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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.03.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970326028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897032602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897032602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-26
- Monat1897-03
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25 j»5 r.so i.— s>— 0.50 9^ 3.75 2.50 0 — s,— o.- s,— 1 — S.— !3.— BezugSPreiS W Hdr tzauptexpedltion oder den im Stadt, bezirk und den Bororten errichteten Au«, gadestrllen abgeholt: vierteljährlich ^>4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Hau«>l üL0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche Krruzbandsendong ins Lu«laud: monatlich 7^0. Die Morgen-Au-gabe erscheint um */,? Uhr. di« «beud»Au«gabe Wochentag« um b Uhr. Ledaclio« «nd ErpeLittoa: Johanne«,afle 8. Di» Expedition ist Wochentag« «nuutrrbroche» gröfsuet vo» früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filialen: Ott« Klemm « Lortim. (Alfred Hahn). UniversitätSsttabe 3 (Paulinnm), Laut« Lösche. »atharineustr. 1«, Hart, und K0nig«plat» 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Äöntgttchen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nalizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzetgen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich («ge. spalten) bO^, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 404t. Größere «christen laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffern!«» nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderun^ 60.—, mit Postbrförderung -si 70.—. Annahmeschlsß für Anzeigen: Abend»Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Marge n-Ausgabr: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stund« früher. Anzeigen sind stet« an die GzDedlti«» zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 155. a»-mu»ss-»s—i Freitag den 26. Miirz 1897. Sl. Jahrgang. o. 6. > U. - tl. - 6. - ü. - br » (1. - 6. - 6. - L. - <1. - 6. - «. r». - 6. - 6. - u. - 8. Uclc. 80>. «3>« 23». S7>!« 27». 3'.,. 101-^ 1V° 28» .. »1«.— «68 - » 319? 23,20 xuustte «rtrnx» ttilleo- 13'« S9>, 108,90 S8.7S 103.80 200.— 91,SO 55.90 34.40 43.25 8620 81,10 136.75 129.— 92,— > 124,75 > 94 90,60 3 15125 l 103.50 e 12810 158.75 l 125, - so. i s. ) .1 ä 8663 107,80 203.60 188.50 177.60 108.50 189,25 128.— 72,50 275,75 >. 77.— » 174 — 12750 >r 540,— eao 72.50 !o. 394,25 eil 246.— »2,60, r. 169,45 215,75 213,90 216,- » 92,50 26«, - 192,10 153.90 119,75 48.25 15«,90 180.50 174,40 174.90 107,25 122 25 43,60 >«cuükt»lü», 58.80. Uni OM. lliuläsmvser kl»t»-; iu o-»ä»wvter 8r«w«o, ewltt»«») io ath4Iv«to», Politische Tagesschau. * Leipzig. 26. Marz. Im Reichstag beginnt heute die dritte Lesung des Neichshaushaltöetat«. Nach den Beschlüssen der zweiten Lesung, dir aller Voraussicht nach unverändert angenommen werden, balancirt der Etat für 1897/98 in Ausgabe und Einnahme mit l 307 393 36l „E Unwesentliche Verschiebungen erleiden diese Zahlen noch durch einige ziffernmäßig wenig belangreiche NacktragSetalS für da« Re ich« tags Präs idial- gebaude und für die weitere Vertbeiluag des Ehren so ldeS von 120 aus dem Reichsinvalidenfondü an Kriegs veteranen. Die fortdauernden Ausgaben berechnete der EtatSenlwurf auf 1 169 386 556 ^; davon hat der Reichstag 1 179 324 gestrichen, so daß sie nach den vorliegenden Beschlüssen 1 168 210 562 ^ betragen. Da es an dem guten Willen deS Reichstag«, die strengste Sparsam keit zu üben, nicht gefehlt hat, so wird der Ncichsregiernng zugestanden werden müssen, daß sic es an der erforderlichen Vorsicht bei der Ausstellung des Etats ihrerseits in keiner Weise hat fehlen lassen. Bei den einmaligen Aus gaben figuriren die Casernen- und SchiffSbautcn. Hier hatte die „Abstrichspolitik" vollste Bewegungsfreiheit. Nach dem EtatSentwurs betrugen die einmaligen ordent lichen Ausgaben 101,3 Millionen Mark. Nach den Beschlüssen der zweiten Lesung sind davon 9 t,9 Millionen Mark übrig geblieben. Abgesetzt wurden im Etat des Auswärtigen Amles 50 000 .E für den Erweiterungsbau der Gesandtschaft in Peking; der Zuschuß für die Schutzgebiete Deulsch-Ostafrika und Kamerun ist um 3t 780 gekürzt; im Postetat wurden 328 953 ^ abgesetzt; im MiUlairetat 6 587 6t2 welche zumeist für Easernenbauten und Truppenübungsplätze ver langt waren. Die Abstriche im Marineetat betragen 12 385 300 --«, wovon aber für die einmaligen Ausgaben deS ordentlichen Etats nur 2,4 Millionen inBclrachl kommen, da für 9,9 Millionen Mark Deckung im Extraordinarium vorgesehen ist. Der außerordentliche Etat war aus 57603747 im Etatsentwurf berechnet; in Abgang kommen nach den Beschlüssen zweiter Lesung etwa 10,3 Millionen Mark. Darunter sink auch jene 9,9 Millionen Mark, welche sür den Bau des ab- gelehnlen Schisses auf das Extraordinarium gesetzt waren. Insgesammt hat sich also nach den Beschlüsse» der zweiten Lesung der Ausgabeetat für 1897/98 um rund 20 908 463 ^« vermindert. Zn den Einnahmen waren die Matricular- beiträge auf 435456 077 .X! beziffert; davon sind nach den Beschlüssen oer zweiten Lesung 10 477 992 -ei! und von der Anleihevcckung weiter 10 326 491./-! abzusetzen. Der Gesamint- anleihebei-ars für 1897/98 zur Bestreitung einmaliger Aus gaben der Verwaltungen des Reichshecres, der Marine und der Reichscisenbahnen beträgt danach nur noch 46 437 256 .>-! Daraus ergiebl sich im Etat nach den bisherigen Beschlüssen des Reichstags folgendes Bild über die Beziehungen zwischen Reich und Bundesstaaten: Die Ueberweisungen aus den Zöllen und Verbrauchssteuern sind auf 404 056 000 -L be rechnet; die Matricularumlagen nach den vorliegenden Be schlüssen betragen 424 978 085 danach habe» nach den Beschlüssen der zweiten Lesung die Bundesstaaten an das Reich herauszuzahten 20 922 085 -«« statt 3 t Millionen Mart im ursprünglichen EtalSenlwurf. Die Einnahmen au Zöllen und Verbrauchssteuern sind aber außerordenllich vorsichtig aus gestellt. Es bestellt gar kein Zweifel darüber, daß, wenn die jetzige aufsleigcnde Conjunctur, die sich in den Monalsaus- weisen des laufenden Zahres in so sichtbaren Ueberschüssen be kundet, nur einigermaßen anhält, die Ueberweisnngei im Gegen satz zu dem Etatsansatz die Matricularbeiträge weit über steigen und auf erbebliche Überschüsse zu rechnen ist. Damit fällt jeder Anlaß, die Verweigerung der geforderten Schisss- nenbautcn auch bei der drillen Lesung mit finanziellen Be denken zu begründen; ferner fällt jeder Vorwand, die Be- soldungsaufbefferungen von 10,1 Millionen Mark, die noch im Nachtragsekai zu erledigen sind, zumal Preußen bereits vorangegangen, unter nichtigen Vorwänden bis in den Hoch sommer hinauLzuschieben, wo sie nicht mebr erledigt werden können. Schließlich wird dein Hinweis, daß zur Vermehrung der Reservebestände der Armee noch eine Nacktragösorderung von einigen vierzig Millionen Mark zu erwarten sei, eben falls die Spitze abgebrochen. Damit bricht die ganze bei dem Marineekal geübte Abstrichöpolitik zusammen. Als die Aussichten der Marineforderungcn sich in folge der immer trotziger werdenden Haltung des Centruins verschlechterten, wurde von ruhigen Politikern dringend vor einer Auflösung des Reichstages gewarnt, weil der Erfolg höchst fraglich sein würde. Wie richtig diese Auf fassung ist, ergiebt sich aus dem Ausfälle der Wahl in Torgau - Licbcnwcrda. Im Allgemeinen thut man ja wohl daran, aus den Ausfall von Ersatzwahlen nicht allzu großen Werth zu legen; diese Wahl aber vollzog sich so sehr unter dem Zeichen gewisser Vorkommnisse des letzten Monats, daß man sie roch alssympton.alisch sür die durch diese Vorkommnisse hcrvorgerusene Stimmung anznsehen be- recbtigt ist. Nach dein bis jetzt bekannt gewordenen Er- gebniß hat nun in diesem überwiegend länrlichen Wahl kreise der Candidat der freisinnigen Botkspartei nicht unerheblich an Stimmen gewonnen, der socialiftischc Candidat seine Stimme» behauptet, der freiconservative Candidat an Stimmen erheblich eingebüßt. Während 1893 der conservativeCandidat im ersten Wahlgangesiegte, ist diesmal eine Stichwahl gewiß, deren Ausgang höckst wahrscheinlich zu Gunsten des freisinnigen Candidaten ansfällt, da dieser zweifellos von den Socialiste» mit aller Kraft unterstützt werden wird. Bei diesem Resultat muß noch in Rücksicht gezogen werten, daß der freiconservative Candidat im Wahl kreise angesessen und beliebt ist, während der freisinnige Be werber, Herr Knörcke, als getreuester Trabant Eugen Rich ter'«, siä> keiner zu großen Wertschätzung erfreut. Zcne Verstimmung, ans die im Reichstage binzuwcisen der Abg. von Bennigsen kürzlich für seine Pflicht erachtete, hat zweifellos ihren Einfluß ans die Torgauer Wahl ansgeübt. Wenn daher in einigen Blättern gesagt wird, jener Hinweis des Herrn von Bennigsen habe an maßgebender Stelle unliebsam berührt und auf ikn sei die Mahnung des Kaisers, es möge dafür gesorgt werden, daß nicht mehr so viel „genörgelt" werde, gemünzt, so zeigt sich jetzt, daß es viel zweckmäßiger ist, rechtzeitig auf vor handene Negnngen der Volksseele ansinerlsam zu machen, als abzuwarten, bis diese Regnngen zu Thaten werde». Hoffent lich erkennt man dies auch an maßgebender Stelle, denn nur wenn es gelungen sein wird, jene in Torgau in Thaten um gesetzte Verstimmung zu beseitigen, kann die Regierung mit Aussicht auf Erfolg in die nächsten Reichstagswahlen einnelen. Zum zweiten Male haben die europäischen Kriegs schiffe vor Kreta die Aufständischen bombardirt. Das ist das Ereigniß deö gestrigen Tages, das vielleicht den mühsam festgehatlenen Stein deS griechisch-türkischen Krieges ins Rollen bringt. Man meldet uns darüber: * Kaiira, 25. Mär;. Heutc unternahmen die krieche» einen Angriff aus die türkischen Borpostcu, be sonders lebhaft auf das Blockt, ans Malara, welches bombardirt n»d von der kleinen türkischen Besatzung »ach Perliist von 2« Todtcn »nd Berwundeten endlich geräumt wnrvc. Um :i Uhr begannen Sic fremden Kriegs schiffe aus der Tndaüai die kriechen zu bombar- dirc». t§ü wurden annähernd 160 Schuf; abgegeben. Tas Blockhaus Malaxa wurde ganz zertrümmert, und die kriechen wurden anscheinend znm Rückzüge gezwungen. Tic Kämpfe nm Malaxa dauern trotz der Warnungen Ser Admiralc fort. (Köln. Ztg.) .Kauen, 25. März. «Meldung des „Reuter'schen Bureaus.) Heute früh 6 Uhr machten die Aufständische» einen entschiedene» Angriff ans das Blockhaus Malaxa, indem sie ein Geschütz- fcuer aus dasselbe eröfsneten. Mehrere Schüsse schlugen auf dem Tache des Forts ei», Las alsbald ausgegeben werde» mußte, worauf sich die Garnison gegen Euda zu zurückzuztehen begann. Um 8 Uhr früh begannen die in der Eudabai liegenden türkischen Kriegsschiffe zu feuern, um den Rückzug der Garnison zu decken, Loch waren die Aufständischen Len zurück- weichenden Mnhamedaiiern hart auf den Fersen bis zu dem Torfe Tsikalaria, Las sie i» Bra nd steckten. Tie Garnison vo» Malaxa erlitt aus diesem Rückzüge, die Landstraße von Euda entlang, schwere Verluste. Unterdessen war eine Abtheiluug türkischer Truppen mit einem für Malaxa bestimmten Lebensmitteltrans- port, ohne Kenntniß von der Räumung des Forts zu haben, gegen das Torf Neroknrn zu die Anhöhen gegen das Blockhaus Keratidi hinan vorgerückt. Hier stießen sie mit den Aufständischen zusammen, und cs entspann sich ein heißer Kampf. Um drei Uhr Nachmittags legten die Insurgenten abermals Feuer an eine Anzahl Häuser in Tsikalaria. Um 3 Uhr 15 Minuten feuerten die europäischen Kriegsschiffe auf die in Malaxa be- findliche» Aufständischen. Die Beschießung dauerte etwa 10 Minuten, aber obwohl die Granaten in Menge einschlugen, behaupteten sich die Aufständischen dicht bei dem Blockhause, welches sic um 3 Uhr 55Minuten Nachmiltags räumten und anziindeten. Als eine neue türkische Truppeiiabtheilung die Anhöhen über Nero- turn zu gewinnen strebte, wurde sie von den Aufständischen aus Akrotjri angegriffen. Tie Aufsländischen griffen auch den tür kischen Truppencordon bei Halepa an, wurden jedoch durch Gebirgs- ariillerie am Näherrückcn verhindert. Um 6 Uhr Abends dauerte der Kampf noch fort; die von den Aufständischen abgeschossene» Granaten sind bis in der Nähe von Halepa und Mortevardia niedergegangcn. In der Bucht von Kanea ankern bekanntlich Schiffe sämmtlicher Großmächte, während die übrige Küste an die einzelnen Admirale vertheilt ist. Vor Kreta liegt auch das deutsche Schiff, „Kaiserin Auzusta", welches einer Nachricht der „Voss. Ztg." zufolge, >3 Schüsse auf Fort Malaxa abgegeben hat. Wie erinnerlich, hatten die Admirale an die Insurgenten die Aufforderung gerichtet, die Ver- proviantirung der Forts, deren Erhaltung zur Aufrecht erhaltung der Ruhe und Sicherheit in den von den Großmächten besetzten Städten nölhig sei, nicht zu verhindern, widrigenfalls Gewalt angewendet werden würde. Die Aufständischen kehrten sich aber nicht im Geringsten an diese Warnung und schnitten fortgesetzt dem sechs bis acht Kilometer von Kanea gelegenen Fort Malaxa die Zufuhr ab, so daß die türkische Besatzung in den letzten Tagen furchtbar unter Hunger und Durst zu leiden hatte. Als dazu noch ein Sturmangriff der Aufständischen kam, dem die tapfere Besatzung endlich Weichen mußte, machten die Admirale mit ihrer Drohung Ernst und schossen daS mittlerweile von den Christen besetzte Fort in Grund und Boden. Ob und wie viele Insurgenten dabei getödtet und verwundet worden sind, gebt ans den vorliegenden Melkungen nicht hervor. So erfreulich es nun auch ist, daß die Admirale, die man nicht mit Unrecht als eine Großmackit für sich, und zwar die ent schlossenste, bezeichnet hat, wieder mit einem Donnerwetter dreingefahrcn sind, so wenig wird man sich verhehlen können, daß mit dem Bombardement im Grunde nichts erzielt ist. Tie Ausständischen haben zwar ihren Zweck, sick, in Malaxa festzusetzen und so Kanea von der Land seite ans zu beherrschen, nicht erreicht, aber auch die Admirale haben ihren Willen, die Erhaltung des Forts, nicht durchzusetzen vermocht, ja sie haben es selbst zerstören müsse». Besonderen Eindruck wird also das Bombardement auf die Krcler nicht machen, vielmehr werden sie, fest ent schlossen, auf der Vereinigung mit Griechenland zu bestehen, die Admirale cinladen, nun auch die iibngen Blockhäuser in der Nähe von Kisauo, Suda, Retimo und Kandia der Reihe nach zu demoliren und diese Städte nach der Landseite bin des Schutzes zu berauben. Auf diese Weise werden auch noch die letzten türkischen Truppen auf Kreta außer Aktion csetzt und müssen sich in die Küslenstädte zurückzieben, Der lerwcgenheit der Kreter ist es znzutrauen, daß sie auch diese angreisen und einen Kampf mit den Marinetruppen der Mächte wagen und die Muhamedaner werden ihnen dabei schwerlich nn Wege sein. Ihre Stimmung gegen Europa ist nicht sonderlich freundlich, in Candia sogar im hohe» Grade feindlich, weil Europa nicht zuläßt, daß der Sultan Soldaten schickt, während die Beys und Grundbesitzer stark die Köpfe hängen lassen, weil sie jeden Tag ihren Ruin näher vor Augen sehen. Ganze Wälder von Olivenbäumen, alte viel hunderjährige Stämme, werden jetzt abgchauen und kommen zur Stadt als Brennbolz, an dem es mangelt; der Mehl- vorrath gebt auch zur Neige, und der Diebstahl im Geheimen und mit Gewalt öffenllies; ist bei dem nnthätigen Verhalten der sogenannten Behörden an der Tagesordnung. Welchen Eindruck die Kanonade in Athen aeiiiacht hat, laßt sich noch nicht sagen. Von dort geht uns folgende, sicher noch vor dem Bekannlwerden des Bombardements abgegangene Nachricht zu: * Athen, 25. März. (Abends.) Die „Agence Havas" meldet: 30 Teputirte der Majorität hielten heute eine besonder» Versamm lung ab und beauftragten vier Deputirte, sich znm Ministerpräsi denten zu begeben, um Aufklärungen über di« Lage zu verlangen. Delyannis erklärte, dir Regierung beharre auf dem ein« geschlagenen Wege; sie wolle die Ansicht der Deputirten über die Annahme einer Verwaitungsreform für Kreta, «nt- t sprechend der in Bosnien und der Herzegowina eingeführten, ! hören. Die Mächte würden nicht dahin zu bringen sein, der Frage ! wegen einer Union zuzustimmen. — Eine Anzahl Blätter spricht Feuilleton Immer vernünftig. 8) Novelle von August Nie mann (Dresden.) Nachdruck verboten. „Aber Sie sind gewiß verlobt?" „O nein, ich bin nicht verlobt." „Haben auch nicht die Absicht, zu heirathen?" „Vorläufig nicht." „Mein lieber Herr von Miltenberg, erlauben Sie mir, Ihnen zu sagen, daß ich das nicht gern höre. In der Neuzeit grassirt ja förmlich unter den jungen Herren die Abneigung gegen die Ebe, aber di» Abkömmlinge alter Familien sollten destructivrn Tendenzen in keiner Weise nackaeben. Theodor lächelt«. „Im Grunde sind wohl alle Familien von gleichem Alter", sagte er. „Wieso?" „Stammen wir nicht Alle von Adam und Eva ab?" „Pfui, Herr von Miltenberg! Sagen Sie, wem gehört denn jetzt Schloß Stockerau?" „ES gebärt einem Vetter von mir." „Ist er verheirathet?" „Nein, er ist Iunggesell geblieben." „Wie alt ist sr denn?" „Etwa zwanzig Jahre älter als ich, gegen sechzig " „Alle Männer, di« eine Stellung im Leben einnebmen, müssen verheirathet sein." „Warum?" „Warum? Nu», weil man keine Stellung im Leben einnebmen kann, wenn man nicht verheirathet ist. Wer wird denn Stockerau erben, wenn Ihr Vetter kein« Nach kommen hat?" „Vielleicht bekomme ich e«, aber ich wünsche meinem Vetter lange« Leben." „Wer eigenes Vermögen besitzt, kann thun, wa« er will", sagte die Gräfin nachdenklich. „Aber ist eS Ihnen denn nun nicht langweilig, in Ihren Iadren schon auf Avancement zu verzichten und müßig zu geben?" „Vielleicht ist eS eine Erbschaft von meinen bäuerischen Vorfahren, daß ich gern unabhängig bin. Sehen Sie, gnädige Frau, nach meiner Erfahrung ist in den Familien, die e« zu hohen Titeln, Würden und großen Wappen gebracht haben, immer viel Niedertracht und Gewaltthätigkeit im Schwange gewesen. Denn da« ist Wohl in alter Zeit gerade so wie jetzt gewesen, daß nur ein Mann, der vierspännig durch alle Geböte des ChristenthuniS fährt, es zu hoben Ehren und Reichthiiniern bringt. Wer Gott über alle Dinge liebt und seinen Nächsten wie sich selbst, der wird nicht beachtet und bekommt niemals seiner Nachbarn Häuser und Güter." „Wie finden Sie das Spiel meiner Aeltesten, Bertha?" „Ich finde es sehr schön." „Und was denken Sie von Adelgunden's Stimme?" „Ich denke, daß sie eine sehr schöne Stimme hat." „Morgen geben wir eine musikalische Soirse, Herr von Miltenberg; wollen Sie uns das Vergnügen machen, zu kommen?" „Mit dem größten Vergnügen." „Sind Sie auch musikalisch?" „Leider nicht." „Für einen Mann ist da« auch nicht nöthig. Meine Töchter haben viel Talent» aber sie sind doch auch sehr wirtb- schaftlich. Mein Grundsatz ist, daß junge Mädchen für die Familie erzogen werden müssen. Sie sollen dereinst tüchtige Hausfrauen werden." „Das ist «in sehr richtiger Grundsatz." „Meine Töchter können alle drei kochen. Eine Hausfrau kann nur dann gute Köchinnen haben, wenn sie sich selbst auf die Küche versteht." „Lieber Guido", sagte die Gräfin zu ihrem Manne, als sie diese» Abend mit ihm allein war, „der Hauptmann von Miltenberg ist etwa« verdreht, aber er muß vermögend sein, und er wird dereinst Stocktrau bekommen. Es ist nur eine Schrulle von ihm gewesen, daß er den Abschied genom men hat, aber wenn er Bertha heirathete, wurde er schon in Ordnung kommen." „Der junge Mann muß wieder in Dienst", antwortete der General. „Man könnte etwa« für ihn tbun, wenn er zu uns gehörte. Mit den Pensionirungen von rüstigen Ossiciren geht man neuerdings viel zu weit. Und nenn der Miltenberg es auch nicht nöthig zu haben scheint, so wäre eS doch besser für ihn, wieder Beschäftigung zu haben. Der beste Stabt rostet, wenn er nicht gebraucht wird." — E« ist doch seltsam, sagt« sich Theodor, al« er heute nach Hause ging, daß man seine Pläne niemals genau auSfiibren kann. Musikalische Soirsel Ich habe nicht einmal einen Frack. Ob mein schwarzer Rock gut genug ist- Ablehneu konnte ich die Einladung auch nicht. Wenn man A gesagt hat, muß man auch B sagen. Und in die Familie bin ich doch ganz ohne meine Absicht eingeführt worden. Es sind liebenswürdige Leute, doch kann ich nicht leugnen, daß es just die Leute sind, deren Umgang ich völlig vermeiden wollte. Aber es wäre unvernünftig, sie vor den Kops zu stoßen, denn es ist gut, daß ich die Protection des Generals in der dummen Geschichte mit den Nachtwächtern habe. Denn so viel babe ich ans meiner militairischen Praxis schon gelernt, daß Regulative und Instructionen und überhaupt alle Gesetze und alles Recht bei Militair und Civil im ganzen Reiche nnv vermutblich auch außerhalb des Reiches nur wächserne Nasen sind, die immer der Stärkere dem Schwächeren dreht. ES war Mitternacht, al« er nach Hause kam, gleichwohl fand er Minna noch wach. Sie stand mit einer brennenden Kerze auf Posten. „Nun Minna, Sie sind noch nicht zu Bett?" fragte er. Minna antwortete nicht, aber geleitete ihn in sein Zimmer und fragte ihn nach seiner Kopfwunde. „Es ist nicht«, sagte er, „da« ist nun von selbst geheilt." Aber Minna untersuchte die Stelle und kühlte sie noch einmal mit frischem Wasser. Sie tbat da« in so geschickter Art und hatte ein so ganz eigene« anmuthige«, theiluahms- volles Benehmen, daß der Hauptmann dachte, seine Burschen wären doch sammt und sonder« nur Tölpel gewesen. Er dankte ihr freundlich und ging mit der Absicht zu Bett, sich am folgenden Morgen allen nothwendigen Ersparungen zum Trotz einen fertigen Frackanzug zu kaufen. ^ ehe Theodor hatte aut geschlafen, den Kaffee getrunken, den Minna ihm gebracht hatte, und wollte gerade ausgehe», um ein ConfectionSgesckäft aufzusuchen, al« der junge Graf Montbar bei ihm eintrat. „Wollen Sie meine Pferde sehen?" fragte er. „Vielleicht macht e« Ihnen Vergnügen, einen Spazierritt mit mir zu machen." „Sehr freundlich, mein bester Graf", erwiderte Theodor, „aber ieb babe keine Zeit, Ick, habe Geschäfte in der Stadt." „Schade", sagte der Graf, „dann müssen wir ein ander Mal reiten. Meine Gäule stehen immer zu Ihrer Ver fügung." „Mein lieber Graf", sagte Theodor lächelnd, „ich weiß di« Größe dieser Gunst zu schätzen, denn man verleiht ja Alles eher al« sein Pferd. Aber erstlich wissen Sie nicht, wie ich reite, und ob ich Ihren Gaul nickt verderbt, zweiten« gestehe ich Ihnen offen, daß ich nunmehr, nachdem ich die Uniform auSgrzogen babe, nichts mehr mit dem Sport zu tbun haben möchte. Ich werde mich ganz auf Civilbeschäf- tigungen legen. Sehen Sie hier die Gäule, die ich reite." Mit diesen Worten wies er auf sein Schränkchen mit den Mineralien und auf einen kleinen GlaSschrank, worin seine Bücker schön gebunden und zierlich geordnet standen. Der Graf warf einen flüchtigen Blick darauf. „Scheuß lich!" sagte er. „Apropos, Herr Hauptmann, heut« Morgen ist der Polizei- ches bei meinem Vater gewesen und hat um Entschuldigung gebeten. Die drei Nachtwächter sind ein jeder zu drei Tagen Mittelarrest verdonnert worden." „Die armen Kerle!" sagte Theodor bedauernd. „Pah, Sie kennen die Stadt noch nicht. Hier giebt es eine Masse Socialdemvkraten." „Ich bin erst seit vorgestern hier." „Ah, da werden Herr Hauptmann keinen Bescheid wissen. Wenn Sie erlauben, begleite ich S>» und zeig« Ihnen den Weg. Wo haben Sie denn Geschäfte?" „Ja, ich suche ein gutes ConfectiouSgeschäst, ick, will mir einen Frack kaufen, d» ich für heul« Abend von Ihrer Frau Mutter zur Soirö« getrden worden bin." „Sie kriegen keinen fertigen Frack." „Sie glauben nicht?" „Bestimmt nicht. Ich wollte mir vor vier Wochen «inen kaufen, weit ich rin Locat besuchen wollt«, wo man nicht in Uniform sein kann, und ich babe keinen gekriegt. Wenn Sie übrigens meinen Frack, den ich mir Hab» bauen lassen, an- zieben wollen, wird es mir eine Ehre sein. Wir haben so ziemlich dieselbe Figur." „Ich bin etwas stärker", sagt« Theodor und überlegte dabei, daß es vernünftig sein würde, die Ausgabe für «inen Frack zu sparen, den er doch vermuthlich nur einmal tragen würde, da er auf « Dorf ziehen wollte. „Probiren Sie", sagte der Graf. „Wir gehen zu meinem Ouartier." „Sehr freundlich", erwiderte Theodor. Der Frack paßt», und der Graf befahl dem Burschen, ihn zum Herrn Hauptmann zu trage». „Da« ist mein Chargenpferh", sagte er dann, auf den Hof zeigend, wo «in starker Brauner von einem andern Burschen geputzt wurde. „Hml" machte Tkeodor.
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