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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970409015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897040901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897040901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-09
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Amtsblatt des H'önigliche« Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nokizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Extra-Veilaaen (gefalzt), nur mit d.r Morgen-Auögabe, ohne Postbrsorderung 60.—, mit Postbesorderung >ll 70.—. Annahmeschlvß für Anzeigen: Abend-Aukgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Rachmlttags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets au die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. ^ 18V. Freitag den 9. April 1897. Sl. Jahrgang. Staalssecretair v. Stephan. 12 Mit StaatSsecrrtair deS Reichspostamts Heinrich v. Stephan ist eine mit der Geschichte der nationalen Wieder geburt Deutschland« eng verknüpfte Persönlichkeit vahin- geganaen, die eS wohl verdient, daß die deutsche Presse, die dem verewigten so viel verdankt, sich nicht an der Auszählung seiner einzelnen reformatorischen Leistungen genügen läßt,sondern sich bemüht, die Stellung zu bezeichnen, die ihm unter den größten Männern seiner Zeit gebührt. Der Betrieb, dem er Vorstand, ist zwar ein seit Jahrhunderten dem Staate vor behaltener, aber kein seinem inneren Wesen nach politischer Berwaltungszweig. Dessenungeachtet wird der Name Stephan'- allezeit genannt werden, wenn von den besten Mitarbeitern der großen Baumeister deS Reiches die Rede ist. Der reformatorische, neues Leben schaffende Geist deS Preußens der sechziger Jahre hat sich in dem Verstorbenen wie in wenig Anderen verkörpert. Daß Deutschland, wo bei Gründung des Norddeutschen Bundes zehn Postverwaltungen selbstständig neben einander bestanden, jetzt außer dem großen ReicdSpostgebiete nur noch die von Bayern und Württem berg zählt, welche letztere aber gleichfalls der Reickspost- gesetzgebung unterworfen sind, dieser politische Erfolg ist nicht Herrn von Stephan zuzuschreiben. Aber wenn vaS vereinigte deutsche Postwesen das wurde, als waS es heute dastebt, als em in seinen Grundlagen auf die Höhe einer mächtig gewandelten Zeit gebrachter, für die anderen Länder vorbildlich gewordener Culturhebel, so ist e« der Verstorbene, dem Deutschland und die civilisirte Welt den Dank schulden. Ein Mann von schöpferischen Ideen, von großer Thal kraft und einer Selbstständigkeit, die sich auch gegen den Größeren und Stärkeren, der ihn an seinen Platz gestellt, Bismarck, zu behaupten wußte, hat der arme pommerische Handwerkersohn ein Werk geschaffen, würdig deS Neuen, waS in großer Zeit auf dem Gebiete der Politik errungen worden ist. Die Post ist den» auch unter ihm ein Gegenstand de« Stolzes für Deutschland, eine populäre Anstalt gewororn; seine trefflichen Neuerungen haben nicht wenig dazu beige- tragen, die Eingewöhnung in die großen Veränderungen, welche die Umgestaltung Deutschland« mit sich brachte, zu beschleunigen. Die jüngere Generation nimmt, wie so manche andere Errungenschaft des siebenten und achten Jahrzehnts, das von dem so gewaltigen wie feinen Mccha niSinuS der Post Gebotene als etwas selbstverständlich Ge bührendeS bin und erachtet nur das der Rede werth, waS sie darüber hinaus beanspruchen zu dürfen glaubt. Sie besitzt daher nicht mehr den rechten Maßstab für die Verdienste des Geschiedenen, der in seinen besten Lebensjahren mehr Tadel als Anerkennung geerntet hat. Gegen zwei Seiten bat sich Stephan gegen den Vorwurf allzu starker Berück-1 raschere Fortschritte im Taxwesen wünschte, so konnte man nicht bestreiten, daß der Grundsatz Stephan'«, es sei wichtiger, die Posteinrichtungen Allen zugänglich zu machen, als sie unter möglichst günstigen Bedingungen zugänglich zu machen, richtig gewesen ist. Der geradezu blendende Erfolg, mit dem er ihn durchführte, drückt sich in allbekannten Ziffern aus. Die Zahl der Postanstalten hat sich seit 1872 ungefähr ver sechsfacht, die der Telegrapbenanstalten verzwölffacht, die der Landbriefträger ist nahezu um das Dreifache gestiegen. Eine befriedigend fungirende Post, der Telegrapb und vielfach auch daS Telephon sind unter Stepban's Amtsführung auS Hilfs mitteln dcS größeren Verkehres zu nützlichen Freunden auch der kleinsten wirthschaftlichen Existenzen in den weltverlorensten Winkeln geworden. Und wenn den Untergebenen deS Verstorbenen zu wünschen übrig geblieben ist, so dürfen sie nicht vergessen, in welcker vor Beginn seiner leitenden Wirksamkeit ungeahnten Weise er ihren Stand dadurch gehoben hat, daß er die moralischen und intellektuellen Anforderungen an die Beamten steigerte, und dies doch keineswegs, ohne ihren wirthschaftlichenJnteressen ernste Beachtung zu schenken. Als Stephan vor mehr als dreißig Jahren in die leitende Stellung einrückte, ging noch vielfach und oft nicht ohne Grund das Sprüchlein herum: „Wer Nichts weiß und wer Nichts kann, der geht zur Post und Eisenbahn." Wie hat sich das geändert! Wenn wir aus der Fülle der schon im gestrigen Abend blatte aufgezäblten und gewürdigten reformatorischen Leistungen des Entschlafenen nowmals das Einhensporlo der Briefe und Packele, den Worltarif für Telegramme, die Postkarten, Postanweisungen und Postmandate heraus- greifen, so haben wir beispielsweise Einrichtungen ge nannt, deren Fehlen sich der heutige Verkehr gar nicht mehr vorzustellen vermag, die aber zumeist erst dem Kopfe Heinrich v. Slephan'S entsprungen und durchweg erst von ihm eingesührt worden sind. Was er für Deutschland geschaffen, sicherte er diesem im Wesentlichen im Verkehr mit anderen Ländern und vermittelte er dem ge sitteten Erdkreise durch seinen kühnen Gedanken deS Weltpost vereins, der an Stelle einer Menge durch Postvcrträge ver bundener Staaten ein einziges Postgebiet setzte, das von 900 Millionen Menschen bewohnt ist. Durch diese große Schöpfung deS Jahres 1874 als eine deutsche hat Stephan dem von SlaatSkunst und KriegSthaten neugewundenen Ruhmes kränze seines Vaterlandes ein unvergängliches Reis eingeflvchten und sich selbst ein unvergängliches Denkmal in der Cultur geschickte gesetzt. Der Tod hat Heinrich v. Stephan vor dem Abschlüsse seiner glänzenden Laufbahn dahingcrafft. Mit ihm verliert der Dienst des Staats der Besten einen, die in der großen 'eit der Reichsgründung neben Bismarck gewirkt haben, ieser Gedanke vermehrt die Herbheit des Verlustes eines sichtiguna des Finanzinteresses des Reiches an der ,hm unter-1 hochbegabten Beamten und liebenswürdigen Menschen, als stellten Anstalt zu vertheidigen gehabt. Wenn man aber I welcher der Verstorbene Hoch und Niedrig bekannt war. Stephan wurde eine volköthümliche Erscheinung durch die geniale Einrichtung der Feldpost im Feldzuge 1870/71, wo er sich durch die Ermöglichung deS denkbar raschesten schriftlichen BerkebrS zwischen den Kriegern und ihren An gehörigen den Dank von Tausenden angsterfüllter Mutter herzen erworben hat. Er ist späterhin durch sein Auftreten im Parlament, welches neben zäher Vertretung seiner An sichten Verbindlichkeit, seiner Humor und flinker Witz kenn zeichneten, beliebt geworden. Im engeren Kreise wußte man das dienstlich bekundete Interesse an der Kunst, die unermüdliche thätige literarische Neigung, die Einfach heit und gesunde Lebensfreude des Gesellschafters und Waiv- genossen zu schätzen. Alles in Allem ein echter deutscher Mann, der von ihm verliehenen seltenen Gaben den edelsten Gebrauch gemacht hat. Die dankbare Verehrung eines an große Männer und Thaten gewöhnten Geschlechts folgt ihm inS Grab. (-) Berlin, 8. April. (Telegramm.) Der „Reichs anzeiger" widmetdemStaatSsecretair Or. ».Stephan einen längeren Nachruf und bebt hervor, daß in ihm einer der Letzten dabingeschieden ist, denen das Schicksal es ver gönnt habe, seit der Begründung des deutschen Reiches bis auf die Gegenwart an leitender Stelle für daS Wobl des Vaterlandes zu wirken. Mil Umsicht, Thatkraft und schöpfe rischem Geiste rief Stephan alSdald nach der Wiederher stellung des Friedens im Jahre 187 t die bis dahin nicht ge kannte Fülle der Verkehrserleichterungen ins Leben, die in der Errichtung des Wettposl-Bereins den Gipfelpunkt er reichten. Seitdem blieb Stephan Chef des deutschen Post wesens und der Vertrauensmann der gesammten internationalen Poftwelt, die in ihm den be deutendsten Mann ihres Faches erkannte. In gleich planmäßiger, unermüdlicher Fürsorge ließ er sich die Hebung der Stellung und die Verbesserung der wirthschaftlichen Lage des zahlreichen Personals seiner Verwaltung angelegen sein. Die zahlreichen Po ft bauten und die Errichtung der oeutsckcn Postdampfer-Linien sind auf fein« Anregung zurückzufükren. Der Name des ersten Generalpostmeisters des deutschen Reiches und des Errickters des Weltpostvereins wirb in der Erinnerung des deutschen Volkes mit der Wieder erstebung deS deutschen Reiches dauernd verbunden bleiben und in der Ge schichte deS Verkehrswesens für immer fortleben. Auch die übrigen Abendblätter widmen in überaus warmen Worten dem Ver storbenen Nachrufe und betonen seine großen Verdienste um das Vaterland und um die gesammte Well, namentlich durch die Errichtung de- Weltpostvereins, der allein seinem Namen in der Geschichte einen bedeutenden Platz sichert. Für alle Zukunft werde sein Name neben den hervorragendsten Förderern des Verkehrswesens glänzen. — Eine sofort ver anstaltete Sonderausgabe des in 30000 Exemplaren erscheinenden Amtsblattes des ReichSpostamles zeigt den Tod v. Stephan's an. Die Geschäfte deS Staats secretairö führt einstweilen der Unterstaatssecretair Fischer. — Ueber die letzten Lebensstunden des Heimgegangenen wird noch Folgendes bekannt: Bis gegen 8 Uhr Abends war der Kranke noch hin und wieder bei Bewußtsein gewesen, von da an verließ es ihn und er schlummerte um 12 Uhr 30 Min. sanft und schmerzlos hinüber, während an seinem Krankenbette außer seiner Gattin und den beiden Töchtern auch die Aerzte weilten. Daß er nickt mehr zu retten sei, stand übrigens schpn am Dienstag fest. AuS diesem Grunde wurde ibm auch ein Wunsch erfüllt, den man ihm sonst hätte abfcklagen müssen, eS wurde ihm ein Glas Bier gereicht. Seit Mittwoch früb bat der Verewigte zusammenhängend nicht mehr gesprochen. — Ueber die Aufbahrung und die Beerdigung ist bisher noch nichts verfügt. Die Leiche liegt noch in dem Sterbe- zimmer, Blumen, welche von den Nächststehenden liebevoll gespendet wurden, bedecken das ToteSlager. Aber der Frieden der völligsten Abgeschlossenheit, welcher die schon vom TodeSbauch berührten Räume während der langen Tage der Krankheit des Verstorbenen erfüllte, wird auch jetzt noch gewahrt, und nur in den allerseltenften Fällen darf der Fuß eine- Fernerstehenden sie betreten. Die Familie hält sich in vollster Zurückgezogenheit, so daß selbst die amtlich Nächstbetheiligten noch nicht wußten, ob vom Kaiser schon eine Nachricht einczelaufen sei. Die Listen, in welche die Condolirenden sich nn Erdgeschoß deS ReichS- postamts eintragen, bedecken sich inzwischen mit zahllosen Unterschriften. Vor dem Sterbehause in der Leipzigerstraße, von dessen Zinnen zwei Reichspostflaggen Halbmast wehen, fahren die Wagen der Hofgesellschaft und der auswärtigen Mächte unaufhörlich vor. Bis Mittags hatten sich schon viele Hunderte hervorragendster Persönlichkeiten eingezeichnet, darunter sämmtliche Botschafter und Gesandten auswärtiger Mächte, viele Parlamentarier. Schon beginnen Kranz spenden einzulaufen, während das Telegraphenamt selten in größerem Umfange in Anspruch genommen worden ist, als heute, wo es gilt, seinem ersten Chef einen letzten Abschieds gruß zu llberbringeo. Deutsches Reich. 8. Leipzig, 8. April. Wie erinnerlich sein wird, hatte im Juli v I. in Thorn durch den Criminalcommisiar v. Tausch die Verhaftung des Schachtmeisters Fab rin auS Mocher stattgefunden; eS tag der Verdacht vor, daß durch Fabrin's Vermittelung Correspondenzen landeSverratberischen Inhalts an russische Behörden befördert worden seien. Die Vorunter suchung ist jetzt geschlossen, so daß daS Reichsgericht sich in der nächsten Zeit mit dieser Angelegenheit beschäftigen kann. Doch ist für sie wie für die Verhandlung der An klage gegen den ehemaligen Depot-Feldwebel Mein ecke aus St. Privat ein Termin noch nicht bestimmt. 6. U. Berlin, 8. April. Der deutsche Schiffsbau hat sich bekanntlich in den letzten Jahren mächtig entwickelt, Feuilleton. Die erste Aebenomtermig im hohen Norden im Winter 159H97. Bon Alexander Bauer. Nachdruck verboten. „In Nacht und EiS" nennt Fridtjof Nansen daS inter essante, culturbiftorisch wertbvolle Werk, worin er die Er* lebnifse der jüngsten und bisher bedeutsamsten Nordpolfabrt in schlichter und dock überaus fesselnder Weise schildert. Un endlich sind die Gefahren und Entbehrungen, welchen der kühne NordlandSfabrer sich auSsetzte. Seine auf dem Schiffe zurückgebliebenen Gefährten hatten bisweilen da» bessere Thril erwählt, denn die ,,Fram" war so ziemlich mit Allem versehen, WaS die Einsamkeit und Winter nacht einigermaßen erträglich machen kann: mit hin reichenden Heizmaterialien, elektrischer Beleuchtung, Instru menten, Bibliothek, Spielen, Harmonium, Schreibmaterialien und vor Allem mit Lebensmitteln in vorzüglicher Qua lität. Erstaunlich ist eS ja, waS die ErnäkrungStrchnik heutzutage bietet. Man kann jahrelang unterwegs sein, ohne irgend eine Bequemlichkeit des gewohnten Lebens zu ver missen; die Kunst der Speisenconservirung versieht unS auf lange Zeit hinaus mit frischem Fleisch, Gemüse, den schmack haftesten Suppen und Delikatessen aller Art, wo früher den armen Seefahrern nicht« al- harter Schiffszwieback, halb- faules Wasser, Hülsenfrüchte und Salzfleisch blieben. Daher legte eine Urberwinterung im Eise des Norden« den Vor fahren von Nansen und seinen Gefährten oft noch weit höhere Opfer auf, ganz abgesehen davon, daß die damaligen Schiffe hinsichtlich ihrer praktischen und technischen Ausrüstung sich mit den wunderbaren schwimmenden Palästen der Neuzeit natürlich nickt annähernd messen konnten. Gerade jetzt, wo der mutbige Forscher al« gefeierter Gast bei un« weilte, dürfte es von Interesse sein, der jüngsten Urberwinterung im Eise de« Norden« die erste an die Seite zu stelle», von welcher die Geschichte der Polarforschung un- zu berichten weiß. Der Vergleich ist um so interessanter, st auch diese erste Urberwinterung gerade eine an Abenteuern reiche war und außerdem noch durch weiter unten zu be richtende seltsame Umstände oesvndere Bedeutung erlangte Ferner muß sich da» Ereigniß zur gegenwärtigen Zeit um so mehr unserer Erinnerung aufbrängen, weil seit demselben gerade 300 Jabrr verflossen sind, wir also in diesem Jahre da« 300 jährige Jubiläum der ersten Uebrrwinterung im hoben Norden begeben. Der Held derselben war der holländische Seefahrer Wilhelm Barent« (Baren», BarradSz), aeborin auf der Insel Terschelling in der Nähe von Terel. Damals begann für die eben erst vom svanischen Joch« »«freiten Holländer die Epoche der Colonial- und Handelspolitik, die ihnen später zu so großen Erfolgen und Reichthümrrn verhelfen sollte. Vor Allem galt eS die Auf findung eine« Wege« nach Ebina auf nordöstlicher Fahrt; sie uchten denselben auf den Rath deS Kosmographen PlanciuS nördlich von Nowaja - Semlja. Barentz, ein erfahrener Seemann, wurde von einigen Kaufleuten Amsterdam- mit der schwierigen Mission betraut. Als erster Europäer erreichte er die Westküste von Nowaja- Semlja, wurde jedoch durch ungeheure EiSmassen am weiteren Vordringen verhindert, nachdem er die Nordküste bis zum äußersten Nordwestcap, dem Cap Nassau, erforscht batte. Im nächsten Jahre sandten die Staaten von Holland Jakob von HeemSkerke mit sieben (nach anderen sechs) Schiffen zur weiteren Verfolgung der von BarentS gemachten Entdeckungen auS. BarentS grng als erster Pilot mit, auch diese Expedition mutzte aber vor dem Eise zurückweichen und kehrte unverrichteter Sacke nach Holland zurück. Tie Regierung verlor infolgedessen den Mutö und glaubte genug getdan zu haben, wen» sie einen Preis auf die Entdeckung einer nord östlichen Durchfahrt auSsetzte. Aber die Kaufmannschaft wollte die Frucht der bisherigen Bemühungen nicht verlieren, und rüstete nochmals zwei Schiffe auS, al« deren Pilot BarentS fungirte. Diesmal war der mutbige Seemann, welcher am l6. Mai 1598 von Amsterdam ausgefahrrn war, glücklicher, er entdeckte die Bäreninsel und Spitzbergen und überschritt den 80. Breitengrad. Die Bäreninsel erbielt ihren Namen von einem Eisbär, den die Seeleute auf derselben erlegten, Spitzbergen wegen der spitzen Form seiner Berge. Bald darauf trennten sich die beiden Schiffe, daS eine unter Cornelius Rijp kehrte um. dasjenige, auf welchem BarentS sich befand, drang weiter vor, umschiffte daS Cap Nassau und gelangte bis an die Orange-Inseln am nördlichen Ende Noivaja-Simljas. Den Ruhm, die Nordspitze dieser Insel umschifft zu haben, theilte der Holländer BarentS jahr hundertelang mit Niemand, erst in der Neuzeit folgte die Forschung seinen Spuren. Doch zurück zu ibm. An der Ostküste der Insel hinab- fahrend, fand er seinen Weg bald durch Eis versperrt, der Winter überraschte ihn, so blieb ibm nicht« übrig, als mit seine» Gefährten eine Art Hafen zu suchen, wo er vom Eise eingeschloffen wurde und unter bitterem Mangel und bei strengster Kälte die rauhe Jahreszeit hinbrachte. Ende August begann die Uederwiotrrung. Der HochbootSwann Gerrit de Vecr bat un« den Bericht über den er schütternden Verlaus derselben hintrrlasfen. Siebzehn Per sonen beherbergte da« Schiff, vor ihnen batte noch Niemand den Winter dieser Eiswüsten geschaut und durchlebt. Eis schollen thürmteo sich um daS Schiff auf, rin Krachen und Knacken begann, al- sollte eS in tausend Stücke gehen. AuS Borsicht errichtete man daher ein Zelt, in dem ein Vorralh von Lebtn-mittela, Waffen und nothweudigen Utensilien auf- bewahrt wurde. Al« man bald darauf auf dem Lande Treibholz auf einem Flusse mit süßem Wasser und Spuren von Ziegen und Renathieren entdeckte, beschloß man, daselbst ein richtige« Hau« zu erbauen, da« gegen die Kälte bester schützte, und das Schiff, welche« einen immer unsicherer werdenden Aufenthalt darbst, zu verlassen. Au« Stämmen, welche wahrscheinlich die Meeres strömungen au« Sibirien bierbergefübrt batten, bauten sie sich rin Hau«, dasselbe Holz benutzten sie als Brennmaterial. Bären fanden sich in Masse ein und viele wurden erlegt, das Fleisch aß man aber merkwürdiger Weise nicht, vermutblich, weil man es für ungenießbar hielt. In Folgt besten blieb man auf vie einseitige Nabrung des Schiffe« angewiesen, so daß bald genug der Scorbut ausbrach und Opfer forderte. Am 2. Oktober war daS HauS fertig, vom 12. ab schlief man darin. „Auf dem Tacke des Hauses ward ein Schornstein ange bracht, im Innern eine holländische Wanduhr aufgehangen; längs der Wände standen die Betten und in der Mitte eine Tonne als Badebassin." Bald brach die Polarnacht herein, die Kälte war entsetzlich, der Schneefall außerordentlich. DaS ganze Haus wurde verschüttet, wollten sie ins Freie, mußten sie sich erst einen Gang graben. Nacht für Nacht trampelten Bären und Füchse auf dem Dache herum, versuchend die Planken abzuheben, um in- Innere zu kommen. Schließlich krochen sie sogar in den Schornstein, wo viele geschossen wurden. In Schlingen sing man zahlreiche Blaufüchse, deren Fell zu Pelzen verwendet und deren Fleisch gegessen wurde. Der Frost war so groß, daß zweimal Wände und Fußboden 2 Finger dick mit Eis belegt waren. Der Wein mußte allemal erst aus- gethaut werden. Schreckliche Stürme wütheten. Einmal heizte man, um mehr Wärme zu erhalten, mit Steinkohlen und schloß alle Oeffnungeu, um sie recht lange zu erhalten. Die Folge war, daß Alle von Schwindel und Beängstigung ergriffen wurden. Einer der Matrosen, welcher den Hauseinaang öffnete, um der Luft Zutritt zu gestalten, fiel augenblicklich besinnungslos zu Boden, kam aber später in Folge der Bemühungen seiner Kameraden wieder zu sich. Endlich erreichte die Kälte einen so hohen Grad, daß den Unglücklichen die Schuhe an die Füße froren und hart wie Horn wurden, die Kleider sich mit Schichten von Reif und Eis bedeckten. Dessen ungeachtet feierten sie das Fest der heiligen drei Könige in fröhlicher Stimmung. Aus zwei Pfund Mehl nnd Oel buken sie ein paar kleine Kucken, dazu gab es etwas Zwieback und Wein. „Da kam es uns vor", beißt es in dem ergreifenden Bericht Gerrit de Veer'S, „als wären wir in der Hrimath und mitten unter Angehörigen und Freunden; auch haben wir un- dabei so erquickt und gestärkt, daß keiner hätte lustiger sein können, wenn er von dem glänzendsten Banket gekommen wäre. Durch Loose bestimmten wir einen König, und unser Oberkanonier wurde König von Nowaja-Semlja". Während der Periode von September bi« Ende Januar erlagen zwei der Matrosen dem Scorbut, von dem fast alle ergriffen waren. Alle fühlten sich äußerst schwach, so daß sie selbst beim Herbeitragen des Holze« mehrmals auSruben mußte«. Endlich erblickten sie wieder eisfreie« Meer vor sich, aber erst am 13. Juni 1597 konnten sie darau denken, in den beiden Schaluppen — das Schiff mußten sie im Stiche lasten — in Ser zu stechen. Vorher setzte BarentS ein Schriftstück mit einem kurzen Berichte über die Reise und ihre Urberwinterung auf, steckte eS in ein Flintcnfuttrral und hing e« am Kamine auf, damit „wenn Jemand nach unS durch Zufall hierher kam, er erfuhr, wa« un« begegnet war". Wenige Tage nach Antritt der mühseligen Fahrt starb wieder ein Mann, und gleich darauf auch Wilhelm BarentS selbst, der berühmte Pilot, zur großen Betrübniß der nun völlig verlassenen Verirrten. WaS diese auf der verbängnißvollen Fahrt litten, läßt sich kaum schildern. Bald fror das Meer zu, bald ward es wieder eisfrei, so daß sie ihre Boote immer wieder von Neuem auf Eisfelder hinaufziehen unk flott macken mußten. Unendliche Freude herrschte, als sie auf der Jusel Croix 60 Eier der Bergente entdeckten. „Sie wußten nur nicht gleich, wie diese fortzuschaffen seien. Da zog einer der Leute die Hosen aus, band sie unten zu und in diese steckte man die Eier; der sonderbare Behälter wurde an einem Spieße nach der Landungsstelle ge tragen. Ein ander Mal fanden sie bei Gelegenheit einer Landung einige Exemplare der Loodlearis (Löffel kraut); sofort verzehrten sie dieses kräftige Mittel gegen den Scorbut und fühlten sich wesentlich besser. Durch einen Nebel wurden die Boote vorübergebend getrennt, auch gingen ihnen schließlich die Lebensmittel auS. Hungernd, leidend und völlig entkräftet erreichten sie endlich Kola, wo sie zn ihrer freudigen Ueberraschung ihren früheren Gefährten Cornelius Rijp mit seinem Fahrzeug antrafen. Dieser nahm sie mit nach der Heimath, und am 1. November trafen sie in Amsterdam ein. Die zwölf Zurückkebrenden, die man schon lange für tot gehalten, trugen beim Einzuge dieselbe Kleidung wie in Nowaja-Semlja und Mützen von weißem Fucks. Ihre Abenteuer erregten gewaltige« Aussehen, vielfach stießen sie sogar auf Zweifel und Kopfschütteln. Erst 274 Jahre später sollte sich die Wahrheit des de Veer'schen Berichtes voll erweisen. Im Jabre 1871 (am 7. September) wurde zum ersten Male die Stelle wieder besucktj, wo Barents überwintert hatte. Der norwegische Capitain Elling Karlsen war es, der hier nicht nur daS Haus genau so, wie die Schiffbrüchigen es beschrieben, wiederfand, sondern auch noch in so gutem Zustande, als sei es erst am Tage vorher errichtet worden. Alles fand sich, wie Verne in seiner Ge schichte der Reisen und Entdeckungen erzählt, genau in dem Zustande, wie die Unglücklichen eS einst verlassen. Nur Tbiere hatten inzwischen den Ort besucht. Große Tonnen und Haufen von Walroß- und Bärenknochen umgaben das HauS, im Innern entsprach Alles der merkwürdigen Zeichnung de VeerS' Die Betten standen an den Wänden, die Uhr hing noch da, einige Flinten, Bücher, Decken, Instrumente, HauSgeräthr, Stiesel, Leuchter, Patronen ic. Die niederländische Regierung erwarb die BarenlS'scben Reliquien und brachte sie im Marinemuseum im Haag unter, wo auch ein genau der Veers'schen Zeichnung entsprechendes, vorn offenes HauS errichtet wurde, in dem jeder Gegenstand denselben Platz erhielt wie in Nowaja-Semlja. Wir haben in diesem Hause nebst Inhalt wobl eines der kostbarsten nnd zugleich schönsten Denkmale der Forschungsgeschichte vor uns. um so wertbvoller, al« es gerade von der ersten Ucber- winteruna in den arktischen Meeren Zeugniß giebt. Niemand vermag sich der Rührung beim Anblick dieser Gegenstände zu erwehren. Unter Anderem erblickt man die Flöte des un glücklichen Barents und die Scbuhe deS armen Matrosen, de auf der fernen EiSinsel sein Grab fand.
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