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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970402021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897040202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897040202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-02
- Monat1897-04
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Größere Schriften laut unserem Preis» verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-veilageu (gesalzt), nur mit der Morgen. Ausgabe, ohne Postbesörderunz, ÜO.—, mit Posibefürderung 70.—. Zlnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Aiinabmestelleu je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stets an die Expedittsn zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 168. Freitag den 2. April 1897. 81. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. April. In der un» heute vorliegenden gestrigen Abendausgabe der „Hamb. Nachr." liegt eine Bestätigung der Meldung, daß unter den dem Fürsten Bismarck zu seinem Geburts tage zugegangenen Glückwunschtelegrammen auch ein solches deS Kaisers sich befinde, das in sehr herzlichen Aus drücken abgefaßt sei, noch nicht vor. Bestätigt sich die Nachricht, wie wir von Herzen wünschen, trotzdem, so wird dadurch aller dings das Befremden über Vorgänge und Unterlassungen vor und während der Cen tenarfeier nicht abgeschwächt, aber es wird wenigstens die schmerzlicke Besorgniß beseitigt, daß „der Draht zwischen Berlin und Friebrichsruh vollständig zer rissen" und der Hoffnung, den Erben und den großen Diener deS ersten Kaisers wieder in persönlichem Einvernehmen zu sehen, definitiv der Abschied zu geben sei. Daß intimere Be ziehungen zwischen dem Oberbaupte des Reiches und dem ersten Kanzler sich wieder ankniipfen lassen könnten, hat man längst als unmöglich erkannt, aber immer größer werden die Kreise der Nation, die im Interesse der monarchischen Idee den dringenden Wunsch hegen, daß das Verhältniß sich wenigstens zu keinem unfreundlichen gestalte. Das Volk hängt mitunverbrüchlicherLiebeund Dantbarkeitan „seinem" Bismarck, und es ist ihm schmerzlich, zu glauben, daß gerade das höchste Haupt im Reiche nicht dieselbe Neigung für den großen Mann empfinde. Es ist nur zu begreiflich, wenn der einfache Mann aus dem Volke das Gefühl hat, das Reichsoberbaupt müsse von noch größerer Verehrung als jede andere Person im Staate für den Fürsten Bismarck durchdrungen sein, weil dieser die Krone geschmiedet, die das Haupt des Kaisers schmückt. Und noch Eins: Jeder gute Deutsche atbmet er leichtert auf, seitdem die Sorgen, die er in den letzten Wochen wegen der wenig günstigen Nachrichten über das Befinden des Fürsten empfand, wieder zerstreut worden sind, aber trotzdem muß man sich mit dem bangen Gedanken ver traut machen, daß der greise Mann, der im Dienste des Vaterlandes mehr an Kraft ausgewendet bat, als Dutzende von Menschen des Mittelmaßes zusammen besitzen, einmal von seinem Vaterlande wird scheiden müssen. Dann würde es für unzählige Deutsche ein nie wieder zu beseitigendes Gefühl des Schmerzes sein müssen, wenn der späte Lebens abend des großen Kanzlers durch ein ungünstiges Verhältniß zwischen ihm und dem Träger der Krone getrübt worden wäre. Darum wünschen wir aufrichtig, daß ein Glückwunsch deS Kaisers an den Fürsten Bismarck wieder Beziehungen angebahnt bat, die eigentlich zwischen einem deutschen Kaiser und dem ersten Kanzler des deutschen Reiches selbstverständ lich sind. Mögen diese Beziehungen niemals wieder eine Trübung erfahren. Aus der Tbatsache, daß der Contre-Admiral T irpitz mit der Stellvertretung des beurlaubten Ltaatssecretairs des ReichSmarincamtS beauftragt ist, wird allgemein gefolgert, daß dem Urlaube des Admirals Hollmann die Be willigung seines nach der Abstimmung der Budgetcommission über die Forderungen des Marineetats eingereichten und bisher in der Schwebe gebliebenen Entlassungsgesuckes folgen solle und gleichzeitig mit dieser Bewilligung die Er nennung des Herrn Tirpitz zuin Ttaatssecretair erfolgen werde. Contreadmiral Tirpitz commandirt zur Zeit das ostasiatische Geschwader, und man würde ihm die fünf- bis sechswöchige Reise kaum zugemuthet haben, wenn es sich für ihn nur um eine provisorische Beschäftigung im Marineamt bandeln sollte. Er selbst hat auch bereits auf dem ostasiatischen Posten einen Nachfolger in dem Contreadmiral von Diebe richs erbalten. Die „Köln. Ztg." ist von der Aus sicht auf einen Wechsel an der Spitze des Marineamtes wenig erbaut; sie hält es für bedenklich, daß wegen eines parla mentarischen Mißerfolges ein solcher Wechsel für nothweudig erachtet werde, und fährt dann fort: „Noch mehr befürchte» wir, daß daraus laus dein Wechsel) der Marine keinerlei Nutzen, wohl aber die Gesahr einer Schädi gung ihrer stetigen und gedeihlichen Entwickelung entstehen kann. Tenn das wird von allen Seite» anerkannt, daß Herr Hollmann es in siebenjähriger ruhiger und sachlicher Wirksamkeit an der Spitze des Marineaints verstanden hatte, sich nach und nach das Vertrauen der ausschlaggebenden Parteien in der deutschen Volksvertretung zu erwerben, und daß es ihm deshalb gelungen ist, vielfach die Be willigung von Marinesorderungen im Reichstage durchzusetzcn, die an sich zunächst größeren Widerstand fanden. Sein in Aussicht genommener Nachfolger steht dem Reichstag völlig fremd gegenüber. Hat er auch unter Caprivi einige Jahre, irren wir nicht bis zum I. April 1886, der Admiralität angehört, jo ist er Loch damals kaum parlamentarisch hervorgetreten." Wir sind anderer Meinung. Es handelt sich bei Herrn Hollmann nicht nur um einen parlamentarischen Mißerfolg, sondern um einen Schuldantbeil an einem solchen Miß erfolge. Dieser wäre vielleicht nicht so groß gewesen, wenn die der Budgetcommission verspätet vorgelegte „Niederschrift" früher bekannt gegeben worden wäre. Jedenfalls hat seine Taktik „das Vertrauen der ausschlaggebenden Parteien in der deutschen Volksvertretung" auf ihn nicht erhöbt. Im nächsten Jahre würde er und mit ihm der Marine-Etat jenen taktischen Fehler wahrscheinlich zu büßen baben. Ein Wechsel an der Spitze des Neichsinarineamtes braucht also die Aussichten auf ein günstigeres Schicksal der nächstjährigen Marine forderungen nicht zu verschlechtern. Es kommt nur darauf an, daß Herr Tirpitz es versteht, den Fehler seines Vor gängers zu vermeiden und zugleich die maßgebenden Persön lichkeiten für einen neuen, auf die Verhältnisse der Neuzeit gegründeten Flottenbauplan zu gewinnen, gegen den die Mehrheit des Reichstags nicht die Gründe ins Gefecht führen kann, die gegen den veralteten Flottenbauplan von !873 geltend gemacht werden konnten. Ob er das versteht, laßt sich jetzt noch nicht beurtheilen; ihm ein Mißtrauen irgend welcher Art entgegenzubringen, würde also ein grober Fehler der Freunde einer zeitgemäßen Entwickelung unserer Marine sein. Die Hauptstadt Oesterreichs wird aller Voraussicht nach in Kürze dem Häuptling aller Antisemiten, Herr» vr. Lueger, als ersten Bürgermeister huldigen, nachdem, wie ge meldet, sein Platzhalter Herr Strobach dieses Amt, wie verabredet, nicdergelegt hat. Als nach dem Siege der ver einigten Rückschrittsparteien bei den Wiener Gemeindewahlen durch die Intervention des Kaisers Franz Joseph die Wahl Or. Luezer's zum Bürgermeister zunächst lverhindert wurde lind in Folge davon ein ernster Conflict zwischen der Majorität des Gcineindcrathes und der Regierung auS- zubrechen drohte, kam es, wie erinnerlich, zu einem Eomproniiß, durch welchen Lueger als erster Vicebürger- meister eingesetzt und die Stelle des Oberbürgermeister» einem Strohmann aus den Reiben der „Christlich-Socialen", Herrn Strobach zugetheilt wurde. Der letztere erließ bei seinem Amtsantritte eine Erklärung, die diesen als Provi sorium kennzeichnete, und jetzt hat er die Consequenzen gezogen und sein Amt niedergelegt, um für vr. Lueger Platz zu machen. Unaufgeklärt bleibt noch, ob der Scenenwechsel in diesem Augenblicke mit oder ohne Zustimmung der Re- Ä-Nft" Wi°»s Am B.d->u m d-r «n.w°r. aus eine Interpellation im Abgeordnetenhaus«. ford-'rUch-^ ULS-WL« Führung der Verwaltung nicht Zweckel i h - " vr Lueger bat nun freilich von all ven Eigenschaften, die seine Nichtbestätigung durch de» . Ka, er . b-dmgte. bisbe! „och keine einzige abgelegt sie ^.nchr un Kamps gegen die Liberalen, wenn möglich, noch gesteigert. <-r kst^also derselbe, den früher der Kaster »'cht an de Spitze der Reichshauptstadt sehen wollte. ^ Aber v,ei leicht ist in der Zwischenzeit zun: politischen Verdienste g - worden, was früher als gesellschaftlich minder haltbar gegolten hat und die Ent,che,du„g darüber ist eS gerade, welche ein scharfes Streiflicht auf die o,lerreich,scheu V-rhalt- uisse werfen wi>-d und die eigentliche politische Bedeutung des >UvischciisallS ausmackt. Die Entscheidung über die erste Wiener Bürgernieisterstelle kann deshalb als Prüfstein dafür betrachtet werden, welche der beiden Regierungs-,,Nuancen , über die Graf Baden, verfügt: die liberalifirende oder die streng reactionäre, zur Anwendung kommt. Eine neue Phase in dem griechisch türkischen Conflrct! Die Mächte sind wieder einmal einig und zwar ,n der ent scheidenden Frage der Blockade der griechischen Kuf e. Es sollen unverzüglich Schritte gethan werden zu 'brer als baldigen Durchführung, um der aggressiven Haltung Griechen lands endlich Einhalt zu thun. Somit wäre der gordische Knoten auf einmal gelöst und Griechenlands Demülhigung nur noch eine Frage ganz kurzer Zeit. Allein man thut gut, sich nicht allzu großem Optimismus hiiizugeben. Die Met- vung, daß England sich nicht mehr auf seinen ab lehnenden Standpunct versteife, waS wir gestern schon als wahrscheinlich bezeichneten, entspricht allerdings den Thatsachen, aber der ersten Nachricht, welche die Blockade der ganzen griechischen Küste, also der Haupthafen, ankündigte, ist unmittelbar auf dem Fuße die andere gefolgt, England habe seine Zustimmung zu dem Vorschlag der Admirale gegeben, den Golf von Athen zu blockiren. Das ist eine wesentliche Einschränkung, aus der hervorgeht, daß England noch immer der Blockade ves Hafen» von Volo ablehnend gegenübersteht. Der Golf von Volo im Nordosten der griechischenHalbinsel bildet bekanntlich denSchlüssel zuTbessalien vom Meere aus und den directen Zugang zum griechischen Hauptguartier in Larissa auf dem Seewege. Würde der Hasen von Volo gesperrt, so wäre jede Conimuiiication mit Athen, jede Zufuhr zur See unmöglich gemacht und Griechenland wäre, da die Festlandverbindnng zwischen der Hauptstadt und dem Kriegsschauplatz wegen des gebirgigen Terrains und des Manuels an Heerstraßen mit den allergrößten Schwierig liefert. Das willEngland ausgesprocheneriiiaßen verhüte», weil es darin eine directe Begünstigung der Pforte erblickt. Stimmt es nun andererseits der Blockade des Piräus, also der Hauptstadt Griechenlands zu, so kann es dies nur in der Ueberzcugung thun, daß diese Maßregel der kriegerischen Action Griechenlands in Thessalien keinen oder doch wesentlich geringeren Abbruch thut. Allerdings bebt auch die Blockade des Piräus die Secverbinduiig Athens mit den, Kriegsschau platz auf, aber sie läßt den Seeverkehr nach Tbessalien von allen anderen Puncten des Archipels frei und zwar nicht nur für griechische, sondern auch für fremde Schiffe. Sollten also die Mächte sich tatsächlich nun auf die Blockade deS Golfs von Athen geeinigt haben, so hätten sie sich wieder unter dem Einflüsse Englands zu einer halben Maßregel entschlossen, die ihren Zweck voll ständig verfehlt. Mit der Blockade kann doch nur beabsichtigt werden, Griechenland von einer Kriegserklärung an die Pforte abzuschrecken, oder, falls diese doch erfolgen sollte, ihm die Lust z»m Kriegführe» bald zu legen. Mit der Blockade Athens aber riskirt man lediglich de» sofortigen Ausbruch der Feind seligkeiten an der makedonische» Grenze, ohne Griechen land besonders webe zu tbun. Auf etwas Anderes zielt auch die Politik Englands nicht ab. Ihm kommt ein griechisch-türkischer Krieg, nach dessen Ver lauf es sich Griechenland in jedem Falle als guter Freund vorstellen kann, nur gelegen. Das ist auch der Grund, weshalb wir gestern es für wahrscheinlich erklärten, daß England sich gegen den Blockadegedanken jetzt nicht mehr straube. Ist die griechische Regierung klug und wohl berathen, so läßt sie sich nicht in diese englische Falle locken, sondern fügt sich heute noch der höheren Gewalt des Willens der Mächte. Dies kann Griechenland gegenwärtig um so eher thun, als es jetzt, nachdem es Europa so lange getrotzt und die Action der Mächte so gut wie zum Scheitern gebracht hat, durch ein Zurückweichen seiner Ehre wahrhaftig nicht» mehr vergeben würde; und, da die Mächte allem Anschein nach froh sind, sich auch ihrerseits, wenigstens mit einigem Anstand, aus der peinlichen Affaire zu ziehen, könnte es eines weiten Entgegen kommens derselben sicher sein. Wird doch der Autonomie-Ent wurf für Kreta eben jetzt einer nochmaliaen Prüfung unterzogen, die auch den letzten Rest türkischen Einflusses auf die Ver waltung der Insel beseitigen soll! Dieser AuSgang der ganzen Assaire, die etwa der Umwandlung Kretas in in eine autonome Provinz nach dem Muster Bosniens und der Herzegowina entspräche, ist ja nicht ruhmvoll für die Großmächte, aber nach den ungeheure» Fehlern, die sie sich bei ihrer Action habe» zu Schulden kommen lassen, ist ein anderer, wenn der Wellsriede darüber nicht in die Brüche gehen soll, kaum denkbar. England würde dann das Geschäft mit Griechen land nicht allein machen und sollte eS sich einem solchen Arrangement entgegeiisteinmeli, so könnte es erlebe», daß die übrigen Mächte über seinen Widerspruch zur Tagesordnung übergehen. Deutsche- Reich. * Dresden, 2. April. Die „Dresdn. Nachr." schreiben: Nächsten Mittwoch, am 7. April, wird der Senioren - convent der Zweiten Kammer des Landtags zusammen- tretrn, um wegen gemeinsamen Vorgehens bezüglich der Landtagswahlen zu berathen. Soviel wir unterrichtet sind, macht sich bei den drei Ordnungsparteien des Landtags allgemein der Wunsch geltend, etwaige Differenzen aus der Welt zu schaffen, um bei den im Herbst bevor- Feisillston Sneewittchen. 2j Roman von N. I. Mordtman». Nachdruck «erboten. Die Sonne neigt sich in einem pupurn-goldenen Wolken flor zum Untergang. Capitain Lorenzen ist um seinen Mittagsschlaf gekommen, aber er achtet dessen nicht; ihn freut vie Rettung, die ihm gelungen ist, und der ansehnliche Bergelohn, der ibm und seiner Mannschaft winkt. Zweimal ist er in der Cajüte gewesen, und jedesmal bat er Juanita in tiefem, ruhigem Schlafe gefunden. Jetzt schaut er vom Heck nach der immer kleiner werdenden Rumpflinie des SchoonerS auS; da schiebt sich schüchtern ein Weißes Händchen durch seinen Arm: Die kleine Juanita siebt neben ibm, voll furchtlosen kindlichen Vertrauens sich an ihn schmiegend »nd bald zu ihm hinauf, bald nach dem Schooner blickend, auf dem sie vor wenigen Stunden ein hilfloses Spiel von Wind und Wellen gewesen ist. Lorenzen ist ein alter Seebär und Sentimentalität seinem Herzen fremd. Aber die Zutraulichkeit des verlassenen KindeS rührt ihn mächtig; er wandert mit ihr, Hand in Hand, auf dem Deck auf und ab und läßt sich von ihr erzählen, ohne von dem, was sie sagt, ein Wort zu verstehen. Alle seine Bemühungen, die Vorfälle zu begreifen, die zum Verlassen des Schiffes und zu ihrer Ausstoßung geführt haben, sind fruchtlos. Der Wind dreht sich nach Westen und dann nach Süd westen und beim Sinken der Sonne steigt dunkles Gewölk auf. Lorenzen läßt die oberen Segel einttthmen, denn er erwartet eine stürmische Nacht. Er hat sich darin auch nicht getäuscht; um Mitternacht saust mit Regen und Hagel eine ganze Reihe unbändiger Windstöße daher, die keine andere als die Sturmsegel zu führen gestatte». Die kleine Juanita muß die See kennen: denn nachdem sie ihren Thee getrunken und Zwieback gegessen bat. sucht sie unbekümmert da» Lager auf, da« man ihr hergrricvtet hat, und schläft unter dem Toben des Unwetters und dem Aechzen des schwer arbeitenden Schiffes tief und fest bis in den bellen Morgen hinein. Auf dem Schooner hat der Steuermann mit seinen Ge uofsrn eine lange Berathung gehabt und ihnen in der Cajüte gezeigt. WaS er, Wohl aus Vergeßlichkeit, dem Capitain nicht mitgetheilt bat: die früheren Insassen des Schiffes müssen eS in großer Cile verlassen baben; denn einige leinene Beutel, die auf dem Boden der Cajüte liegen, hat man offenbar ursprünglich mitnehnien wollen, dann aber im Stich gelassen. Beim Oeffnen findet man in dem ersten englische Goldstücke; im zweiten ebenso; iin Ganzen sind zwanzig solcher Säckchen vorhanden, und jedes enthält, theils lose, theilS gerollt, 200 Guineen. Das giebt schon einen erklecklichen Posten Geld, aber es ist noch nicht alles. In den Taschen eines ledernen KöfferchenS, daS mit aufgesprengtcm Deckel in der Cajüte steht, alS wäre man im Begriff gewesen, ihn zu leeren, finden sich, sorgsam eingepackt, Diamanten vor, die ungefähr den doppelten Gesammtwertb des Goldes haben. Dazu die kostbare Ladung . . . Auch der Schooner verkürzt seine Segel als die Nacht hereinbricht, aber zugleich ändert er seinen Curö. Als man am nächsten Morgen auf der „Antje Gestne" über die ringsum schäumenden und wogenden Wassermassen Ausschau nach der „Dorla Loisa" hält, ist keine Spur von ihr zu entdecken. Im Laufe des TageS kommen mehrere Schiffe in Sicht, aber der spanische Schooner ist nicht darunter. Die Bark läuft in Plymouth ein und findet dort die Ordre ihrer Rheder vor, in London zu löschen. Capitain Lorenzen telegraphirt über die Bergung deS spanischen SchoonerS und erhält die Antwort, der deutsche Consul in Plymouth sei angewiesen, bei Ankunft der „Dorla Loisa" das weiter Erforderliche zu veranlassen. In London verfügt sich Lorenzen, sobald er einen freien Augenblick hat, zu Lloyds. Dort wird ihm die Mittherlung, daß die „Dona Loisa" noch immer nicht in Plymouth ein gelaufen ist. Auf sein Ersuchen werden die Schiffslisten ein- aeseben, und eS ergiebt fick daraus, daß der in Valencia beheiinathete Schooner „Dona Loisa" mit einer Ladung Seide und Stückgütern von Marseille nach Rio ve Janeiro unterwegs gewesen ist. Capitain Lorenzen schreibt an den Rbeder, einen Herrn de Miranva, und erbittet sich dessen Instructionen über die kleine Juanita Mitena. In seiner Antwort bedankt Herr de Miranda sich in liebenswürdigster Weise für die seinem Schiffe geleistete Hilfe und fügt hinzu, von dem Kinde sei ibm nichts bekannt. Die „Dona Loisa" habe bei ihrer Ausfahrt kein weibliches Wesen an Bord gehabt; er könne also über die Verhältnisse des Kindes keine Aufklärung geben; aber da es ihn lebhaft interessire, so sei er trotzdem bereit, die schiffbrüchige Lands männin in sein Haus aufzunebmen und für sie zu sorgen, wenn nicht der geschätzte Correspondent etwas Besseres wisse. Der geschätzte Correspondent weiß allerdings etwas Besseres und gebt daher auf Herrn de Miranda'S Vorschlag nicht ein. Die Antwort sagt ihm nichts Neues mehr, da er inzwischen durch einen des Spanischen kundigen Herrn von der Kleinen soviel herausgefragt hat, daß er sich von den Vorgängen, die bis zu ihrer Auffindung gespielt haben, «in ziemlich genaues Bild machen kann. Juanita Mitena batte sich mit ihrer Mutter an Bord eines viel größeren Fahrzeugs als der „Tokia Loisa" ein- geschifft. Nach ibrer Beschreibung mußte es ei» Vollfckiff gewesen sein. Bei einem Sturm, der mehrere Tage auf dem Atlantischen Ocean gewüthet hatte, war jenes Schiff leck gesprungen, und man hatte, als die „Dona Loisa" in Sicht kam, Frau Mitena, ihre Tochter „nd einige Matrosen auf den Schooner geschickt. DaS Boot war noch einmal um gekehrt, um den Rest der Mannschaft zu holen, dabei aber gekentert, und daS Vollschiff hatte man in der bald herein brechenden Dunkelheit aus den Augen verloren. Wie es hieß wußte Juanita nicht zu sagen. Auf dem Schooner war sie zwei Nächte und einen Tag gewesen, und die ganze Zeit batte eS furchtbar gestürmt. Am Morgen deS Tages, an dem Lorenzen sie auffand, war sie beim Erwachen ganz allein gewesen. Die Mannschaft »rockte L? von Panik daS Schiff verlassen baben. Darüber ist aber nie etwas bekannt geworden, sie hat Wohl Ä* nkH^oean ihr nasses Grab gefunden. Auch das Vollschiff tauchte nicht wieder auf und war jedenfalls untergegangen. Nur ein« wurde nachmals bekannt: Das versunkene Voll- schiff war ein französisches aus Marseille und hieß: .Le Glaneur Lorenzen schrieb darauf an die Rbeder. und sie konnten ihm »uttheilen, daß ibr Capitain auf der Reise von ^myrna nach Hamburg in Gibraltar eingelaufen war und Er benn berichtete, eine Frau Mitena und Tochter als Passagiere ausgenommen batte, lieber die Persönlichkeit der Beiden hatte er aber Weiler nichts geschrieben D.e »Antje Gesine" beendiate ihre Geschäfte in London üb»'w? ^ '"tig. Nichts hatte bis dal»,, ^ «Dona Loisa" verlautet: sie war unv bl.eb ver schollen. Capitain Lorenzen war darüber sehr bekümmert ^ Vorwürfe, daß er den Schooner nicht ^ überlassen hatte; er sei doch viel leicht nicht mehr ganz seetüchtig gewesen und habe in dem Sturm, der in der Nacht aus sein Aufsinden folgte, den Unter gang gefunden. Indessen war Lorenzen ein Seemann und keine selbstquälerische Natur; er hatte »ach bestem Wissen seine Pflicht getban; wenn daS übel abgelaufen war, so hatte er keine Schuld. Daß die erlangten Aufschlüsse über Jnanita's Familien- Verhältnisse nichts besagen, daß keine Verwandten fick melden, denen man sie zurückschicken könnte, ist dem Lorenzen ganz recht. Er hat das Kind sehr lieb gewonnen und bedielte sie am liebsten als seine Adoptivtochter. Ihr schwarzes Haar, ihre feine weiße Haut und ihre blauen Augen erinnern ihn an daS Lieblingsmärchen seiner Kindcrzeit; er nennt sie Snee wittchen, und Junanita lernt sich selbst ebenso bezeichnen; und die ganze Mannschaft, die das verlassene Mädchen ver hätschelt und vergöttert, nennt eS mit demselbe» Namen. Kommt sie ihnen dock allen mehr wie eine lichte Märchen gestalt als eine Erscheinung der Wirklichkeit vor. Alle Beschlüsse über Juanita wurden bis zur Ankunft in Hamburg verschoben; denn es war ein wunderliches Zu sammentreffen: Capitain Lorenzen'« Rheder hießen Mau villon L Co., und an Mauvillon <L Co. war der in der Cajüte der „DoLa Loisa" gefundene Brief, der möglicherweise auf Juanita Bezug hatte, adressirt. 2. Capitel. Französische Namen in Berlin und der Mark deuten auf Hugenotten, deren Vorfahren vor der Unduldsamkeit grau samer Monarchen aus Frankreich entflohen, um eine neue Heimath unter unfreundlicherem Himmel, aber weiseren Re genten zu sticken. Gleiche- Zeugniß von fremdländischem Fanatismus und beimischer Duldsamkeit legen die portu giesischen und französischen Namen ab, denen man in Ham burg zum Theil unter den ältesten und angesehensten Kauf- inannshänsern begegnet. Jene sind auf spanische und portugiesische Einwanderer zurückruflihren, die vor dem ver wüstenden ZelotiSmuS der Inquisition, diese auf Genfer, die vor dem finstern Eifer Calvin'S lind seiner Genossen nach dem Norden entwichen. Abkömmlinge eines der letztgenannten Geschlechter batten die alte Gewürzsirma Manvillon L Co. gegründet, die ihr Comptoir vormals in der Hafengegend, nach dem Hamburger Brande aber auf der Neuenburg hatte, wie bekanntlich der östliche, den prächtigen gotbischen Bau der auS der Asche neu erstandenen Nicolaikirche umschließende Tbeil des Hopscn- markteS genannt wird. Mauvillon L Co. hatten seit Jahren
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