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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970403011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897040301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897040301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-03
- Monat1897-04
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Bezng-«Prei- I» dir Hmlptrxpeditioa oder d«a im Stadt, nnd d» Vororten errichteten AuS- ab geholt: virtteljührlich ^14.50, »ilae» «tzltchsi ZusteUN«, «l» hau» X Ü Dntch Vik P-st be^stri, f»» LeUtschltlnd and vrsterreich: vien»st««iich . Direete »gliche Kr»uzb»ntzl»n»uU, in» Ausland: monatlich ^ 7.50. Dir MorgettMurgabe erscheint UÜI '/,7 Uht. di« Adead-Änilgabe Nochrntagt MN b Uhr. —>— Ledactiou unL LrpMum: Johannesgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 di» Abend» 7 Uhr. Filialen: Ltt» Klemm'» Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsfirshe 3 (Paulinuin), Voüi- Lösche. Katbarinenstr. 14, pari, und Kbnigsplatz 7. ..." — -— —^ — 189. Morgen-Ausga-e. cimigts Tagklilall Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Aathes «n- Volizei-Amtes der Ltadt Leipzig. ——- —- - Äonnaben- dett 3. April 1897. An-sigenPrei- die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamen unter dem Redartivnsftrich <4ge» shalten) öO/ij, vor den FaNiiliennachrichtrii (Kgtspalken) 40-iß. Größere Schriften laut unserem Hreis- verzeichtiiß. Tabellarischer ünd Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Rusgabt, ohne Postbeförderung 60.—, mrt Postbefördernng 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Adend-Au-gabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen find stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. -Ms« 81. Jahrgang. Sorilüdemokratte «n- Hauspersonal. SiaLtrnS driboOii. ss Bor einigen Wochen hatten die Socialdemokraten im Reichstage den Antrag gestellt, die LaNdeSgesetzgebung über die Verhältnisse zwischen Herrschaft und HauSpersonal auszuhrbrn und an Stelle dessen dir» Berhäilniß in der selben Weise zu regeln, wir eS »wischen Arbeitgeber» und Arbeitnehmetn besteht. Der klare Zweck des An träge» war, daS Dienstpersonal vollends in die Gewalt der Socialdemokratie zu bringen und zugleich auf einem Umwege Bresche in das Familienleben zu legen. Der An trag der Socialdemokraten im Reichstage ist zwar abgelehnt worden, wie sehr es aber den Socialdemokraten schon jetzt geglückt ist, durch ihre Agitation und Verhetzung das Ver hältnis zwischen Herrschaft und Dienstpersonal unfreundlich zu gestalten, da- wird eben jetzt beim Ouartalswechsel von so mancher Herrschaft bitter empfunden, die infolge des immer unfreundlicher werdenden Verhältnisses zu dem Dienst personal sich öfter als früher genöthigt sieht, einen Wechsel im HauSpersonal eintreten zu lasten. DaS Vrrbältniß zwischen Herrschaft und Dienstboten war in früherer Zeit — und daS ist noch nicht gar so lange her — ein patriarchalisches, und die Gesindeordnung des allgemeinen Landrechts in Preußen baut sich auf diesem patriarchalischen Verhältnisse auf. Wenn die Socialdemokratie darüber her zieht, daß die Gesindeordnung der Herrschaft zu viele Rechte verleihe, so übersieht sie, daß diesen Reckten auch sehr viele Pflichten gegenüber stehen, Pflichten, die weil über denen eines Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer stehen. Es fällt uns nicht ein, zu behaupten, daß alle Herrschaften diese Pflichten streng und treu erfüllen; jeden falls aber ist es weniger den Unterlassungssünden einzelner Herrschaften, als der systematischen Verhetzung der Social- demokratie zuzuschrciben, daß daS Gesinde mehr nnd mehr dazu gelangt, aus die ihm der Herrschaft gegenüber zu- stebenden Rechte als etwas Selbstverständliches Anspruch zu machen, aber die ihm obliegenden Pflichten als etwas Drückendes zu empfinden und sie, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen, zu vtrletzen. So wird ver Cvntraclbruch vielfach als etwa» ganz Selbstverständliches angesehen und ausgrüdt. Die Fälle, in denen der Dienstbote der Herrschaft davonlänft, sind zwar nicht so häufig, weil ed nicht ganz leicht ist, die dem Dienst boten gehörenden Sachen forlzuschaffen. Sehr viel häufiger aber sind die Fälle, in denen von dem Dienstpersonal ein mit der Herrschaft abgeschlossener Vertrag trotz völlig«! RechtSgiltigkeit einfach nicht eingehalten wird. Der Dienst- bote tritt die Stelle nicht an, weil er e» sich anders über legt hat, oder weil er gegen die Herrschaft aufgeredet worden ist, und die Herrschaft kommt dadurch oft genug in eine sehr peinliche Verlegenheit. Diesen Verhältnissen gegenüber ist die Herrschaft in dem Zustande factischer Rechtlosigkeit. Wenn sie einem Dienst boten oder Jemandem gegenüber, mit dem sie einen Vertrag wegen zeitweiliger Aushilfe geschloffen, erklären würde, daß sie sich die Sache anders überlegt hätte, so könnte sie sicher sein, binnen weniger Tage die Cwiltlage zugesandt zu erhalten. Wird aber ihr gegenüber der Vertrag ge brochen, so kann sie sich kaum auf die Klage einlassen. Abgesehen davon, daß sie vie! weniger als der Dienstbote den ihr erwachsenen Schaden substanziiren kann, ist. wenn sie mit der Klage durchdringt, entweder von dem anderen Tbeile nichts zu holen oder es widerstrebt der Herrschaft, wenn etwas vorhanden ist, sich daraus zu befriedigen. Wenn es geschähe, so könnte man sicher sein, daß diese Herr schaft landauf, landab in den Ruf ärgster Hartherzigkeit kommen würde. Denn es ist mit daS Schlimmste an den gegenwärtigen Zuständen, daß ein namhafter Theil deS Dienstpersonals das natürliche RechtSbewußtsein so weit verloren hat, daß es gar kein Empfinden dafür hat, wenn es einen giltig ge schlossenen Vertrag verletzt. Dieser Verlust des Rechts- gefühles ist lediglich auf das Conto der socialistischen Hetzerei zu schreiben. Es ist eben den Leuten so oft vvrgeredet worden, die besitzenden Classen beständen lediglich aus Unter drückern, Betrügern und Aussaugern, Laß die Herrschaft gewissermaßen als vogelfrei angesehen wird, der man, was man ihr auch anthut, niemals Unrecht thut. Dadurch ist das Gefühl, ein Unrecht zu begehen, abhanden gekommen. Run wäre es nicht schwer, da das Civilreckt praktisch ver sagt, auf dem Wege des Strafrechts die Möglichkeit zu schaffen, die Neigung zu Contraclbrücken zu verringern. Die Folge davon würde aber eine weitere Verbitterung deö Verhält nisses zwischen Herrschaft und Gesinde sein. Aus sich heraus kann dieses Verhältniß überhaupt nicht gebessert werden, denn es hat seine Wurzel nicht in sich selbst, sondern es ist nur eine von den vielen edlen Früchten, mit denen die socialdemokralische Propaganda die Welt beglückt hat. Nur der Kampf geac-- die Socialdemokratie ist deshalb als ein Mittel zur Besserung de» Verhältnisses zwischen Herr schaft und Dienstpersonal anzusehen. Wird die Social demokratie überwunden, so werben auch die Beziehungen zwischen Dienstherren und Gesinde wieder derart werden, wie sie sein sollten, nämlich Beziehungen, wie sie zwischen dem Haupte und den Gliedern einer Familie obwalten müssen. Deutsches Reich. * Leipzig, 2. April. Zu dem Beschluß der Socialdemo kraten des 12. und 13. sächsischen Reichstag-Wahlkreises, an der Landtagswahl sich nicht zu betbeiligen, bemerkt die „Sächsische Arbeiterzeitung": „Die Leipziger Partei genossen erklären also, daß sie sich nicht gebunden fühle», auch Wenn die Chemnitzer Landesconferenz abermals die Wahl- betbeiliguna beschließen wird. Selbstverständlich werden die Leipziger Genoffen bereit sein, auch den übrigen Genossen das gleiche Recht, Parteitagsbeschlüsse zu befolgen, oder nicht zu befolgen, einzugestchen. Dann aber hinge jeder Be schluß in der Luft und es wäre Unsinn, überhaupt erst Be schlüsse zu fassen. Und was für Personengruppen und für Wahl kreise gilt, das gilt für Individuen: die Leipziger Genossen selbst Kälten keinerlei Recht, durch die Beschlüsse ihrer eigenen Versammlungen irgendwer» für gebunden zu erachten. Beschließen sie gestern Nichtbetbeiligung an der Wabl, so könnten heute eine Anzahl Genossen beschließen, Candidaten aufzustellen und in die Wahl einzulreten. Wenn eine Versammlung heute den Bohcott über ein Local verhängte, brauchte sich nur Der daran zu kebren, dem der Beschluß paßte. Es hört über haupt jede Organisation bei solchem Standpunkt aus, für jeden Genossen bleibt als einzige Richtschnur seines Handelns und Unterlassen» sein eigenes selbstherrliches Ermessen. Wohin das führt, ist an den Anarchisten zu sehen; demo kratisch und socialdemokratisch ist's auf keinen Fall. Wir wissen sehr Wohl, daß die Leipziger Ge nossen keinesfalls durch ihren Beschluß sagen wollten, daß nun überhaupt Jedem freigegeben sein soll, zu handeln, wie er will. Praktisch und consequent durch dacht, führt allerdings der Beschluß zu diesem Aus gang. Wir glauben aber, die Leipziger Parteigenossen werden bei ruhiger Betrachtung sich selbst sagen müssen, daß die Durchkieuzung der Parteibeschlüsse unterer Partei nur Schaden bereiten kann, und sie werden sich dem allgemeinen Willen unterordnen. Zu welchen Ergebnissen die vielgeprie sene Abstinenzpolitik fübrt, das zeigte ja der traurige Be such der Leipziger Versammlung, denn aus zwei großen Reichstagswahlkreisen waren nur 235 Genossen er schienen." * Berlin, 2. April. Aus Eberswalde wird der »Voss. Z." geschrieben: Die „Deutsche Tagesztg." be hauptet, es bandle sich bei der Vertheilung ihrer Festzeitung in der Falkenberger Schule „gar nicht um eine Nummer der „Deutschen Tagesztg.", sondern um ein Festblatt, das mit dem Ngrarierthum absolut nichts zu tbun batte, sondern nur Bilder und Schilderungen auS dem Leben Kaiser Wilbclm's l. enthielt." Das Blatt, das seiner Devise zufolge „für deutsche Art" kämpft, macht sich hier einfach einer Un wahrheit schuldig. Mir liegt die Festnummer im Original vor; der Kopf derselben hat folgenden Wortlaut: Morgen-Ausgabe. Deutsche Tageszeitung. Für Kaiser und Reich! — Für deutsche Art! — Für deutsche Arbeit in Stadt und Land. 4. Jahrg. Nr. 135, Sonntag, den 21. März 1887. 4. Jahrg. Nr. 135. Diese „Nr. 135" ist in farbigem Druck heiHestrllt; die erste Seite enthält in der Umrahmung einer Vignette ein Gedicht von Georg Oertcl „Zum Jubeltage", auf der zweiten Seite einen Artikel „Unser alter Kaiser" ohne hervortretende Tendenz, auf der dritten „Charakterzüge aus dem Leben des Kaisers", aus der vierten Bemerkungen über das National denkmal und eine Zeichnung des Stammbaums der Hohen- zollern. Unten auf der vierten Seite liest man den fett gedruckten Vermerk: „Abonnements auf die „Deutsche Tageszeitung" nehmen alle Postämter für 2 viertel jährlich entgegen." Also, der Inhalt deS Blattes ist freilich harmlos; aber ob das „mit dem Agrariertbum absolut nichts zu thun" hat, wenn solchergestalt das osficielle Organ des Buntes der Laudwirthe sich dem ländlichen Leser naht und ui» sein Abonnement bittet — darüber dürfte bei jedem un befangenen Leser doch wohl eine andere Meinung herrschen als bei der Redaction des BündlerdlatteS. * Berlin, 2. April Die katholische Mission in Berlin hat bereits zu zahlreichen Klagen über römische Uebergriffe auf deni Gebiete der Profelytrnmacherei geführt. Nach einer Statistik, die für den Evangelischen Oberkirchenrath zusamiiiengestellt worden ist, sollen in den sieben Jahren von 1889—1895 in Berlin und der Provinz Brandenburg nur 56 Evangelische zum KatholiciSmus über getreten seien. Schwer würde sich hiermit die Tbatsacke vereinigen lassen, daß, wie der „Post" mitgelheill wird, im Jahre 1896 über 200 Austritte anS der evangelischen Kirche zum KatholicismuS erfolgt sind. Allein in der Hedwigskirche fanden 1896 zwanzig Uebertritte statt, in der Colonie der Dominikaner in Moabit, Tburmstraße 44, aber sechsunddreißig. Die Dominikaner fühlen sich in der ReickSbauplsladt überhaupt bereits obenauf. Schon seit Monaten tragen sie, vorläufig freilich nur im Kloster, in der Schule und bei amtlichen Verrichtungen das weiße Mönchsbabit mit schwarzem Scapulier. Der Jubel im ultramontanen Lager über diesen Fortschritt war seiner Zeit groß. Jetzt denkt man schon daran, eine der nächsten Katholikenversammlungrn nach Berlin zu laden. Der Kampf auf märkischem Sande beginnt überall schärfere Formen anzunehmen. Hand in Hand mit den Dominikaner Mönchen wirken die Dominikanerinnen; ihre Missionsarbeit ist im Grunde FerriNeton. Aus den Rumpelkammern des Theaters. Von Camillo Heyden. k!«chlruck »«Idolen. Wenn der geneigte Leser die Wanderung durch dunkle, scheinbar endlose Gänge unv hier nnd da muffige Gerüche nicht scheut, so will ich ihn in einige Departements deS Theaterwesens führen, die sonst dem Laien streng verschlossen und daher unbekannt sind, aber doch deS Interessanten sehr viel bieten. Freilich, die Illusion wird eS wohl kaum be fördern, wenn er einen Einblick barein thut, wie Könige und Helden, Fürstenschlösser und Festgelage gemacht werben. Aber jene schöne Zeit der Illusion, da eifrige Stimmen aus dem Publicum den Helden vor den gemeinen Absichten deS Jntri- gnanten warnten, ist ja doch nun einmal hin und verloren; und der Gang durch die Werkstätten und Rumpelkammern des Theaters wird dem Besucher dafür recht eindringlich klar machen, welch' ein complicirter und umfangreicher Apparat ein modernes Theater ist. Wir sind in der Theatergardervbe. Wenn Kleider nach dem Sprichworte Menschen machen, so ist hier eine wahre Menschensabrik. Alle Zeitalter und Stände sind hier eu grv8 vertreten, und alle socialen und historischen Unterschiede verschwinden vor dem gemeinsamen großen Kampfe — dem Kampfe gegen den allmächtigen Staub und gegen die Motten. Jedes große Theater verfügt heute über eine feste Garverobe von meist sehr bedeutendem Umfange und über eine eigene Schneiderei, an deren Spitze Garderobier und Garderobiere stehen. DaS ist gar kein so leichtes Amt. Be quemer war es in der Zeit jenes TheaterdirectorS, der nur zwei Sorten von Costümen kannte: daS „römisch-mittelalter liche" und das moderne, will sagen: das deS Galanteriedegens und FederhuteS. Heute muß der Garderobier Kenntnisse in der Costümgeschichte haben und gelehrte Werke zu verwenden wissen. Freilich, allzu scharf darf man diesen Kenntnissen nie zu Leibe gehen. Man wird dem würdigen Garderobier den Unterschied zwischen der strengen Tracht der Früh- renaiffance und der üppigen Kleidung der Hochrenaissance meist vergeblich klar zu machen suchen; Renaissance ist nun einmal für ihn — slt vsvi» verdo! — eine Wurst. Im Allgemeinen nimmt die Echtheit der Schöpfungen de« Garderobiers mit der zeitlichen Entfernung ab. Ludwig XIV., Wallenstein, Götz werden noch recht stilecht; daS Mittelalter aber ist meistauch kier etwas dunkel, insofern eS gewöhnlich in rin und dasselbe Costüm gesteckt wird, ob nun von Otto dem Großen oder von Friedrich II. die Rede ist; und was nun vollends ball Atterthum angeht, so giebt e< eben Römer, Griechen, Orien talen und Germanen und damit basta. Immerhin kann man bei dem Garderobier auf ein größeres Entgegenkommen für die Ansprüche der historischen Echtheit rechnen, al« bei seiner weiblichen Eollrain. Sir verleugnet di« EvaSlochter nicht und möchte di« Costüme dock vor Allem hübsch und kleidsam haben, verlangt r» einmal eine Rolle, daß ein Eostüm recht ärmlich sei, s» setzt r« einen Kampf auf Tod und Leben mit der Garderobiere, die wie eine Löwin für Spitzen und Seide, oder wenigstens Halbseide, kämpfen wird. Und die Ver teilung, daß diese Haube oder jenes Schapel bistorisch echt ei, weist sie einfach mit der Entgegnung zurück: DaS kann man nickt tragen. Die fleisch- und knochenlose Kleiderwelt, die sich hier in Schränken und an den Wänden aushält, hat etwas vom Reiche der Schatten an sich, und an dem grimmen Hüter der Unter welt fehlt eS auch nickt. Der Garderobier ist eine Art doppel köpfiger Cerberus; nach der einen Seite fletscht er gegen den Direktor oder Intendanten, nach der anderen gegen die Schauspieler die Zäbne. Vom Direclor sucht er vor Allem recht viele und reckt schöne Costüme herauszuschlagen. Er behauptet bei jeder neuen Jnsceni'-ung, die Costüme dazu seien nicht da, und widerlegen kann ibm Niemand, da er allein in diesen Tausenden von Kleidungsstücken, in diesen zabllosen Schranken und trüben Sälen sich zurechlfindet und Bescheid weiß. Dem Director aber graust's nicht obne Grnnv vor der Herstellung neuer Costüme, da sie regelmäßig arg ins Geld laufen. Der Laie stellt sich oft noch immer vor, daß beim Theater „Alles falsch" sei. Nun, der gemeine „Mann ans dem Volke" oder der Wald-, Sumpf- und Wiesen-Page muß sich freilich mit einer Gewandung begnügen, die in der melan cholischen Beleuchtung der Tbealergarderobe geradezu trostlos auSsieht. Aber bei den Carlos- und Romeocostümen schlt'S nicht an echtem Sammet und guten Stickereien; besonders die männlichen Costüme sind darum sehr kostspielig, und der edle Montague kann, wenn er wirklich edel sein soll, 200 bis 250 ^ kosten. Die Privatgarderobe eines berübmteu Schauspielers repräsentirt oft ein ganz anständiges Vermögen. Aber um diese Costüme entspinnt sich dann wieder ein bomerischer Kampf zwischen dem Garderobier und den Schauspielern. Der Garderobier hütet seine LieblingSkost- barkeiten mit eifersüchtiger Strenge, die Schauspieler aber vertrauen ihm hier, zwischen Lappen und Fetzen, die hundert verschwiegenen Wünsche ihrer Eitelkeit an. Laut erklären sie »war stet«, daß ihnen jedes Costüm recht sei und sie nur auf Echtheit Werth legten; insgeheim aber drangen sie ibn, hier die Fatzvn, dort die Farbe zu verändern: dieser Mantel macht zu klein, daß WamS nicht genug Taille — doch ich will nicht indiScret werden. In der Damengarderobe gehts stets friedlicher zu. Die Garderobiere kennt selbst kein größeres Vergnügen, als ihre Schützlinge reckt hübsch herauSzuputzen, und auf dieser Basis einigt man sich über raschend schnell. Wenn man bedenkt, waS an Kleidern und Wämsern, an Trirot« und Hüten, an Stiefeln unv Handschuhen zur Auf- ührung eines großen Stückes gehört, so wirb man sich vor- tellen können, welch unendliche Müde unv Geduld eS dem Regisseur kostet, ehe er daS Eostüm für ein Stück völlig zu- ammrn gestellt hat. Eine ganz besondere Schwierigkeit bilden dabei die nicht seltenen Eompetenz-Eonflicte zwischen dem Garderobier und dem Requisiteur, die zuweilen ein unend liche- Hin- und Herlaufen verursachen. Ob beispielsweise die Schwerter dienstlich in die- oder in jene- Bereich fallen, ist »ft eine schwierige Streitfrage. Zum großen Reiche deS Requisiteur» gehört vor Allem die Mödelkammer. An ihrem Re,chthum kann man im AUgrmriaen den Stand des Theater» überhaupt ermessen, und von der dürftigen Einrichtung der kleinen Provinzbühne, die auS zwei Tischen, einem halben Dutzend Stühle, einem staatsgefährlichen Sopha und einem Spiegel sich zusammensetzt, bis zu den historisch treuen, durch unv durch echten, kostbaren Möbeln der Meininger kann man alle Nuancen finden. Bei der Kostspieligkeit dieses Jnventars suckt man die Stücke möglichst vielseitig verwendbar zu machen und schafft z. B. für eine Polster - Garnitur mehrere Ueberzüge an, wodurch sie den Dienst von ver schiedenen Garnituren leistet. Im Allgemeinen spielt bei den Theatermöbeln der Schein mit Recht eine ziemlich große Rolle. Schnitzereien, Beschläge, die Muster des angeblichen Brokates oder SammeteS von Lehnstühlen, die Schüsseln und Krüge, die eine Credenz zieren, werden gewöhnlich ge malt, und die Kunst hierin ist so groß, daß man schon aus geringer Entfernung Schein und Wirklichkeit nicht mehr unlerscheiden kann. Die Spiegel werden zumeist aus Pappe bergestellt, theils der Billigkeit wegen, tbeils weil auf der Büvne die Spiegelung der Vorgänge im Glase die Aufmerk samkeit abziehen würde. In der Möbelkammer kommt man am klarsten zu der Erkenntniß, daß der Realismus auf der Bühne doch seine verhältnißmäßig engen Grenzen hat. Kein Theater kann so viel Stücke anschaffen, als zur individuellen Ausstattung jedes Werkes erforderlich, wären, und die An forderungen unserer jüngsten Dramatiker bereiten dem Regisseur bereits große Schwierigkeiten. Damit soll freilich nicht jenem alten Ausstaltungsstit das Wort geredet werden, der für eine Bauernstube, ein Bürgerzimmer und einen Prnnksaal je nur ein Schema kannte. Die wunderlichste Rumpelkammer deS Theaters bildet aber die eigentliche Requisitenkammer. AtS Requisit bezeichnet man nämlich alles, — was man nicht decliniren kann. Eß- geräth, Todtenschädel, Blumentöpfe, Bischofsstäbe, Trinkbecher, Trommeln, Kronleuchter, Masken, Tintenfässer, TambouriuS. Guirtanden, Sänften, Fackeln, Federn — kurz, aller Trödel, den sich die Einbildungskraft nur vorstellen kann, findet sich hier zusammen. Manches Stück davon regt die Phantasie durch seine Geschichte und Bestimmung an. Hier ist der Theaterbrief, in dem je nach Bedarf Glück oder Unglück enthalten ist, und die Phiole, die Faust grüßend herunterbolt. Pappene Schlangen wälzen sich am Boden, in deren Dimensionen und Farben die Phantasie des Ver fertigers sich als echt tropisch erwiesen hat; sie erregen in der „Reise um die Erde" die Gänsehaut der Zuschauer, wenn sie in der Schlangenhöhle züngelnd auS den Felsen hervor- kriechen. Eine Harfe mit einem Loche in der Mitte erinnert an die üble Behandlung, die da- widerspenstige Käthchen ihrem Musiklehrer zu Tdeil werden läßt. Eine überaus phantastische globuSahnliche Composition dient Wallenslein zu seinen astrologischen Berechnungen. Etwa« überraschend wirken in dieser Umgebung blühende Mandelzwrige (künstlich naiürlich!); die luftigen Geister, die den verliebten Falstaff strafen, schwingen sie in ihren Händen. Der Requisiteur daif schlechterdings Nicht» fortwerfen und auch Nicht» vergessen; denn auch für da« Theaterteden gilt Ben Akida'S Wort „Alles schon da^ewesen", und die Kunst de« Requisiteur» ist nur: eS finden, waS nun freilich, wie sich der geneigt» Leser leicht »»«stellen wird» nicht eben eine so ganz einfache Aufgabe ist. Viele von den erforderlichen Requisiten fertigt der Requisiteur, der ein manuell geschickter Mann sein muß, selbst an; dennoch würde er nicht zu Rande kommen, wären nickt die Tbeaterrequisiten längst der Gegenstand einer sehr umfang reichen Industrie geworben, die sich ausschließlich mit ihnen beschäftigt und bereits seit geraumer Zeit einen sehr erheb lichen Export ins Ausland betreibt, das einen großen Tbeil seiner Tbeatercostüme und Requisiten auS Deutschland bezieht. Die größte Fabrik dieser Art befindet sich in Charlottenburg bei Berlin; sie hat origineller Weise die Gestalt und Form einer mittelalterlichen Burg, und stellt schlechtweg Alle» her, was der Welt des Scheins den Anschein der Wirklichkeit zu geben vermag. Eine in mehrfachem Sinne delicate Aufgabe des Re quisiteurs ist die Stellung des für die Scene benötbigten Eßbaren. Bekanntlich ist bas Papphubn und der leere Trink becher aus der Mode gekommen, auch auf diesem Gebiete wird Echtheit verlangt. Dies läßt sich nun aber höchstens bei Weinen, Cigarren unv dergl. mebr prästiren. Da im klebrigen alle Mahlzeiten auf der Bühne in beschleunigtem Tempo sich vollziehen müssen, so sind die schönsten Braten nie etwas Anderes, als ganz leichte Kuchen, die sich sein schnell theilen und verzehren taffen. Wenn einmal eine de sonders picante Schauspielerin beim Sprechen mit vollen Backen kailt, so macht daS ja schon durch die Ungewöhnlich keit des Verfahrens einen drolligen Effect, aber als Regel würde sich daS doch nicht empfehlen. Die von Zeit zu Zeit laut werdenden Mittheilungen über die Riesen-Eßleistunge.i eines Mimen in diesem oder jenem Stücke sind daher in. Allgemeinen nichts als — Schauspielerlatein. Ueberhaupt lernt der, der in den Rumpelkammern des Theater- Bescheid weiß, verstehen, welch' ein schweres, träges Gegengewicht gegen alle theatralischen Reformen und Revulu lionen sic bilden. Hier üben die Tradition und die Routine eine absolute Herrschaft. Da» hat da« Gute, daß der un gebeure und schwierige Mechanismus de» Theaters auch bei plötzlichen Erschütterungen und Unfällen ruhig unt sicher functionirt. Aber da« Ueble ist der Widerstand gegen alles Neue. Wenn die Königin Elisabeth in der Hosscene von je ein gelbes Kleid getragen hat, so kostet eS einen er bitterten Kampf, wenn man einmal um der Gesammt Wirkung des Bilde« willen ein rolheS für sie haben will. Wenn man an den Requisiteur daS Ansinnen stellt, einen Schreibtisch einmal annähernd so auSzustasfiren, wie er im Arbeitszimmer eines modernen Menschen auSsieht, statt sich mit einem Tintenfaß, einer Feder und einer Gchreibmappe z» begnügen, so wird er sich alle Mühe geben, diesen Vorschlag einfach schweigend zu ignorirrn. In den Rumpelkammern de» Theater» ist schon mancher thatenlustige Sturm und Drang verschwunden und für da- Brrständniß unserer Tbeatergeschichte sind sie und ihre Stellung vielmehr, al» es bisher geschehen ist, zu beachten.
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