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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970427012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897042701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897042701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-27
- Monat1897-04
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In letzterer Beziehung hat sich in jüngster Zeit ein sehr beachtenS- werlher Umschwung vollzogen. Der Hauptredner der Bauernführer, vr. Kleitner, ein früherer Gym nasiallehrer, den die Lorbeern der Herren Orterer und Datier nicht schlafen lassen und der um jeden Preis an der Stelle der bisherigen Centrumssührer im bayerischen Abgeordnetenbause eine maßgebende Rolle spielen möchte, hatte am allereifrigsten die Forderung deS Bauern bundes vertreten, das österreichische Vieh von der Einfuhr nach Bayern auszuschließen oder doch wenigstens durch eine dreiwöchige Contumaz an der Grenze seine Einfuhr möglichst zu beschränken, weil dasselbe die Maul- und Klauenseuche ein- schlcppe und unnöthigerweise und zum Schaden der ein heimischen Tbierzucht den Absatz des bayerischen Schlacht viehs beeinträchtige, das den inländischen Markt vollständig versorgen könne. Die Regierung berief sich diesen Forde rungen und Behauptungen gegenüber auf die Tbatsacben, daß die Einschleppung der Seuche aus Oesterreich nickt nach- gcwiesen sei, so daß eine gewissenhafte Grenzconlrole und das Gebot einer baldigen Schließung innerhalb dreitägiger Frist genüge, und daß die Versorgung des inländischen Schlacbtvieh- markles, namentlich in München und Nürnberg, durch bayrisches Vieh wegen der Minderwerthigkeit desselben für die Eonsumenten bei Weitem nickt ausreicht, so daß das Bedürfniß nicht ge deckt werden könne und eine Vertbeuerung deS Fleisches ein- lrcten müsse. Or. Kleitner versprach in Betreff der Seuchen- einschleppung den Gegenbeweis, ist aber damit bös herein- gefallen. Nicht allein ist in den Fällen, wo in früheren Jahren verseuchtes österreichisches Dieb in Bayern angeiroffen wurde, niemals die Einschleppung der Seuche durch dasselbe erfolgt: gerade daS österreichische Vieh, daS aus den Alpen gezüchtet wird, ist nicht bloS bester genährt, sondern auch ge sünder als daS inländische, namentlich das aus Berlin hierher eingeführte. — Herr Kleitner hat selbst, wie die „Allgemeine Zeitung" nachweist, die jetzt von ihm vorgesührten Zeugnisse über hier verseucht gefundenes Vieh aus Oesterreich seinerzeit nur zu dem Zweck erholt und producirt, um die Ungefährlichkcit der durch die ärztliche Untersuchung au der Grenze genügend überwachten Vicbeinsuhr zu erhärten, nach dem er selbst im Münchner Stadtverordnetencollegium den Antrag gestellt hatte, der damaligen Futternoth gegenüber die Einfuhr österreichischen Viehes zu erleichtern! Der studirte Dauerredner des Bauernbundes hat sich damit offenbar gründlich blamirt, doch darf man deshalb nicht etwa auf einen Rückzug desselben von der weiteren Agitation hoffen.*) *) Wie wir der Münch. „Allgem. Ztg." entnehmen, droht Herrn! I>r. Kleitner eine Klage des Münchener Magistrats wegen ver leumderischer Beleidigung, sofern sich herausstellt, daß er in einer Versammlung wirklich, wie die „Donauzeitung" berichtet, dem Magistrate unwahre Angaben über die Vieheinfuhr vorgeworsen hat. Von dem AuSgange dieser Angelegenheit dürfte die weitere Wirksamkeit des Herrn vr. Kleitner doch wohl einigermaßen beein flußt werden. Die Red. d. „Leipz. Tagebl." Ebensowenig wird der eigentliche bäuerliche Führer der Bündler. Herr Wieland, von dem Feldzüge gegen Regierung und Centrum ablassen, nachdem ihm kürzlich in einer Ver sammlung bei Landshut das Geständniß entschlüpft ist, daß die Bauern nunmehr mit den Socialdemokraten gehen müßten. Die ganze Kampsweise der Bündler hatte ja schon längst große Ähnlichkeit mit der socialdemokratischen an genommen. Die Bodenzinsen will man nicht mehr, wie sich gebührt, vermindert und abgelöst, sondern einfach aufgehoben wissen, ungeachtet der dadurch vielfach verletzten und ge schädigten Privat- und staatlichen Interessen und Neckte; den Ausfall in den Staatseinnahmen durch Stcuererhöbung zu decken, würden sich die Bündler natürlich am nachdrücklichsten weigern. Daß trotz alledem die Agitation deS Bauern bundes immer weiter greift, ist höchst bedenklich, indessen wird nach dieser Wintercampagne die für den Bauern doch notbwendige Rückkehr zu Pflug und Sense wohl auch diese Bewegung einigermaßen beruhigen. 2m klebrigen ist die auch in Bayern vorläufig noch ausschlag gebende Centrumspartei in den letzten Wochen so leiblich Weiler gefahren. Die Bischöfe, die bei der Centenarfeier daS erwartete Mindestmaß deutscher Neichstreue bezeugten — der Regensburger ließ es freilich auch an dem Anstande deS hof fähigen Unterthancii wie an christlichem Sinne fehlen — batten den Prinzrrgenten mit einer mindestens überflüssigen Eingabe zu Gunsten der Aufrechterhaltung der coiifessionellen Volksschule behelligt; sie erhielten daraus die vorauszusehende Antwort, daß man nicht daran denke, die Religion in der Schule zu bedrohen. Die ultramontanen Fanaliker Hallen de» in liberalem Sinne geleiteten bayerischen Lehrerverein treffen wollen; der klerikale Gegenverein hat aber nur kläg lichen Mißerfolg. Die kleinen Begünstigungen ultramoittaner Landtagsmitgliever in Kirchen- und Staatsdienst dauern fort, ohne besonderen Schaden anzuricktcn. Sonderbarerweise wird bei einem zum Domcapilular beförderten geistlichen Professor, Herrn I)i-. Schädler, der auch auS dem Reichs tage bekannt ist, von dessen eigenen Parteigenossen die Fort dauer seines Landtagsmandats bestritten, während die Liberalen mit dem angesehensten bayerischen StaatSreckts- lehrer, Professor vr. von Seydel, der Fortsetzung der par lamentarischen Thätigkeit deS „Beförderten" keinerlei Hinderniß bereiten. Gar zu üppig und siegesbewußt wird unser Centrum der neuen Landtazssession diesmal nickt eokgeg-r- blickcn: die weit vorgeschritten Entfremd«,^ eines große i Theiles seiner ländlichen Getreuen durch die^Bauernbundlee im Gebirge und im Flachland hat die früher so unbedingt und zweifellos Gebietenden doch etwas kopfscheu gemacht. Auch in den höchsten Kreisen will sich der erhoffte echt katholische und föderalistische Geist, auf den ein sich allein für waschecht haltendes bayerisches Vaterlandsgefühl gegen Preußenthum und Kaiserthum immer wieder rechnen möchte, durchaus nicht regen; ganz im Gegentheil hält der Prinz regent, wie sich ja für jeden politisch Zurechnungsfähigen von selbst versteht, an seiner altbewährten Gesinnung unverbrüchlich fest, und der Thronfolger, Prinz Ludwig, hat bekanntlich, wäh rend der greise Vater dem Reich und seinem Begründer in Berlin alle Ehren erwies, in München unermüdlich Ver anstaltungen der Centenarfeier beigewohnt und bei einem spicken Feste zum Gedächtniß deS alten Heldenkaisers so -ck,Lne und warme Worte gesprochen, daß sich der Redacteur !rneS vielberufenen bayerischen UlkblätlchenS und Herr I)r. v. Senestren in Regensburg gewiß an der Nase gezupft fühlten. Auch Bayern ist, trotz der Neservatrechte, ein treues Glied des deutschen Reiches, und mit gleichem Stolz wie andere Bundesgenossen tragen auch wir die deutsche Cocarde. Deutsches Reich. O.H. Berlin, 26. April. Trotz aller großsprecherischen Beschlüsse der zablreichen Gewerkschaften, den ersten Mai durch vollständige Arbeitsrube zu begehen, wird es doch beim Kaffeekochen bleiben. Das Festcomit^ in Berlin bat zwar für den 1. Mai 14 der größten Locale mit Beschlag belegt, aber eS hat auch in richtiger Erkenntniß, daß die große Mehrzahl der Genossen erst am Abend erscheinen wird, den Anfang der Vergnügungen auf die 4., 5., resp. 6. Stunde festgesetzt. DaS Programm ist das übliche: Festreden, Festspiele, turnerische Leistungen, lebende Bilder, Gesänge. Feuerwerke, Tanz und selbstverständlich Kaffeekochen. Die Eintrittspreise sind sehr verschieden; im sechsten Wahlkreise bat man, weil man sonst wahrscheinlich die Locale nicht ge nügend füllen zu können glaubte, von der Erhebung eines Eintrittsgeldes gänzlich abgesehen und sich auf die Bitte an die „Genossen" beschränkt,'die Tellersammlungen nicht zu vergessen; im ersten Wahlkreise beträgt das Eintrittsgeld 30 ^s, in den anderen Wablkreisen 20—25 ^s; Herren, die am Tanze theilnehmen wollen, müssen da und dort noch 50 Z nachzahlen. Ein ganz billiges Vergnügen ist also die Maifeier nicht, und daß cs ein großes sei, sich stundenlang mit kleinen Kindern in rauchgesültte Locale einzuzwängen, werden die wenigsten der Theilnebmer ernstlich behaupten. Selbst verständlich dürfen nur Kellner, die „auf dem Boden der Arbeiterbewegung stehen", serviren, und auch die Musiker sind auf ihre rothe Gesinnung hi» geprüft; auf ihre musikalische Leistungs fähigkeit scheint besonderes Gewicht nicht gelegt zu werden. Recht komisch nimmt es fick aus, wenn das Maifcier-Comil6 in seinem Aufruf sagt: „Genossen, Eure Pflicht ist es, die Arbeit ruhen zu lassen!" Das Counts glaubt, wie schon hervorgehoben, selbst nicht daran, daß diesem Aufrufe Folge geleistet werde. Die Beschlüsse der Gewerkschaft, die Arbeit am 1. Mai ruhen zu lassen, sind ja auch nur in ganz schwach besuchten Versammlungen gefaßt worden, und 200 junge Burschen können doch unmöglich einer Gewerkschaft, die 10 000 Mitglieder und mehr umfaßt, vorschreiben, waS sie am 1. Mai thun soll. Daß die Berliner Arbeitgeber nicht mit sich spaßen lassen, das haben ja die „Genossen" im vorigen Jahr bei ihren frevelhaft vom Zaun gebrochenen Streiks sattsam erfahre». Berlin,^25. April. Die Novelle zur Gewerbeordnung rr n Juni 1801 Hot bekanntlich den Gemeinden doSiRecht übertragen, durch Ortsstatut zu bestimmen, daß der Lohn der jugendlichen Arbeiter an deren Eltern oder Vor münder gezahlt werde. Bon diesem Rechte haben nur äußerst wenige Gemeinden Gebrauch gemacht, so baß eigentlich mit Recht behauptet werden kann, jene Bestimmung der Gewerbe- orbnungsnovelle sei, wie die übrigen auf die Hebung der Zuckt in der jungen Arbeiterschaft gerichteten Vorschriften, ins Wasser gefallen. Neuerdings bemühen sich einige Kreissynoden, industrielle Vereinigungen unter Hinweis aus die zunehmende Vergnügungssucht und Verrohung der jugendlichen Arbeiter und die daraus erwachsenden Gefahren für die Sittlichkeit und Ordnung dazu zu bewegen, daß sie an den zuständigen Stellen auf die Durchführung dieser Gewerbeordnungsbestim- mung hinwirken. So bat sich noch neuerdings der Berg- und Hüttenmännische Verein für die Lahn-, Dill- und benachbarten Reviere mit einer solchen Eingabe zu befassen gehabt. Von industrieller Seite muß zwar anerkannt werden, daß die Klagen über den Leichtsinn und die Unbotmaßigkeit der jungen Leute durchaus berechtigt sind und daß es dringend geboten wäre, mit allen geeigneten Maßnahmen auf eine besser- ziehung der Jugend hinzuwirken. Zu den geeigneten : nahmen aber wird die Einführung der OrtSstatute auf Aus zahlung der Löhne jugendlicher Arbeiter an deren Eltern oder Vormünder mindestens so lange nicht gerechnet werden können, als die Auszahlung nicht allgemein in dieser Weise erfolgt. Es war der Gewerbeordnunasvorschrift in demselben Augen siicke die Möglichkeit jeder Wirkung genommen, als man es in das Belieben der Gemeinden stellte, solche Ortsstatute zu erlassen. Ganz anders würde die Sache schon liegen, wenn die Auszahlung an die Eltern obligatorisch gemacht worden wäre. Aber auch dann hätte eS noch der Ueber- windung zahlreicher Schwierigkeiten im Einzelnen bedurft, um zu einer wünschenswerthen Ordnung der Angelegenheit zu gelangen. Jedenfalls ist eS den einzelnen Gemeinden und den in ihnen wohnenden Industriellen unter den jetzigen Ver hältnissen nicht zu verdenken, wenn sie den neuerdings aus getretenen Wünschen der Kreissynoden nicht Nachkommen. * Berlin, 26. April. Der deutsche Land wirthschafts- rath hat an den Reichstag zum Gesetzentwurf über das Auswanderungswesen eine Eingabe gerichtet, in welcher er beantragt, daß in 8 24 des Entwurfs, der von der noth- wendigen Beschränkung der Auswanderungsfreibeit handelt, eine Bestimmung ausgenommen werde, welche die Beförderung von Personen verbietet, die außer ihrer Militairpslicht auch etwaige sonstige öffentliche und privatrechtliche Verpflichtungen nicht erfüllt haben. Tieje Forderung bat der Landwirthschastsrath bereits 1883, wo er sich zum ersten Mal mit der Auswanderungssraqe beschäftigte, dem Reichskanzler unterbreitet; sie wird mit der häufig beobachteten Erscheinung motivirt, daß landwirthjchaftliche Arbeiter auszuwandern suchen, ohne ihre eingegangenen Dienslcontracte und Arbeits vertrüge erfüllt zu haben. Eine weitere Erscheinung ist, daß land- wirthschastliche Arbeiter mehrfach auswandern, nur um der Ver- pflichtung zur Unterstützung hilfsbedürftiger Angehöriger zu ent gehen, welche dann der Gemeinde zur Last fallen. Wenn nun auch der Entwurf in 8 24b bestimmt, daß Personen, deren Verhaftung oder Festnahme von einer Gerichts- oder Polizeibehörde angeordnet ist, nicht ausrvandern dürfen, so genügt diese Bestimmung bei dem langwierigen Wege des Cioilprocesjes gegen contractbrüchige Arbeiter nicht, um eine Auswanderung derartiger Etemeute nachdrücklich zu verhindern. Es erscheint hierzu vielmehr die Bestimmung erforder lich, daß jeder Auswanderer eine Bescheinigung seiner Heimathsdehörbe vorzuzeigen hat, welche Len Nachweis enthält, daß er seinen öffentlichen und privatrechtlichen Bei pflichtungen in jeder Weise nachgekommen ist. Der Landwirthschastsrath hält es weiter für wünschen»- wertb, daß die Frage der Besiedelung der deutschen Schutzgebiete schon mit dem obigen Gesetzentwurf gleichzeitig geregelt werde; sollte dies nicht mehr durch führbar sein, so erwartet er, daß ein solches Gesetz bald folgen werde. Es bandelt sich nach Ansicht des Land- wirlhschaftsratkS nicht darum, mit der gesetzlichen Regelung der Ansiedelung der deutschen Colonien und mit der Beförderung dieser Ansiedelung zu warten, bis dies, wie es in den Motiven zum Gesetzentwurf heißt» in großem Maß stabe geschehen kann, sondern darum, schon letzt die Aus wanderer darauf hinzuweisen, daß das deutsche Reich seinen Landeskindern in seinen eigenen Colonien eine zweite, auch reichSdeutsche Heimath zu bieten vermag, und ferner darum, schon jetzt durch eine reichsgesetzliche Regelung eine künftige, in größerem Maßstabe stattfindende Auswanderung nach den deutschen Colonien anzubahnen. V. Berlin, 26. April. (Telegramm.) Die Kaiserin empfing am Sonnabend Abend die Abordnung, welche das Central-Comits der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz -ach Athen entsandt hat. Die Absendung einer auS zwei ,-rzte:., zwei Pflegern und fünf Pflegerinnen, sowie aus Fe«rH«t-n. Königin Hortense's Jugend. Unter den Bildern der großen französischen Revolution sind nicht die wenigsten Bilder von Frauen, die mehr oder weniger stark in daS Getriebe eingriffen und nach ihrem Kopfe Politik zu machen suchten. Es giebt da gewaltige Frauen wie Charlotte Cordey, geistreiche wie Madame Roland, aber die Mehrzahl waren doch tändelnde, liebeS- bedürftige Geschöpfe, die in einem naiven Egoismus die Männer für sich zu gewinnen suchten und denen eS weniger nm die Politik al« um Reichthum und Stellung zu thun war. Denn auch unter den großen Ereignissen, bei den Blutbädern auf der Place de la Concorde, bei den Siegen der Heere an der Grenze, dann in Italien und Egypten, hatten die Damen mit sich und mit ihren Kleidern zu thun, auch damals war, wie heute, die Lieblingsunterhaltung der Frauen die Mode und der Klatsch. In dergrotzen Ausstellung der Revolution, deS ConsulalS und ersten Kaiserreichs waren diese Frauen die Genrebilder und NippeSfizuren und unter ihnen ist eine der interessantesten Figuren die Tocher der Iosephine BeaubarnaiS, der ersten Gemahlin Napoleons, Hortense Beauharnais*). Man kann sich fast keinen Begriff von dem idealen Leichtsinn jener Zeit machen, von ihren LiebeSabenteuren und Intrigue» bei all den großen weltgeschichtlichen Umwälzungen und man kann nicht begreifen, wie all die Männer, die in den vordersten Reihen standen, die selbst Weltgeschichte machten, so viel Zeit mit schönen Frauen verzettelten und sich gleich den Elegant- jener Zeit um die kleinsten und intimsten Toilettengeheimnisse kümmern konnten. Aber freilich, trotzdem sich die großen Ereignisse schneller folgten als jetzt, waren die Menschen doch noch nicht so nervös und so brutal wie heut zu Tage und sie fanden bei aller Arbeit und Verantwortung noch Erholung in heiterer Geselligkeit, in einer Unterhaltung über irgend ein liebenswürdiges Nichts, bei dem sich ihr Geist auSruhte und stärkte. In dieser Atmosphäre,geschwängertvonParfüm undMenschen- blut,umgeben von Willensstärken und von charakterlosen Menschen abgöttisch geliebt von einer heißblütigen, sittenlosen Mutter, *) Die-Königin Hortense von Josef Turquan. Uebertragen und bearbeitet von Oskar Marschall von Bieberstein. Verlag von Schmidt » Günther ta Leipzig. einer Creolin, aber ängstlich behütet vor allen Gefahren, so wuchs Hortense heran. Ihr Vater, der Marquis von Beau barnais, batte sie wenig gesehen, noch weniger hatte er Zeit gehabt, sich um ihre Erziehung zu kümmern. Am 23. Juli 1794 starb er auf der Guillotine. Iosephine, seine Gattin, wurde durch Betreiben der späteren Frau Tallieu auS dem Ge fängnisse befreit und warf sich wie früher in die Arme Barras'. Hortense kam in eine Pension nach St. Germain en Laye zu Frau Campan und während sie dort lernte oder auch nicht lernte, knüpfte Iosephine Beziehungen zu dem aufsteigenden Stern Napoleon an und hcirathete den kleinen Corsen zwei Jahre nach dem Tode ihres ersten Mannes, am 9. März 1796. Hortense, die am 10. April 1783 geboren war, war damals dreizehn Jahre alt und man kann wohl vorauS- setzen, daß sie die Bedeutung deS Schrittes, den die Mutter that, begriff und daß sie die Macht der Stellung Napoleon« ahnte. Sie hatte schon viel erlebt, die Revolution batte ihr den Vater genommen, hatte die Mutter eingesperrt und vergebens war ihre und ihres Bruders Bitt schrift an den Convent gewesen, ihre Mutter aus dem Ge- fängniß, wo sie al- Frau ihres Mannes saß, zu entlassen. DaS Schriftstück, daS übrigens ihrer Tante Fanny Beau harnais, zugeschrieben wird, ist Werth, es hierher zu setzen:. Unschuldige Kinder fordern von Euch, Bürgerrepräsentanten, die Freiheit ihrer theueren Mutter, ihrer Mutter, der man doch nichts hat zum Vorwurf machen können, als da- Unglück, daß sie in eine GesellschastSclasse eingetreten ist, der sie fremd gegenüberstand — hat sie sich doch stets nur mit den besten Patrioten, den Ersten der Bergpartei abgegeben. Al- sie einen Passirschetn verlangte, um ihre Unterwerfung unter da- Gesetz vom 20. Genmnal zu erklären, wurde sie, ohne zu wissen weshalb, verhaftet. BürgerrepräsentantenI Ihr werdet doch nicht dulden, daß der Unschuld, dem Patriotismus, der Tugend Leid zugrfügt werde. Gebt den unglücklichen Kindern das Leben zurück. Sie sind nicht in dem Alter, Leiden ertragen zu können. Pari«, 19. Floröal de« Jahre» II (9. Mai 1794). Eugen Beauharnais, 12 Jahre alt. Hortense Beauharnai«, 11 Jahre alt. Der Convent kümmerte sich leichterklärlich nicht um da« Gesuch und erst der 9. Thermidor brachte Iosephinen die Freiheit. Während ihre Eltern im Gefängniß saßen, hatte der Convent den Beschluß gefaßt, daß die Kinder der Edel- leute ein Handwerk lernen sollten und so wurde Eugen, später Herzog von Leuchtenberg, zu einem Maurer und Hortense zu einer Schneiderin grthan. Lange hat freilich diese Hanvwerkerei nicht gedauert, denn als ihre Mutte, war und sich dem leichten, frivolen Kreise, der sich um B- gebildet hatte, anschloß, da suchte sie sich vor allem Tochter zu entledigen, die sie augenscheinlich nicht zuviel .. ihrem Leben sehen lassen wollte, und that sie zu d > Großvater, dem alten Marquis de Beauharnais. T blieb Hortense nicht lange, sie kam zu Frau Cams u Diese Frau Campan hat einen nicht zu um schätzenden Einfluß ans Hortense ausgeübt und ihr h Hortense zu verdanken, wenn sie nicht frühzeitig in de Sumps des Pariser Lebens untergegangen ist. Die Nev lution hatte bekanntlich mit den Klöstern aufgeräumt um indem sie die Nonnen vertrieb auch der Erziehung der jungen Mädchen in den Klöstern ein Ende gemacht. Madam Campan, die dem Beruf als Erzieherin in sich fühlte um zugleich für sich und ihre Familie einen Erwerb suchte, kam auf den zeitgemäßen Gedanken, ein Pensionat sür Töchter woblhabender Leute zu gründen. Sie hatte, wie sie anfing, nichts als eine auf 500 Livres lautende Asfignate. Die kleine Stadt Germain-en-Laye, deren Lage gesund war und di nahe genug an Paris lag, schien ihr MS Ort sehr geeigne Um die jungen Mädchen anzulocken, verband sie sich mit ein früheren Nonne. Es kam damals vor Allem dara an, ihre Anstalt dem Publicum bekannt zu machen. Oh>. Geld war dies freilich nicht möglich. Da sie sür d Druckkosten eines ProspecteS nicht aufkommen konnte, schrieb sie ihn viele Mal ab und schickte ihn an A> welche sie in ihrer früheren Eigenschaft al« Kammersr Marie Antoinette'- kennen gelernt batte und welche glü der Revolution entronnen in Paris geblieben waren, dauerte gar nickt lange und die ersten Schülerinnen stel sich ein, am Ende de- Jahres batte sie bereit« sechzig, : aber hundert. Als gewandte Geschäftsfrau ließ sie eaS rücht verbreiten, daß die vornehmsten Familien Frank; " — der Adel war inzwischen wieder vornehm geworde ihr ihre Töchter anvertrauten. nannte einige Namen um wann durch diese geschickte Reclame immer mehr an ^ spruch. Wenn die alten Familien ihr ihre Töchter schickt», so thaten Bankier- und Armeelieferanten, Einporkömmlia- aller Art dasselbe. Ter Parvenü nahm die Gelegen' wahr, zu zeigen, baß er wohl wisse, welche Anforderu- das Leben stelle, wenn eS „fein" sein solle. Der Narn» Madame Campan bot eine genügende Garantie;^, ", war noch jung, halte den alten Hof und all' seu. gekannt, diesen Hof, nach welchem einst die ganze ic aut, der allen übrigen Höfen als Muster gedient hatte v von dem jetzt so viel Bruchstücke auS dem Schutt wieder .vorgezogen wurden. Hortense bewobnte Mit ihrer Cousine Emilie und vier oeren jungen Mädchen ein Zimmer. Die Erziehung war der Zeit angemessene. Aus Wissenschaften wurde weniger sicht gelegt, als auf gesellschaftliches Benehmen. Trotzdem ^ cde der Madame Campan noch vorgeworfen, daß sie auf- 'end die Schülerinnen bevorzuge, welche reich waren oder große Zukunft hatten. Der Tanz wurde ganz besonders :gt, war er doch auch am Hofe Marie Antoinette'« eine Zugkraft gewesen und unter dem Direktorium erfreute sie Tanzkunst einer großen Bevorzugung. Für junge en war Tanzen die Hauptsache, nach der Anmuth und cklichkeit zum Tanzen wurde ihre Erziehung beurtheilt. kaum glaublich, daß die Namen der besten Tänzer dem Direktorium auf unsere Zeit gekommen sind, und cd die» nur dadurch erklärlich, daß man eben zu jener großes Gewickt auf das gesellschaftliche Benehmen legte, aer Kreis der Leute, die an der Spitze der Gesellschaft »v Regierung standen, bedeutend kleiner war als hent zu 'ge, und daß uns eine Fluth von Memoiren auS jener t erhalten ist, in denen aus das Kleine oft mehr Gewicht egt war als auf das Große, weil man e« oft nicht verstand. Daß sich trotz aller Vorsicht der Madame Campan oder irlleicht gar mit ihrer Bewilligung leichte Sitten in das i)enslonat stahlen, kann kein Wunder nehmen, wenn man -denkt, daß sie eS immer mit den „Großen" halten mußte ck die Herren der Regierung nicht gerade sehr zurückhaltend ren. Hat man doch der Campan den Vorwurf gemacht, .aß sie in Hortense's späteren Jahren, bevor sie heirathete, Zusammenkünfte zwischen ihrem Stiefvater Napoleon und ihr vermittelt hatte Bei den großen Festlichkeiten deS Pensionats wurde Theater gespielt und getanzt, und daß Hortense von dem elegantesten und berühmtesten Tänzer euer Zeit, dem Herrn von Trsnis, zum Tanze aufgefordert ^e, läßt den Schluß zu, daß sie eine ebenso gute -sie Schauspielerin war. !
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