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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970408011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897040801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897040801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-08
- Monat1897-04
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Ver polnische Fanatismus und die uitramontaue Presse. ü Wenn die Opfer der beiden Gewaltthaten, die au» dem Schwede» Wahlkreise gemeldet worden sind, Polen wären, welch eine Empörung würden Polen, Klerikale und Demokraten Uber die ,,Schwerer Mordwabl" bereit» angefacht haben l Di, Begründer de« Verein» zur Förderung de» DeutschthumS in den Ostmarken, die deutschgesinnten Schriftsteller und auch der preußische Minister de» Znnern Würden al< intellektuelle Urheber, al» die „wahrhaft Schuldigen" an dem schrecklichen Ende zweier Menschen der Verdammung schon anheim gegeben sein. Der Getödtete und der tödtlich Verletzte sind Deutsche und die deutschnationalen Organe lraen sich Zurückhaltung auf, entsprechend demselben Charakter, der es auch ausschließt, daß in einem Wahl- kämpfe Mord und Todtschag von Deutschen verübt werden. Jene deutschen Blätter erfüllen damit nur eine Pflicht, dir ultramontanen Zeitungen haben jedoch nicht gewartet. Sie beschönigen die polnischen Thaten und die „Germania* versichert mit einer Bestimmtheit, al» ob sie zugesehen hätte, der „nicht nüchterne" deutsche Lehrer sei — freiwillig natür lich — „au« dem Zuge gesprungen". Dieser tendenziös vor greifenden Bearbeitung der öffentlichen Meinung muß ent- gegengrtrrten werden. Al» die „Germania" den Lehrer Grütirr als da» betrunkene Opfer eine» Unfälle» hinstelltr, batte sie unverkennbar keine andere Unterlage, als den von uii« wiedergegebenen Bericht der „Posenrr Zeitung". Diese- freisinnige Organ, da- ist ein sehr gewichtiger Umstand, hat eine ausgesprochen polenfreund- lichr Tendenz; e» bespricht die Lage de» Deutschthums im Osten so, wie e» Herr Zaeckel im preußischen Abgeordneten hause gethan, durchaus im Sinne der Polen, und e» wett eifert in der Denunciation von Deutschen, die sich ihrer Nationalität wehren, mit der polnischen und der klerikalen Presse. Was erzählt da» Blatt nun? Bor Allem kein Wort davon, daß Grülter trunken gewesen sei. Der „Graudenzer Geselliar" bemerkt zudem, der in sehr beschranTlest" Vek-^ hältnissen lebende Lehrer, Vater von drei Kindern und Gatte einer stet» kränkelnden Frau, sei ein sehr nüchterner Mann gewesen. Positiv aber giebt das Posener Blatt Folgendes an: Die Mitreisenden Grütter'» haben gegen diesen „un anständige Redensarten gebraucht", ihn sodann gestoßen, „daß er taumelte". Grütter wußte sich in Gefahr, er schrie, man solle die Noihleine ziehen. Da diese versagte, ging der Gewährsmann der „Pos. Ztg." in einen anderen Wagen, um Hilfe zu holen. Als er zurüakam, war Grütter nach der Versicherung seiner Gegner binausgegangen. Jedenfalls war er nicht mehr da und wurde später todt aufgefunde». So der Bericht eine- Augenzeugen, der wohl nicht- Andere» hat drucken lassen, al» wa» er gleich darauf vor der Behörde auszusagen ver pflichtet war. Wer au» diesen Angaben Schlüsse zieben will, muß zu der Annahme gelangen, daß der Angegriffene in Abwesen heit der Augenzeugen abermals gestoßen wurde, so, daß er etwa« weiter „taumelte" al- nach dem ersten Stoß, nämlich zum Wagen hinaus. Wir enthalten unS der Folgerungen. Wenn aber die „Germania" au« jenem Berichte zur Evidenz erkannt zu haben erklärt, daß der Tod des Deutschen in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Verhallen der Polen siebe, so handelt sie eben al» Parteigängerin, die lieber albern erscheint, al» auch nur die Möglichkeit einer aus pol nischem Fanatismus begangenen strafbaren Handlung zugiebt. Da« ultramontane Blatt verräth selbst, daß e» der Halibar- keit seiner Darstellung nicht traut. Es meint, „ein einzelner Fall beweist nichts". So. Aber der „Fall Carnap", der, beiläufig bemerkt, nur im Lichte der im Stuhmer Proceß hervorgetretenen eigentbümlichen Auffassung des Eides bei polnischen Elementen richtig gesehen werden kann, der Fall Carnap beweist der „Germania" Alles gegen das Deutschlhum und für die Polen. Tag für Tag versichert sie und versichern die anderen CentrnmSblälter, in Posen würde das schönste Einvernehmen zwischen Deutschen und Polen herrschen, wenn nicht „Leute wie Earnap" dort waren. Zn Wahrheit zeigt schon da», was der Posener Augenzeuge gesehen hat, eine erschreckliche Ausbreitung und Vertiefung des gesetzlosen, vor Gewaltthätigkeiten nicht zurückschreckenden Sinnes als eine Folge der durch die Versöhnungs-Aera entfesselten Leiden schaftlichkeit der geistlichen Agitation. Und wenn die „Germania" ihre Versicherung über die Friedens- und Eintrachtsbestrebungen der Polen auf einige Redensarten des polnischen „Dziennik" gründet, so unterschlägt das ultramontane Blatt vie gleichzeitige Aeußccuug des „Orendownik", der über den polnischen Wahlsieg in Schwetz sich folgendermaßen ver nehmen läßt: Dieser Steg stelle sich „al- ein» Illustration der elementaren Bewegung dar, welche jetzt das ganze polnische Volk von Putzig bis Myslowitz durch wühlt"; die preußische Politik habe diese Bewegung außer Acht gelassen und geglaubt, sie werde dieselbe durch Anwendung von polizeilichen und abmintstrativen Maßnahmen hemmen. Bor einigen Monate» habe sich die Regierung im Landtage nicht überzeugen lassen, daß das Erwachen des polnischen Volkes sich mit eigener Kraft vollziehe, heute habe da- poliiilche Volk selber gesprochen und die Frage gelöst. Im Wahl- kreise Pleß-Rybnik habe man noch über die „grobpolaijche Agitation" streiten können, in Schwetz könne davon nicht weiter die Rede jetn, und man müsse sich mit der Thatsache zufrieden geben, daß das »ationale Erwachen des pol nisch»« Lol's un'»r pre ußischem Scrpter auf organischem und nicht auf mechanischem Wege vor sich g»hr. Heuttuiage lohne rS sich gar nicht mehr, darüber nachzugrübrln. wie sich die Regie rung für die Zukunft polnische» Versammlungen gegenüber per- halten werde, denn das polnische Volk werde, ebenso wie jetzt bereits ohne Topolno, unter Umständen auch ohne die von Parczewski und von Jaworski sich Rath schassen, und sollte »S seine Jiiteressen nicht in Versammlungen bespreche» töunrn, so werde es auch ohne die Gnade der Verfassung von 1850 sich begehen können. DaS sieht wohl nach vei» Frieden und der Eintracht aus, in welchen nach der Behauptung der „Germania" Vie Polen mit den Deutschen leben wollen! Niemals vorher haben sich in Deutschland bei Wahle» Dinge ereignet, wie wir sie jetzt hören, auch in den Gebieten mit polnischer Bevölkerung nicht. Die lang gewährte — und dem Anschein nach noch immer nicht genügend eingedäinmte — Freiheit der Verhetzung bat da» polnische Blut zur Siedehitze gebracht, und es wäre nicht- weniger als ein psychologisches Wunder, wenn sich bestätigen sollte, daß ein zweiter Deutscher erschlagen worden ist, weil Vie seelische Einwirkung der Freude der „Germania" in einem polnischen Arbeiter den unwidersteh lichen Drang, „deutsche» Blut zu sehen", erweckt hätte. Wenn - ' ——SS» einer bigotten Bevölkerung die Deutschen von der Geistlich klei t al» ein Volk geschildert werden, in derenSprache zu Gott zu beten Sünde sei — und daß die» geschehen, ist ge richtlich erwiesen —, dann versteht man es wohl, wenn das Leben der Einzelnen aus der für gottverhaßt erachteten Ge meinschaft den bethörten Gläubigen verhaßt wird. Deutsches Reich. * Leipzig, 7. April. Wie wir nicht ander» erwartet haben, bat der Reichstagsabgeordnete für Leipzig, Herr Professor Dl-. Hasse, gegen die Aufhebung des tz 2 des ZesuctengesetzeS gestimmt. Nach seiner Schätzung bat etwa die Hälfte der nationalliberalen Fractioa in gleichem Sinne votirt. X. Berlin, 7. April. Zn der letzten Zeit häuft sich die Nothwendigkeit zu Nachwahlen zum deutschen Reichs tage. Zn Schwetz hat die Ersatzwahl soeben staltgefunden, in Torgau steht die Stichwahl bevor, in Königsberg muß Demnächst eine Ersatzwahl stattfinven und nun wird auch infolge des Todes des Adg. Koepp eine Ersatzwahl in Wies baden nothwendig werden. Aller BorauSsicht nach wird dieser Wablkampf ein Vorspiel zu der bei den nächst jährigen allgemeinen Wahlen Wohl öfter noch sich ereig nenden Gegnerschaft zwischen Freisinniger Bolkspartei und Freisinniger Vereinigung sein. Bei den allgemeinen Wahlen von 1803 wurde der eben verstorbene Koepp von den Mitgliedern der rechtsstehenden Parteien unterstützt, weil er für die Militairvorlage »intreten wollte. So gelang e» ihm, den Sieg zu erringen. Bei den Neuwahlen wird sich jedenfalls die Freisinnige Bolkspartei alle Mühe geben, diesen Wahlkreis, der oft schon in den Händen der Fortschrittspartei gewesen ist, für sich zu erobern. Andererseits werden die rechtsstehenden Parteien diesmal kaum Anlaß nehmen, von vornherein ein Mitglied der Freisinnigen Vereinigung zu unter stützen. Da der Wahlkreis zu mehr als zwei Fünfteln katholisch ist, so wird wohl auch das Centrum nicht verfehlen, einen Bewerber auszustellen. Demgemäß dürsten süns Bewerber, nämlich ein Angehöriger der Cartellparteien, ein Mitglied der Freisinnigen Bereinigung, ein Volksparteiler, ein CentrumSmann und der nie fehlende Socialdemokrat auf dem Plane erscheinen. — Was vie Wahl in Königsberg betrifft, so sind zu allererst die Volksparteiler mit einem Candidaten erschienen. Unsere Voraussetzung, daß eine Einigung zwischen den bürgerlichen Parteien sich nicht würde ermöglichen lassen, bat sich somit erfüllt. Denn es ist natürlich nicht anzunehmen, daß die Nationalliberalen, die bei den Hauptwahlen von 1893 dem fortschrittlichen Candidaten erheblich voraus waren, aus die Aufstellung eines Candidaten verzichten werden. * Berlin, 7. April. Der „Bund der Zndustriellen" versendet in Nr. 7 seiner Correspondenz eine Uebersicht über Organisation und bisherige Thätigkeit der von ihm geschaffenen „Central stelle zur Handhabung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb." Wie aus der selben hervorgcht, ist die Centralstelle von den Mitgliedern de- Bunde« in eifriger Weise in Anspruch genommen worden und hat eine reiche Wirksamkeit entfaltet. Die Centralstelle besteht, um daS Urtheil der praktischen Erfahrung zugleich unter Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften zu gewähr leisten, auS 12 ordentlichen Mitgliedern, die sich aus den verschiedensten Zweigen der Zndustrie zusammensctzen, und einem juristischen Beirath. Zu den einzelnen Sitzungen werden ferner als außerordentliche Mitglieder Angehörige derjenigen Branche Herangerogen, welcher der in Frage stehende Fall angehört. An der Spitze der ordent lichen Mitglieder steht z. B. der königliche Commerzien rath Hermann Wirth in Berlin. Als juristischer Bei rath fungirt der Rechtsanwalt vr. Zul. LubSzynski in Berlin. Für die Handhabung der vor die« Forum ge brachten Fälle ist folgendes Verfahren vorgesehen. Die Centralstelle prüft die eingegangrne Anzeige, nachdem das Material von dem juristischen Beirath vorbereitet ist, »ach der thatsächlichen und rechtlichen Seite und zieht, falls der Bund an dem betreffenden Ort einen Bezirk-Verein oder einen Vertrauensmann besitzt, soweit nothwendig, noch weitere Erkundigungen ein. Sieht sie hiernach, daß die Beschwerde unbegründet ist, so benachrichtigt sie den Antragsteller hier von. Erscheint sie dagegen begründet, so fordert sie den Beschuldigten unter Verwarnung von gerichtlichen Maß nahmen auf, die unrichtigen Angaben rc. zu unterlassen. Bleibt diese Aufforderung erfolglos, so wird gegen die Manipulationen des Betreffenden entweder noch eine öffent liche Warnung in dem Organ des Bundes und anderen ge eigneten Blättern erlassen, der von der Presse gern Ausnahme gewährt werden würde, oder aber die gerichtliche Hilfe nach Maßgabe des Gesetzes angerufen. * Berlin, 7. April. Die „Allgem. Missionszeitschrift", herausgegeben von Prof. Warneck in Halle, bringt einen Artikel von G. Kurze, in dem daS gewaltthätige Vorgehen der französischen Jesuiten gegen die evangelische Bevölkerung von Madagaskar und gegen die evangelischen Missionen auf der von Frankreich eroberten Insel genau geschildert wird. Dieses Vorgehen der Zesuiten schreit zum Himmel und zeigt wieder einmal deutlich, was man von den Zesuiten zu erwarten hat, wenn sie die Oberhand gewinnen und die Gewalt für sich haben. Sit der Ersetzung deS Generalresivenlrn Laroche durch den Militai»dictator Galliöni ist von der feierlich proclamirten Religionsfreiheit keine Rede mehr. Noch waren nicht acht Tage seit der Abreise Laroche'« ver flossen, als die Zesuiten einen Krieg bis auf« Messer — wie rin höherer französischer Colonialbeamter ihr Vorgehen charakterisiere — gegen die evangelischen Madagassen be gannen, und zwar mußte ihnen gerade oer Aufstand und die dadurch veranlaßte Mititairdictatur die Waffen dazu liefern. Zuerst beantragten sie bei dem Oberkommando die Entsendung von kleinen Garnisonen nach ihren von den Aufständischen bedrohten Stationen. Aber anstatt nun unter dem Schutz ihrer Landsleute ruhig MissionSarbeit zu treiben, denuncirten sie dem Postencommankeur alle irgendwie einflußreichen und angesehenen Glieder der evangelischen Missionsgenieinden innerhalb ihre« Bezirkes al« geheime Aufständische. So sahen sich dieselben Evangelischen, d,e wegen ihrer Weigerung, sich der heidnischen Erhebung anzuschließcn, eben erst Had und Gut in de» Händen der Aufständischen gelassen und mit Noth da» nackte Leben gerettet hatten, mit einem Male von Denen mit Kerker und Todesstrafe bedroht, welche sie al« ihre Be freier begrüßt hatten. Waren so die Gemeinden ihrer Führer beraubt, so war es den Zesuiten eia Leichte-, F-iiillet-i». Neues aus -er Technik. von Wilhelm Berdrow (Berlin). Nachdruck «crb»t«n. Strrisbilbrr an» der nautischen Technik. — Die Wellen im Joch der Arbeit. — Elektrirität am Merrrtstrande. — Am elrktrilchen Droschkenhaltrplatz in Sirw Bork. — Der letzte Droschkengaul. — Pari» unter dem Zeichen de» elektrischen Fiaker». Die nautische Technik hat sich, was da» Erfinden be trifft, in den letzten zehn Zähren merkwürdig zurückgehalten, und wenn auch die zwischen Europa nnd New jssork ver kehrenden „Windhunde de» Ocran»", die berühmten und in der ganzen Welt dem Namen nach bekannten Schnelldampfer, einen Record um den anderen schaffen, so werden sie doch bald an der Grenze ihre« Vermögen» stehen. An neuen Zdeen aber ist dabei bi» jetzt noch nicht» herau-gekommen. Dagegen hat jetzt in der Segelschifffahrt eine Neuerung Boden gefaßt, die vielleicht aeeignet ist, dem vom Dampfe so hart an di« Wand gedruckten Segler noch einmal ein wenig Spielraum und Existenzberechtigung zu verschaffen. Aus dem Hafen von Genua kam vor nickt langer Zeit die Nachricht, daß der italienische Schiffscapitain Vafsallo dort Versuche mit Böten und Schiffen angestellt habe, deren Segel zum besseren Abzug de» verbrauchten Windes mit großen runden Löchern versehen waren. Schon vor einigen Zähren hatte in Deutschland Duttenstedt, der bekannte Flugtechniker, in einer Broschüre den Gedanken ausgesprochen, daß die ganze gegenwärtige Segeltheorie verfehlt sei. Die üblichen breiten Segel hielten nach seiner Meinung den Wind, nachdem dieser seine Stoßkraft längst abgegeben, unnöthig in ihrer Höhlung auf, und die weiteren Windstöße oder Windzonen, di: da» Schiff passiert, müßten, anstatt ihre Energie unmittelbar aus die Segelfläche zu entladen, erst den alten „tobten" Wind zur Seite drängen. Buttenstrdt schlug die Zerlegung der breiten Segel in schmale, hoch- strebende Lamellen vor, ähnlich den schmalen langgestreckten Flügeln, mit deren Hilfe die großen Schwebrvöarl so rasch und graziös da« Luftmeer theilen. Trügt nicht Alle«, so ist jetzt den seiner Zeit unbeachtet gebliebenen Theorien de» deutsche« Forscher» eine glänzende Bestätigung durch die praktischen Versuche de» davon unabhängigen italienischen Seemann« ru Theil geworden. Denn dir Löcher in den Segeln Vaffallos dienen aeuau denselben Zwecken, wie die Zwischenräume der Butteastedt'schen Segrlstreffen, sie lassen den todtea Wind entweichen, ohne das der lebendige ihn au« dem Segel hinauszuwerfen braucht. Da bereit« mehr als fünfzig Schisse und Böte mit den Locksegeln ausgerüstet «in sollen, und ein große- Fahrzeug von 1500 Tonnen Tragfähigkeit die Fahrt von Italien nach New Aork mit ihrer Hilfe sehr schnell machte, so scheint die Erfindung BassalloS, die an Nützlichkeit von den Bnttenstedt'schen Segeln noch weit übertroffrn werden dürfte, rasch Boden zu fassen. Noch einige weitere Neuerungen in der Schiffsconstruction sind gegenwärtig zu erwähnen. Da- sogenannte Roll schiff de» Franzosen Bazin, da» anstatt auf einem Kiel, aus kolossalen linsenförmigen Rollen oder Rädern schwimmt und Durch ihre Rotation mit märchenhafter Geschwindigkeit über die Wellen hingleiten soll, hat schon viel von sich reden gemacht und hat ja auch, obwohl vorerst nur im kleinen Maßstab, im englischen Canal bereit» die erste Probe be standen. Wenn ick hier trotzdem noch anstehe, e» für einen bedeutsamen Erfolg in der Schiffsbautechnik zu erklären, so liegt da» hauptsächlich in dem Bedenken, ob da» Schiff Dazin'S dem Sturm und hohen Seegang wird Stand halten können. Wer die unwiderstehliche Gewalt der Atmosphäre auf hoher See kennt, der selbst die gewöhnlichen, tief im Wasser wurzelnden SchiffSgefäße kaum zu trotzen vermögen, muß die Stabilität diese» Zwitter» von Schiff und Wagen, dessen hohle Räder nur mit den Kanten in« Wasser tauchen, während der ganze plattformartige Körper al- prächtiger AngriffSpunct de» Sturme» in der Lust schwebt, stark be zweifeln. Bescheidener und darum Zutrauen erweckender sind einige Detail-Erfindungen der Marinelechnik. Dir alte Erfahrung, daß die Schraube al» Schiff-pvopeller nie den günstigen Nutzeffect de» Schaufelrades erreicht, da» nur seiner Ge brechlichkeit und ungünstigen Form wegen au» der Hochsee schifffahrt ausscheidea mußte, hat den Grazer Z. Ruscha auf die Erfindung eine« elliptischen SchiffSradeS geführt. Während bei den bisherigen Rädern die Schaufeln «ine kreisrunde Bewegung vollsübren und zwar «inen ungemein großen Kreis, sobald der günstigste Nutzeffect erreicht «erde« soll, fft bei dem Propeller von Ruscha die Höh« de« Rade« ganz unabhängig von der Triebkraft, der Tiefe der Eintauchung und dem WirkungSrab. Die von einer rotirenden Kette bewegten Schaufeln ziehen sich fast in horizontaler Richtung durch da- Wasser und entfalten während ihrer ganzen Eintauchung die volle Druckwirkung, die die Schaufel de» KreiSrade» nur in einem Augenblick, bei ihrem tiefsten Stand«, erreicht. Die lästig hohen und der Stabilität de» Schiffe» abträglichen Radkästen sind vermieden, und jedenfalls ist eine bedeutend höhere Geschwindigkeit, al« mittel- Schrauben bei gleich starker Maschinenkrast, zu erzielen. Eine Zukunft ist dem neuen Schiff-proprller, wenigsten» auf einigen Gebieten der Schifffahrt, nicht adzusprechen. Endlich bedarf noch eine neuerdings patentirte Erfindung des Mitarbeiters der deutschen zoologischen Station in Neapel, vr. Linden, der Erwähnung, da sie, wenn die Nackrichten ihrer ersten Erfolge sich bestäligen, eine unabsehbare Tragweite >at. Das Linden'sche Wellenmotorboot, ohne Segel, ohne Dampf, Petroleum oder Elektromotor, aber auch ohne Ruder antrieb, schöpft seine Kraft au» den Wellen und bildet somit gewissermaßen den neuesten Versuch des Perpetuum mobile, — das Wort in vernünftiger Anlehnung an die unerschöpflichen Naturkräfle gebraucht. Zwei flossenartige, elastische Ruder oder Stablflächen, am Heck und Schnabel de» Bootes ange bracht, unk vorn vertical, hinten horizontal gerichtet, Hilden das erstaunlich einfache Antriebsmittel. Die Wellen, die den Kiel de« Bootes beben, senken und wiegen, übertragen hier einen Theil ihrer Kraft auf die elasttischen Flächen, krümmen die selben und im Zurückschnellen schiebt die metallene Flosse das Fahrzeug fort; auS der Wiederholung dieser Einzelkräfte aber resultirt eine ständige Bewegung de« Bootes, deren Schnellig keit mit der Höhe der Wellen wächst und fällt und nur bei spiegelglatter Meeresfläche auf Null herabsinkt. Der letzte Fall ereignet sich wohl im Binnenwasser, aber sehr selten an der Küste, so daß die motorische Kraft, die da« Linden'sche Fahrzeug treibt, in der Thal nur selten versagen dürfte. Natürlich ist hier kein Motor entdeckt, der große Schiffe über den Ocean treibt, aber für Boote aller Art, für Fischerei fahrzeuge und kleinere Transportschiffe, sei es auch, nur zur Unterstützung der Segelkraft, ist der Wellenmotor, wie es scheint, ein vortreffliches Hilfsmittel. Eine andere Zvee, die lebendige Kraft des Meeres in den Dienst der Menschen zu stellen, nämlich die Ausnutzung von Ebbe und Fluth für industrielle Zwecke, macht neuerdings viel von sich reden. Daß die tägliche, seck» bis zehn Fuß hohe, unbegrenzt lange und breite Fiuthwoge, die sich seit Aeonen gegen die Küsten der Continente wälzt, eine Arbeitskraft in sich birgt, die aller anderen, bisher au»- genutzten Naturkräfte spottet, ist allbekannnt Nachdem man nun ihrer früher allein ausgeüblen Leidenschaft als Länder mörderin heilsame Fesseln iw Gestalt mächtiger Deiche an gelegt hat, taucht der Gedanke, ihre Energie dem Menschen dienstbar zu machen, immer verlockender auf. Nur ist leider seine Ausführung bisher über einige rohe Versuche nicht binausgekommen. An der friesischen und oldenburgischrn Küste, wo Orte wie Emden, Norden, Wilhelmshaven leistungs fähige Consumenten für die dem Meere, natürlich nur in Gestalt von Elektrirität, abgezapften Kräfte sind, scheint diese Zvee zuerst Gestalt annrhmen zu wollen. Die Ausführung wird man sich so vorzustellen haben, daß da« Hochwasser zur Flutbzeit durch Sckleutzen in große Bassin« geleitet wird, au« denen es während der Ebb« entweichen darf, aber nicht, bevor es seine, dem jetzt um 8—10 Fuß höheren Wasserstand ent sprechende Druckkraft in Turbinen und Dynamomaschinen entladen hat. Einzelheiten sind wohl bei diesen Andeutungen entbehrlich, bi» ihr Gegenstand feste Gestalt angenommen hat, was nun freilich an der friesischen Küste mit Energie be trieben zu werden scheint. Von dem Meeresstrande führe ich meinen Leser in die Weltstadt, — die Elektricität ist hier das Bindeglied. Man kann in New Aork seit einigen Wochen an den Droschken Halteplätzen zierliche Gefährte sehen, die hübsch dunkelblau lackier», elegant im Bau, einem leichten Hansom ganz ähnlich, funkelnagelneu, zum Einsteigen laden, — e» fehlen ihnen blo« die Pferde. Und doch machen sie ihre Fahrt, sobald man sich ihnen anvertrant, schneller als die feinsten Equipagen hinter den feurigsten Rennern. Es sind die seit dem Januar, vorerst in beschränkter Zahl, über die Stadt vertbeilten elektrischen Droschken, die in ihrem zierlichen Rumpfe 7—8 Centner Morris-Solom-Accumulatoren bergen und mit deren Kraft die englische Meile in 2>/, Minuten machen können. Abends und Nachts werden die Wagen- laternen und eine Lampe de» Znnern von der Sammel- Batterie mitgespeift. Sobald das Publicum der Neuheit sein Wohlwollen zuwendet, soll der elektrische Hansomdienst sowohl in New Kork, als in Chicago, Philadelphia und Boston in ganzer Ausdehnung beginnen. — Wenn Amerika den Ruf der Priorität, den es für die elektrische Straßenbahn besitzt, auf dem Gebiet der automobilen Droschke behaupten wollte, so war eS allerdings Zeit, denn schon sind für London 350 elektrische Droschken in Bestellung gegeben, und in Pari» werden eben falls alle Anstalten getrosten, da« mühselige Dasein de« Droschkenvferde» bald zu beendigen und da- furchtbare Gemisch der Straßendüftt, das die Nase de- Großstädters beleidigt, um eine Nuance ärmer zu machen. Im Januar konnte man in Paris, ebenso wie in Berlin und Frankfurt a. M., mehrfache Versuche mit elektrischen Droschken beobachten, und an der Seine können alle poli tischen Wolken der letzten Wochen da» ungethrilte Interesse der Pariser für den automobilen und bescnker» den elektri schen Fiaker nickt im Geringsten beeinträchtigen. Eine alte Droschke, mit 285 Kilogramm Accumulatoren und einem Motor ausgerüstet, gewann neue» Leben und nabm eS mit den flottesten Pserdehufen auf; erst nach 30 Kilometer» ver langte ihr« Sammrlbatterie neue Nahrung. Ein Wagen von nahezu 2 Tonnen Gewicht, etwa dem dritten Tbeil eines PferdebahnwazenS, lief 80 Kilometer mit einer elektrischen Ladung, und einer der Pariser Constructeure von elektrischen Droschken, Herr Krieger, baut jetzt eine solche von mir 800 Kilogramm Gewicht, die »25 Kilometer ohne Beiladung ihrer Accumulatoren zurücklegen soll. Man siebt, da» Ende des müden Droschkenpferde» kann nicht mehr weit sein: die elektrische Straßenbahn, der Motorwagen nnd da» Zweirad. — da- ist dir Signatur de» Städtevrrkehr» der Zukunft!
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