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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.04.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970412022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897041202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897041202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-12
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Größere Schriften laut unserem Preis- vrrzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur mit ^ Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderum ^4 SO.—, mit Postbeförderung ^4 70.—. Rnnahmeschln- fir Anzeigen: Ab eud-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-AuSgab«: Nachmittag« 4Uhr. V«i den Filiale» und Annahmestellen je eine halb« Stund« früher. Anzeigen find stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 188. Montag den 12. April 1897. 91. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. April. Die Aussprache des SeniorenconventS der Zweiten fichsischen Kammer hat die Mißstimmung der Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe erregt. Sofort nach dem Eintreffen der Meldung über die Bestätigung de- UebereinkommenS der bürgerlichen Landtagöxarleien Sachsens hat sich die „Deutsche Tageszeitung", daS Organ de- Herrn von Ploetz, auf den Richterstubl gesetzt, um von diesem angemaßten Sitze aus den Seniorenconvent wegen Competenzüberschreitung und „überaus bedenk licher Auslegung de- CartellS" in dem bekannten Tone abzukanzeln. „Der Seniorrnconvent", so judicirte da« Berliner Blatt, „ist unseres Erachtens mit einer der artigen Festsetzung der Parteizugehörigkeit der einzelnen Wahlkreise über den im Cartell liegenden und ihm gewordenen Auftrag hinauSgegangen". Zwölf Stunden später war der Ton der „Deutschen Tageszeitung" etwas milder. Sie erklärte, „um Mißverständnissen zu be gegnen", daß „die Leitung der sächsischen conservativen Partei und des Seniorenconvents durchaus correct und loyal ge handelt haben". Aber auch in dieser zweiten Auslastung tritt die materielle Bemängelung der Uebereinkunst über den 9. ländlichen Wahlkreis, sowie deS Cartellverhältnisses überhaupt wieder scharf hervor. Es wird insbesondere be merkt, „daß schon ein- oder zweimal ein fortschrittlich vertretener Wahlkreis ohne Weiteres in nationalliberale Hände überging. Damals wurde nicht über Cartellbruch gezetert (!). Kommt aber der Bund der Landwirthe in Frage: Ja Bauer, dann ist's ganz was anderes I" Gerade dieser rweilen, scheinbar abgeschwächten Kundgebung deS Berliner Blattes läßt sich entnehmen, daß die dortige Bundesleitung nicht gewillt ist, den neuerdings bekräftigten Friedeoszustand unter den bürgerlichen Parteien in Sachsen zu respecliren. Wir wollen deshalb nicht mit der Erklärung zurückhalten, daß die grundsätzliche Abweisung der Ein mischung deS Berliner Borstandes deS Bundes eine Voraus setzung des Fortbestandes des CartellS bildet. Wir in Sachsen werden uns mit den dem Bunde angehörigen einheimischen Land- wirthen, die, von den wirtbschafllichen, insbesondere agrarischen, sowie von den politischen Verhältnissen unseres Lande« ausgehend, sich zur Geltung bringen wollen, sehr wohl zu vertragen wissen. Von der B erlin er Bundesleitung jedoch, die wirtschaftlich in den Vorstellungen der großen Grund besitzer des östlichen Preußen befangen ist und dort — wir er innern nur an die letzten Nachwahlen —die kleineren Landbesitzer mehr und mehr dem RadicalismuS zutreibt, kann man in Sachsen Befehle nicht entgegennehmen. DaS Cartell würde geradezu sich selbst negiren, wenn eS Herrn von Pioetz Einflug auf seine Entschließungen gewährte. ES ist gebildet worden gegen die Socialdemokratie und sieht — die letzte Leipziger Landtagswahl hat eS deutlich gezeigt — in. einem Theile de« Antisemitismus einer zweiten Volks aufwiegelnden Richtung sich gegenüber. Es wäre Selbstmord ^ wenn eS sich mit Politikern ein- ließe, die die Methode jener beiden Parteien mit keinem andern Erfolg angewendet haben, als daß Gemäßigte und Nationale verdrängt worden sind, aber nicht zu Gunsten der landwirthschaftlichen Vertretung in den Parla menten, sondern zum Vortheil von Gegnern einer jeden staat lichen Hilfeleistung für die Landwirthschaft und den Mittel stand überhaupt. Elemente, die den Cartellbesitz an Mandaten gefährden, haben wir im Lande gerade genug und brauchen un« nicht weitere aus Berlin zu verschreiben, namentlich solche nickt, die dafür bekannt sind, daß sie an Stelle der gerade für unser Land unentbehrlichen Harmonie zwischen Lankwirtbschaft und Industrie die gegenseitige Zersleisckung setzen möchten. Wir wiederbolen, ebenfalls „um Mißverständnissen zu begegnen", daß Sachsen nickt daS Land ist, in dem bürger liche Parteien, die ihren Einfluß behaupten wollen, sich an da« „Erachten" deS Herrn v. Ploetz kehren dürfen. Wieder ist die Bevölkerung eines deutschen Großherzog-- thums in tiefe Trauer versetzt worden: am Sonnabend Abend ist, wie der Telegraph bereits gemeldet hat. in Cannes der Grotzherzog von Mccklcnburg-Lchivcrin an Herzschwäche gestorben. Wenn sein Tod außerhalb de« Großherzog- thumS weniger tief berührt als innerhalb desselben, so liegt daS daran, daß Friedrich Franz III. schon bevor er seinen, Vater, der durch seinen hervorragenden Antheil an den großen Siegen des Feldzuges von 1870/71 seinen Namen zu einem der gefeiertsten in Deutschland gemacht hatte, am 15. April 1883 in der Regierung folgte, an einem Brust übel litk, daS seiner Thätigkeit enge Schranken zog und ihn nöthigte, einen großen Tbeil des Jahres in einem milderen Klima zu verleben. Im Großberzogthum aber kannte man dir Gewissenhaftigkeit und den Fleiß, mit denen er das Wohl deS Landes förderte, so weit seine Kräfte reichten. Er halte in Berlin bei den Gardekürassieren gedient und bewahrte senden, dem Reitsport ein besonderes Interesse. Und wenn er in der Bekundung dieses Interesses in Doberan als Richter bei den Rennen seines Amte- waltete und bei solchen Gelegenheiten auf daS Eingehendste mit Industriellen, Hand werkern, Landleuten und Arbeitern über ihre Lage und ihre Wünsche sich unterhielt, da trat eS zu Tage, wie sehr ihm das Wohl seines Landes am Herzen lag, daß er modernen politischen Anschauungen keineswegs feindlich gegenüber stand und in seinem Lande sicherlich eine größere Anzahl von Reformen zur Durchführung gebracht haben würde, wenn nicht das Uebel an ihm genagt hätte, daS ihn so früh dahingerafft hat. Durch seine Verheirathung mit der Großfürstin Anastasia Michailowna kam er in lebhafte Beziehungen zum russischen Hofe, die er, soweit bekannt ge worden, stets im Interesse der Erhaltung eine« günstigen Verhältnisses de« Reiche« zu seinem großen Nachbar gepflegt hat. Da sein ältester Sohn, der Erbgroßherzog Friedrich Franz, erst am S. April 1882 geboren ist und sein jüngerer Bruder Paul Friedrich bei seinem Uebertritt zur katho lischen Kirche auf seine Rechte verzichtet bat, so geht während der Minderjährigkeit de« jetzigen ErbgroßherzogS die Regent schaft auf den zweiten Bruder de« Verstorbenen, den Herzog Johann Albrecht, drn eifrigen Förderer der deutschen Colonialbestrebungen, über. Daß dieser als Regent sich zu einer zeitgemäßen Reform der Landesverfassung entschließen wird, ist nicht eben wahrscheinlich; aber jedenfalls wird er seinen Einfluß dahin geltend machen, daß Friedrich Franz IV. als bald nach seiner Thronbesteigung den von seinem Großvater in den Jahren 1848 und 48 unternommenen, aber bald nachher wieder fallen gelassenen Versuch einer solchen Reform mit größerem Entgegenkommen ge^en die berechtigten For derungen der nichtbevorzugten BevölkerungSclassen und mit größerer Consequenz wiederholt. Wenn Herzog Johann Albrecht, der Schwiegersohn der jüngst verstorbenen Groß- Herzogin Sophie von Sachsen-Weimar, in dieser Weise die Regentschaft führt, so handelt er sicherlich nur im Geiste seine« verstorbenen Bruders. In der belgische» Kammer hat dieser Tage der Minister des Innern SchoUaert den Socialisten den Krieg weyen ihrer überraschenden Erfolge bei den Gemeindewahlen erklärt. Er gab die unumwundene Versicherung ab, er werde keinen Socialdemo traten zum Bürgermeister ernennen. „Die Socialisten", so führt der Minister an«, „haben sich außerhalb des Gesetzes gestellt, da sie in dem amtlichen Organ der Socialistenpartei eine Erklärung veröffentlichten, daß sie den verfassungsmäßigen Eid — Treue dem Könige und Ge horsam de» Gesetzen und der Verfassung de« beigüche» Volke« — als nicht vorbande» anjehen. Andererseits vertreten die Bürger meister nicht nur die Mehrheit der Wähler der Gemeind«, sie sind auch die Delegirten des König«, die Leiter der Polizei. Wie will man, daß ich Liese Machtbefugnisse Anhängern der rochen Fahne anvertrauen kann? Die Regierung kann nur bei ihrem Entschluß beharren I" Die gesammte Rechte nahm diese Regierungserklärung mit lebhaftem BeifaUe und mit dem Zurufe „sehr gut" auf; die socialistische Linke war natürlich über diese neue antisocia- listische Kundgebung der Regierung und der Rechten sehr miß vergnügt, aber sie hat selbst durch ihre antimonarchische, republikanische Wüblerei e« dem Ministerium ermöglicht, den Ausschluß der Socialisten von dem Amte deS Bürgermeisters rechtfertigen zu können. Alle in Stadtvertretungen gewählten Socialisten haben bisher bei der Eidesleistung erklärt, daß sie als Republikaner sich durch den Eid nickt gebunden fühlen, Treue dem König zu bewahren. Daß es mit der russisch-polnischen Versöhnung nichts ist und nicht« werden wird, stellt sich von Tag ru Tag deut licher heraus. Die Warschauer Polen trugen sich schon seit Langem mit dem Gedanken, dem berühmtesten polnischen Dichter Mlckiewicz aus einem der öffentlichen Plätze oder im Sächsischen Garten zu Warschau ein Denkmal ru er richten. In russischen Regierungskreisen faßt man diese Ab sicht als eine russenfeindliche Demonstration auf, und so wendet sich u. A. die „MoSkowSkija Wjedomosti" in folgendem scharfen Ausfall gegen dieses neue Hervortreten der polnischen Pro paganda: Wenn die Polen di« politischen Jrrthümer Mickiewicz'S «In- rä'imten und in ihm nicht« al« den Poeten erblickten, so braucht« man gegen die Errichtung eine« Denk.ioi« für diesen keine Ein wendungen zu erheben. In Wirtlichkeit feiert man jedoch in ihm gerade einen der hauptsächlichsten Borbereiter de« Aufstande« von 1830 und den Verfasser de« 8. TheilS der „Dziady". der von dreisten Ausfällen gegen Rußland und dessen Monarchen wiminelt und selbst den Zarenmord predigt. Die Errichtung eines solchen Denkmal« würde daher aus eine dreiste Demonstration und Be- leidtgung des russischen NattonalgrfühlS hinou-laufen. Das ganze Project ist geeignet, den polnischen Chauvinismus zu verstärken und, falls nicht rechtzeitig vorgebeugt wird, dir weniger enthaltsamen Polen zu offenen rusfenfetndlichen Kundgebungen Hinzureißen. Dieser Tage erschien nun in Sachen deS Mickiewicz- Denkmals bei dem Generalgouverneur von Polen, dem Fürsten Jmeretyn«ki, eine Abordnung, di« au« dem Fürsten Michael Rabziwill, dem berühmten Schriftsteller Heinrich Sienkiewicz und dem Geschichtschreiber Professor Chmielowski bestand. Der Generaigouverneur Fürst Imeretinsky erklärte aber den drei Herren sehr lakonisch, ihm wäre der Gedanke am sympathischsten, daS Denkmal — im Innern der Kathedrale oder einer der größeren Kirchen Warschaus anzubringen. Um die geplante eagltfch« Flottenkundgebung in der Lelagoadai zu rechtfertigen, versucht die Londoner „Daily Mail" ein charakteristisches Motiv vorzubriugeu; sie läßt sich nämlich au« Capstadt teiegraphiren, die britische Re gierung sei entschlossen, den bisherigen Widerstand gegen die deutschen Versuche, festen Fuß in der Delagoabai durch Erwerbung der sogenannten Molenconcession und den Ankauf der Delagoabai-Eisenbahnactieii zu fassen, aufrecht zu erhalten. Diese lächerlichen Beschuldigungen gegen Deutschland sollen eben nur einen einigermaßen plausiblen Borwand zu der ganz ungerechtfertigten und das Transvaal bedrohenden Flottenentsendung nach der Delagoabai bieten. In Capstadt selbst scheint vor Allem der Afrikander bund die englische Negierung vor thörichten Schritten zu warnen; er brachte in der gesetzgebenden Versammlung des Cap die Resolution ein, eS sei Pflicht der Capregierung, die englische Negierung zu warnen, da ein Krieg mit Transvaal den Ausbruch eines Bürgerkrieges in Südafrika bedeute; der Friede müsse aber zwischen den europäischen Rassen aufrecht erhalten werden. Anderer Ansicht ist indessen der „ungekrönte König von Südafrika", Herr Cecil RhodeS, der eben auf der Rückreise nach seinem Reiche begriffen ist. Er will die Frage, ob England die vorherrschende Macht in Südafrika sein und bleiben soll, so bald wie möglich entschieden wissen, wenn es nicht anders geht, mit Waffengewalt; und di« eng lische Negierung spielt, wie dir Verhandlungen deS Unter suchungsausschusses klar bewiesen haben, nur die Rolle der Marionette in der Hand dieses rücksichtslosen Regisseurs. Wie die Stimmung innerhalb der Londoner Regierungskreise beschaffen ist, zeigt folgende Meldung: * London, 11. April. Bei einem Festmahl, das gestern Abend hier zu Ehren deö neuen Gouverneur« der Capcoloni« Sir Alfred Milner veranstaltet wurde, hielt der Erste Lord de« Schatzes Goschen eine Rede, in der er sagte, wenn Milner in der Cap- colonte echt englische Luft athmen wolle, solle er sich nach Simons Down, dem Standorte deS britischen Geschwaders, begeben. Tort werde er britische Seeleute, die Vertreter britischer Macht in Südafrika, sehen; sie würden Milner und drn Einwohnern der Capcolonir eine Bürgschaft dafür sein, daß England entschlossen ist, seine Suvrematie in diesen Gebieten aufrecht zu erhalten, und sie würden zeigen, daß hinter dem High Eommissionrr die ganze Macht de« britischen Reiche« steht. Diese Drohung wird in Pretoria und Bloemfontain in dessen sehr kaltblütig ausgenommen werden, zumal da auch in Lissabon schon die Crkenntniß gekommen zu sein scheint, daß britische Einflüsse hinter den aufrührerischen Kasternstämmen stehcn.Von der süeafritanischen Republik bat Portugal Nichts, von England Alle« zu befürchten, und eS sollte daher den Boeren kein Hindrrniß in den Weg legen, wenn sie sich entschlössen, einen Durchbruch zum Meere durch Amatongaland zu unter nehmen, um einen Hafen für Transvaal zu erhalten. Die griechische Freischaar, welche am Freitag die Feind seligkeiten an der Ihkssalisch-makcdonischen Grenze eröffnet hat. ist nach einem Athener Telegramm der „Times" durch den Alexandriner Griechen Gousios organisirt. Dieser hatte sein Hauptquartier im GebirgSthal bei Kalabaka unfern den Klöstern von Memora. Die Hauptschaar traf vorige Woche mit einem Sonderzug von 45 Waggons von Volo ein. Man schlug alsbald ein gemeinsame« Lager auf und unternahm die Organisation. Zwei ehemalige griechische Hauptleute Nylona« und Kapsalopulos erhielten den Oberbefehl; unter den Hauptleuten sind die bekannten Aufstandssührer SermaS und Davelis. Die Schaar wurde außerdem mit einer großen Anzahl Lieutenants, zwei Arrzten und drei Feldgeistlichen versehen, von denen einer au« dem Kloster auf dem Berge Atho« ist; der andere, ein Mann von riesigem Wuchs, trägt die vorigen Donnerstag von den benach barten Mönchen geweihte Fahne mit der alten Inschrist: „Unter 101 Feuilleton Sneewittchen. Roman von A. I. Mordtmann. Nachdruck verioitn. S. Eapitel. Am Tage nach der Delmar'schen DonnerStagS-Gesellschaft erschien vr. Zarnow wieder einmal bei FriedrichsenS. Gr batte der Geliebten seinen Besuch angekündigt, weil er wichtige Dinge mit ihr zu besprechen babe, die er ungern unter dem verwirrenden Getöse der Gesellschaft und den damit ver bundenen häufigen Störungen Vorbringen wollte. „Was mag Zarnow wollen?" fragte Cäcilie, al« sie ihrer Schwester beim Nachhausegeben mittbeilte, wir er in beinahe etwa- zu feierlicher Weise seinen Besuch an gemeldet hatte. „Erräthst Du e« nicht, Cilli?" fragte Helene etwa« ver wundert. „Ich kann mir ganz gut denken, wa« er will." „Da« wollt« ich von Dir nur kören. Du bist jedenfall« auf dieselbe Vermuthung gekommen wie ich." Helene lächelte und seufzte dabei. Wohl gönnte sie der Schwester neidlos ihr Glück, aber doch konnte sie sich bei dem unwillkürlichen Vergleich der ungleichen Loose, die beiden zuaefallen waren, trüber Gedanken nicht ganz erwehren. „Da« war doch nicht so schwer zu errathen", meinte sie. „Und wa« wirst Du antworten?" Cäcilie erröthete leise, denn sie sprach eine Unwahrheit au«, indem sie erwiderte: „Ist nickt sein Wunsch auch der mrinige? Warum sollten wir noch länger etwa- rrsehuea, dessen Erfüllung ja jederzeit in unserer Macht liegt?" Im innersten Grunde ihre- Herzen« wußte sie, daß der Wunsch, bald mit Za» nvw verbunden zu sein, nur zum Theil ihrer Liebe zu ihm entspringe, überwiegend aber in den für sie ungemüthlichen Verhältnissen, die im Hause obwalteten, seine Quelle babe. Helene stimmte ibrer Schwester bei und unterdrückte ihre stillen Gedanken. Sie war nicht mehr von der uneigen nützigen Liebe CäcilienS überzeugt. Diese würde durch eine baldige Verheirathung der Nothwendigkeit entgehen, eine Stellung als Gesellschafterin odrr Erzieherin zu suchen, wa« sich sonst kaum vermeiden ließ. Denn wenn auch eine der Schwestern wegen der Nothwendigkeit, dem Bruder den Haushalt zu führen, bei ihm bleiben mußte, die zweite konnte nicht den Anspruch erheben, seia schmale« Einkommen mit ihm zu theilen. Sie waren darin, wie in dem weiteren Schluffe einig, daß Helene zu Hause bleiben müsse, weil sie mit Rudolf« Eigenheiten am vertrautesten war und auch, wie Cäcilie bereitwillig zugab, mehr Selbstverleugnung besaß, al« sie selbst. Al« Zarnow kam, entfernte sich Helene, um dir beiden Liebenden bei ihrem vertraulichen Gespräch nicht zu stören. Allein geblieben, setzten sich Beide neben einander; Zarnow legte den Arm um CäcilienS Taille und erfaßte mit der freien Hand ihre Rechte. In der zwischen zärtlich Liebenden üblichen Weise wurde da« Gespräch eingeleitet, dem Zarnow, ohne daß er e« sich selbst einzugestehen wagte, mit einiger Bangigkeit entgegensah. Cäcilie bezwang nur schwer ihre Ungeduld, zur Sache zu kommen, und sagte endlich: „Nun, Du thörichter Mensch, wa« hast Du mir eigent lich mitzutheilen? Odrr bist Du nur gekommen, um ein Stündchen zu verplaudern?" „Würdest Du mir böse sein, wenn e« nur da« wäre?" fragte er scherzend. Sie schüttelte lächelnd den Kopf und duldete e«, daß er, entzückt über diese Verneinung, den Borwand benutzte, Cäcilie noch einmal zärtlich zu küssen. Dann aber sagte er: „Nein, Cäcilie, da« allein ist e« doch nicht. Ich babe Dir viel zu erzählen und, im Anschluß daran. Dich viel zu bitten". Cäcilie schmiegte sich inniger an ihn; sie bezweifelt, nickt mehr, daß er die Beförderung erhalten habe, von der so lange dir Rede gewesen war, und er sie nun bitten wollte, den Tag ibrer Vereinigung nicht länger hinau«zuschieben. Sie hatte also richtig gerathen, und da sie darüber alücklich war, warum sollte sie nicht auch ihn glücklich machen? „Also waS ist e«?" fragte sie. „Kannst Du Dich entschließen, recht bald meine Frau z» werden? Da« ist meine Bitte. Kannst Du meinen heißesten Wunsch frührr^rrfüllen, al« wir eigentlich wollten?" sagte er in einem Tone sehnsüchtiger Leidenschaft, der ihr zu Herzen ging. Cäcilie war glühendroth geworden, und ihr Gesicht an seiner Schulter verbergend, flüsterte sie: „Wenn eS sein muß, Lieb. Du mußt eS ja wissen." „Ja, eS muß sein. Denn höre mir zu — jetzt kommen meine wichtigen Mittheilungen —" er stürzte sich mit Wage- muth in die drohende Brandung und sprach mit überhasteten Worten — „ich reise nach Brasilien — meine diesige Stellung ist aufgekündigt — und zum Oktober muß ick) fort — Dich aber nehme ich mit." Cäcilie war wie vom Donner gerührt; sie traute ihren Ohren nicht, und zurückfahrend starrte sie Zarnow an, al« glaubte sie, daß er scherze. „Wie ist da« möglich?" stammelte sie. „Fort gehst Du? Nach Brasilien? Und Deine Stelle hier hast Du verloren?" „Verloren — ja, da« heißt, auf meine Veranlassung. Ich habe gekündigt, nicht da« Scholarchat." „Deine ganze Zukunft verloren!" „Ich konnte nicht bleiben." „Warum denn nicht?" Thränrn de« Verdruss«« traten in CäcilienS Augen, und ihr, Lippen zitterten. „Hat man Dir da« Ordinariat nicht gegeben, da« man Dir dock ver sprochen hatte?" „O daran liegt r« nicht", erwiderte Zarnow, der Cäcilicn« Unmuth falsch au«legte und dessen Ursache in der ihm ver meintlich widersabrenen Zurücksetzung suchte. „Es hing nur von mir ab, im OcloberDrdinariu« von Secunva zu werden mit den schönsten Anwartschaften für die Zukunft. Aber ich wollte nicht." „Du wolltest nicht?" Cäcilie faßte sich mit der Hand an dir Stirn«. „Aber da« ist ja Unsinn! Wie soll ich da« verstehen? Träum« ich oder träumst Du?" „Kein« von beiden, mein Herz. Du wirst gleich sehen, daß ich nickt ander« bandeln konnte. Man verlangte von mir ein Opfer meiner Uebrrzeugung". Zarnow wartete vergeblich auf eine Antwort CäcilienS. Si, hatte ihre Hand au« der seiniaen befreit und sab mit starrem Blick vor sich hin. Kein Wort, sei r« fragend oder mißbilligend, kam über ihre Lippen; aber ihr« Haltung war beredter al« alle Worte. Sieh, Geliebte", fuhr Zarnow endlich fort, indem er den in ihm aufsteigenden Unwillen bekämpfte, „man forderte von mir, ich sollte >m Gegensatz zu meinen tiefsten Ueberreugungen in religiösen Dingen ganz nach der orthodoxen Schablone lehren. Ja, ich sollte den Schülern als meinen Glauben vortragen, was mit meiner Vernunft unvereinbar ist". „Weiter nicht«? Und darum hast Du Alles anfge- geben ?" „Darum. Ich bin zu jedem Opfer, aber nicht zur Lüge bereit". „Die alte Redensart!" sagte Cäcilie bitter. „In Worten ist man stets zu jedem Opfer bereit, aber nur nicht zu dem einen, das gerade nöthia ist. DaS nennt man dann Liebe!" Sie lackte zornig auf. Zarnow'S Stirne zog sich in finstere Falten. „Du redest in'« Blaue hinein," sagte er unmuthiq, „ohne den Zusammenhang zu kennen. Laß Dir den wenigstens erst erzählen." Und er berichtete ihr von seiner Unterredung mit dem Hauptpastor Ritzau und was darauf erfolgt war. „Siehst Du, so war eS," schloß er seine Rede. „Du wirst nun begreifen, baß ich nicht ander» konnte." „So behauptest Du, aber ich begreife eS nicht. Ich kann nur sagen, daß ich Deine Handlungsweise thöricht und über eilt finde." „Daß ist hart und ungerecht. Aber einerlei — ich kann auch Dir zu Liebe meine Ueberzeugnung nicht verleugnen. Selbst Deinetwegen will ick nicht zum Lügner werden und jede Selbstachtung verlieren." Cäcilie biß sich auf die Lippen. Der heftigste Groll stürmte in ihr, und es kostete ior große Mühe, die herben Borwürfe, dir sich ihr auf die Zunge drängten, zurück zuhalten. Aber sie erkannte klar, daß hier der Punct sei, wo selbst ihr Einfluß aus Zarnow aufhörte; im Herzen diese- Manne« gab es etwa«, da« ihm mehr galt, als selbst ihre Liebe. Beide saßen eine Weile stumm neben einander, jeder von zürnenden Gedanken gegen den anderen erfüllt. „Und wa« wirst Du nun anfanaen?" fragte endlich Cäcilie. Zarnow erzählte von seinen Aussichten in Brasilien, »»d CäcilienS Gedanken flogen zu dem Abend zurück, da Helen- sie gefragt hatte, ob sie wobl dem Geliebten überallhin folgen, alle Entbehrungen und Kämpfe mit ihm theilen werde. „Im Oktober," sagte Zarnow, „werde ick wobl hinüber reisen, und c- fällt mir namenlos schwer. Dich hier zurück, zulassen. Werde mein Weib und folge mir, Tu sollst seben, welch eine fröhliche Zukunft unsre Liebe unS dort aufbauen wird. Dort sind unsre Landsleute, dort winkt un- ein
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