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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970402019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897040201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897040201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-02
- Monat1897-04
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissrrnsatz nach höherem Larit. (ktra. Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderuug 60.—, mit Postbesördrrung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Ubr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag» 4Ubr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 167. Freitag den 2. April 1897. 91. Jahrgang. Die neue Grrmdbuch-Or-nung. Nachdruck vtrbolen. vr. Lr. E» ist ein formalistischer Theil unserer Rechtsordnung und am wenigsten interessant, handelt e» sich doch im Wesentlichen darum, unter welchen Umständen daS Grundbuchamt Ver änderungen im Besitzstand der Grundstücke, sowie in deren Belastung mit Hypotheken oder Dienstbarkeiten in da» Grund buch einträgt. Da» allgemeine Interesse wird noch dadurch verringert, daß der Kreis der Personen, die bei dem Verfahren vor dem Grundbuchamt direct betheiligt sind, nicht groß ist, denn bekanntlich ist die Zahl derjenigen Menschen, welche sich Eigrnthümer eine» Theil» der Erdoberfläche nennen können, nur sehr gering gegenüber denjenigen, welchen von den Eigen- thümern ein Theil eines Grundstücks zu vorübergehender Be nutzung überlaffen ist. Größer al» die Zahl der Grund besitzer ist schon diejenige der Hypothek-Gläubiger. Im deulschen Reiche sind reichlich drei Viertel de« Werthes der Grundstücke verpfändet, ein Beweis einerseits dafür, daß die deutsche Landwirthschaft sehr stark mit Credit arbeitet, anderer seits dafür, daß das Grundrigenthum nur zum geringen Theil dem nominellen Eigrnthümer, zum größten Theil dem beweglichen Capital gehört. Selten nur interessirt daS Grundbuch denMiether und Pächter. Zwar stellt daS Bürgerliche Gesetzbuch in Ueber- einstimmung mit dem preußischen Landrecht den Satz auf: „Kauf bricht nicht Miethe", so daß der Käufer eines Grund stücks an die von seinem Borbesitzer geschloffenen MirthS- verträge gebunden ist, vorausgesetzt, daß sich der Mietber zur Zeit des EigenthmSwechselS schon im Besitze des vermietbeten oder verpachteten Grundstücks oder der Wohnung befindet; das durch den Miethsvertrag erworbene Recht erhält dadurch, baß es nicht nur gegen den Vermiether, sondern auch gegen den neuen Besitzer gilt, eine gewisse Ähnlichkeit mit den daS Grundstück unmittelbar ergreifenden dinglichen Rechten. Aber dennoch bat das MiethSrecht mit dem Grundbuch nichts zu schaffen, denn es bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht der Ein tragung inS Grundbuch. Für die weitesten Kreise kann aber eine andere Frage von Wichtigkeit werden, nämlich die, unter welchen Voraussetzungen die Einsicht des Grundbuch», abgesehen vom Eigen- thümer und den durch Eintragungen Berechtigten, gestattet ist. Bisher schon soll dir Einsicht des Grundbuchs Jedermann gestattet sein, der ein „rechtliches Interesse" glaubhaft macht. In der Praxis wird aber fast Niemand die Einsicht gestattet, vielmehr fast regelmäßig die Genehmigung des Eigenthümers verlangt. Unter „rechtlichem" Interesse verstehen die Grund buchämter jetzt ein auf rin bestehende« Recht sich stützendes Interesse und versagen deshalb die Einsicht, wenn es sich um ein erst zu begründendes Recht handelt. In Fällen der letzteren Art soll fortan die Einsicht gleichfalls gestattet werden, also Leuten, die über den Erwerb des Grundstücks oder über Be gründung, Aenderung oder Löschung von Rechten an dem selben verhandeln, sowie ferner z. B. auch Personen, die mit dem Eigenthümer des Grundstücks einen Werk vertrag bezüglich desselben geschloffen haben oder schließen wollen, also namentlich den Bauhandwerkern. Diese Er weiterung de- Rechts zur Einsicht de» Grundbuchs ist dadurch ausgedrückt, daß in der neuen Grundbuchordnung gesagt ist: „Die Einsicht deS Grundbuchs ist Jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt." Die obigen Beispiele sind im Gesetz nicht aufgeführt, sie sind in der ReichStaaScommission erwähnt. Dort ist auch weiter auSgefübrl, daß zur „Dar legung" des berechtigten Interesses nicht die bloße Be hauptung desselben genüge, vielmehr dir thatsächliche Begründung und je nach den Umständen auck der erforder liche Nachweis hinzutreten müsse. Es muß der Richter davon überzeugt werden, daß die Person, die daS Grundbuch einsehen will, nicht aus frivolen Gründen oder aus Neugierde handle, sondern ein verständiges, durch die Sachlage gerecht fertigtes Interesse habe. AuS diesen Gründen wird man z. B. einem Bräutigam die Einsicht des Grundbuchblattes, welches die Grundstücke seiner Braut ausfübrt, gestatten, nickt aber einem Manne vor der Verlobung. Eine gewisse Vorsicht auf Seiten deS Richters ist immerhin nötkia, venu bLS Grundbuch giebt in ganz andrer Weise, als sonst die öffent lichen Register, wie daS Handelsregister, daS Schiffsregister rc., Aufschluß über die vermögensrechllichen Beziehungen der Betheiligten. Einige Staaten haben jedoch, ungeachtet dieser Bedenken, da« Grundbuch Jedermann ohne Weiteres zugängig gemacht, und zwar Hamburg, Lübeck, Elsaß-Lothringen. Diese Einrichtung hebt das neue Gesetz nicht auf, r« bleibt vielmehr allen Staaten überlassen, Privat personen die Einsicht des Grundbuchs in weiterem Umfang zu gestatten, als eS in der neuen Reichs-Grundbuchordnung geschieht. — DaS Recht der Einsicht gewinnt dadurch eine besondere Bedeutung, daß eS sich nicht nur auf das Grund buch, sondern auch auf die darin in Bezug genommenen Urkunden (z. B. die Verträge) bezieht, sowie auch auf die noch nicht erledigten EintragungSanträgr, sowie ferner, daß auch eine beglaubigte Abschrift des Grundbuchblatts er- theilt werden muß. Andere Bestimmungen der Grundbuchordnung haben nur Werth für Grundbesitzer, Hypotbekgläubiger und sonstige dinglich Berechtigte. Da ist vor Allem der Grundsatz von der Haftpflicht des Staats zu erwähnen, nämlich der Satz, daß, wenn durch Pflichtverletzung eines Grundbuch- beamtrn Jemand geschädigt »st, an Stelle des Beamten sofort der Staat, in dessen Dienst der Beamte steht, auf Schaden ersatz in Anspruch genommen werden kann. Da das Grundbuch öffentlichen Glauben genießt, so ist --S eine Nothwendigkeit. auch wirklich dafür einzustehen, daß, wer auf die Richtigkeit vertraut, nicht Schaden leidet. Daß der Staat sofort haftbar ist, wenn auch der Beamte vermögend ist, gilt gegen wärtig nur im Königreich Sachsen und auf dem linken Rhein ufer. Es bleibt dem Staat überlassen, sich an den sckuldigen Beamten zu halten. — In Verbindung mit der Haftpflicht der Grundbuchbeamten siebt deren Recht, ungerechtfertigte Ein tragungen von Amts wegen zu berichtigen. Da die Beamten schadenersatzpflichtig sind, glaubte man, ihnen auch das Recht verleiben zu müssen, daß sie, wenn sie nachträglich erkennen, daß eine Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen sei, ihrerseits einen Widerspruch eintragen und sogar eine Eintragung, die nachträglich für unzulässig ge halten wird, von Amts wegen löschen können. Diese Be richtigungen von Amt- wegen, wogegen nicht einmal eine Be schwerde oder ein Proceß zwischen den Betheiligten zulässig ist, sind, wir ObrrlandrsgerichtSrath Or. Wolfs in der „D. Jurist Zeitung" «»«führt, sehr bedenklich, vom Reichstag jedoch im Wesentlichen unverändert nack der Regierungsvorlage an- g-n-mm-», n wird -bzuwa-ttu s-i», °b di- Mul", -Nd ""Ln".7.L'L.n,-n i». °°s d., s«ddu».°d-- Grundlage eines übereinstimmenden Kataster« ) buck«, Meßregisters eingerichtet wc^en ann In größeren deulscken Staaten giebt eS I« überall zuverlässig F und auch sonst. Dadurch wird rin The,j de« Inhalts ve« GrundbuckS unzuverlässig, »am'ch v.e Angaber die Laar und Größe des Grundstück«. Diese Angaven werde/allerdings überall, auch wenn da« Grundbuch sie wiederaiebt, von dem öffentticken Glauben desselben ruck gedeckt? denn sie sind „tdatsächlicher" Natur, der °!s-ntl,che Glaube des Grundbuch« bezieht sick aber nur ""1 ^ licken Verhältnisse. Um den Betheil,gten wenigsten» eme Controle jener thatsäcklichen Eintragungen zu ermöglichen, hat deshalb der Reichstag an die Regierungen daS Er suchen gerichtet, dahin zu wirken, daß be, der Reuanlcgung von Grundbückrrn das Vrrzeichmß der Grundstücke auf eine Flurtarte gestützt sein müsse, in der d.e Grundstücke m,t den- selben Nummern oder Buchstaben verzeichnet sind, wie in dem Verzeichnis Deutsche- Reich. -8- Leipzig, 1. April. Während der Abwesenheit deS Herrn Senatspräsidcnten Or. Kayser übernimmt^ Herr Reichsgerichtsrath Vr. Rassow die Leitung der Senats- grschisle des fünften CivilsenatS. 0. II. Berlin, I. April. Es kann wohl nunmehr al« ganz sicher angenommen werden, daß der neue StaatS- secretair de« ReichSmarine-AmtS Contreadmiral Tirpitz sein wird und daß also Herrn Hollmann'S Urlaub nur der Vorläufer de- definitiven Rücktritts ist. Contre admiral Tirpitz ist erst im vorigen Jahre (April) zum Cdef der Kreuzerdivision ernannt worden; eS hieß damals, daß er zwei Jahre „draußen" bleiben würde, und die vor wenigen Wochen bekannt gegebenen Frühjahrs- und Sommer- rommandirungen liegen erwarten, daß daö Commanvo der Krenzerdivision in Ostasien weiter in den Händen deS Herrn Tirpitz liegen werde. Wenn er jetzt plötzlick von Ostasien hierher berufen wird, um die Geschäfte deS beurlaubten StaatSsecretairS Hollmann zu führen, so muß e« sich um mehr als di« provisorische Vertretung handeln, sonst hätte ja Contreadmiral Büchsel, der Herrn Hollmann für etliche Wochen vertreten muß, ihn auch noch etliche Wochen länger vertreten können. Ferner ist sehr bemerkenSwertb, daß der Contreadmiral Plüddemann, der ja eigentlich der Vertreter de« Herrn Hollmann wäre, von seinem Posten al- Vorstand der ua»> tiscken Abteilung deS ReichSmarine-AmtS abberufen ist; Herr Plüddemann hat ein ältere- Patent als Contreadmiral als sei» Kamerad Tirpitz, und unter einem jüngeren Staats- secretair kann Herr Plüddemann nicht weiter als Abtheilungs- ches fungiren. Tirpitz war Jahre lang Chef deS Stabe- deS Ober kommandos der Marine, ihm ist eS zu verdanken, daß das deutsche Torpedowesen so gewaltige Fortschritte gemacht bat. In einer Ordre des Kaisers an den damaligen commandirenkcii Admrral Freiherrn von der Goltz über die Herbstmanöver 1894 wird au-drücklich auf die hervorragende Tbätigkeil des damaligen CapitainS zur See Tirpitz hinarwiesen. Die Pläne der früheren Herbstnianövrr haben ebenfalls Herrn Tirpitz zum Verfasser gehabt. Im August 1893 trat er von seinem Posten als Chef deS Stabes deS Obercommanvos ab und ging dann, nachdem er etliche Monate auf Urlaub gewesen, nach Kiel. Er ist bei dem Kaiser peiLona gratissimL und hat ihm oft mals Vortrag gehalten. Er ist ein sehr gewandter Redner und ein diplomatisch geschulter Kopf, der sicherlich für die Vorlegung seiner „Niederschriften" den rechten Zeit punkt findet. Am 22. September 1869 ist er Unterlieute- nant zur See geworden, am 13. Mai 1895 Contreadmiral; er brachte es also in 251/, Jahren zum Flazgofsicier und kann io"'" aus eine ungemein rasche Carriöre zurückblickc». Sein Nachfolger im Commando der Kreuzerdiviston, Contre admiral v. Die derichs, war auch sein Nackfolger als Chef des Stabes desObercommaiidoS,bis ihn in dieser Stelle nach Jahres frist Contreadmiral Barandon ablöste. Herr v. Diederichs ist jetzt der älteste Contreadmiral (Tirpitz der achte); er wurde am 27. August 1867 Unterlieutenant zur See und brachte rS in noch nickt fünfundzwanzig Zabren (20. Januar 1892) zum Flaggosficier. * Berlin, l. April. Unter den Glückwünschen, die dem früheren Cultusmiuister Or. Falk zu seinem sünfzigjährigeii Dienstjubiläum zugcgangen sind, befand sich, wie gemeldet, auch eine Adresse der philosophischen Facultät der Akademie zu Münster, die die Verdienste de« Ministers um das Unterrichtswesen und die öffentliche Rechtspflege her- vorhedt. Hierzu bemerkt in Heller Entrüstung die „Germania": „Diese Adresse erhält ihren besonderen Charakter dadurch aus geprägt, daß sie von der philosophischen Facultät einer stiftungs- mäßig katholischen Akademie ausgeht. Für diese Facultät als..Leuchte" im „finstern" Münster hat vr. Falk als Cultue- minister allerdings sehr viel gethan, so viel, daß deshalb den Kennern der einschlägigen Verhältnisse auch die Absendung einer solchen Adresse nicht mehr verwunderlich erscheinen kann. Ueber Tendenz und Zweck dieser bejonderen Fürsorge für die philosophische Facultät an der Akademie in Münster seitens des Herrn Vr. Falk brauchen wir ja auch kaum ein Wort zu verlieren. Aber hätte die Facultät sich nicht auf den besonderen Dank für das ibr besonders zu Tbeii gewordene Wohlwollen des früheren Cuttusininisters beschränken können? Statt dessen lobt sie Falt's Verdienste um das „gesammte Unterrichtswesen" ohne irgend welche Ein schränkung, ohne das Zurückdrängen der Kirche aus der Schule, ohne den Februarerlaß u. j. w. auch nur in diseretester Weise zu berühren! Und die Akademie in Münster soll oder sollte doch katholisch sein! Wir wundern uns sreliich, wie schon de- merkt, darüber nicht mehr." Dieser Haß der Ultramontanen, der heute noch so lebendig ist wie vor 18 Jahren, kann nicht Wunder nehmen, da auch die „Kreuzztg." das Jubiläum Falk'S zum Anlaß nimmt, gegen die „doctrinaire" Thätigkeit des ehemaligen Cultus- Bismarck als Naturschilderer. Bon Hermann Pilz. Nachdruck vnbot-n. Wie oft hat man hören und lesen können, daß der größte Staatsmann dieses Jahrhundert-, der Schmied der neuen deutschen Kaiserkrone, wohl für vie großen Fragen der Welt geschichte ein staunrnswertbeS Berständniß besitze, daß er abet unempfänglich sei für dir stillen Schönheiten der Kunst und Natur. Er besitzt mehr Verstand als Gemüth, ist von dem eisernen Kanzler gesagt worden, und ohne Gemüth kein wahrer Naturgenuß, kein volle- Sichversenken in die ideale Welt der künstlerischen Schönheit. Bismarck, dessen Leben unablässiges Arbeiten im Dienste seines Vaterlandes war und ist der mit Blut undEisen, um seine eigenen Wort« anzuwenden, dir großen Fragen der Zeit zu lösen hatte, war freilich nicht im Stand«, sich oft und anhaltend dem Genüsse stiller Naturbetrachtung binzugrben. Dir Rolle, vie ihm auf der Weltbübnr zugetheilt war, und di« er in so gewaltiger Weise zu End« geführt hat, absorbirt« srinr Lebenskraft und ouldete k«inr Naturschwärmrrri, keine roman tischen Gefühle, wie sie empfindsamen Seelen erlaubt sind. Und koch fand auch er im Kampfe für die deutsche Einheit, den er seit Beginn seiner diplomatischen Laufbahn,wenn auch anfänglich unerkannt, geführt bat, ab und zu Stunde» de« Frieden-, wo er procul a negotii, sein, und dem Herzen sein Recht werden lassen konnte. Und wilch' rin große«, reiche- Herz öffnete sich vannl Welch' rin liebevolle- Herz offenbart sich in den Briefen, dir er an seine Lebensgefährtin, au seine Schwester und andere Freunde und Verwandt« in Stunden der Muß« geschrieben hat. Wenn er von dem hohen, politischen Wart» lhuri», auf dem er mit Falkenaugen rundum spähte, herab» steigen konnte, van» flüchtet« er auch gern in da- Reich der Natur und genoß ihren Zauber in vollen, durstigen Zügen. Aus den erwähnten Briefen wissen wir, wi« innig er de« Schönheiten der Natur zugetba» war, wie sein Herz aufging am rauschenden Meer, oder intniiten der trotzigen, bimmrl- anstrebenden Berge, di« gigantisch ivit er selbst in dir Welt ragen. Ja, der „eiserne Kanzler", der kühle, berechnende Politiker, der weltkunvige Denker, ln solchen Stunden wurde er zum Träumer und Dichter, und die Romantik, die nach seinen Worten jedem Deutschen »ng«h»r»n ist, übt» auch über ihn ihre hold« Macht au«. Mit wahrem Genuß liest man die Naturschilderungen in BiSmarck'S Briefen. Seine scharfe Beobachtungsgabe tritt unS auch auf diesen Blättern entgegen. Mit wenigen Worten zeichnet er ein Landschastsbild, ckarakterisirt er Land und Leute. Dabei läßt er seinem biderben, echt deutschen Humor freien Lauf und giebt durch ihn seinen Schilderungen noch eine besondere Würze. Nach des Meister Josepbus Tode wurde au- seinem Nachlaß eine Sammlung von Reisebildern veröffentlicht, die Johanne- Prölß herauSgegrben hat. Mit diesen Sckeffel'schrn Naturschilderungen haben auch diejenigen Bismarck s in seinen Briefen viel Gemeinsame«. Zweifellos ist der sonnige Humor, der sie durchleuchtet, ein tertium compk>ratiom8. Aus dem Anfang der vierziger Jabre besitzen wir brief liche Kundgebungen deS Altreichskanzler« an seine Schwester Malwine, an welcher der reckenhafte Bruder mit rührender Zärtlichkeit hing. „Er war mit ihr wie mit einer Braut", sagten die Leute in Schönhausen. In den Briefen an sie an- dem Seebad Norderney, wo sich Bismarck im September 1844 aufbielt, spricht er in beredter Weise von „GotteS herrlicher Natur" und schildert die Freuden deS Strandlebens und den Kampf mit den Wellen beim Baden. „Mit der See habe ich mich überhaupt sehr befreundet; täglich segle ich einige Stunden hinaus, um dabei zu fischen und nach See hunden zu schießen. Von letzteren habe ich nur einen erlegt, ein so gutmüthigeS Hundegesicht, mit großen, schönen Augen, so daß e- mir ordentlich leid that". Am 8. Juli 1851 schreibt er aus Frankfurt c». M. aN seine Gemahlin: „Gestern und beute wollte ich gern an Dich schreiben, kam aber vor allem Geschäftswirrwarr nicht eher dazu, als jetzt spät am Abend, wo ick von einem Spazier gang zurückkonime, auf dem ich in reizender Gommernacht» luft, Mondschein und Pappelblättergeschwirr den Actrnstauh de« Tage- abgrstreift habe. Am Sonnabend bin ich mit Rochow und Lynar Nachmittag« nach RükrSbeim gefahren. Da nahm ick mir einen Kahn, fuhr auf den Rhein hinaus und schwamm im Mondschein, nur Nase und Augen Uber dem lauen Wasser, bi» nach »em Mäusrthurm bei Bingen, wo der böse Bischof umkam. S« ist doch etwa« seltsam Träumerische«, so In stiller, warmer Nacht einsam tm Wasser zu liegen, vom nur leise rauschenden Strome langsam getrieben, uuv den Himmel mit Mond und Sternen und seitwärts die waldigen Berggipfel und vurgzlnueu im geisterhaften Mond« licht ,u sehen »UV fast nicht- als da« leist Plätschern der tlgenen Bewegung zu hören. Ich möchte alle Abend s» schwimmen." „Wahrlich «in tiefer un» starker Mensch" ruft Büchner bei Wiedergabe diese« Briefe« au«, „ein Stück von einem Poeten!" Als er im Sommer 1852 in Wien war, ging er auck nach Sckönbrann, daS er schon auf der Hochzeitsreise mit seiner Gemabiin besichtigt hatte. „Gestern war ich in Schönbrunn", schreibt er ihr, „und gedachte an unsere aben teuerliche Mondscheinexpedition beim Anblick der himmelhohen Hecken und der weißen Statuen in den grünen Büschen und besah mir auch das heimliche Gärtchen, in das wir zuerst gerietben." Am 23. Juni 1852 fuhr er von Wien nach Ofen, wo er am folgenden Tage beim Kaiser von Oesterreick eine sehr freundliche Aufnahme fand. Am Tage seiner Ankunft in Ofen schreibt er an die Gemahlin: „Soeben komme ich vom Dampfschiff. Der Kaiser hat die Gnade gehabt, mir ein Quartier in seinem Schlöffe anzuweisen, und ich sitze hier in einer großen, gewölbten Halle am Fenster, zu dem die Abendglocken von Pest feierlich herein klingen. Der Blick hinaus ist reizend. Die Burg liegt hoch, unter uns zuerst die Donau, von der Kettenbrücke über- spannt, dahinter Pest und weiterhin die endlose Ebene Uber Pest binauS in blaurothem Abendduft verschwimmend. Neben Pest links sehe ich die Donau aufwärts; weit, sehr weit links von nnr, d. b. ans vem rechten Ufer, ist sie zuerst von der Stadt Ofen besäumt, dahinter Berge, blau und blauer, dann braunrotb im Abendhimmrl, der dahinter glüht. In der Mitte beider Städte liegt der breite Wasserspiegel wie bei Linz, von der Kettenbrücke und einer waldigen Insel unterbrochen. Auch der Weg hierher, wenigstens von Gran bis Pest, würde Dich gefreut baden. Die Schattenseite der Fahrt war vie — Sonnen seite E« brannte nämlich, als ob Tokayer auf dem Schiffe wachsen sollte, und die Menge der Reisenden war groß. Aber, denke Dir. nicht ein Engländer! Die müssen Ungarn noch nicht entdeckt haben! Wärst Du doch einen Augenblick hier unv kbnntest jetzt auch vie matksilberne Donau, vie dunkeln Berge auf blaßrothem Grund und di« Lichter sehen, di, ?,"*»d.est berausscheinrn. Wien würbe sehr bei Dir ,m Preise sinken gegen Budapest, wie ver Ungar sagt. „Du siebst, ich h,n ein Naturschwärmer!" Tage fügt er weiter hinzu: „Ich habe heute tü" ^tragen. IN förmlicher Audienz dem jungen Herrscher d.esr« Lande« meine Cr.ditive überreicht und einen lehr wobithnenden Eindruck erhalten. Nach der Tafel wurde Ercursion in'« Gebirge gemach! zur Eibl"«« '"ge todt ist. Der König "or "licken Hunden Iabren. ?,r ding,führt, bi« den Kaiser. «is»t», mit tobenden Eljen um. M di.' 5!»^." .!?."? ?' walzten, sangen, musikinen. m di, Bäume kletterten und drn Hof drängten Auf einem Nasenabhange war ein Soupertisch von etwa 20 Personen nur auf einer Seite besetzt, die andere für die Aussicht auf Wald, Burg, Stadt und Land freigelaffrn. Ueber uns hohe Buchen mit kletternden Ungarn in den Zweigen, hinter uns dichtgedrängtes und drängendes Volk in nächster Nähe, weiterhin Hörnermusik mit Gesang wechselnd, wilve Zigeunermelodien. Beleuchtung: Mondschein und Abendrotb, dazwischen Fackeln dmch den Wald. Du siehst, das Gemälde war reich an Contrasten. Dann fuhren wir unter FackeleScorte im Mondschein nach Hause." Im August 1857 kam Bismarck im Auftrag seiner Re gierung in der schleSwig-holsteinischen Frage nach Kopen- bagen. Er machte von hier auS IagdauSflüge über Malmö nach NäSbyholm und ferner nach Helsingborg und TomSjonäs in Schweden und gab sich ganz, wie au» den Briefen an die Gattin hervorgcht, den großartigen Natureindrückcn bin. In den Briefen auS TomSionäS beißt es: „Denke Dir von der wüstesten Gegend bei Viartlum (Puttkamer'scbeS Gut in Pommern), etwa 100 Quadratmeilen auseinander, hodcs Heidekraut mit kurzem Gra« und Moor wechselnd und mn Birken, Wachholder, Tannen, Buchen, Eichen, Eilen, bald undurchdringlich dick, bald öde und dünn besei-i, daS Ganze mit zahllosen Steinen bis zur Groß: von hausdicken FelSblöcken besät, nach wildem Rosmarin unr Harz riechend. Dazwischen wunderlich gestaltete Seen, von Haidebügeln und Wald umgeben, — so hast Du Smalanr, wo ich mich dermalen befinde. Eigentlich das Land m einer Traume, unerreichbar für Depeschen, College» und — leider auch für Dichl Ick mochte woyl an einem dieser stillen Seen ein Iagdschlößchen haben und eS mit allen Lieben, die ich mir jetzt in Steinfeld versammelt denke, aus rillige Monate bevölkern." Und in einem späteren Briefe beißt eS: „Gestern hatten wir eine ungewöhnlich anstrengende Jagd, weit fort und felsia, die mir einen jungen Aueroab» einbrachte, aber Mich auch so zahm gemacht, daß ich heute zu Hause sitze Und Umschläge mach». Reizende Gegenden hatten wir gestern, sechs große Seen mit Inseln, Bergström: über FelSblockr, Granitufer mit Tannen und grauen Fels Massen, meilenweitt Flächen ohne Häuser und ohne Acker, Alle», wie eS Gott geschaffen bat: Wald, Feld, Haide, Suims, Ter .... Ich werde doch wohl noch hierher au s- wandertl!" Dieser Wunsch wurde freilich nichterfüllt. Aber die Aus Wanderung kam nach — Rußland. Bismarck bekam tc» Botschafteeposten in Petersburg übertragen und trat am t Aprll 1859 seine Neue Stellung an. Er war, wir er sagte, „kalt gestellt". Am 6. Juni h«ßt r» in einem Briefe an seine Gemahlin au» Moskau: „Rachd«m ich in letzter
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