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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970407019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897040701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897040701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-07
- Monat1897-04
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Größere Schristen laut unserem Preis, verzeichniß. Todellanjcher und Merniatz »ach höherem T«11. Extra-Veilancn (gesalzt), nur mit der Morgen-Au-gabe, ohne Posibei'örderuag .>» 60.—, mit Postbesvrderung 70—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Per den Filialen und Annahmestellen i« eine halb» Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 176. Mittwoch den 7. April 1897. 91. Jahrgang. Ver „Weltseiertag-"-LSrm. L> Die socialdemokratische Presse verübt auch in diesem Jahre den „Weltfei er tag« "-Lärm, der bei ihr vor dem 1. Mai üblich ist. Wenn der Tag vorbei, läßt sich nämlich regelmäßig kern Staat mit ihm machen. Dir Vorfreude ist so ziemlich für alle Menschen, auch für die „Rückständigen" und für die „Ordnungscanaille", da« Beste an den Festen. Wenn aber der Feiertag gar nicht anbricht nnd man das im Borau« weiß, so ist die Erweckung ver Vorfreude ein schwieriges Geschäft. Der „Vorwärts" empfindet das und verlegt sich ausschließlich aufs Schimpfen, ein lautes Schimpfen, das aber den großen Fehler bat, für die Angeschrirenen eher amüsant als ärgerlich zu sein. Die „hohlschädeligrn Feind» der Arbeiter und der Arbeit" — gemeint sind nicht di« „Talmi - Proletarier", die soeben derselbe „Vorwärt«", spät genug, unter den socialdemokratischen Parteiführern entdeckt hat, sondern die Arbeitgeber — bellen nach einer Wahrnehmung veS EentralorganS „wie der Mop« der Fabel das strahlende Ge stirn an". Das strahlende Gestirn soll der „Weltfeier lag" sein. Der „Vorwärts" sieht und dort schlecht. Das Gestirn ist »in «ichrslümpschkn, das von de», Mops „Bourgeoisie" meist gar nicht erblickt werden würde, wenn nicht die social- demokratischen Herold« in der Presse — wir sind zu böslich, um das Bild dem Tbierreiche zu entlehnen — nicht so auf dringlich auf dasselbe hinwiesen. Würde es zum Gestirn, dann allerdings müßte es das Bürgerthum in die Augen beißen, denn es beschiene ein von einer kleinen Evterie ge knechtetes Deutschland, und darum handelten die Arbeitgeber- Verbände im Interesse der Gesammtbeit wie der Arbeiter, als sie beschlossen, sich auch i» diesem Jahre in ihren Be trieben nicht von den Herren Singer und Genossen hinein reden zu lassen. Der „Vorwärts" freilich erklärt ihren Beschluß mit der Behauptung, daß unter allen Arbeitgebern der Erde der deutiche „politisch, intellektuell und in Bezug auf Eharakter den untersten Platz eiiinimint". Auch dieses sehr oft gesprochene große Wort ärgert Niemand mehr. Die englischen Arbenec z. B. sind anderer Ansicht über die deutschen Arbeitgeber und wie steht eS mit den social- demokratischen Arbeitgebern in Deutschland, genauer mit der Socialdemokratie als Arbeitgeberin'? Nicht nn All gemeinen, die Frage ist hinlänglich beantwortet durch die Zurücknahme res Beschlusses, in socialdemokratische,, Druckereien die stark geschmähie Accordarbeit zu verbieten, durch die Behandlung der sächsischen Lagerhalter und ähnliche arbeitersreundliche Leistungen. Wie steht es allein in Bezug auf die Maifeier? Es sind für dieses Jahr schon zwei recht interessante Unterlagen für die Antwort beigebrachl worden. Socialdemokratische Consumvereine in Sachsen sträubten sich, am 1. Mai ihre Läden zu schließen, weil ver Tag auf einen Sonnabend fällt, an dem am meisten verkauft wird. Ter Vorstand des ConsumvereinS in Dr.- Ltriefen hat sogar beschlossen „Wir machen nicht mit". Aber mit diesen Vereins-Vorständen hatten viele andere leitende Socialvemokraten die Absicht, sich auf die Stufe zu stellen, die der „Vorwärts" den bürgerlichen Arbeitgebern anweist, die unrerste des Erdballs. Sie, die den ,Feiertag" anordneten, wollten seine Beobachtung verbieten und verboten sie zum Tbeil, nicht, wie die bürgerlichen Arbeitgeber, aus principielle» Gründen, sondern um einen Gewinnentgang zu vermeiden. Der Mops belll das von ihm selbst an« Firmament ge hängte Gestirn an — ein naturwissenschaftlich unmöglicher Vorgang, aber eine Thatsache der socialdemokratischen Geschichte, welche die socialdemokratische Presse entweder ganz verschweigt oder mit außerordentlich gelinde», Tadel bedenkt. Die ankere Thatsache ist im Begriff, in Frankfurt a M. in dir Erscheinung zu treten. Wie sich in einer Versammlung zeigte, gedenken die Eiaentbümer des dortigen Parlcibkaltes wieder einmal am 1. Mai feiern zu lassen, aber — entgegen den Bestimmungen des vereinbarten Tarifs — keinen Lohn »u bezahlen. Also Arbeitgeber, die — socialdemokratisch ge sprochen — zur höheren Ehre ihrer Götzen ihren Lohn- sclave» einen Feiertag mit Fasten aufzwingen. Es wurde in Frankfurt von betheiligter Seite gesagt, was die socialdemokratische Druckerei thun werde, gehe die Ber- sammlung nichts an; nach de», l.Mai könne man ja wieder zusammeiikonlmen und Kritik üben an dem, was die Druckerei gethan bade —, eine ungemein drastiiche Bestätigung der vorhin geäußerten Ansicht, daß es der Parteileitung haupt sächlich darum zu lhu» ist, die Genossen, wahrscheinlich zuvörderst in ihrer Eigenschaft als Eontribuenten der Parteicasse, vor dem l. Mai hei leidlich gebelustiger Laune zu erhalten. In dem Katzenjammer nach dem ins Wasser gefallenen Weltseiertage kommt es dann auf einen Ver- sllinmungsgrund mehr oder weniger nicht an. Und ins Wasser fällt der „Feiertag" auch diesmal. Der „Borwäns" schreibt: „Die deutsche Arbeiterschaft feiert de» l. Mai genau so wie sie ihn feiern will." Das ist an sich nicht unrichtig. Aber der „Vorwäris" will glauben machen, die deutsche Arbeilerschaft sei identisch mit der deulschen Socialdemokratie, u»d diese feiert den l.Mai nicht wie sie will, sie muß ihn feiern, wie sie gegenüber der wirthschafl- lichen Geschlossenheit des Bürgerlhums kan». Diese der Um- slurzparlei gesetzte unübersteigliche Schranke könnte bei ge ringerer Zerfahrenheit, als sie im Büraenhuni herrscht, ein S.aiiimelplincl für die Kämpfer zur Abwehr der politischen Ausbreitung der Socialdemokratie werden. Deutsches Reich. s. Leipzig, 6. April. Für den in den Ruhestand getretenen ReichSgrrichlSralh "vtt Liebe ist He-,- Kammergerichtsralh Hellweg in Berlin zum Reichsgerick»Sralh ernannt worben. Er wird vom l. Mai ab seinen Sitz im dritten Eivilsenat einnehmen. — Herrn von Liebe ist, wie man uns aus Brau »schweig meldet, vom Regenten daS Eommankcur- kreuz 2. Elaste des Ordens Heinrichs des Löwen verliehen worden. LZ Berlin, 0. April. Der Mainzer Bischof Hass „er, der bei einem aus den Fürsten Bismarck ausgebramten Hoch demonstrativ sitzen blieb, wird in den überschwenglichste» Aus drücke» von der demokratische» Berliner „Voltszeitung" ge priesen. Die „katholische" Presse beruft sich allenthalben in dieser Angelegenheit aus das demokralische, mit Atheismus kokettirende Blatt. Das begreift sich. Die Sache hat aber noch eine andere Seite. Die „Polkszcitung" kann nicht leugnen und wird es nicht leugnen, daß sie vor alle» Dingen jüdische Interessen vertritt. Das würde nicht geschehen können, wenn nicht starke Bestaudtheile der jütischen Leser mit der Haltung des Blattes, das, wie unvergessen, nach dem Ablehen Kaiser Wilhelm'« l. das deutsche Volk durch einen RohheilSauSbruch aufs Tiefste empört bat, sich einverstanden zeigten. Ob vieses Element hierin wirklich in seinem Interesse handelt, wirb immer fraglicher. Soeben bestärkt diesen Zweifel eine Erscheinung, die in München zu Tage getreten ist. Das dortige demokra tische Organ ist aus An^ Qnidde m, wie eine andere .vtEr"-^ ^.j^cher jüdischen Verlag ikbrrgeganzen. l „och nicht Demokrat" gegen diesen Wechsel tiesocial- viel besagen, daß eriiä' aber „,,y vieses Organ de« demokra lische„Munch. lost ^ könnte dem Herr» v. Vollmar die K age veröffentlicht bat^ ^ Publicum der Berliner „Volkszcitung ^ zeig, sich, daß d.e U-b-rb-wug de R dn^ ittn^UEer^^^ Radikalen und der An'inal,onalsten unter v den Zweck nicht erricht, wenigstens nicht auf d,>. D U Berlin, «>. April. Das Problem, den Bank, and' Werkern den »ötkigen Schutz für 'bre an« wirklichen Leistungen hrrrübrende» Forderungen d ' Seilen. Einerseits kommt es zur Losung ^11 lben >,ar f an, das Baiilinternebmertbum vor dem nn auteren bewerb durch solche Elemente zu bewahren, welche ebne aus reichende technische oder finanzielle Loltungssabigkc-.t wesen lich auf schwindelhaften Erwerb anSgeben. Hier tinste v>e Abhilfe ans gesetzgeberischem Gebiete liegen, und Zw- möchte es sich empfehlen, nickt sowohl präventiv alS repressiv nach der Richtung vorzugehen, daß der Gewerbebetrieb eines Bauunternehmers versagt werden kann, wenn durch Tbatsacken erwiesen 'ff. daß der Gewerbetreibende nicht die nötbige keit entweder in technischer oder finanzieller HinslMt besitzt Sodann aber kommt es darauf an, den Bau- sorderungen die Möglichkeit der Befriedigung aus dem Erlöse des Baiigrnndsiückes ohne Beeinträchtigung älterer, im strengsten ' Sinne des Wortes wohlerworbener Rechte zu sichern. Der Gedanke liegt nabe, für Bauforderungen eine Sick erbe, tS Hypothek zu gewähren, welche bei der Zwangsversteigerung betreffs des den Baustellenwertb über steigenden Erlöses auch älteren eingetragenen Forderungen vorgeht. Denn hypothekarischen Forderungen, welche vor der Bauausführung entstanden sind, wird nur in^Hobe des Banstellenwerthes der Eharakter von im strengsten -Linne des Wortes wohlerworbenen Reckten zuzuerkennen sein. Die Bauforkerinrgen würden alsvann namentlich alle» schwindel haften Beleihungen vorgeben und Baugelder ihnen nur in- ,vweit g eichsteb'en, als sie zur Befriedigung von anderen Bauforderungen tbatsäcklick Verwendung gesunden haben. Soll dieser Gedanke verwirklicht werven, so muß die Feststellung und denmächstige Eintragung des Bau- stellenwerthes gesetzlich gesichert werden. In ersterer Hin sicht kann man mit großen Einschränkungen den Gedanken des sogenannten Antrages Wallbrecht, Errichtung eines Bauschöffenamtes, verwenden, und in zweiter Hinsicht erscheint es rätblick, die Ertheilung der polizeilichen Bau- Erlaubniß von der Eintragung eine« bezüglichen Vermerkes im Grundbnche abhängig zu machen. Da »ach dem Ergeb- niß der angestelllen Ei Mittelungen die Mißstände im Ban wesen, welche auf einen verstärkten Sll'utz der Bauhand werker drängen, nicht entfernt allgemeiner Natur sinh» sondern in der Hauptsache nur in einer Reihe von Großstädten her vortreten, würde eS sich nicht rechtfertigen lassen, solche die Bautbätigkeit nicht unerheblich erschwerende Einrichtungen allgemein Platz greifen zu lassen. Es wird vielmehr vorzuseven sein, daß im Verordnungswege diejenigen Gemeinden speciell zu bezeichnen sind, für welche sie ins Leben treten. Wenn auch für diesen Theil der gesetzgeberischen Aufgabe der Weg der Reichsgesetzgebung zu betreten sein möchte, so wird dabei doch die Ausführungsverordnung den Landesregierungen zuzuweilen sein. * Berlin, 0. April. Für die gefährlichsten Züchtung« anstalten klerikaler Unduldsamkeit unv feindseliger Gesinnung gegen den Staat gellen «ist vollem Rechte dir geistliche,, Eonvicte nnd ähnliche Institute, in denen schon früh zeitig i" die Seele der jugendlichen Zöglinge der Samen dev Fanatismus und finsterer VcrfolgungSsucht gestreut wild Ans diesen Gründen hätte der Staat alle Ursache, sich gegen die Gründung derartiger Treibhäuser des Zelonsmus auf- zulebnen; wie cs scheint, drückt er aber gerne eines oder auch beide Augen ihnen gegenüber zu. Vor Jahr und Tag wurde über die Errichtung eines neuen Knabenseminars in Posen berichtet. Jetzt meldet die „Köln. Ztg." ein ähnliches Projecr für Köln. „In Koln-Ehrenfcld steht trotz der persönlich wohlwollenden, sachlich ablehnende,i Haltung der städtischen Schuldepulatio» die Er össnnng eines ultramontanen Eonvicts bevor, bas den Schülern der Gymnasien und höheren Lehranstalten Unterhalt, Verpflegung und Na>chln>ie biete» nnd ferner zunächst für die unteren Gyninasialclassen rin Internal bilde» soll. Daraus scheint hervorzugrhen. daß dieNegierung mit gleichmülhiger und duldsamer Gelaiienheit einer Entwickelung zu'chaut, die unjer Schulwesen in Bahnen zu drängen droht, die in nationaler wie in pädagogiicher Richiung recht bedenklich sind. Die oberfläch liche Lberanilichk der Regierung ist naturgemäß einem kräftigen und eigenarng entwickelte» Annaltsleben gegenüber ohnmächtig. Die Anslaltsuhr gehl ruhig ihren gewohnten Gang trotz des Regierung?- Vertreters, und in Berlin erfährt man nicht, welcher Geist in der Anitalt gepflegt wird, i» welchem Lichte dem lungen empfäng lichen Gemnlhe Tag für Tag gesprächSweiie oder lehrhaft die preußische »nd deutiche Geschichte dargestellt wird. Es kann dem Staate aber nicht gleichgittig >ei», mir welchen Stimmungen und Gesinnungen die Männer erfüllt werden, die aus Len höheren An stalten heroorgehea, »m dereinst auf irgend einem Gebiet unseres vielgestaltigen Volkslebens eine mitbestimmcnde einflußreiche und vielleicht führende Rolle zu übernehmen." Man kann rem rheinischen Blaue nur darin beistimmen, daß die Regierung ihren Einfluß gegen solche Unternehmungen geltend machen sollte. Sie bietet anderenfalls die Hand zur Errichtung von Eavettenhäusern einer zukünftigen „Unbeils- armee", die gegen den Staat organisirt wird. V. Berlin, 6. April. (Telegramm.) DerKaiscr unter nahm gestern Nachmittag einen Spazierritt in die Umgebung Berlins.' Zur Abendlasel waren keine Einladungen ergangen. Abends um 8 Ubr besuchten der Kaiser und die Kaiserin den Gesellschaftsabend in, Opernhause und wohnten daselbst der Ansfübririig der Ander fct,en Oper „Der Maurer" bis zum Schlüsse bei. Heule Vormittag machten der Kaiser und die Kaiserin den gewohnten gen>ei»sa,nen Spaziergang durch den Thiergarten. Ins Schloß zurückgekehrt, empfing der Kaiser um 9^/e Uhr den Ebef des Mililair-Eabineis. Um 1k Uhr begaben sich die Majestäten »ach der englischen Botschaft« capelle in Monbijou und wohnten der kirchlichen Trauerseier für die verstorbene Gemahl,» des großbrikannischen Bot schafters am hiesigen Hose, Lady Maria Lascelles, bei. Der Kaiser Halle die englische Admirals-Uniform angelegt. Um l Uhr »ahm der Kaiser »n Schlosse milirairische Meldungen entgegen und gedenkt Abends einer Einladung des italienischen Botschafters Grasen Lanza zum Diner zu entsprechen. (H Berti», »i. April. (Telegramm.) Bei dem Regie rungsjubiläum deS Königs Oskar von Schweden, welches auf den l8. Sevlember p. I, fällt, wird Kaiser Wilhelm durch den Prinzen Heinrich vertreten sei». (D Berlin, 6. April. (Telegramm.) Um 2 Ubr Nach mittags verbreitete das Wslff'sche Telegraphen-Bureau folgende Tepefche: „Nach unseren Erkundigungen ist der Kräfte zu stand des StaatSsecretnirs vr. v. Stephan andauernd schwach; gegen heute Morgen ist anscheinend kein iterer Rüi' wei Rückgang eingetrelen. (Wiederholt.) Fe«Nl«tsir. Französische Köche nnd Küche. Bon L. Schubert. (Nachdruck v«rb»ten.) Man weiß, daß die Regierung Ludwjg'S XlV. durch den König der Köche, den großen Vatel, verherrlicht, oder wie die Brillat - Savarins meinen, erst aus ihre volle Höhe ge hoben worden ist. Dennoch ist Frankreich zu jener Zeit noch keineswegs das Land der elastischen Kochkunst gewesen. Wir besitzen einen Pries der Fpan von Mainlenon, den sie im Jahre 1678 an ihren iung verheiraiheten Bruder richtete. Darin schildert sie ihm seine künftige Küche folgendermaßen: „Ihr werdet eine Supp« mit »inem Huhne Parin haben und den douilli euch if, einer großen Schüssel »«richten lassen; er ist wundervoll in dieser Art von Anrichtung. Den einen Tag könnt ihr Wurst, den andern Kalbfleisch oder Hammelzunge oder Hammelrippr» oder Hammelkeule »der zwei Hühner essen. Ich habe »och euer Frühstück vergessen, das rin Capaun oder dergleichen und ein Birnen- oder Aepfet - Compot sein wird." DaS also war das übliche Menu eine« wchlfituirten Franzos,« im Jghre 1678. DaS Jntereffant« daran ist, daß die Kennzeichen der modern^ französischen Kucke diesem Tafelprvgramm vollkommen abgehea. Gemüse unv Salat», zwei wesentliche Grundlagen her französisch,» Kochkunst, sind nicht erwähn», daS Fleisch allein — und zwar anscheinend in ,in,r ziemlich rohe» Form per Zubereitung — spielt ein» Roy». I» der Tkat ist per ausgedehnt» Anbau von Früchten und Gemüsen »fl Frankreich erst späteren Datum«, di, Kar toffel wird erst seit etwa 1790 in «rkeblichem Maße cultivir». Schon hierzu« also jst wit voller Sicherheit zu »rkennen. paß der große Vatel eil, Gerne was, Pg« seines Zeis porauSeilt«. Die eigentliche GebnrtSze" p»s französisch,»Kochkunst ist die üppige Epoche der Regentschaft Wv Pf, tzudwig'S LV- Damals war eS, daß die Erfindung eine« neuen Gerichte« als ein Verdienst um d»S Lanp angesehen wurde, daß die Erfinder-Äehirrze yber neue Saucen grübelten, wir sie jetzt auf neue Maswiuen singer,, ggd Paß vornehme Herren ua» Damen sich eine Ehre dgraj,» machten, p,m Gt«nd» ver Männer mij hen weißen Schijrzen anzug,hören. Jndeß war damal« dre Kochkunst zunächst noch ausschließlich auf di, höheren und höchsten GeseltschsftSsPjchtr« beswr-nkt, und erst in dem Maße, als der Kreis der verwendbaren Materialien sich erweiterte, wurde sie Gemeingut der ganzen Naiion, die seitdem in dieser Beziehung unbestritten ck In tsts cko la oiviliskttion marschirt. Die Ueppigkeil unv daS grenzen lose Raffinement allerdings, das die Regentschaft in ihren kulinarischen Genüssen entwickelte, sind mit ver Verallgemeine rung der Kunst, zu kochen, zurückgelreten. und erst in der luxuriösen und ansschwcisenden Zeit des zweiten Kaiserreick,e« sind sie noch einmal auigekomnun, um aber mit diesem selbst wieder zu weichen. Für die heutige französische Kückie ist nicht vas ausgeklügelte unv exorbitante Diner bei Vefour und Bignon, sondern das gute französische Bürgerhaus typisch, und gerade, daß man auck hier allgemein die Vor züge der nationalen Kochkunst — in den bescheideneren, wie jn den reicheren Verhältnissen — wiedersindet, beweist ihre Classicität. Wer ist nun aber in der Küche einer guten französischen BürgerSsamilie der eigentliche 8pirstus xsotor? Die Frau des HauseS fast nie. Sie bat wokl meist Kochunterricht genossen, aber ihre Kenntnisse sind mekr theoretischer Art geblieben. Die Französin der besseren Stände ist zu sehr Gesellschafts dame, um in der Küche thätig sein zu können. Sie läßt sich vielmebr täglich Bortrag über daS Menu deS Tages halte» und billigt oder modelt die vorgetragenen „Ideen". Die wahre Herrin und Künstlerin der Küche ist in neun vor, zehn Fällen ein gewöhnliches Bauernmädchen, meist au« der Normandie, da« beim Hüten der Gänse in ihrem Heimath- torfe von der edken Kunst Vatel'« wenig geahnt und noch weniger gelernt hat. Aber bi« Nprmännin ist eir, überaus strebsam«« und anstellige« Mädcken. Ihre erste» gastrono mischen Kenntnisse hqt sie wahrscheinlich -US Küche,,mäpck,e,i «n einem kleinen Restauxant de» Nack,barstadkchen« erwoxb-n, dgnfl ist sie mit ei,z paar Ersparnissen nach Pax>S gegangen, bat sich hier bei „ner guten Familie wieprr als Küchen- Mädchen verdungen und der Köchin die ersten Geheimnisse uqv Künstgriffe abgeguckt. Auf pieser Grundlage baut sie Wester, und eS vergeht kein Jahr, da ist st, eine wirklich gut, Köchin, ja manche entwickelt sich zum „oorckon blau", dem höchsten Range, den der französische Bolkßniund einem Koch- lünftler zurrkennt. Allerdings wachse», je näher sie diesem ideglen Ziele rückt, um so mkdr auch ihre Ansprüche, u»P w,»n Scheut»« aunifnmt. paß eine gute sranzösischr Khchm ihr Ha»«, ie »ach den Verhältnisse«, um fl—lü Frca. täglich prtrÜgt, so greift er gewiß nicht zu hoch. Aber tritt erst au t>« Stell» d,r Normännin in einem großen Haus« »er Koch im Vollgefiible seiner Würde und Bedeutung, dann muß der Gedanke an Oekyrwmie und Rechnungslegung überhaupt fallen gelassen werden. Trotzdem aber kann man die bürgerliche französische Küche nickt als lbeuer bezeichnen, und sie ist jedenfalls im Vergleiche zu der englischen geradezu wohlseil zu nennen. Diese verbällnißmäßige Wohlseilbeit bei großer Mannig faltigkeit und Telicatesse in der Bebaiidlniig »nd Zubereitung jedes Gerichtes «ntipringt dem Umstande, daß die jranzösiiche Kochkunst ihre Jünger zu einem watndast rationellen Verständ nisse ihrer Aufgabe erzieht. Ich wist hier nur einige beson ders interessante Puncte, die speciell unser« Hausfrauen inter- eisiren werden, hervorhebc». Die bürgerliche französische Küche schließt — und darin liegt ihr Hauplunlerschied von der Küche der Luxusrestaurants, die in unerhörte» Raritäten und Leckerbissen excellirt — alle eigentlichen Seltenheiten, selbst bei festlichen Gelegenheiten, grundsätzlich und vollständig aus, und hat zu höchster Kunst das Princip entwickelt, die theuren Materialien weniger zu gebrauchen, die woblfeilen aufs Aeußerste auSjunuHen. Sie bat dqher da« kostspielige Fleisch zu einem großen eheste durch die ungleich billigeren Gemüse ersetzt, und ein Engländer hat berechnet, daß durch dies System die französische Küche für 20 ^ dasselbe leistet, wozu eine englische Küche 30 brauchen würde. Dies Berhältniß wird freilich nur durch die sebr sparsame Art, mit der der Franzose kocht, erreicht. Zunächst geht er mit der Feuerung verständig um: „euisiuvr äoueemenl.'' d. h. ver- wende kein stärkere« Feuer, als Du nöthig Haft, ist einer der obersten Grundsätze der französischen Kockkunst. Lodan» wirp daS Wasser, wenn e« pie Kraft de« darin gelockten GkMUIts oder Fleische« ausgenommen bat, nickt, wie in England immer, in Deutschland oft, als „fchiiuitzigeS Wasser" Wiggegossen, sondern in iff'erau« großer Mann'gsalt'gkest verwandt. Dieje Mannigfalsiakeit ist m nun der glqnzendste Ee. Li- kennt woöl ein putzend Metboden, um das rnr Bouillon verwandte Nind- slei,ch noch tckmackbasl anzurichlen, weit über 100 übliche kuppen, gegen 200 Formen der Zubereitung deS Rintfleisckes und mehrere Hundert Sorten von süßen Speisen. Dabei ist aber zu beachten, daß von diesen vielen Hunderten von Ge- richten iede« etwa« wirklich Besondere« und Unterschiedene« ,st. Denn wabrrad die englische Küche die Gerichte zumr!st "2" minder großen Rohheit belaß dre deutsch» ihren G-ichmack oft durch complicirte Saucen verdecken liebt, ist es da« große Princip und Gebeimniß der französischen Kochkunst, daß bei jeder Speise der ganz specielle Geschmack, das eigenthümliche Aroma des Material» zu myg lickst bestimmtem AuSdrucke kommen muß. Dies ist besonders bei den Dutzenden in Frankreich üblicher Gemüsesuppen bc- wundernswerlb, die Pie Frische und den Naturgeschuiack der darin verkochten Gemüse voll bewahren. Vergteickr man einen Franzosen mit einem Deutschen oder gar mit einem Engländer, der dasselbe Quantum an Nahrungsmitteln zu sich nimmt, so wird in der Regel der Franzose der Beslgenäbrte sein. Das Kat einmal seinen Grund in dem glücklicheren Gleichgewichte, da« die französische Küwe zwischen vegetabilischen und animalischen Nahrungsmitteln herstellt, sodann aber auch darin, daß sie es besser verstel l. Las Material auf seinen ganzen Nähxwerth bin culinari' l. auSzunntze». Wenn also eine besonders ideal angelegt.' Person auf einen so materiellen Gegenstand, wie die fra: zösische Kochkunst, geringschätzig berabzublicken geneigt sc>: sollte, so wird sie vielleicht angesichts dieses erheblichen voll wirthschafllichen FaclumS doch etwas stutzig werden. Aber t Nachfolger und Jünger Batel'S haben sich (freilich wohl un bewußl) auch um die Ausbildung der französischen Gesclligkci: ein hohes Verdienst erworben. Ihrer feinen Kunst ist es zu danken, daß die Hauptmahlzeit deS Tage« von den Franzose,: nicht ausschließlich als eine Gelegenheit, sich zu sättigen, soiidern überhaupt als die Stunde LeS fröhlichen, behaglichen, leichte», sein»» Lebensgenüsse« angesehen wird. Wenn von, Geiste des gnliken Symposions noch irgendwo etwas in unserer modernen Well zu finden ist, so «st cs sicher beim sranzösiichen Familiendiner, wo das Esten Hinte» Plauderp, Lachen, Scherzen — ich will nicht sagen, in den Hintergrund, wohl aber jn eine angenehme unnd hübsche Harmonie dazu tritt. Aus diesem Geiste stammt auch jene bei uns in diesem Maße doch noch immer nicht geübte Sorg ialt «n allen äußeren Arrangements der Tafel. Wie weit sie gehl, mag die Tbatsache illustriren, daß eine französische Hausfrau bei einem intimen kleinen Diner, bei dem sie e§ für unnötbig hielt, für theures Geld Blumen aufzustcllc,,. Ordre gqb, weil doch nun nichts Glänzendes in der Mitte deS Tisches stehe, Bonbons und Kuchen von lebhaften Farben auSzuwäblen, damit der Tisch nicht zu düster werbe. Gerade durch diese künstlerische Auffassung aber wird der materielle Eharakter der Mahlreiten verringert und ihnen etwas von jener festlichen Heiterkeit gegeben, die wir an dra Festmählern der allen Athener bewundern und lceb«».
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