01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970422012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897042201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897042201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-22
- Monat1897-04
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Neclamen unter dem NrdactionSstrich (»ge spalten) LO^Z. vor den Familiennachrtchten (8 gespalten) 40/-. Gröber« Schriften laut unserem Peel»- verzrichniß. Tabellarischer und Zifferasatz nach höherem Tuch Extra-Beilage« (gesalzt), nur Mit der Morgen-Ausgabe, »dn« Postbesördernng 60.—, mit Postbesördernng 70.—. Ilnnahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgab«: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anreisen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz t» Leipzig. 81. Jahrgang. Line Lücke im Gesetzentwürfe zur Regelung -es Auswanderungswesens. -4- Daß der Gesetzentwurf zur Regelung de« Ans- tvanderungSwesenS nur eine Concession für die „B e» sord erun g" von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern, nicht aber auch für die „Besiedelung" außerdeutscher Länder mit deutschen Auswanderern verlangt, bat bereits in der Reichstagscommission, wie früher in den Berathunge» des Colonialratbs, lebhaften Widerspruch hervorgerufen. Die Mehrbeit der Commission beschloß indeß, eS dabei zu belassen. Gegenüber den jetzt von Neuem laut werdenden Stimmen, welche dringend die Einführung einer besonderen „Be siedelung-"»Concession verlangen, wiederholt ein Artikel der „Nordd. Allgem. Ztg." in der Nummer vom 18. d. M. lediglich die von Seiten der Regierungen in der Commission vorgebrachten Gründe. Soweit diese sich dagegen richten, daß a n Stelle der Beförderungs-Concession, wie dies der Wunsch der großen Dampfschifffahrts-Gesellschaften war, eine Besicde- lungs - Concession eingeführt werde, muß den Negierungen vollkommen beigepflichtet werden. Wenn die Uebersiedelung deutscher Auswanderer nach bestimmten Ländern weaen des mörderischen Klimas oder wegen des wirtbschaftlichen Elends dieser Länder gehindert werden soll, so genügt eS selbstverständlich nicht, daß den Gesellschaften, welche die Besiedelung der Länder unternehmen, der Geschäfts betrieb in Deutschland untersagt wird, sondern es muß auch den AuSwanderungsunternebmern, insbesondere den großen Dampfschifffahrts-Gesellschaften, untersagt werden, deutsche Auswanderer in die Länder zu bringen. Die Negie rungen haben vollkommen Recht, daß mit einer „Besiedelungs"-Concession allein nichts anzusangen ist, wenn man daneben die „Beförderung" der Auswanderer sreigiebt. Allein ebensowenig sind auch mit einer „Beförderungs-" Concession allein die Zwecke des Gesetzes zu erreichen. Für jedes von Beiden: muß eine Concession verlangt werken. Wird der Entwurf in der jetzigen Fassung Gesetz, wonach nur für die Beförderung und nicht daneben auch für die Besiedelung eine Concession verlangt ist, so können sich in Deutschland die schwindelhaftesten Ve- siedelungsgesellschaften ungestört niederlafsen, Gesell schaften, welche die deutschen Auswanderungslustigen in die allergefährlichsten Länder verlocken, wo ihre Gesund heit aufs Höchste gefährdet oder ihr wirtschaftlicher Ruin sicher ist. Und von diesen in Deutschland niedergelassenen oder von derartigen ausländischen Besiedelunzszcsellschaften könnten überall in Deutschland Bureaux errichtet und Agenten angestellt werden zum Abschluß von Ver trägen mit deutschen Auswanderern über deren Ueber siedelung in die betreffenden Länder. Die Regierungen vermöchten das in keiner Weise zu hindern, sofern die BesiedelungS - Gesellschaften nur die Vorsicht gebrauchten, nicht zugleich die Beförderung der Auswanderer in das be treffende ausländische Gebiet zu übernehmen, eS vielmehr den Auswanderern überließen, selbst für ihre Beförderung dahin zu sorgen. Dabei dürften die Gesellschaften sogar ganz un gestraft dem Auswanderer genaue Auskunft geben, in welchem ausländischen Hafen er sick am besten einschiffe und an welche ausländische Dampfschifffahrtsgesellschaft er sich zu dem Ende am besten wende. Die offenbare Lückenhaftigkeit des Entwurfs nach dieser Richtung ist dadurch erklärlich, daß der Entwurf gegenüber den Bestrebungen der Hamburger und Bremer Dampsschiffsabrts- gesellicbaften, sich den Beschränkungen durch eine BeförderungS- concession zu entziehen und die Beschränkungen lediglich auf die BesiedelungSaesellschaften abzuwälzen, mit aller Ent schiedenheit die Notbwendigkeit einer Concession schon für die Beförderung betonen und die Beförderungsconcession in den Vordergrund schieben mußte. Dabei ist es aber dann über sehen worden, eine Bestimmung darüber in den Entwurf aufzunehmen, daß es auch zur Besiedelung einer Concession bedürfe. Die Annahme, daß eS sich hier um ein reincS Versehen des EnlwuriS handele, findet ihre Bestätigung in zwei Spccialbestimmungen des Entwurfs, welche augenscheinlich von der Voraussetzung ausgehen, daß zur Besiedelung eine Concession erforderlich sei. Es sind dies der § 8, wonach bei Ertheilung der Erlaubniß an solche deutsche Gesellschaften, welche sich die Besiedelung eines von ihnen in überseeischen Ländern erworbenen Gebiets zur Aufgabe machen, der Reichskanzler an die Vorschriften des K 5 über die Bestellung einer Sicherheit und über den Nachweis eigener Schiffe nicht gebunden sei, und die Bestim mung dcö tz 40, daß vor Ertbeilung der Erlaubniß für Unternehmungen, welche die Besiedelung eines bestimmten über seeischen Gebiets zum Gegenstand haben, der Beirath zu hören sei. Diese Bestimmungen können, wie der Entwurf bis jetzt lautet, bei Besiedelungsgcsellschaften, welche nicht zugleich die Be förderung der Auswanderer unternehmen, keine Anwendung finden, weil eS eben im Entwurf an einer Bestimmung, daß es zur Besiedelung einer Erlaubniß bedürfe, bis jetzt völlig fehlt. Wenn es in dem Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." schließlich beißt, die Besiedelung überseeischer Gebiete mit deutschen An siedlern von einer Erlaubniß des Reichskanzlers abhängig zu machen, bedeute nichts Anderes, als daß der Reichskanzler feierlich und förmlich erlauben solle, waS er weder zu verbieten, noch zu Verbindern in der Lage sei, so ist daS insoweit unzweifel haft zutreffend, als eS sich um Besiedelungsgesellschaften handelt, die ihren Sitz im AuSlande baden, verball sich aber bei dem Erforderniß einer Erlaubniß für die Beförderung der Aus wanderer genau ebenso. Auch hier bat das Erforderniß einer Concession für die Auswanderungsunternehmer, die ihre Niederlassung im Auslande haben und von da die Beförderung der Auswanderer betreiben, keine Geltung. WaS der Gesetzentwurf bezüglich der „Be förderung" der Auswanderer durch das Verlangen einer Erlaubniß für dieselbe erreicht, ist nur daS, daß die in ländischen AuSwandcrungSunternehmer ohne eine solche utschland anstellen können Ganz °° Aus- lt,t daS Gesetz bezüglich der uedersteveiung vanstelle» Beide Vorschriften haben eben selbstverstanv- ^ nur ü das Inland Geltung. Dadurch w.rd freilich d !rkung d°S Gesetzes den BesiedelungS-, w,e den Au», nderungsunternebmern gegenüber in hohem O l- chränkt Allein, wenn auch das Gesetz -inen ausländischen öwanverunczsunternebmer nicht hindern kann, deutsch wobin er will, zu befördern, und einen aus ldischen Besiedelungsunternebmer nicht, deutsche Auswanderer hin er will, ttb-rzusied-ln, so .st eS doch «m,..er zum butze der deutschen Auswanderer gegen Uebersubrimg >n llia ungeeignete ausländische Gebiete von ßroßem 2vert , g die Negierungen durch daö Erforderniß einer Concefti AuSwanderungs- wie BesiedelungS-Unternehmern, welche Auswanderer in solche Gebiete bringen wollen, wenigstens Deutsches Reich« * Leipzig, 2l. April. Vom Consumverein Leipzig- Eutritzsch u. Umg. erhallen wir folgende Zuschrift: L -Gohlis, den 21. April 1697. Bezugnehmend auf Ihren Artikel in der heutigen Morgennummer Ihres Blattes. Bericht über den Lagerhaltertag in Chemnitz betr.. ersuche ich Sie böflichst auf Grund 3 11 des Preßgesetzes. folgende Berichtigung aufzunehmen. Es ist nicht wahr, daß jedes Jahr ein oder zwei Lagerhalter krachen gehen. Es sind seit sieben Jahren drei Lagerhalter von der Verwaltung entlassen worden, den letzten Fall (Schuster, Mockau) einbegriffen. Sämmtliche Entlastungen waren gerechtfertigt und haben jedesmal die Beschlüsse der Verwal- tung die Billigung der Generalversammlung des Consum-Bereins L.-E»tritzsch erfahren, ja es sind der Verwaltung vielfach Vorwürfe gemacht worden, daß sie zu human verfahre. Die Betroffenen haben sich dies lediglich selbst zuzuschreiben, am allerwenigsten trifft dein Geschäftsführer eine Schuld an deren Entlastung. Es ist nicht wahr, daß dem Geschäftsführer Klatschereien von den Verkäuferinnen hinterbracht worden sind. Die Verkäuferinnen haben ihre Wahrnehmungen der Gejammtverwaltung gegenüber vorgebracht und sind dann die Schritte unternommen worden, welche zur sofortigen Entlastung Schuster's führten. Im Uebrigen wird vor Gericht festgestellt werden, daß die Entlastung berechtigt war. Die Vorkehrungen in Bezug auf Abrechnung sind so getroffen, daß ein Lagerhalter, welcher seinen Posten ordentlich aussüllt, niemals zu Schaden kommen kann. Es ist ferner nicht wahr, daß alle Lagerhalter im vergangenen Jahre Deficit hatten, es waren nur zwei resp. rin nennenswertheS Deficit zu verzeichnen. Tie andern süns hatten größtentheils recht großr Üeberschiisse. Es ist nicht wahr, daß bei der Entlassung Schuster's rin Deficit von 420 -»t gewesen sein soll, dasselbe hat sich allerdings vermindert, jedoch nicht durch die Schuld des Geschäftsführers. Wenn ferner es vorgekommen ist, daß Maaren an Lagerhalter geliefert worden sind, für die sie nicht bestimmt waren, so ist dies rin Versehen von Leuten, dafür kan» die Leitung nicht verantwortlich gemacht werden. Was falsche Rechenexempel anlangt, fehlt hierfür der Beweis. Hochachtungsvoll H. F. Scheffel, Geschäftsführer. Zu vorstehender „Berichtigung" sei bemerkt, daß wir schlechterdings nichts zu berichtigen haben: die „Berichtigung" richtet sich gegen Len vom Lagerhalter Herrn Buhl über die Thätigkeit des Vorstandes des Lagerballerverbandes erstatteten Bericht, beziehungsweise gegen daS Referat der „Leipz. VolkSzei tung" hierüber, das wir unter Quellenangabe wiedergegeben haben. In der „Leipz. Volkszeitung" finden wir die obige „Berichtigung" nicht. Dagegen be richtigt sich die „Leipz. Volkszeitung" selbst wie folgt: „Einige unliebsame Druckfehler sind infolge mangelhaften Manuscripts in unserem gestrigen Bericht über den in Chemnip abgehallenen Lagerhaltertag entstanden. Der Lagerhalter Schuster hatte nicht einen monatlichen Umsatz von 4000 Mark, sondern einen solchen von 8000 Mark. Außerdem muß es in der zweiten Spalte, 20. Zeile beißen: So hatte» im vor vergangenen Jahre alle Lagerhalter, bis auf einen. Deficit. Derselbe College, der hier 200 Mark gut gemacht, hatte Im nächsten Jahre ein Deficit von 1700 Mark. Ferner muß es in der 42. Zeile derselben Spalte heißen: In Eutritzsch müssen alle Feblbeträge, die zwischen 200 und 1700 Mark schwankte», bezahlt werden rc." L2 Berlin, 2i. April. Die „Germania" zeigt sich von dem Geständnisse, das Leo Taxil in Paris über Miß Diana Vaughan und seine eignen Schwindel-Enthüllungen betreffs der Freimaurerei und des Teufels Bitru gemacht bat (s. die Vermischten Nachrichten in der 1. Beilage der Morgenausgabe des „Leipz. Tagehl."vom 2l. April) befriedigt. Wer aber gewährt Sicherheit dafür, daß Taxil, als er seine Erklärung abgab, nicht vomTeufel besessen war, der ja nach unwiderleglichem ultramontanen Leugniß zu den Frei maurern hält und ein Interesse daran hat, rin auserlesenes Werkzeug der Kirche im Kampfe gegen die höllischen Mächte als Schwindler und Betrüger erscheinen zu lassen- Die Er wägung dieser Möglichkeit hält sich wenigsten« durchaus inner halb der Grenzen der Methode der „Germania", und vor wenigen Jahren, als es mit dem Iesuitenpater Gruber in den Lehren und Prophezeiungen Taxil'S und seiner Miß noch HeilSlhaten erblickte, hätte daS fromme Blatt vielleicht auch nicht gezögert, Beelzebub oder Bitru oder sonst einen Höllenherrn für die Selbstbeschuldigung de- geschätzten Fran zosen verantwortlich zu machen. FerirHetsir. Griechisches Soldatenleben. Von Theodor Merkel. Nachdruck verboten. Wer vom griechischen Heere einen ersten schnellen Ein druck erlangen will, der wird gut thun, sich am Vormittage etwa um 10 Uhr vor dem Hause dcS Phrourarchen oder Eommandanten von Alben in der Stadionstraße zu postiren. Er findet bier schon eine große Anzahl von Schaulustigen beisammen: Athener in moderner Tracht nach Pariser Zu schnitt, landflüchtige Kreter, griechische Bauern in ihren weithin leuchtenden Nationalcostümcn, Touristen auS den ver schiedensten Ländern. Sie alle warten auf die Jäger, die Euzonen, die hier die Fahnen holen und dann die Schloß wache ablösen sollen. Mit den Euzonen bekommt man gleich den interessantesten und charakteristischsten Theil der griechischen Armee zu sehen. Denn während alle anderen Truppentheile nach europäischem — meist französischem — Vorbild gekleidet sind, haben die Euzonen die Nationaltracht beibehalten. Sie sind darum die volksthümlichste, aber auch für unsere Augen die wunderlichste Truppe. Dies ElitecorpS ist zumeist au« Freiwilligen, großentbeils Gebirgsbewohnern gebildet, nicht eben großen und starken, aber geschmeidigen und beweglichen Männern mit sonnenverbrannten bronzenen Gesichtern, kohlschwarzen Schnurrbärten und funkelnden dunkeln Augen. Sie tragen einen Fez mit langer Quaste, ein buschiges, zu ihrem Teint trefflich passendes weiße Hemde, über dem eine reichgestickte Jacke mit offenen Aermeln liegt und, WaS nun für uns am befremdlichsten ist, dir Fustanella, jenen unterrockähnlichen weißen Faltenrock, der au» 20 Ellen dünnen Leinens her gestellt ist, den Leib mehrere Male umschlingt, und besonder» jetzt, wo eS Mode ist, die Fustanella kurz zu tragen, im Vereine mit den tricotartigen Hosen den Euzonen einige Aehnlichkeit mit Ballkteusen gicbt. Eigenthümlich ist auch das Schuhwerk. Es sind die nationalen Tsarouks, weiche, oft aus rohem Leder angesertigte Schuhe ohne Ab sätze, die in hohe spitze Schnäbel auSlaufen, aus denen große schwarze Wollpompon» sitzen. Für den Felddienst soll der leichte und geschmeidige Tsarouk angeblich ausgezeichnet sein, aber einen militairischen Eindruck macht er nun eben nicht. Nimmt man dazu, daß gerade di« Euzonen in einem Geschwindschritte zu marschiren pflegen, der selbst da» Tempo der italienischen Bersaglieri noch übertrifft, so kann man sich den verblüfften Eindruck wobl vorstrllea, den der Fremde aus der Stadionstraße zu Athen von der Kern- und LieblingS- truppe der Hellenen zunächst erhält. Und diese Verblüffung steigert sich noch, wenn wir die Worte, die wir von Homer und ienophon her kenne», zu einem modernen militairischen Commando verwandt hören. E» geht uns, wie dem Schulmeistertem, da» ganz fassungSlo» darüber war, daß jeder Lazzaroni in Rom noch heute, wie der selige Horaz, aqua sage, — wenn wir hören, daß der Herr Lieutenant „karasksuarsto to (Präsentirt das Gewehr!) commandirt. Nun muß man sich aber den darauf erfolgenden Griff nicht ganz nach deutscher Vorstellung denken. Unser Drill ist ausgeschlossen in einer Armee, in der insolge der südländischen Beweglichkeit der Leute der Begriff „Still gestanden" im strengen Sinne nicht existirt, die Mannschaften gern die Tempi laut mit- und nachzählen und überhaupt die tadellose straffe Haltung deS Körper» gar nicht verlangt wird. Den Ehrgeiz, daß die „Griffe klappen", bat allerdings auch der griechische Ofsicier und Soldat; aber sie suchen die» Ziel durch lautes Aufhauen der Kolben auf den Boden zu erreichen, — was nun leider erfahrungsmäßig die Gewehr läufe recht übel empfinden. Für unfern- Blick also ist die Ausführung deS CommandoS nicht gerade exact. Aber die Leute haben Feuer und sind mit wahrer Begeisterung bei der Sache; und wenn die Abtbeilung nun, die Fahne mit dem beiligen Georg an der Spitze, die Stadionstraße hinauf- und dem Schloßplatze zustürmt, so gewährt sie in ihrer Art ent schieden einen fesselnden Anblick. Vor der Fahne entblößen sich die Häupter vieler Zuschauer, leicht bewegliche Kreter werden sogar von ihrem Anblick zuweilen zu Thränen hin gerissen, allgemein aber ist der Jubel, der die Soldaten be gleitet. Die Begeisterung steigert sich noch, wenn der Kron prinz auS dem Schlöffe bervorreitet und sich an die Spitze der Truppe stellt. Dir Euzonen rasen noch schneller dahin, die Quasten und Aermel flattern, die Fustanellen weben, die Stickereien glitzern, die Trompeten schmettern; auf dem Balkon erscheint der Könitz und ,^ito bo vusileus!" ES lebe der König! braust e» stürmisch über den weiten Schloß platz hin. Ja, die Griechen lieben ihre Armee enthusiastisch, und da» ist ja ganz natürlich, wenn man bedenkt, wie viel sie von ihr erhoffen, wie viel Opfer sie für sie gebracht haben und noch bringen. Schon 1870 wurden 28 Proc. aller SkaatSauSgaden auf da« Heer verwandt, und dieser Satz ist nach den neuen Reorganisationen noch erheblich aestiraen. Man erzählt sich folgende- charakteristische Beaebaiß. Ein reicher Grieche au« London kam persönlich zum Könige, um ihm ein Geschenk von mehreren Millionen für ein neue« Museum anzubieten. Der König aber meinte, sie wollten sich doch vorläufig mit dem Parthenon begnügen; e« sei zur Zeit besser, Caseroen zu bauen. Und die Millionen des Handelsherrn wurden zu Casernrn verwandt. Alle« für die Armee! ist der Grundsatz. Auf den Kopf jede« Griechen kommt beute mehr als die Hälft« dessen, wa« jeder Deutsche für da« Heer zahlt. Der griechische Soldat hat eine sehr gute Eigenschaft, in der ihm uur Einer glrichkommt — sein Todfeind, der Türke. Diese Eigenschaft ist di» Genügsamkeit. Da» griechisch» Svldatrnleben ist in jeder Hinsicht sehr bescheiden. Der Soldat schläft auf einer Holzpritsche, seine tägliche Ration beträgt l Pfund Brod unv etwa» mehr als 15 Pfennige Sold. Für da- Geld werte» die Lebensmittel gemeinschaft lich eingekauft: Kaffee, G»mu,e, Fisch, Fleisch. Wa- aber der wcann oavon ervair, >,1 oei ocn großen -L-cyivanlungei, der Lebensmittelpreise in Griechenland sehr verschieden: sink sie billig» ißt er reichlich, sind sie doch, muß er auf Fleisai verzichten und ein wenig mehr „Sonne kneipen". Mittwoch und Freitag sind nach der griechisch-katholischen Religion Fasttage, an denen eS nur Gemüse und Brov giebt; unt sehr streng wird die gegenwärtige 40 tägige Fastenzeit ge halten, in der der Mann nicht einmal das geliebte Oel zu seinem trockenen Brode nehmen, sondern höchstens aut Oliven sich eine Art Grütze kochen kann. Doch all' dies« Entbehrungen drücken den griechischen Soldaten wenig, er ist gewöhnlich lustig und guter Dinge, und wenn er sich gar eZ» paar Lepta jür Tabak absparen kann, so macht ihm bi« Sorge wenig zu schaffen. Zur CarnevalSzeit nimmt er sich Vorschuß, ißt und trinkt, raucht, singt und tanzt sein« Nationaltänze; ist die Festzeit dann vorüber, so tbul er seinen Dienst gern. Daß eS in diesem Dienste immerhin „gemüthlicher" zugebt, als bei uns, wurde bereits hervor- aehoben; dennoch ist der griechische Infanterist nach dem Urtheile eine- deutschen OfficierS kein verächtlicher Soldat Er ist ausdauernd, findig, nüchtern, eifrig. Seine Marsch leistungen sind sehr gut, wenigsten« waS die Ausdauer be trifft; daS Marschtempo gehl allerdings den unruhigen Griechlein leicht verloren und muß vom Hornisten wohl von Zeit zu Zeit wiederhergestelll werden. Wo er selbstständig thatlg sein kann, ist er an seinem Platze; im größeren Ver bände freilich ist er schwierig zu führen. Die beste Waffe des griechischen Heeres ist die Artillerie ihr schwächster Punct die Eavallerie. Die Griechen müssen ihre Pferde durchweg aus dem AuSlaube beziehen, und di« unentbehrliche Liebe zu de» Thieren ist ihnen vollständig un bekannt. Tbierauälerei gehört zu den Landessitten; und man besitzt so wenig B-rständniß für die Berechnung und Schonuna Pftrves, daß z. B. ein Ordonnanzreiter unter allen Umständen traben oder gaüoppiren wird, und wenn ei auch gar keinen Auftrag hat und das Pflaster der Straß« ganz jämmerlich ist. Die Folge ist, daß die Pferde der griechischen Eavallerre einigermatzen an jenen Gaul erinnern, an dem alle Krankheiten zum Muster abgebildet sind: sie schlagen und bocken, sind hartmäulig, gehorchen keinem Schenkeldruck und gehen zuweilen durch. So sichtbar nun dieser und so mancher andere Mangel »st, so mug man nicht glauben, daß die Griechen selbst ihn anerkennen. Sir sind in ihrem Chauvinismus ganz per- blendrt, e»ne Kritik ihrer Soldaten und ihres Heeres beant worten sie leicht mit der blanken Waffe und selbst die sonst hxg griechischen OfficierS wird von seinem chauvinistischen Hochmuthe recht oft getrübt. Es ni Ä* den griechischen Osficieren eine eigen« Sache. Zum größeren Theile nämlich gehen sie au» den, Zutritt zum Osficiers- st die Grenze zwischen eiHermaßen j« märür^'Ht ^ ^ -'-Kn. ,.!n Ölst..' „l. .m,m" Lm,' Sache. Zum größeren Theile nämlich UnterofficierSstande hervor, so daß der corvS Jedermann freisteht. Dadurch is Ofncirren und Mannschaften ganz v« Tische sitzen darf. Aber obwohl diese Bestimmung aufs Strengste durchgesührt wird, so ist doch der richtige Abstand und Respect nicht vorhanden. Und wie sollte er auck! Osficiere und Gemeine treffen und berühren sich vielfach bei rem regen Kaffeehaus- und Versammlungsleben, und vor Allem: sie kennen und unterstützen oder bekämpfen einander als politische Gegner oder Gesinnungsgenossen. Denn die leidige Politik — das ist der wunde Fleck deS griechischen Soldatenlebens. In Griechenland ist Jedermann leidensckaftlicher Politiker und der Ofsicier erst recht. Denn einmal ist er. unabsetzbar, also nach dieser Seite hin ganz gesichert und sodann dient ihm die Politik recht oft in sehr nützlicher Weise. Nehmen wir z. B. an, einem Ofsicier gefällt cs in seiner Garnison nickt, sie ist ihm zu klein und zu langweilig, da läßt er sich möglickift schnell als Candidat für die Deputirtenkammer, und zwar als oppositioneller Can- dibat aufstellen, verspricht den Wählern goldene Berge und greift die Regierung recht scharf an. Der Regierung ist das natürlich unbequem und der OssicierS-Eandivat kann sicher sein, nach kurzer Zeit unter irgend welchem „dienstlichen" Vorwände nach Alben berufen zu werden, wo in erheblicher Anzahl solche Osficiere heraumlaufen, die auS ähnlichen Gründen verseht wurden unv nun ohne weitere Beschäftigung die Annehmlichkeiten der Hauptstadt genießen. Schlimmsten, falls aber läßt sich der Ofsicier wirklich wählen (etwa 20 Deputirte gehören dem militairischen Stande an); so kommt er denn auch aus der Langenweile der Provinz nach Athen. Es leuchtet nun ohne Weitere« ein, daß die Disciplin nicht besonde« befördert wird, wenn bei einer Wahl nicht weniger als 103 Osficiere candidirrn und jede Ernennung eines UnterofficierS zum Ofsicier von Parteirücksichlen ab- bäiigig gemacht wird. Der Ofsicier siebt eben in dem Sol daten nicht nur den dienstlichen Untergebenen, sondern auch den Wähler; und der Soldat träumt bsi seiner Siesta am liebsten von den goldenen Zeiten, die ein Sieg seiner Partei de»> Lande und ibm bringen würde. Zudem wechselt jedes Mal, wenn ein Ministerium abtritt, auch die Besetzung des Kriegslnlnisteriums, des Gencralstaba und der höchsten Com- manvvstellen. Dieser Fall ist seit 1843 nun nicht weniger als 83 Mal eingetreten, in manchen Jahren ereignete er sich c, bis 8 Male. Dieser Umstand ist für die Stabilität de« griechischen Heerwesens sehr hinderlich gewesen, und hier lugt nun unter dem europäischen Firniss« rin Stück Orient her vor. Wenn man den griechischen Infanteristen, Artilleristen oder Eavallrristen sieht, — vom Euzonen war schon früber d«e Rede — so macht er unleugbar einen guten Eindruck. Er ist hübsch uniformirt, hält sich sauber und hat meist von Natur ein gewandtes Benehmen. Auch glüht er von Eifer für die nationale Sache und sein Vaterland. Aber daS, was lchließlich einzig die numerische Schwäche eine» Heere» ersetzen kau«, die strenge militairische Zucht und Erziehung, die voll ständig in der Hingabe an den Dienst aufgeht, — da- fehlt den, hellenischen Soldaten.
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