSmarck'sche vorbereiteten Boden diesen Minister; Roon'S Aufgabe war die Ausbildung dessen, waS der König vorgewaltet, und Moltke empfing auS den Händen deS Heeresformers ein Werkzeug, dem die Spuren jahrzehntelangen Sinnen- und vieljährigen Wirkens des königlichen Sachverständigen unvertilglich ausgeprägt waren. Die Berufenen ließ ein seines Griffes sicherer Scharfblick, dem sich daö Vertrauen einer großen Seele gesellte, in der zugewiesenen Sphäre ihre Fähigkeiten entfalten, aber den Mittelpunct ihres Schaffens bildete der Herrscher. Wilhelm I. „strebte zum Ganzen", jedoch nicht, weil er für sich ein Ganzes nicht sein konnte; er war eine streng geschlossene starke Persönlichkeit, hochbefähigt zum Prüfen im Großen und im Kleinen. Er entzog seine Tätig keit den Blicken, vor allen Dingen, weil die ihm zufallenven Entschließungen häufig Entscheidungen von Meinungs verschiedenheiten, die der Außenwelt besser verborgen blieben, sein mußten. Für dir selbstständige Wirksamkeit deS Königs aber sprechen zahllose Zeugnisse, die meisten vielleicht aus dem Munde des geistesmächtigsten Natbgebers. Ueber das Verhältniß dieser beiden geschichtlichen Persön lichkeiten, über die Art, wie ihre Größe und ibr Verdienst sich gegenseitig bedingen, ist das deutsche Volk völlig aufgeklärt. Die Wagschalen, welche die Dankesschuld sür den ersten Kaiser und den ersten Kanzler tragen, halten sich daS Gleichgewicht. DaS prunkende Denkmal für den schlichten Herrn, daS morgen enthüllt wird, spiegelt in Standbild und Beiwerk sein Wesen nicht getreulich wieder. Aber das „Denk mal im Herzen", da« dieser Vater deS Vaterlandes sich gesetzt hat, trägt die Züge der geistig-sittlichen Gestalt, in der er über Deutschland gewaltet, unverwischbar sür die Nachkommen wie für - n s k-.. In dielen klaren Charakter braucht nichts zur Vermehrung seine- Ruba.eS „bineiagehei-mißt" zu werden; Vermehrung , wie in «nem offenen Buche ^ jL,"° -u.. d°° ,-m B.w.nv-nr fir u»« v-abra», hat, d-, Bal-ila-d weiß eS und daS Gedächtniß seiner thaten hat al7e- im verflossenen Jahre das Jubelfest des Deuffchen Reiches beging. An dem Geburtsfest aber,e, er dafür segnet da/unser Volk in dem Herrsch», der seinen Namen ««»»-nglich m »!- d» und dem Jahrhundert den Stempel aufgedräckt, ohne leiseste Zweifelsregung den Menschen verehren und sieben konnte. Der Milde mußte ei» KriegSfürst sein, bevor Deutschland durch die Einigung, einer Welt zum Heile, zur achtunggebietenden Friedensmacht gestalten ^nnte. Ab» auch nur diese Nothwendigkeit, nicht Ruhmsucht unv Machtbeg.er, haben ihm ras Schwert in die Hand gedrückt; überkommene Einflüsse, die selbst für des Vaterlandes Wiederherstellung nicht wirken tonnten noch mochten und dennoch friedlich zu weichen sich sträubten, forderten gebieterisch die Entscheidung auf dem Schlachtfelde. So durfte König Wilhelm, als er in den Krieg zog, der als Rettung aus der Ätschen Noth herbeigesührt worden war, sich eine- ruhigen Gewissens bei diesem Unternehmen rühmen; er handelte, nach schweren inneren Kämpfen, hier wie allüberall gemäß den Pfl.chtgeboten seines Herrscherberufes und lange vor seinem Hintritt hat die unbestochene Geschichte bezeugt, daß Wilhelm I. unbefleckten Herzen« selbst durch Blut gewandelt sei. Mit Kraft und Hingebung hat der Sohn der trübsten Zeit des Vaterlandes ein neues Deutschland aufgerichtet, durch Weisheit und Selbstbeschränkung ist eS von ihm befestigt worden. Die deutschen Fürsten haben den Preußcn- könig, der mit vollendetem Tact seine Stelle im neuen Reiche zu finden und dem Wahlspruche „Jedem daS Seine" nach allen Seiten gerecht zu werden wußte, gleich dem deutschen Volke in daS Grab nachgeweint, der Mächtige ist nach unvergleichlichen kriegerischen Triumphen der friedfertigen Welt kein Gefürchteter geworden. Wie er bei der Erhebung auf den Kaiserthron verbeißen, wurde Wilhelm I. ein Mehrer des Reiches an Gütern und Gaben des Friedens aus dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, und als solcher hat er sich durch ein vordem nie gesehene« Werk der Ver sorgung kranker nnd betagter Arbeiter ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Stark und gütig, dankbar und treu, echt wie Gold, so steht die Lichtgestalt deS ersten Kaiser« in unserer Erinnerung, strahlend, mehr noch erwärmend, im Tode noch ein HoffnungS- anker für sein Volk, welches hofft, so hoher Tugenden Saat könne niemals ganz zertreten worden, und ein Vorbild für die Nation in allen ihren Gliedern und für alle Zeiten. Vieles in Deutschland hat sich verwandelt seit dem Hin scheiden des kaiserlichen Helden, nichts zum Besseren. Der Große, den er sich beigesellt und den er „niemals" von sich zu lassen gelobte, weilt noch unter uns, dock abseits vom Throne, fern den Staatsgeschäften, in deren Führung doch kein Anderer ihm ebenbürtig sich gezeigt hat. Das Vertrauen, die patriotische Zuversicht haben Minde rung erlitten, seit der unter dem ersten Wilhelm so hell leuchtende Leitstern sich hinter Wolken verborgen. Möge der Gedenktag des Herrlichen in uns Allen, dem Kaiser wie dem Volk», da» Bewußtsein stärken, daß der Verklärte ua- Pflichten hinterlaffen hat, deren Größe nur an der Größe der von ihm überkommenen Güter gemessen werden darf! Deutsche- Reich. * Berlin, 20. März. Die bayerischen Bischöfe haben nicht wie es zuerst den Anschein hatte, gleichlautende V» kündigungen von der Kanzel sür die Kaiser Wilhelm Feier angeordnet, sondern die Erlaffe weisen mancherlei Unterschiede auf; der Ton ist von kühler Gleichgiltigkeit bis zu kaum verhüllter Verhöhnung abgestuft. DaS Vcr ordnungsblatl für die Diöcese RegenSburg bringt einen Erlaß „vom Bischöflichen Ordinariate RegenSburg", welcher lautet: „Seine Bijchöslichen Gnaden, unser Hochwürdigster Herr Ordi narius, haben in Erfahrung gebracht, daß entsprechend einem Wunsche Sr. königl. Hoh. deZ Prinzregeoten Luitpold von Badern alle übrigen Hochwürdigstrn Oberhirten Bayerns einen Hinweis auf die am 22. März I. I. statffindrndr hundertjährige Geburtstagsfeier weiland Sr. Maj. des Kaisers Wilhelm l., Königs von Preußen, zu erlassen gedenken. Im hohen Aufträge wird daher auch im Oberhirtlichen Berordnungsblalte hiesiger Diöcese aus diese Gedenkfeier geziemend aufmerksam gemacht. Mannig- fach und zahlreich sind ja die Ereignisse, welche die Geschichte der Völker seit dein Jahre I7S7 verzeichnet. Für unser deutsches und unser engeres bayrisches Vaterland sind darunter nicht wenige Ereignisse, welche wahre Freude, aber auch bitteres Leid bedeuten. Kamen schon viele derselben im Säcularjahre der Geburt weiland Sr. Maj. des Königs Ludwig s I. von Bayern (1786—1880 und nicht minder beim Centenarium der Geburt des Papstes Pius H, heil. Andenkens (1792—18921 in unsere Erinnerung, so ragen im Leben des genannten Kaisers Wilhelm für uns namentlich die Thatsachen hervor, daß unter ihm der an Kämpfen und Siegenüberrriche Krieg zwischen Frankreich und Deutschlands Stämmen ansgesochten wurde, daß mitten im Kampfe da« neue deutsche Reich sich bildete und seit dem Frirdensschlub vom Jahre 1871 zu Frankfurt mit großen Opfern den Frieden sicherte, daß nach dem unheilvollen Kulturkämpfe noch Wilhelm!, unserm glorreich regierenden heil Boter Leo Xlll. die Hand zum Beginne des Friedens im Innern gereicht bat. Freilich bedrohen gegenwärtig im fernen Osten neue schwarze Wolken den Frieden der Bölker'- aber die Ausgabe der Gläubigen ist es gerade bei dem bevor stehenden Anlasse, mit Dank sür dir bisherige Erhaltung des Frieden» zugleich inständige Bitten zum Herrn der Fürsten und Völker emporzusrnden, daß Er gnädig und barmherzig die Geschicke der Völker und die Herzen der Fürsten lenke, daß Ec vor Pest, Hunger und Krieg uns bewahre, daß Er Bayern, Deutschland und da? mit diesem verbündete stamm- verwandte Oesterreich segne, daß Er Bayerns angestammte» Königshaus erhalte und noch viele Jahre in Rüstigkeit den Prinzen Luitpold, deS Königreichs Bayern Lerweser. In diesem Sinne und möglichst in diesen Worten können und sollen die Gläubigen zum Beginne oder am Schlüsse der Predigt am 21. l. M. auf die Eingangs erwähnte Feier aufmerksam gemacht werden: jedenfalls aber sind politische Erörterungen irgend welcher Art gewissenbait zu unterlassen. RegenSburg, den 8. März 1897. vr. Frz. L. Lettner, Generalvicar. Rohrmiller, Secretair." Die „Augsburger Abendztg" bemerkt zu diesem dreisten Machwerk mit Recht: „Bekanntlich hat der Prinzrrgent durck Erlaß vom 22. Februar auf Grund deS § 55 der 2. Beilage zur Verfassungsurkunde „angeordnet", daß auch die kirck lichen Behörden an der Eenteuarfei» theilnehmen und daß „bei den am Sonntag, 2l.März, stattsindenden Gottesdiensten auf die Bedeutung der Festfeier deS folgenden Tage- in geeigneter Weise aufmerksam zu machen sei." Vergleicht man Wortlaut und Tendenz dieser in der Ver fassung begründeten Anordnung mit obigem Regens- Fe-siH-toir. Im Palais des alten Kaisers. Bon Paul Ltntzenberg. Nachdruck verboten. Schlicht und einfach, treu und fest nimmt eS seinen Platz ein unter den vielen stolzen hochragenden Gebäuden der Linden, das Palais deS alten Kaiser-; mit einer gewissen innigen Vertraulichkeit schaut eS un« an, die wir so oft vor ihm gestanden im hin- und herwogenden Menschengedränge, wenn um die Mittagsstunde die rauschenden Marschweisen der Wache näberdrangen und dort am Eckfenster das milde und liebe Greisenantlitz erschien, dem die Herzen Aller mit einer so freudigen Begeisterung entgegenschlugen und dem die Lippen so stürmisch-jubelnde Huldigungen Larbrachten. Unvergeßliche Stunden voll Glanz und Sonne, Stunden, derer man stetig gedenken wird in dem Bewußtsein, daß man seine Verehrung mitbezeugen durfte dem großen und gütigen Kaiser und daß auch un« sein freundlicher Gruß galt, den er so gern seinem Volke darbrachte l Wie zitterten jene Augenblicke stet« noch lange nach, dankbar und freudig zugleich war daS Gefühl, daß er noch unser war und »nS angehörte wie wir ihm, daß er unter unS lebte und wirkte als der gewaltigsten und friedfertigsten Fürsten einer, der so gerne unsere Liebe und Dankbarkeit entgegennahm und beides <0 gern erwiderte! Und den frohen, de- Jubels vollen Stunden hier vor Lem Palais folgten andere, trauriae, klagende, jene de« achten März, de« Trauerjahre« für Deutschland, da« un« den ehr würdigen kaiserlichen Vater und seinen heldenhaften Sohn mtriß, Stunden voll beklemmender Angst und bangen Fragens, während welcher die ungeheure, große Stadt von einem dumpfen Bann umfangen schien, der Alles lähmte, Alle« niederdrückte, Alle« mit dumpfem Weh erfüllte! Und dann der Klang der Trauerglocken am nächsten Morgen und daS Wallen der schwarzen Fahnen und die tiefe Trauer allüberall, als ob jedem Einzelnen das Liebste und Theuerste genommen sei — eine nach vielen Tausenden zählende Menschenmenge in weitem Bogen um daS Palais aeschaart, Wehmuth in den Blicken und Wehmutb in den Herzen, kein lautes Wort, kein Lärm und keine Hast, als ob man den letzten heiligen Schlaf stören könnte, den dort hinter den weißen Vorhängen de- wohlbekannten Fenster- unser großer, guter Kaiser schlief. Dort sah ich ihn am nächsten Morgen zum letzten Male, ruhend in seiner Feldbettstelle, unten mit einer weibseidenen Steppdecke, auf der Blumen verstreut lagen, zugedeckt, den Oberkörper etwas aufgerichtet, den Kopf ein wenig vor- gebeuat, die Hände gefaltet um ein kleines elfenbeinernes Crucifix. Wenige nur waren es, denen eS vergönnt war, hier von ihrem tobten Kaiser Abschied zu nehmen; heiß drängten sich unS die Thränen in die Augen, und wie gern wären wir niedergeknict und hätten in tiefster An dacht gebetet! Vielleicht daß sich kaum die Worte dazu gefunden, aber eS war unS, als ob diese wenigen Augenblicke unS selbst veredelt hätten, als ob es nicht« weiter mehr für unS auf der Welt gab als unsere Trauer, unseren Schmerz. Und doch, auch da« Versöhnende fehlte nicht; wer so auS- schaute, wie der verstorbene Monarch, mit diesem unendlich sanften, milden, herzgewinnenden Antlitz, welche- nichts, auch gar nicht« von der Starrheit, der beängstigenden, lähmenden Düsterheit de« Todes zeigte, der war selig und fried fertig entschlafen. Als ob sie in heißgewünschten Schlum mer versunken, so lag die theure Gestalt vor uns; nicht batten wir da- Gefühl, daß der Sieg» blutiger Kriegt, der Beherrscher zahlreicher Millionen, der jKaiser des gefürchtetsten Reiches, auf den bisher mit Bangen oder Vertrauen der ganze Erdball geblickt, vor unS ruhte, nein, ein väterlicher, inniggeliebter Greis war eS, der hier den ewigen Schlummer gefunden, und war es möglich, ihn uns noch unvergeßlicher, nock liebreicher zu machen und uns sein Bild wie ein heiliges Vermächtniß unserem ganzen LebenSerinnerungSschatze einzuverleiben, so batten eS diese wenigen Minuten vollbracht! < Seit jenem trauerumflorten Morgen hatte ich da- Palais nicht mehr betreten als bis vor wenigen Tagen, wo die ersten linden Frühlingslüfte die gewaltige Stadt durchwehten und von den Linden her das Echo emsiger Arbeit in die stillen kaiserlichen Gemacher brrüberdrang, jener Arbeit, welche die Ausschmückung der Feststraße zur Hundertjabrfeier betraf! BKn,g ist ,n dem Palais seit dem Hioscheiden seine« Be- c? « ""d noch ganz ist seinen Räumen das Wesen ihre« einstigen Besitzer« ausgeprägt, ein vornehm- liebenswürdige«, arbeitsame«, schlichtes Wesen, von dem w.r zumal in dem ArbeitScabinet erfüllt werden. Wir gelangen zu demselben, indem wir da« nach dem Hose zu gelegene Atjutanten- zimmer und dann da« Empfang-gemach durchschreiten, in welch letzterem der Kaiser die Deputationen begrüßte und in welchem n-?. ^ der Berliner Garnison aufbewahrt waren. Ueber den, ehemaligen Fahneaständ» hängt ein weißseidene» Tann» mit der Inschrift: „Hier standen Preußens siegrricke .Banner erblicken wir die Büste des Kaiser« und unter ihr diejenigen seiner treuen Hel er BiSmarck und Moltke. An den Ständer gelehnt ^ "" ^ 8,">ß«r. vom jetzigen Kais» gestifteter Kranz D.m DsidmungSworten auf der Atla«s»leifej „Dem Andenken meine« unvergeßlichen Großvater- rur Erinnerung an die Zeiten, wo die Fahnen de« Gardecorps vor seinen Augen hi» ruhen durften. Dein Enkel Wilhelm ö.. deutscher Kaiser und König von Preußen." In dem sich an schließenden Ministerzimmer ist der Sessel, den der Kaiser l ei den Sitzungen zu benutzen pflegte, mit einem Lorbeerkron; geschmückt, an dem einen Fenster bängt nock ein Baromete- welckeS der Kaiser stets früh nach dem Aufstebrn nach de, Witterung deS Tage« erforschte, auf der Staffel» steht Sca, bina'S treffliches Aquarell, den Aufzug der Wache vor dein Palais darstellend. Nun treten wn in das kaiserliche ArbeitScabinet ein, erfüllt mit Erinnerungen so vieler Art und un« sofort Wiede, da« gütige Bild deS großen Kaiser- vor die Seele zaubernd. An zwei Fenstern, von denen eins nach den Linden, das andere nach der Veranda am Opernbausplatze gebt, steht je ein großer Schreibtisch, von denen aber der am „historischen Fenster", gegenüber dem Denkmal Friedrichs de« Großen, vom Kaiser bevorzugt ward. Hier auf einem mit braunem Leder überzogenen Reitsessel ohne Lehne sitzend, nahm der Kaiser die militairischen Vorträge entgegen nnd machte seine Notiren dabei mit einem starken Korkhalter oder einem Riesenbleiftfft: die Stelle, auf der Fürst BiSmarck seinen Vortrag zu halten pflegte, ist besonder- markirt. Di« Ränder des Schreib' sijcheS, aus dem auch die Stahlbrille de« Kaiser« liegt, sind fast nur mit Erinnerungen bedeckt; da erblicken wir zunächst ein anmuthige- Miniaturbild der Königin Luise, dann die Photographien der ganzen kaiserlichen Familie, «u« Anzahl auS Kanonenniaterial und Sprenggeschossen hergrstellte Briefbeschwerer, zahlreiche zierliche Nippe-sachen. von seinen Kindern und Enkelkindern geschenkt, di« lieb liche Photographie sein» Urenkel, der Söhne de- jetzigen Kaiser«, ferner militairische Bücke,, wie ihr Au-seh«n ver kalk», sehr häufig benutzt, daneben dir verschiedensten Schriften, darunter mehrere auf Berlin bezügliche Werke, denn m>t regstem Interesse verfolgt« der Kaffer di« Eut»i<«lu»g s«ia«r
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