01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.03.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970326019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897032601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897032601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-26
- Monat1897-03
- Jahr1897
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Australien zerfällt politisch mit den Inseln Tasmanien und Neu-Sreland in sieben (Kolonien, dir sich unter der schon ziemlich nominell gewordenen britischen Oberhoheit einer nahezu unumschränkten Selbstregierung mit dem gesammten parlamentarischen Apparat, Unter- und Oberhaus, sowie verantwortlichem Ministerium erfreuen, wie sie die Iren bekanntlich auch in ihrem Home Rule anstreben. Sie haben sogar das Recht der selbstständigen Zollgesetzgebung auch gegenüber dem Mutlerlande, das für sie handelspolitisch ebenso Ausland ist, wie jeder andere Staat. Bis jetzt stehen diese Colonien, abgesehen von der gemeinsamen Unterordnung unter das Londoner Colomalamt, um dessen Anordnungen sie sich übrigen« oft weniger kümmern, in keinerlei staalsrechllichen Verbindung mit einander. Der vor zehn Jahren geschaffene australische Bundesrath (Federal Council) ist lediglich eine von Zeit zu Zeit zusammentretende gemeinsame Minister- eouferenz von blos beralhendem Charakter, die auch nur von einem Theil der Colonien beschickt wird; namentlich hat sich die älteste und bedeutendste derselben, Neu-Süd-Wales, bis jetzt von dem BundeSralh ferngehalten. Bei der Föderation handelt es sich nun darum, die Colonien zu einer Art Bundesstaat nach dem Muster der Vereinigten Staaten von Nordamerika oder eigentlich mehr in der Weise Canadas zu vereinigen, indem die Oberhoheit deS britischen Reiches, wenigstens einstweilen, nicht angetastet werden soll. Die Föderalionsbemegung ist in erster Linie durch die Erkenntniß hervorgerufen worden, daß die Vereinzelung der Colonien namentlich ihie wirthschastlich e Entwickelung höchst ungünstig beeinflußt hat. Die Colonien haben sich, abgesehen von dem freihänvlerischen Neu-SüdwaleS, nicht blos der übrigen Welt und dem Mutterlande gegenüber, sondern auch unter einander durch meist sehr hoye Zölle abgesperrt; sogar ihre Eisenbahnen haben zum Theil ver schiedene Spurweite. In ihrer Anwendung auf so kleine — wenigstens der Bevölkerungszabl nach kleine, wenn auch räumlich sehr ausgedehnte — Gemeinwesen hat die überdies zum Theil ganz übertriebene Schutzzollpolitik höchst un gesunde Verhältnisse erzeugt, die alle Augenblicke zu localen oder allgemeinen Krisen führen und die Besiedelung des Landes außerordentlich hemmen. Der Ackerbau ist noch sehr wenig eniwickelt, Industrie, abgesehen von einzelnen Zweigen, nur in schwachen, meist entwickelungsunfähigen Ansätzen vor handen. Der weitaus größte Theil der Production entfällt nach wie vor ans die Gewinnung von Wolle und Gold, die verhältnißmäßig nur wenigen Menschen Arbeit und Brod gicbt, wesbalb denn auch der Europa an Größe nicht weit nachstehende Erdtheil noch nicht viel über vier Millionen Einwohner zählt und die Einwanderung dahin fast auf gehört hat. Infolge dieser Umstände ist schon seit Langem der Gedanke aufgetaucht, die Colonien behufs Wahrnehmung ihrer gemein samen Angelegenheiten zu einem Bunde zu vereinigen und mit einer Bundesregierung auszustatten, wobei in erster Linie ihre Zusammenfassung zu einem gemeinsamen Wirth- schafrs- und Zollgebiete in Aussicht genommen ist. Vor Freitag ven 2«. März 1897. 91. Jahrgang. einigen Jahren schien die Verwirklichung der „Vereinigten f Staaten von Australien" schon beinahe gesichert Eine im Frühjahr 189l in Sydney versammelte Föderations-Con vention hatte in kurzer Zeit den Entwurf einer Ve>sassung für den geplanten Bundesstaat ausgestellt, nach welchem die Cvlonien für ihre gemeinsamen Angelegenheiten eine Bundes regierung mit Parlament und veranlworllichem Ministerium, mit einem aus England zu entsendenden Generalgouvernenr als Vertreter der Krone an der Spitze, erhalten sollten. Die Colonien sollten ein einheitliches Zollgebiet bilden und außer der Zoll - und Handelsgesetzgebung sollten namentlich bas Ver- theidigungswesen und die böchstinstanzliche Rechts pflege der Bundescompetenz überwiesen werden. Der Entwurf ist jedoch unerledigt liegen geblieben, weil bald nach Schluß der Convention eine schwere wirtbschaslliche und finanzielle Krisis über die Colonien hereinbrach. Neuerdings ist der Födcrationsgedanke wieder energisch ausgenommen worden, einmal weil die letzte Krisis die üble Wirkung der Vereinzelung der Colonien ans deren wirlh- schaslliches Gedeihen besonders klar batte zu Tage treten lassen, sodann weil der Krieg in Ostasien den Australiern die Möglichkeit internationaler Verwickelungen und die Nothwendigkeit besserer Vorsorge für die Verth ei- digung des Landes nahe gelegt batte. An der neuen Convention betheiligen sich freilich nicht alle sieben Colo- nieu; Queensland und Neu-Seeland bleiben ihr fern. Neu-Seeland glaubt bei seiner ziemlich große» Entfernung vom Festland Australien unter Beibehaltung seiner Sonderstellung besser zu fahren. Die wirth- schaftlichen und socialen Verhältnisse QueenSlandS aber stehen in Folge seines zum Theil tropischen Klimas, welches für die Zuckerrohr- und Baumwoll-Cultur die Ver wendung farbiger Arbeiter erfordert, zu denen der übrigen Colonien in einem ähnlichen Gegensatz wie die der nord- amerikanischen Südstaalen zu denen der Nordstaaten; die in Queensland am Ruder befindliche conservalive Partei be fürchtet, daß die in den südöstlichen Colonien bereit« jetzt auSschlaggedende Arbeiterpartei die Bundesgesetzgebung zur Schädigung der queenSlander Pflanzer und Heerdenbesitzer mißbrauchen würde. Unter diesen Umständen wird die Föderation, wenn jetzt wirklich etwas zu Stande kommt ^"d-WaleS, Victoria, günstigenfalls zunächst nur Neu-Sü L>üd- und West-Australien, sowie die kleine Inselcolonie Tasmanien umfassen; doch hofft man, daß wenigstens Queensland sich nachträglich an schließen wird, wie ja auch die Föderirung der canavischen Colonien seinerzeit nur allmählig durchgeführt worden ist. Allerdings ist es immer noch ungewiß, ob es schon jetzt ge singen wird, die der Bildung eines einheitlichen Zollgebietes, der ersten Vorbedingung der Föderation, widerstrebenden Sonderinleressen in den Hintergrund zu drängen; daß die Föderation früher oder später lhatsächsicb zu Stande kommen wird, unterliegt freilich kaum einem Zweifel, weil die vielen gemeinsamen Interessen der Colonien unter ihrer bisherigen politischen und wirthschaftlichen Trennung unver kennbar leiden. Schon bei Gelegenheit der Föderations-Convention von Sydney trat vielfach die Ansicht hervor, der Verwirklichung der Föderation würde bald die völlige Losreißung Australiens von England folgen. Thatsächlich hat sich l namentlich in der jüngeren Generation des Landes ein be . ^ ^>,st,-alisckeS Nationalbewußtseln ui gioßer so"deres auslra r,cle- c Lostrennuug vom Starke herausgebildet, und n ^ Anhänger Mutlerlande wird von e »en -h - ^predigt, re« Förderst,o„sgeda,.k,»s schon L- ^ Gemeinen MMrSMWM Weltreich bedeutende Vortheilc hat, ohne El - Hobe,! bei der de» Colonien zuge,lande„c,i Lelb,ncg,cri>ng «.Mich.-«» M M»' ,w,ramm,-mich». ! E" iNi-rteliakrhunderl sodernt, ohne daß ihre ^o-reigung l -> L- M 'künde. Daß benn V^ortr^ eines ernstlichen Interessengegensatzes zwischen Muttcrlan uno Colonien im Falle eines unglücklichen Krieges oder der- gleichen die Losreißung der Colonien durch die vorausgegangene Föderation wesentlich erleichtert und nahergeruckt sein wurde, erscheint freilich sehr einleuchtend. Deutsche- Reich. -2- Leipzig, 25. März. Das „Berliner Tageblatt" schreibt in seiner Nr. 152 Folgende«: «ei de» im Herbst bevorstehenden Landtagswahlen rn Sachsen wollen je.,« Nat,onulliberalen. der Verschlechterung des Wahlrechts waren, nur solchen E°"dldate. ihre Uiilerstüpuiig geben, die sich gleichsalls gegen das neue Wahlrecht """Äs „Berliner Tageblatt" ist wiederum schlecht unter- richtet und scheint auS recht trüben Quellen zu schöpfen. In leitenden Kreisen der uationalsiberalen Parker wachsen« ist von der oben behaupteten Absicht nichts bekannt. Damit erledigt sich auch die an die Meldung des freisinnigen BlatteS anknnpsende Bemerkung oer „Deutschen Tageszeitung", „dap dann da« Carlell in die Brüche gehen und den Natwaalsiberalen nichts übrig bleiben würde, als in den meisten Kreisen für dre >soc>al- demokrateu zu stimmen". Wena irgend etwa- geeignet gewesen wäre, das Cartell zu gesährden. so war eS das Vorgehen des Bundes der Landwirthe im S. ländlichen Wahlkreise. Diese Erkenntniß scheint auch der „D. Tageszeitung" aufzugehen, denn sie schreibt in Nr. 14l: ..Betreff« der «Stellung re- Bunde« der Landwirthe zu den Neuwahlen rm 9. ländlichen Wahlkreise in Sachsen ist unseres Wissen- noch kein bindender Beschluß gefaßt worden." Im Uebrigen verweisen wir erneut auf die Anfang nächsten Monat« stattfindenden Verhandlungen des Seniorenconvenls in Dresden, die darthun werden, welch krumme Wege das „Berliner Tageblatt" und geistesverwandte Blätter wandeln. LH Berlin,25. März. Demvierten internationalen Congreß für Arbeitsunfälle und Socialversiche rung, der zum 2tt. bis 3 t. Juli nach Brüssel einberufen ist, liegt folgendes Programm vor: t) Gegenwärtiger Stand der Arbeiterunfall-Bersicheruligsfrage in den verschiedenen Ländern, insbesondere vom Gesichtspunkte der Einführung der freiwilligen oder obligatorischen Versicherung. 2) Welche Maßnahmen sind behufs Constatirung der Betriebsunfälle cmpjehlenswerth? Welche« Verfahren ist da« rascheste und mit ven geringsten Kosten verbundene? Welche Unfälle sollen zu einer amtliche» Erhebung Anlaß geben? Empfiehlt es sich diesfalls, die Unfälle nach Maßgabe de» von dem Verletz!.» erlittenen Schadens zu unterscheiden? 3) Welche ist die bene schon bestehende oder erst zu schaffende Organisation der mic der Entscheid»»«; der Streitfälle iu Betriebsunfall-Ve, sichcruttgSaugelegenkeiltn betrauten Gerichte? 4) Sollen t c Gesetzesbestimmungen über die Betriebsunfälle die durch grobes Verschulden entstandenen Unfälle in das BerufSrisico dehnss Entschädigung derselben durch die Unfallversicherung einbeziehen ? 5i Welche sind die Folgen der Versicherung in Bezug ans die Zahl der Unfälle? Variiren die Folgen je nach dem ein geführten Verficherungssystem? Steigt die Zahl der Unfälle insbesondere, wenn die Versicherung für die Folgen des groben Verschuldens seitens des Unternehmer- oder des Arbeiters aufkommt? Welche Bedeutung kommt der Simu lation in den Unfallanzeigen zu? S) Empfiehlt sich bei Unfällen eine gänzliche oder eine theilweise Capital, beziehungsweise Rentenentschädiguug? 7) Sollen sich die das Unsallwesen betreffenden GesetzeSnormen auch aus die Berufskrankheiten und die Berufsinvalidität er- sti cken? Läßt sich die Berufskrankheit und die Bcruss- uivalivität präcise vefiniren? 8) Verdient bei dem System der obligatorischen Unfallversicherung die sofortige Reservirung des ReutendecknngScapitalS für den Unfall den Vorzug» oder kann man sich mit der Verrechnung der fälligen Rentenbeträge begnügen? Welche sind die Einrichtungen zur Anwendung des einen oder des anderen Systems? 9) Welche Maßnahmen empfehlen sich zur Linderung (Abschwächung) der Folgen der Betriebsunfälle und zur Beschleunigung des Heilverfahrens bei den Verletzten (spitalbebandluug, An stalten für Reconvalescenten, Rettungsgesellschaften, Hilfs einrichtungen rc.)? 10) Beschreibung von neuen Apparate», Bortehrungen oder Mitteln, welche die Verhütung von Be rriebSunfällen bezwecken. U. Berlin, 25. März. Eine ganz eigenartige Stellung nehmen in der so ciali Nischen Bewegung die polnischen Socialisten ein. Sie veranstalten ihre Arbeiterfeste ab gesondert von den deutschen „Genossen", und letztere wollen nichts von den „Polacken" wissen, die seit dem Ausfall der Wähle» m Krakau und Lemberg den Kopf ganz besonders hochtragen. Die überschwänglichsten Telegramme haben die hiesigen polnischen Socialisten a» die siegreichen „Genossen' nach Oesterreich gerichtet, aber sic scheinen selbst einzusehen, daß sie die Abneigung der deutschen „Brüder" nicht zu überwinden vermögen; denn in ihren jüngsten Versammlungen haben sie, als es sich darum bandelte, ob man gemeinsam mit den deutschen Socialisten die Maifeier begehen sollte, beschlossen, hübsch unter sich zu bleiben. Herr Liebknecht, der sich vor Iabren für die Polen ganz besonders ins Zeug legte, ist verstummt; er mag vernommen haben, daß die deutschen „Genossen" die „Polacken", auch wenn sie un Socialismus machen, wegen ihrer Lohndrückern und „Streikbrecherdienste" verwünschen. Die polnische socialislische Zeitung „Gazeta Rvbotnicza" wäre ja längst trotz der anfangs sehr reichlich bemessenen Unterstützung aus dem allgemeinen Parteifonds der deutschen „Genoffen" ein gegangen, wenn sie auf Deutschland allein angewiesen wäre; aber sie dal in Galizien zahlreiche Abonnenten lgesunden, so daß ihr Besteben gesichert ist. Im Ganzen stebt die polnische socialistische Bewegung noch aus demselben Fleck, wie vor 15 Jahren; der polnische Abel und die polnische Geistlichkeit 1 sind sehr auf der Hut vor socialistischen Regungen, und Feuilleton. Das Jubiläum der Kramer-Innung zu Zwickau. In unserer Zeit sucht man mit Vorliebe in der alten Zeit und vertieft sich in alte Acten, um aus ihnen die neue Zeit zu erklären oder an dem „guten Alten" neuen Aerger über die Gegenwart zu trinken. Jubiläen werden mit Vorliebe gefeiert, und je alter die Organisationen sind, desto brillanter die Festlichkeit. Das zeugt von einer großen Pietät und beweist zugleich, daß das lebende Geschlecht doch nicht so schlecht ist, wie man es zu machen pflegt und wie es sich mit Vorliebe selbst macht. Jahrhunderte alte Organisationen können freilich nicht auf Tag und Stunde ihre Geburt Nach weisen, sie können auch nicht über jeden Tag ihres Lebens Rechenschaft abgeben, eingeschrieben in die Bücher der Lade Nachweisen, was vorgefallen ist und wie sich Alles entwickelt hat. Erstens legte man der Geburtsstunde einer Organisalion für die Geschichte nicht eine solche Wichtigkeit bei. wie sie schließlich wünschenswerth war, und dann passirte eigentlich auch im Lause ver Jahrhunderte nicht viel, was zu berichten für nöthig befunden worden wäre. Man muß auch bei allen diesen Aufzeichnungen damit rechnen, daß besondere Vor kommnisse so viel besprochen wurden, daß sie für die Ewigkeit in das Gevächtniß der Bürger eingegraben schienen, so daß man die Hauptsache, die Ausschreibung, darüber ganz vergaß. Hatte man aber wirklich etwa» ausgezeichnet, so haben Krieg und Nöthen Manches vernichtet, und was die beiden übrig ließen, das hat zum Theil noch Sorglosigkeit, Nachlässigkeit und eine gewisse Dummheit dem Verderben geweiht. Wir können deshalb vollkommen verstehen, daß auch über den Ursprung und Anfang der Kramer-Innung in Zwickau, die diese- Jahr ihr vierhundertjähriges Bestehen feiert, keine Urkunde vorhanden ist und daß nur auS späteren Be slätigungen zu ersehen ist, vaß in der Thal die Kramer Innung 1497 gegründet wurde. Der Director derZwickauer Handelsschule Herr Friedrich Brehme hat angesichts dieses seltenen Ereignisses eine Fest schrift*) erscheinen lassen, die eine kurze Uebersicht über die Geschichte der Kramer-Innung gewährt und damit zugleich einen Beitrag zur Geschichte de- sächsischen KaufmannSwesen« aiebt. Aber auch bei dieser Feier reichen sich Mittelalter und Neuzeit die Hände, denn zugleich feiert die Handelsschule zu Zwickau ihr LOjahrige- *) Festschrift »ur Jubelfeier d»S 400 jährigen Lest,Heu» der Kiamer-Jnnung (Zwickau«, Kaufmaualchgft) zu Zwickau. Bestehen. Welch ein Unterschied zwischen sonst und jetzt! Wenn auch heute noch mit Recht über mangelhafte Lehrlings ausbildung geklagt wird, so thut doch wenigstens die Volks schule ihre Schuldigkeit und bringt dem Jungen das nöthige Einmaleins und noch etwas mehr bei. Damals aber war eS trotz der 5—6 jährigen Lehrzeit übel mit der Berufs ausbildung der Lehrlinge bestellt. Sie mußten die gewöhn lichsten Arbeiten während ihrer Lehrzeit verrichten und er hielten keinerlei Unterweisung. ES war viel, wenn einem Lehrling gestattet wurde, bei einem Buchhalter Unterricht in Buchhaltung und Rechnen zu nehmen. Wußte er sich ferner eine gute Handschrift anzueignen, so durfte er als brauch barer Gehilfe gelten. Heute ist der Wunsch nach besserer Lehrlingsausbildung allgemein und über einige Staaten, vor allein Sachsen, zieht sich ein Netz von Handelsschulen, die allerdings ihre Ziele etwas höher als das Einmaleins gestellt haben. Aber mit dieser Lehrlingsausbildung muß es auch genug sein. Was nachher kommt, ist die freie Tbätigkeit deS Gehilfen, ohne Prüfungen, Examina und sonstige Beschränkungen. Es muß die freie Tbätigkeit des Einzelnen, sein Erfolg der Befähigungs nachweis sein. Wenn man früher nicht so dachte, so war eS weniger das Streben, den Kaufmannsstand auf einer gewissen Höbe der Bildung und des Einflusses zu halten, als sich durch Prüfungen und Zahlungen unliebsame Concurrenten vom Halse zu halten und ihr Emporkommen zu erschweren, wie in der angezogenen Schrift z.B. von einem gewissen Clauder mitgethrilt wird, der trotz Lehrbrief, nachgeiviesener vierjähriger Diener schaft und erworbenen Bürgerrechts und Zahlung von etwa 23 Thalern im Jahre 1774 Aufnahme in die Innung nicht finden konnte. Wenn solche Schwierigkeiten den „Dienern" bei der Selbstständigmachung in den Weg gelegt wurden, so war eS natürlich, daß auch die Lehrling-Prüfungen für da malige Zeiten rigoros ausfielen. Aber auch noch in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts gab eS Prüfungen. Ehe dem Lehrling das Zeichen der Würde de- „Diener-", ein Spazierstock, überreicht wurde, mußte er beispielsweise ei» Brod Zucker von ungefähr 18—20 Pfund in »/,, V», Vi und Pfund so spalten und zerlegen, daß ein jede» Stück sogenannte Rinde hatte. Zu diesem „Befähigungsnachweis" in der Waaren» künde trat dann auch eine Prüfung auf theoretischem Gebiete. Nach Brehme wurden bei der 1846 stattgefundenen Prüfung folgende Gegenstände von der Prüfungsdeputation zur schrift lichen Beantwortung vorqelegt: 1) Ausrechnung eme» Wechsel- und Veld - liourse» »ach dem Leipziger Tour-zrttel. ». Wa» betrügt ein Wechsel auf Frankfurt a. M. von 438 fl. 30 u. in fl. 24 Fuß zum Tour» von K7 Proc. in Tourant? h. Wo» betragen LO Vtück Dueaten zum Tour» von SV« Vroe. ln Tourant? 2) Ausarbeitung eines Briefes »ach folgendem Tbema: Alexander Scharf i» Zwickau schreibt unter heutigem Tage an Wilhelm Weyrauch in Haniburg und bittet denselben um Zusendung von 10 Sack Domingo - Kaffee nach bereits empfangenem Muster Nr. 531, setzt aber voraus, daß dieser Kaffee von Qualität ganz dein erwähnten Muster gleichkoinmt u»b bemerkt, wenn der Kaffee etwa mehr Steine und ausfallend inehr schwarze Bohnen enthielte, er denselben zur Verfügung Weyrauch's stellen würde, der Letztere daher diese Commission möglichst sorgfältig ausführen möchte. 3) Ausstellung einer Rechnung über solgrude Waaren: 5 Sack g. o. Dingo. Kaffee 4 56 Brtto. 4 Ctr. 90 Pfd. Thr. 10'/, Vst». 4 Sack f. grün. Java-Kaffee 4 65 Brtto. 3 Ctr. 10 Psd. Thr. 7'/, Pfd. Ab Leipzig pr. Eisenbahn in Taxsracht. Außerdem sind: 4) einige Fragen über Waarenkunde zu beantworten. Was nun die Gründung der Kramer-Innung selbst anbe trifft, so wird sie, wie schon bemerkt, in das Jahr 1497 verlegt. Die Begründung für diese Annahme findet sich in einer neuen Bestätigungsurkunde vom Jahre 1587 , eine Urkunde, die zugleich die ältesten erhaltenen Acten varstellk. Erst vom siebzehnten Jahrhundert an fließen die Quellen reichlicher und wa« darüber die Schrift bietet, ist interessant genug. Die Ausnahme in die Innung geschah nur nach ge höriger Legitimation der Geburt, wenn ver InnungScandidat seine sechs oder fünf Jahre gedient batte und gute „Kund- schaft", d. b. gute Zeugnisse, aufwieS. Er mußte Bürger werden und 15 Tbaler in die Lade zahlen. Bei einer Heiratb mit einer Kramers-Wittwe oder Tochter kam er natürlich billiger weg. Ehe er aber selbstständig wurde, mußte er sechs Jahre lernen und wurde während dieser Zeit zu deu untergeordnetsten Arbeiten anaehalten; daß der Lebrherr verpflichtet gewesen wäre, dem Jungen nun auch etwa« beizubringen, ist nicht vorgesehen. Eine solche seldst- ver,ländliche Verpflichtung wird übrigen« erst mit dem neuen HandelSgeietzbuch. da- jetzt den Reichstag beschäftigt, errungen werden. Man kann also nicht sagen, daß die,e nun seit Jahrhunderten ersehnte Reform zu schnell gekommen sei. Verschiedene Verbote führen un- in da« Handel-Wesen der alten Zeit ein. Daß das Hausiren verboten war, daß ^dk'nwrber keme fremden Zeuge verkaufen, daß der Schneider kein Tuch führen durfte. ,st selbstverständlich, aber auch einen Vorläufer de« Magarinegesetze» gab e« insofern. d« -essenden Laar." herbeiführte. Den Fisch-undKasehändlern wurde nämlich verboten „da mancher Menich, ,n,onderlich, dir meist Käse essen, auch vor dem Ge- ! ,ü.' L'lalzenen und dürre» Fisch« »hsch«, haben, solcke Küchen-Speffr genießen, bei ihrem Erahm keineSwea« hernach benannte essende Waren (Würze. Hirse, Pflaumen u. a ) zu führen, weder beimlut, noch liffenrli» feil hatten. noch zu verkaufen, bei Verlust der Ware und unser deS Raths ernster Strafe." Zu Gunsten der Apotheker wurde der Verkauf gewisser Kräuter und zu Gunsten der Schmiede der Verkauf anderer als in Zwickau bergestellter Eisenwaaren, soweit die Schmiede sie fertigten, verboten. Besonderer socialpolitischer Natur war daS Jahr 1587, in welchem gegen die künstliche Ver theuerung der Leinwand durch den Export Frout gemacht wird: Ob auch wohl der Kurfürst zu Sachsen und Burggraf zn Mägde« bürg nufer gnädigster Herr in der Kurfürst!. Durchlauchtigen. Policei- und Landes-Ordnung den schädlichen Verkauf von Ware» in Dero Landen ernstlich abgrschasfet uud verboten, so findet sich doch, daß mit demselben noch immerdar mancherlei Untrrschlrff g. trieben worden und sonderlich mit Anfkaukuug der Leinwand, derb in der Stadt allhier von Einheimischen und auf dem Lande, und von Frrniden, dergestalt, daß etliche Bürger »ad Einwohner auch die Erahmer und Leiawaaddändler selbst allhier gefährlich oufkaus, »nd nicht wiederum bet der Stadt verschneiden und verkaufen, sondern außer Landes fahren und also Steigerung der Leinwand macke Damit nun solche Steigerung und solcher Verkauf verhütet wer,, so soll e» dinfür also damit gehaltru werdrn: daß eiu Fremder. > aus den, Markte, die Leinwand aufkaoset uud dessen übersührr w,:. nach Befinden auf vorherige genügsame Erkenntniß der Obrigk : geziemendermaßen darum bestraft werden soll. Wie den» die Äe schworeueu der Erahmer solchem Uebel zu wahren, neben den vci ordneten Morttherru uud Marktmeistern fleißig Aufsicht halten sollen Dann kommt ein Paragraph über ven unlauteren Wcll bewerb: Alle Uneinigkeit, Schänden, Schmähen, oder, da einer dem andern seine Waren verachten, oder die Kaufleutr arglistiger »in ungebührlicherweis« abspanuen oder abwendig machen wollte, so» hinfort den Trahmrr». ihren Weibern, Kindern oder Gesinde in um außerhalb der Stadt und auf den Märkten gänzlich verboten sein Und zum Schluß sei noch au- demselben Jahr der ver ordneten Sonntag-ruhe gedacht: E» soll kein Erahmer, wer er auch sei, au dem Sonntag und andern Festen, dir man pfleget, feierlich zu halten, seinen Lade» oder Trahm offen stehen lasten, noch öffentlich feil halten, bei Strafe des Raths. Würden aber Fremde oder Bürger uud Einwohner bei einem Erahmer an abgesagten Sonntagen und wenn man feiert, etwa» kaufen und holen lassen, e» sei Würz oder audereS, da» soll den Trahmern zu kaufen ungewehrrt sein. Auch die Sonntag-ruhe ist in ver neueren Zeit erst wieder nach langen Kämpfen erobert worden. Aber man siebt ans alledem, daß es früher nicht besser und nicht schlimmer war als heute. Die Menschen waren andere und die Gesetze andere. Die Zeiten, die Menschen und die Gesetze ändern sich, aber anregend bleibt e- immer, diese Aendrrungen rückwart» zu verfolgen und di» Gezrnwart in dir Virgimgeaheil s^tuea
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