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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970421010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897042101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897042101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-21
- Monat1897-04
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V»-«s»>Vri4A i» Stadt- Morgen-Ausgabe DleWWß»GiDßlM »WN « ^ W. hleAbeudWGgateWoHRMßßMVW. DleGxh^Äök FlNhiheüfiitzl «uüSftÄrsihe» »sffuet «» ftüh > «» «beud» 7 «hr. tlMMr Auzetgerr-PrOtL die 6 gespaltene Petilzeile SO Pfß. A'ta«e« »iikr -MRG4Ä«t»sMch ltzß» MM) L>^»ttH^HM1»an^chr»<. Et-Her« Ichr/tn, i««t , vrr^ichnitz. r«»ellinl«her »NW HG HEIA III er und Jtflerasatz AdnoTfU»Pfr«k ktUÄ, FL K».— MI»«,! Vit» Me««'» G»<0W. tDfteV Fichstl» UuiderMt«ft»4ß» 8 Oauttauck), LßMi» önäe. MMmnftr. UHt. «» KMtzstzsyh ^ Anzeiger. ' ^ ^ - Ä«i»SM -es Königkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Äathes und Nolizet-Amtes der Ltadt Leipzig. A«*ah»kschl«S für AüzriM: «d<utz»8uSv>be: Vortnitüm» 10 «h». Mar,e»-<U»gabe: Rachmillatz» 4lÜt». »rt de» Filiale«, tz»d »ua«chn,tft«»» sr me hat« »tu»», srithr». Anzet,en sind stet» «i dir Htztz-ßiNan zu richte». Druck und Verlag von E. Polz 1» Leipzig a-M. mMch Mittwoch den 21. April 1897. iMSsM NI. Jahrgang. Aaistr Vühri« tt Men. SM» «i. Aßet». « Eia ganz besonder» inniger persönlich» Verkehr besteht zur Fteutzt »er leiden drrbitudeien Nationen Deutschland und Oesterreich «Uit,«r»^ »Mische« de« Herrscher« »eider Staaten. Lies» reut Verkehr wurde schon« der Zeit ar- pfte-t, da Kaiser Wilhelm L. «dch tedtk. Man erinnert sich, daß die heilten Herrscher eMaader «vjütztilch in Gastrin sehe«. Dieser Tradition seines Oroßsatrrs getreu, legt euch Kaiser Wilhelm v. hohe« Werth aus die regt« persönlichen Beziehungen zu dem österreichische« Kaiserhaus« und hat darum auch jetzt wieder gern di« Einladung de» öfter- reichischrn Kaiser- angenommen, «in« Truppenrevue in Wie» adtnhaltr«. Daß di, Zusammeukunst sich keineswegs nur «us die Be» sichtigung der Trappen erstrecken wird, bedarf kau« der Er« wägung. Wodi hat auch diese Lruppendeflchtigung rin« gewiss« politische VedrutunL, dran indem der österreichisch« Kaiser dem deutsche« Monarch«» seine kampferprobten Truvven vorsührt, tritt, für alle Welt wiederum die innige Waffen brüderschaft zwischen den beiden Aruiee« zu Tage. Jmmechin aber wird damit bei Weitem nicht di« Bedeutung des Be suche» erschöpft. Die aegrawärtige Weltlage ist viel zu «rast, al» daß die beiden Monarchen sich lediglich mit dem Ge pränge einer militairischen Schaustellung unterhalten könnten. Es gilt sehr wichtig« Fragen zu erörtern, vor allen Dingen die Haltung der beide« Staaten gegenüber den ori «ntalischen Angelegenheiten. Gerade in dieser Frag« hat ja Deutschland in seinem Berbältniß zu Oesterreich rin« schwierige Situation. ES will selbstverständlich den Bundesgenossen so weit als möglich unterstützen, kann aber nicht bedingungslos sich jederzeit auf die österreichische Orieatpolitit rinschwvren taffen. Sein Amt ist dir Vermittelung zwischen den öster reichischen und den russischen Bestrebung»«. Diese» Amt wird nun allerdings gegenwärtig insofern verscho ben, al» diesmal eher der österreichische Kaiser berufen ist.mitRuß- land auf der Basis zu verhandeln, die sich bei dem Wiener Besuche de» deutsche» Kaiser» als Resultat seiner Unterredung mit dem Kaiser von Oesterreich ergeben wird. Deun Kaiser Frau- Josef reist wenige Tage nach der Zusammenkunft mit deM'druIschr»' Dkvnarchru nach Rußland, um den vorjährigen Besuch des Zaren zu erwidern. Daß bei dieser Gelegenheit ebenfalls die orientalische Frage zwischea den beide« Monarchen sowohl, wie zwischea den leitenden Staatsmännern zur Sprache gebracht wird, kann al» selbstverständlich angrseden werden. Deshalb ist der Besuch des deutschen Kaisers in Wien von besonderer Bedeutung, weil er so kurz vor der Reise des Kaiser» Franz Josef noch Rußland erfolgt. Dadurch ist r« beinahe so, als ob die Monarchen der drei Kaiserreiche alle drei gleichzeitig zusammenkämrn. Jedenfalls wird durch die Thatsache, daß erst Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef, wenige Tage später Kaiser Frau» Josef und der Zar und wieder einige Zeit spater der Zar und Kaiser Wilhelm einander begegnen, auch äußerlich illustrirt, daß zwischen den drei benachbarten Staaten zur Zeit sehr günstige politische Beziehungen bestehen. Der Besuch Kaiser Wilhelm'« iu Wien ist indessen nicht nur für di« äußere Politik der beiden befreundeten Staaten von Bedeutung, sondern auch in gewisser Weite für dir innere Politik Oesterreichs. Bei de» letzten Wahlen in Oesterreich baden bedauerlicher Weise die Todfeinde dt» Deutschthums, Slaveu und Klerikale, erhebliche Erfolge errunaen. Die innigen Beziehungen zwischen Deutschland und Oesterreich, die durch den Bestich Kaiser Wilhelm'» in Wien hervortrrten, zeigen jenen dtutschseiodlichrn Elementen, daß das Deutsch thum in Oesterreich an dem mächtigen deutschen Reiche keinen staatsrechtlichen, aber doch einen starken moralischen Rückhalt bat. Diese Feinde deutschen Wesen» werde« «rkranrn muffen. haß schbn «US Rücksicht «Uf »ns BUfiki-dtthaltfiiß Zu Deutsch land keine österreichisch, Regierung »«» DeulschtduM so Niederdrücken kann, wir sie r» gern niedergedrückt sehr« Möchte«. Für alle Deutschen und deutsch Empfinden»«« in Oesterreich wird dir Anwesenheit de» deutschen Herrscher» in Wien in Hirsen für hie Deutschen Oesterreichs so trüben Tagen rin LichtvUiict sein. Sö vereinigt sich MrS, Um uus über de» Besuch Kaiser Wilhelm'« in Wien aufrichtige FttUV« empfinde« zu lassen. Mögen die zwischen den beiden Reichen bestehenden engen Beziehungen, di« »US schö« seit »tinähe 20 Iahten km« Stutz, de« Weltfrieden« sind, durch vir Zusammenkunft zwischen den Herrschern beider Staaten Neue Kräftigung erfahren. Socialdemokralische Arbeitgeber. Seit einer Reihe von Jahren ist man t» gewöhnt, die Lagerhalter der socialdrmokratischen Eonsumverrine Sachsen« überaus lehrreiche Beiträge liefern zu sehen ru dem Thema: Was wird au« der sveialdemokrattschen Theorie in der socialdemokralische« Praxis? Der harte Druck, unter dem die Lagerhaltet>„Genossen" zu leiden haben, ist bekanntlich der Grund gewesen, weshalb dies« „Genossen" sich gegen die VerwaltunaS-„Genoffen" in dem „Verbände der Einzrtmilgliedrr der in Eonsum- und ähnlichen Vereinen be schäftigten Lagerhalter und Lagerhalterinnen" organisirtrn. Wie wenig Erfolge aber trotz der Organisation bisher erzielt worden sind, ist auf der am 18. April in Ehrmnitz ab- gebaltenrn, von 103 Lagerhaltern au» 38 Vereinen besuchten Generalversammlung de» genannten Ver bände« zu Tag« getreten. Wieder sind genau wie früher dieselben Klagen laut geworden über dir Aus beutung der Lagerhalter durch die Verwaltungen, Klagen Über rigorose« Vorgehen, über Entlastung ohn« Kündigung, üb»r Maßregelungen, Ueberlastung körperlich Leidender, Uebrrschreitung der Sountag-ruhestimmungen, übermäßig lange Arbeitszeit, über fehlende Mittagspause, über zu Hohr CautionSiordrrunaen rc. Eine drastische Beleuchtung erfahren diese Verhältnisse in dem Bericht«, den Herr Buhl-Lripzig über die Tbätiakeit de« Vorstände« de« Lagerhalterverbandr» erstattet«. Na» dem ohne Zweifel sehr vorsichtig abgrfaßtn» Bericht der fvcialdtmokrauschen „Leipz. BolkSztg." führte Buhl u. A. au»: „Dir Verwaltung«« hätten Immer erklärt, daß unsere Be richt« nicht der Wahrheit entsprächen. Da- sind zwar leer« Behauptungen, aber um ihnen Gelegenheit zur Berichtigung zu geben, würden die Einzelberichtr von nun an mit Namen ver sehen im Protokoll veröffentlicht. Der Vorstand habe den Mit gliedern in drei Fällen Rechtsschutz gewährt. In erster Linie dem Lagerhalter Psuad-Potschappel. Der Fall «st von der social- demokratischen und bürgerliche« Presse ausführlich behandelt und darau» Lapttal geschlagen worden. Gegen rin derartiges rigorose« Vorgehen des Consumverrtn» gab «S auch nur das Mittel der breitesten Oeffentlichkeit. Pfund sei ohne Kündigung entlasten worden, weil er für daS durch da« unehrliche Gebühren einer Verkäuferin entstandene Deficit persönlich auskommen sollte, waS er ablehnte. Man habe Pfund auch den Borwurf geinacht, daß er unmoralisch mit de n Verkäuferinnen umgegangen sei. Der Vorwurf sei auf den Geschäftsführer zurückgesallen und dieser ist deshalb entlasten worden. Die Verwaltung de« Vereins ist im Auftrag» de« Verbände- und auf seine Kosten verklagt worden, doch schweb« der Proceß «och. Der zweltr Fall betras den Lonsnmvetrln Leipzig-Eutritzsch. Dort, wo jede« Jahr ein oder zwei Lagerhalter krachen gehen, sei der Lagerhalter Schuster-Mockgu entlasten worden. Während Schuster ei»»- Mittwoch- auSgegttngen War, habe der Geschäftsführer des TonsumSvereinS. dem die Verkäuferinnen Klatschereien hinterbracht hätten, die Verkaufsstelle rebidirt. Anderen Tage- habe die Gesammtverwaltung die Inventur vorgenommrn, dir Räume ab geschlossen und Schuster entlasten. Schuster sei auf den Zahn ge fühlt worden, ob seine Angaben auf Wahrheit beruhten. ES fei elitt Conimisston gebildet worden, die mit alle« möglichen Mitteln die Wahrheit zu erforschen gesucht habe. DaS Ergebniß war, daß die Ausbeutung der Lagerhalter in dem Lonsumverein Eutritzsch die ärgste ist, dir man sich denken kann. So hatten im vergangenen Jahre alle Lagerhalter des Vereins Deficit. Derselbe College, der »in Jahr vorher 200 gut gemacht hatte, soll im nächsten Jahr 400 Deficit haben. Derartige Ding» liegen aber an der Verwaltung, denn er habe Rechrnexempel vom Geschäfts führer in Händen, dir alle« ander«, nur nicht richtig sind. So Hab« Schuster erst eia Deficit von 420 gehabt; e« sank dann auf 300 »l, dann auf 200 und schließlich ließ man auch da« fallen und gab die gestellte Caution heraus. Der Verein fordere eilte so hohe Laution von den Lagerhaltern (früher 1000 jetzt 750 ^), well er weiß, daß der Lagerhalter nicht aus- kommen kann. Derselbe Geschäftsführer habe Maßregelungen von solchen Lagerhaltern durchgesetzt, die ihm nicht genehm waren. Dem Lagerhalter Schuster, der ein» Filiale mit inonat- lichrm Umsatz bi« 4000 .^> allein, ohne Verkäuferin, verwaltete, schickte der Geschäftsführer einen Brief, worin er ihm aufgab, sein« Frau nicht mehr in» Geschäft zu beschäftigen, wett die Frau an einem Beinschaden leide, was den Kunden ekelhaft vorkommr. In einem anderen Brief« macht« man Sch. Borhalt, daß sein Laden nicht mehr die nöthig« Reinlichkeit zeige. Ihm wurde aufgrgebe», die- zu ändern. Das verlange man von einem Mann«, der an Rheumatismus leidet uud dem man zumulhet, da» Geschäft allein zu verwalten. Und dabei »in solcher Umsatz. In Eutritzsch wüsten alle Deficit», dir von 800 bt» 1200 ^l steigen, bezahlt werden. Alle Guthaben werden, so hoch sie auch sein mögen, bis zu 300 gut geschrieben. Was darüber hinauSgrht, komme dem Verein zu Gute. Und dann verlangt man vom Lagerhalter, daß er daS hohe Deficit innerhalb 14 Tagen decke und sein» Caution ergänze. Redner verlange nicht, daß da» Guthaben dem Lagerhalter ausgrhändigt wird, sondern daß das Gutgemacht», wie ia dem bürgerliche» Lon- sumveretn in Breslau, gegen da» Deficit aufgerechurt wird. G« kommt bei der Verwaltung vor, daß Waarrn an ganz andere Filialen abgegeben wurden, als für die sie bestimmt waren. In den letzten Jahren, wo di« Eonsumverrine mit der Umsatzsteuer bekämpft würden, sei versucht worden, in Güte Differenzen zu regeln, aber gegen solche Zustände müsse man öffentlich Front mache». In einem dritten Falle sei Rechtsschutz gewährt worden für einen College» in Chemnitz, der ohne Kündigung ent- a ssrn wurde. Die Reichenbachrr Lollrgen, die au« dem Verband au-traten, sind durch persönliche Intervention für den Verband wieder gewonnen worden. Als nächste Aufgaben de» Verbandes bezeichnet« Redner dir Freigabe de» 1. Mai, Durchführung der Sonntagsarbeit, Einführung einer geregelten Arbrit-zeit und Pausen zum Essen. Die Vereine müssen nicht blos danach streben, hohe Dividenden zu erreichen, sondern auch die Ber- hSliniste bester zu gestalten. Buhl gab dann rin RrsumS über di« von 2l3 Lagerhaltern und 12 Lagerhalterinnen in 46 Vereinen beantworteten Frage» bogen. Danach betrug dir Arbeitszeit von zwei Lagerhaltern 63 Stunden pro Woche, 5: 63'/,. 26 : 64'/,-66'/„ 12 : 68-69'/,, 19: 72—73, 22: 75'/,-77'/,, 13: 78-78'/,. 6 : 80, 2 : 81. 28: 81'/„ 12 : 82. 4 : 84, 27 : 85, 4 : 86, 22 : 88-88'/,, 11: 90 bis 90'/,. 6: 91-91'/., 2: 92, 1: 9S'/„ 2: 96 und 1: 98'/,. Ueber die Sonntagsruhe haben 33 Vereine mit 97 Lager- Haltern und 6 Lagerhalterinnen Auskunft gegeben. Danach lasten sogar zwei Vereine '/, Stund« über di« gesetz lich zulässige Sonntagsarbett arbeiten. Während der Mittagspause wird in 18 Vereinen mit 73 Lagerhaltern ge« schlossen, während 30 Vereine mit 143 Lagerhaltern Mittag« nicht schließen. Fester Lohn wird in 104 Fällen, und zwar 17 bis 38 ./L die Woche, gezahlt, während 5 Lagerhalterinnen 11,50 bis 19 erhalten. Festen Lohn und 1 Procent vom Umsatz haben 3 Lagerhalter. Freie Wohnung wird ia 88 Fällen von 80 bis 4M Entschädigung gewährt. In 26 Fällen wird di« Wohnung al» ungenügend bezeichnet. Kinderarbeit müsse» 10 Lagerhalter benutzen. AuSgrhrzeit der Lagerhalter ist für 42 contraetlich ge regelt. An der Maifeier wird ia 12 Vereinen ganz, in 11 theilweis« und in 16 Vereinen nicht geschlossen. Dividend« zahlen 2 Vereine 5, 2: 6, 2: 6'/,, 2: 7, 3: 8. 3: 9, 3: 9'/,. 8: 10, 1: 11. 3: 12. 1: 13, 7: 14. S: 15, 3: 16, 1: 17. 1: 18 und 1: 18'/, Procent. Die Verwaltung lag bei 45 Vereinen in Händen der Arbeiter, in 1 Verein gemischt. Buhl rügt«, daß die Verkäuferinnen als AuSkunftSpersonen gegen die Lagerhalter br»utzt werden und daß die Arbeitszeit nicht dem Ideal der Arbeiter entspricht." „Eine lebhafte, oft recht drastische Debatte ergänzte die Angaben Buhl'-" — bemerkt die „8. Volksztg", die sich wohl hütet, über die Debatte irgend welche Mittheilung zu macken! — Diese Bersäumniß wird hoffentlich von anderer Seite gut gemacht. Das oben Wiedergegebene genügt indrffrn vollkommen» die dividendenfrobe Arbeiterfreund- lichkrit" der Socialdemokratie im Allgemeinen und die Agitation für den Achtstundentag im Besonderen in das rechte Licht zu setzen. Deutsches Reich. 6. H. Berlin, 20. April. Ueber die Tendenz de- vom Abgeordneten Rösicke und Genossen beim Reichstage ein- gebrachten Gesetzentwurfes, betreffend Abänderung de« ÄlterS- und JnvaliditätSgesetzkS, sind falsche Nach richten verbreitet, die eine Richtigstellung erfordern. Der Gesetzentwurf bezweckt durchaus nicht eine Beseitigung de- MarkensystemS, sondern lediglich dir baldige Einführung der von den verbündeten Regierung«, selbst vorgeschlageu«, Er leichterungen bezüglich des MarkenklebenS, wie sie schon mehr fach im Reichstage und auch iu der bekannten Novembrr- conferettz 1895 Abgeordneter Rösicke empfohlen hatte; gleich zeitig sollen einige den Interessen der Arbeiter dienende Ver besserungen in daS Gesetz ausgenommen werden; rS sind dies die SK 9, lO und NI. K 9 (Gegenstand der Versicherung) hat folgenden Wortlaut: Gegenstand der Versicherung ist der Anspruch auf Gewährung einer Rente für den Fall der Erwerbsunfähigkeit oder des Alter«. Invalidenrente erhält ohne Rücksicht aus das Lebensalter derjenige Versicherte, welcher im Sinne deS 8 4 Absatz 2 dauernd erwerbS- unsähig ist. Eine durch einen Unfall herbeigesührtr Erwerbsunfähig keit begründet, unbeschadet der Vorschriften de- 8 76, den Anspruch auf Invalidenrente nur insoweit, als nicht nach den Bestimmungen der Reichsgesetze über Unfallversicherung eine Rente zu leisten ist. Altersrente erhält ohne Rücksicht auf daS Vorhandensein von Erwerbsunfähigkeit derjenige Versicherte, welcher daS sirbenzigstr Lebensjahr vollendet hat. tz 10 hat folgenden Worlaut: Invalidenrente erhält auch derjenige nicht dauernd erwerbS- unfähige Versicherte, welcher während 26 Wochen ununterbrochen erwerbsunfähig gewesen ist, für dir weitere Dauer seiner Erwerbs. Unfähigkeit. tz NI (Entrichtung der Beiträge durch die Versicherten) besagt: Die versicherungSpflichtigrn Personen sind befugt, di« Beiträge F»«rn»ts«. Gustav Theodor Fechuer. Große Entdeckung« werden ia der Wissenschaft nur vir« schwindrad srltea durch «inen Zufall gemacht. Fast regel mäßig steht «in auf dem Bode» der Erfahrung fußender Mann dahinter, der im Geiste über der Stelle, wo da» wissenschaftliche Bauwerk zu End« geht, neue luftige Thürmchrn und Zinnen sich erheben stebt und mit kühner Hand neu« Bausteine in die geschauten Formen hiarinsetzt. Go ist unser ganze« Wisse» an» Hypothese« zusammengesetzt, die schließlich für Wahrheiten angenommen werden, wenn sie genügend ia Urhrrriastimmnag za stehen scheinen mit allen >enj«uiaen Erscheinungen, di« man an» diesen »der jenen Gründen für wahr ann«mmt. Ein solcher Mann, der e» verstand, zur rechten Zeit durch ein« kühne Hypothese, die er in da» Gebiet de» Unerforschten hineiabant«, der Wissenschaft ru einem kräftigen Fortschritt zu verhelfen, war auch Gustav Theodor Kechner. Zwar ist er kein geborener Leipziger gewesen, aber doch kann rha Leipzig ausschließlich für sich ia Anspruch nehmen, ihn, der siebzig Jahre seine» Leben» hin durch Leipzig zum Zeugen seiner wissenschaftlichen Erfolge, wie seiner körperlichen Leiden gemacht. Fechaer's Wiege stand ia de« Dorf Großsärchen bei Muskau ia der preußischen Lanfiy, wo sein Bater, wie vor der sein Großvater, Pfarrrr war. Theodor wurde dort a» einem Soaatag, de« 19. April 1801, geboren. Al» er, 5 Jahre alt. sriaen Vater verloren hatte, überstedelte seine Mutter mit ihm uud seinem Bruder, dem späteren Maler, nach der kleine» Stadt Triebe!, bracht« aber bald die beide« Brüder ia da» Hau» ihre» Oakel», de» Diakvnu» Fischer ia Wurzen, mit dem zusammen di« Kinder nach Ranis in Thüringen, der »rnen Pfarre Fischer'» zogen. Mit 14 Jahren kam Tbeodar Sechner aus» Gvmuafium m Gora«, al» aber sein« Mutter in Dresde» Wohnsitz genommen hatte, konnte er dort auf der Kreuzschul« sein« Gymaafial-Udie» vollenden. Erst 1» Jahre war er alt, al» er na» halbjährige« Besuch der «edieiuisch««hirurgffche« Akademie in Dresden als Mediciner die Universität in Leipzig bezog, wo er im Essigkrug ß in Iwr Nicolaistraße vier Treppen hoch Wohnung nahm. kaum der die Biographie seines" Onkel« "veröffentlicht hat, der Leipziger Professor I. E. Kuntze, schildert da« Leipzig von damals folgendermaßen: ,,E« war eine Perle in seiner Art, ja ein Unicum, denn r» barg ia sich alle Factoren der Eultur m nächster, fast traulicher Nähe, im fröhlichsten Einklang, im anmuthigsten Verkehrsfluß; e» schien bestimmt, da« Herz Deutschland- zu sein. In solcher Zeit kam Fechner nach Leipzig. Aber während er da lebte, vollzog sich die Ver wandlung in ein« Großstadt, die sich nicht mit einem Blick umspannen läßt. Die Jnterrssen traten auseinander und in starken Kampf, der Körper der Stadt dehnte sich nach allen Weltgegruden, daß elasfische Maß wich dem kolossalen. Nna ist Leipzig eine Großstadt wie andere Großstädte." Der Studios»* Fechner mußte Haushalten mit dem mütterlichen Wechsel. Stipendien, Privatstundr», literarische Arbeite». Uebersrtzung und Bearbeitung französischer Werke rc. mußten rhm llnterstvtzung bringen. Dabei behagten ihm die physiologischen Vorlesungen Weber'- und die alrgebraischrn von Mollweide mehr, als die mebicinischen — bei dem damaligen Stand der Heilkunde kein Wunder! Trotzdem absolvirte er daß medicmisch« Studium, bestand 1822 da» Baccalaureats- und Doctorexamen, promovirte jedoch nicht zum Doctor, da er sich gur Praxi» nicht mit genügenden chirurgischen und geburtshilflichen Kenntnissen ausae- stattet wußte, und ihu überhaupt seine Interessen aus da» Gebiet der «xperimeutelleu Naturwissen schaften führte». Nachdem er sich mit der speculativ- constructiven Naturphilosophie Schilling'» in Okeuscher Dar- bietung auseinandrrgesetzt hatte, gewann ihn nach seiner am S. September 1823 erfolgten Habilitation die Uedersetzzrag von Biot'» Lehrbuch der Physik für die rraete Forschung wieder zurück, uud sein« hieraus bezüglichen Arbeite« wurden dadurch gefördert, daß er nach dem 1824 erfolgten TodeGilbert'» vertretungsweise dessen Vorlesungen über Physik übernahm. Unter de» hieran» resultirrnde» eigenen UnUrsuchungen find s di« bedeutendste» sei», Experimente zur Elektricitärslehrr, in sonderheit zum Ohm'schen Gesetz, die er unter großen tech nischen Schwierigkeiten, aber überaus sauber und exact vor nahm. In dieser Zeit häuften sich Fechner'S Arbeiten in- Un gemessene. Uederjetzungen und Herausgabe fremder umfang reicher Werke, eigene Schriften, die Redaction des 1830 begründete» pharmaceutischen EentralblatteS, die Herausgabe de- bei Breitkops L Härtel erscheinenden ConversationS- Lextkon, de- acht Bände starken „HauSlexikon", von dessen Artikeln er ein Drittel selbst verfaßt haben soll, fernerhin die im Oktober 1834 erfolgte Uebernahme der ordentlichen Professur der Physik hatte seine Gesundheit, besonder- auch seine Augen, so geschwächt, daß er selbst in Gastein im Jahre 1835 und 1839 in Ilmenau nur vorübergehende Erholung fand. Die Gefahr völliger Erblindung war vorhanden. Mit dem Jahre 1840 begann die fürchterlichste LridenSzeit für Fechner. Zu der Augenkrankheit kam ein« schwere Melan cholie und eine Erkrankung der Organe der Ernährung, die ihn bi» an den Rand de» Tode- führte. Drei Jahre lang dauerte die schreckliche Zeit, bi» Fechner endlich im Herbst 1843 durch consrqueute Uebungen den Gebrauch deS Kopfes und der Augen wieder erlangte. Mit dem Ende des Jahr-S 1843 ist der für blind und geistig gestört gehaltene, dem man bereit» die Professur nehmen wollte, wieder genesen, aber als ein völlig anderer Mensch im Denken, Fühlen und Arbeiten. Er ist wie auSstewechselt. AuS dem Physiker ist ein Philosoph geworden. Seme erste größere wissenschaftliche Schrift nach der Krankheit führt den Titel „Ueber va« höchste Gut" (Leipzig 1846). In „Nanna" stellt er die Theorie auf, daß die Pflanzen beseelt seien, und „Zrnd-Avesta" ist vielleicht da» eiarnartigste metaphysische Werk, da- je geschrieben wurde. Während dieser Zeit reifte langsam rin Werk heran, mit welchem Fechner die Fundamente zu einer neuen Wissenschaft legte, nämlich seinePsychophysik. „Wie einst DeScarte» in einer plötzlichen Erleuchtung am 20. November ISIS die Idee zur analytische» Methode aufblitztr (heißt e» iu dem neuesten Werke über G. Th. Fechner von Kurt Laßwitz), so vrrzeichaet uns auch Fechner den Tag, den 22. Octodrr 1850, an welchem ihm Morgen» im Bett der Gedanke beifirl, daß der Zuwachs der geistigen Intensität einer Empfindung proportional sei hem Verhältniß de- Zuwachse« der lebendigen Kraft der Bewegung zu der schon vorhandenen lebenden Krcfft." Mit zahllosen Versuchen, Messungen und Wägungen an Tausenden von Dingen sammelte er Material, um da« Problem einer exacten Messung de» geistigen Geschehen« am materiellen Geschehen zu losen. Die Hypothese, daß es ein Gesetz gebe, nach dem man vom Maße der Empfindlichkeit zum Maße der Empfindung aelangen könne, war es, die Feckner in die Psychologie einfuhrte; LaS Gesetz, da« Fechner hierfür ausstellte und begründete, wurde der Anlaß zu einem ausgedehnten wissenschaftlichen Kamps der Meinungen unv Ansichten, auf dessen Wogen der Name deS Leipziger Philosophen weit in alle Welt hinausgetragen wurde. Dadurch wuroe Fechner zum Begründer der experimentellen Psycho logie, bez. der physiologischen Psychologie, die heut« ihre» bedeutendsten Vertreter hat in unserem Leipziger Professor Wilhelm Wundt. Auch die Grundlagen zu einer experimentellen Aesthetik hat Fechner gelegt und eine Menge werthvollrr neuer Gedanken in di« Aesthetik hiaeingetragen, obwohl er damit keineswegs zur allgemeinen Anerkennung kommeu konnte. ES bleibt noch übrig, kurz seiner Eigenschaft al« Satiriker — Humorist kann man wohl nicht gut sagen — zu gedrnkru, in welcher er unter dem Falschnamen Vr. Mise« besonder« dir Medicin der zwanziger Jahre geißelt. Die letzte Veröffent lichung seine» Leben» war eine anonyme bei Breitkopf L Härtel erschienene scherzhafte Kritik de» „Mendebrunneu". Er verkehrte in Leipzig besonder« mit Ehr. H. Weiße (1- 1866). vr. Härtel (s- 1875), E. H. Weber (-s 1878) und Zöllner (1- 1882). Den drei ersten widmete Fechner werth- volle Nachrufe im „Leipziger Tageblatt". Fast alljährlich trat Fechner eine Erholungsreise an, wobei ihm die Natur, nicht d,e Geschichte, di« Hauptsache war. So behauptete sein Freuuo vr. Härtel von ihm im Scherz, er sei auf dem Forum i» Rom spazieren gegangen gerade wie auf dem „Täudchrnweg" ia Leipzig, wo er nachdenklich in sich versunken z» wandeln pflegte. 2m Jahre 1888 feierte Fechner seine goldene Hochzeit — er war verheirathrt mit einer Tochter aus dem Hause Bolkmaov — uud am 3. Oktober 1884 sein 50 jährige« Jubiläum al« ordentlicher Professor, gelegentlich dessen er zum Ehrenbürger der Tradt Leipzig ernannt wurde.
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