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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970428014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897042801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897042801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-28
- Monat1897-04
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BezugS'PreiS §» der Hauptexpeditton oder den im «Ziabk» b«»irk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« La» KDv. Durch die Post bezogen für Deutschland «nd Oesterreich: vierteljährlich ^l . Directe tägliche Kreuzbandsenvnng ins Ansland: monatlich 7.50. Di» Morgen-Ausgabe erscheint um V,? Uhr. di« dlbend-Änsgabe Wochentags um b Uhr. Le-action und Erpe-itio«: JohauneSgasse 8. Dir Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: vtt» Dlemm'S Sarttm. (Alfred Hahn), Universitätsstraße 3 (Paulinum), L-«i» Lösche. Aatharinenstr. 14, hart, und KönigSplatz 7. Morgen-Ausgabe Nnzeigen-PreiS die C, gespaltene Petitzeile 20 rWiger.Tagi'blatt Anzeiger. AnttsktM des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Reklamen unter demRedactionSstrich ^ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtra sS gespalten) 40/>Z- Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz uach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesürderung ^4 70.—. * Ännahmeschluß für Äuzeizen: Abend«Au-gabr: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» au die Expedition zn richten. Druck und Verlag von E. P olz in Leipzig. A3. Mittwoch den 28. April 1897. 9l. Jahrgang. Einkommensverhältnilse -er Leipziger Hand werker. lä.DaS VolkSwirthschaftlich-statistische Seminar an der Universität Leipzig hat eine Reibe von Arbeiten (im Ganzen bisher 27) über die Lage des Handwerks ver öffentlicht *), welche allseilige Beachtung verdienen. Auch in Hand- werkerlreisen selbst sind diese Veröffentlichungen — zu unserer Freude — nicht unbemerkt geblieben. War cs doch der verstorbene zweite Vorsitzende der LeipzigerGewerbekammer, HerrKlempner- odermeister W ilhelmy, welcher in der letzten Sitzung, der er beiwohnte, auf das Werk aufmerksam machte und die An schaffung desselben für dir Bibliothek der Kammer empfahl. Und gerade für die Vereinigungen Leipziger Handwerks meister (Innungen rc.) empfiehlt fick die Anschaffung umso mehr, als vorwiegend die Verhältnisse und die Entwickelung einzelner Handwerksrweige unserer Stadt in dem Werke besprochen werden. Darauf sei besonders an dieser Stelle bingewiesen. Wir werden Gelegenheit haben, noch mehrfach auf den In halt der bisher erschienenen drei Bände(einSchlußband erscheint noch) zurückzukommen. Für heute beschäftigt uns vornehm lich die Untersuchung, welche der Leiter des Seminars, Herr Professor vr. Bücher, über die Einkommenöverhältnisse der Leipziger Handwerker veranstaltet hat. Der Genannte trat zu diesem Zwecke mit Herrn Stadtrath Ludwig-Wolf in Verbindung, der bereitwilligst auf den Vorschlag deS Herrn Professor vr. Bücher, das Einkommen aus Handel und Ge werbe für die verschiedenen Handwerkszweige zu ermitteln, einging. Die speciellen Ermittelungen wurden dann von Äeamten des Stadtsteueramtes ausgesübrt. Zur Grundlage diente das Kataster auf daS Iabr 1893. Eine vollständige Durchführung deS begonnenen Werkes ließ sich mancher Schwierigkeiten halber nicht ermöglichen, doch konnte immerhin die Arbeit für 14 Handwerke abgeschlossen werden, während für 3 Handwerke (Kürschner, Schneider und Tischler) zwar die Arbeit nicht zum Abschluß gebracht, jedoch zum aller größten Tbeile die Ergebnisse festgestellt werden konnten. Ein anderes Gewerbe, das noch der Einkommensermittelung unterworfen worden war (die Buchdrucker ei), weist — wie Herr Prof. vr. Bücher sagt — ^rade ^ Leipzig Verhältnisse auf, die von dem Typus der übrigen behandelten Gewerbe so weit abweichen, daß seine Einbeziehung in die Zusammen stellung das Gesammtbild getrübt haben würbe,' und da di« betreffende Nm?rsüchnrH ebenfalls unvollendet geblieben ist, so sind die Zahlen für dieses Gewerbe weggelasjen worden. DaS Bücher'sche Vorgehen ist eine Thal, deren Nach ahmung auf daS dringlichste zu wünschen ist. An dieser höchsten Anerkennung seines Vorgehen« wird auch dadurch nichts geändert, daß wir, wie wir später zeigen werden, an seiner Darstellung einige Ausstellungen zu machen haben. Was nun die Eintheilung des Einkommens nach Gruppen anbetrifft, so richtet sich Prof. Bücher nach den Leipziger LebenSverhältniffen und kommt hierbei zu einer anderen Eintheilung, als daS Statistische Bureau in Dresden bei der Gruppirung für das ganze Land. Wir stellen hier Beide gegenüber. Prof. Bücher - bis 1250 nothdürstig - 1250-3300 « bescheiden Z 3300—5400 - mäßig -N 5400-12000 - reichlich I über 12000 - hoch Statistisches Bureau bi» 800 u« Unbemittelte 800-3300 « Mittlere Classen 3300-9600 « Wohlhabende über 9600 . Reiche Der Hauptunterschied liegt in der Eintheilnng bis zu 3300Einkommen. Hier faßt Prof. Bücher alles Einkommen bis zu 1250 als nothdürstig auf, während daS Statistische Bureau in Dresden in die Elasse der ganz Unbemittelten nur Leute mit Einkommen bis zu 800 ^ rechnet. Von seinem Standpunkte aus hat hierbei jeder Theil Recht. Von Professor Bücher werden nur die selbstständigen Handwerker in Betracht gezogen, und da kann ein solcher, wenn er wirk lich selbstständig ist, mit einem Einkommen bis zu 1250 sich nur nothdürstig ernähren. Faßt man hingegen die ge- sammten Eensiten, also auch GewerbSgehilsen, Handarbeiter, Tagelöhner rc., zusammen, so wird man die Grenze für die Un bemittelten, wenn daS ganze Land in Frage kommt, wohl bei 800 ^ Einkommen bemessen müssen. Wir haben jedoch in der nachfolgenden Uebersicht die Ein kommen dis zu 1250 ^ in zwei Classen getheilt, nämlich bis zu 800 ^ und von 800 bis 1250 Wir glauben nämlich nicht sehl zu gehen mit der Annahme — und wir werden sie spater begründen —, daß bei allen den Hand werksmeistern, die weniger als 800 ^ Einkommen haben, eine selbstständige Ernährung aus dem Gewerbe kaum vorhanden ist. Und zum Begriff eines selbstständigen Hand werksmeisters gekört doch in erster Linie, daß er sich von seinem Handwerke selbstständig ernährt. Ist das nicht der Fall, so sinkt die Selbstständigkeit zur reinen Aeußerlichkeit herab, ohne jeden Werth für den wahren Begriff des Wortes. In dieser Eintheilung lassen wir nun die Uebersickt folgen. ES bezogen ein Einkommen von Gewerbe bis 800 800 biS 1250 1250 bis 3300 3300 bis 5400 5400 bis 12000 über 12000 Zu sammen Bäcker.... 4 38 263 103 39 c> 449 Conditoren . 3 11 25 6 6 i 52 Böttcher. . . 4 28 24 2 1 — 59 Buchbinder . 9 55 78 15 7 7 171 Bürstenmacher 6 ii 7 1 — — 25 Drechsler . . 7 22 22 1 1 2 55 Fleischer. . . 4 22 128 102 63 14 333 Hausichlächter 7 70 13 — — — 90 Glaser.... 14 44 73 3 o — IW Klempner . . 11 73 112 12 6 4 218 Kürschner . . 7 30 60 13 6 6 122 Sattler . . . 13 > 54 ^ 6? « 5 Ä 143 Schneider . . 905 558 228 26 10 ' 5 1732 Schlosser . . 9 81 172 15 4 — 281 Schuhmacher 457 610 159 10 3 2 1241 Tischler . . . 44 152 172 23 7 2 400 Uhrmacher . 8 44 46 9 3 — 110 Zusammen 1512 1903 1644 348 163 47 5617 *) Schriften des Vereins für Socialpolitik, Verlag von Duncker L Humblot in Leipzig. Vergleichen wir hiermit, soweit die Anzahl der Gewerbe treibenden in Betracht kommt (siehe senkrechte Schlußspalte), die Ergebnisse der vom Statistischen Amt auf Grund der 1890er Volkszählung veranstalteten BerusSzusammenstellung, so ergiebt sich bei diesem Vergleich, daß die Zahl der Bäcker und der Conditoren, sowie der Fleischer und der HauSschlachter in der Bücher'schen Uebersicht größer ist, als sie sich nach den Ermittelungen deS Statistischen Amtes stellt. Die Ursache hierfür ist Wohl in dem Anwachsen der Bevölkerung zu suchen. Annähernde Uebereinstimmung herrscht für die Gewerbe der Böttcher, Glaser, Klempner, Sattler, Schlosser, Schuhmacher, Tischler (die Arbeit des Stadl- steueramteS muß also ziemlich abgeschloffen sein) und Uhr macher. Differenzen ergeben sich für die Buchbinder (bei denen wohl mancher HauSarbeiter der Steuerbehörde gegen über lieber nicht selbstständig ist), sowie die Bürstenmacher und die Drechsler. Nicht abgeschlossen sind Kürschner und Schneider. Herr Prof. Bücher bat nun in einer weiteren Tabelle für die aufgeführten Handwerke die procentualen Antheile an den von ihm aufgestellen Einkommensgruppen berechnet und bemerkt hierzu, daß eö sich bei den Zahlen für die Kürschner, die Tischler und namentlich die Schneider empfehlen werde, die „Möglichkeit" nicht außer Acht zu lassen, daß H a u S i n du st r i e l l e als selbstltändige Betriebsindustrielle gezählt seien. Und hiermit kommen wir an den anfechtbaren Punct der Bücher'schen Darstellung. Wir meinen, daß nicht nur mit der Möglichkeit, sondern mit der Gewißheit zu rechnen sei, daß besonders von den Schneidern und den Schuhmachern, weiter vielleicht auch von den Tischlern und den Kürschnern, viele derjeniaen „Selbst ständigen", die weniger als 800^ Einkommen haben, keine selbstständige Handwerksmeister in dem wirklichen Sinne dieses Wortes seien. Zum Theil arbeiten sie im Hause für Geschäfte, zum Theil ernähren sie sich — namentlich wenn sie ein höheres Alter erreicht haben — durch Flickarbeit. Wenn daher Herr Professor Bücher in seiner Darstellung sagt, in Gemäßheit seiner Abgrenzung ergebe sich, daß von den selbstständigen Gewerbtreibenden der 17 in der Tabelle vertretenen Handwerke durchschnittlich mehr als 60 Procent nur ein nothdürfliges Einkommen beziehen, so könnte das zu Schlüffen führen, die ein falsches Bild von der Lage veS Handwerks im Allgemeinen und in unserem Leipzig im Besonderen geben würden. Durch die Belastung der übrigen 15 Handwerke, die zusammen 2644 Selbstständige aufweisen, mit den 2973 Schneidern und Schuhmachern, die zu einem großen Theile in ihren Verhältnissen, was Selbst ständigkeit anbetrifft, von dem TypuS der übrigen ganz ab weichen, wird das Gesammtbild außerordentlich getrübt. ES trifft hier — und vielleicht noch mehr — das zu, was Herr Professor Bücher über die Einbeziehung der Buchdrucker sagte. Wie diese Belastung der übrigen Handwerke durch die Schneider und die Schuhmacher wirkt, zeigt die folgende Gegen überstellung: Handwerke Handwerke deSgl. procentual gewerbliches mit Schn, oh ne Schn, mit Schn, ohne Schn. Einkommen bis 1250 3415 885 60.8 33,5 1250—3300 - 1644 1257 29,3 47,6 3300—5400 - 348 312 6.2 11.8 5400-12000 - 163 150 2.9 5,6 über 12000- 47 40 0.8 die übrigen und der Welche Trübung des Gesammtbildes für Handwerke durch die Einbeziehung der Schneider Schuhmacher eintritt, führen unS die Procentziffern so deutlich vor Augen, daß jede weitere Ausführung sich über flüssig macht. Nothwendig erschien eS unS jedoch, noch einige Unter suchungen über die S e l b st st ä n d igkeit im Schneider- und im Schuhmachergewerbe anzustellen. WaS zunächst die Schuh macher anbetrifft, so führt die Berufszählung deS statistischen Amtes für Ende 1890 hier 1370 Selbstständige auf. DaS übersteigt zwar die Bücher'sche Statistik, welche für Ende 1892 1241 Selbstständige aufführt, zeigt aber immerbin eine annähernde Uebereinstimmung. Das Leipziger Adreßbuch für 1897, zusammengestellt Ende 1896, also vierIahre später, kennt jedoch einschließlich aller Schäftefabriken, Stepper u. s. w. in Leipzig und den Vororten inSgesammt nur 810 Selbstständige im Schuhmachergewerbe. Und Jeder, der ein Interesse an Kund schaft hat, wird doch nicht verabsäumen, seine Ausnahme ins Adreßbuch zu bewirken. Noch viel größer sind die Abstände im Schneider gewerbe und der dazu gezählten Confection. Hier zeigt die Hasse'sche Statistik Ende 1890 2551 „Selbstständige", die Bücher'sche (nicht abgeschlossene) Zählung Ende 1892 1732 Selbstständige, das Leipziger Adreßbuch Ende 1896 aber, einschl. Modewaaren-Handlungen, Schneiderinnen und a. ni, nur 1010 Selbstständige. Diese Ziffern ergeben, daß wir diejenigen „Selbstständigen", welche unter 800 ^ Einkommen haben (im Schuhmacher gewerbe 457, im Schneidergewerbe 905), ruhig als solche streichen können, obne damit von der Wirklichkeit weit abzuirren. Dasselbe trifft natürlich auch für die anderen Gewerbe zu, bei denen allerdings die damit ein tretenden Veränderungen nur ganz geringe sind. Setzen wir aber diese Grenze (800 Einkommen) für die wirkliche Selbstständigkeit fest, so gewinnen wir für die 17 Gewerbe, also einschließlich Schneider und Schuhmacher, folgendes Bild: Gewerbliches Einkommen 800— 1250 >4 (gering) 1250— 3300 - (bescheiden) 3300— 5400 - (mäßig) 5400-12000 « (reichlich) über 12000 - (hoch) Zahl der Selbstständigen 1903 1644 348 163 47 Procentualer Antheil 46.3 40,1 8.L 4.0 1.1 Wie man sieht, ist das Ergebniß schon ein ganz anderes, als bei der Bücher'schen Berechnung. Es ist aber weiter zu berücksichtigen, daß die Bücher'sche Zusammenstellung sich nur auf 17 Gewerbe beschränkt und daß eine Reihe von Gewerben mit günstigen Erwerbsverhältniffen, wie die schon erwähnten Buchdrucker, die Bauunternehmer rc., nicht auch in gleichem Maße von oben der einwirken können, wie das die Schneider und die Schuhmacher, welche zweifellos am ungünstigsten mit dasteben, von unten der thun. Auf die Gesammtverbält- nisse bezüglich des Einkommens der Handwerker lassen sich also aus der Bücher'schen Zusammenstellung noch keiner sicheren Schlüsse ziehen. Trotzdem bemerken wir nochmals, daß wir in dem Bücher'schen Vorgeben geradezu eine Thal erblicken und daß wir wünschen, dieses Vorgehen möge hier wie anderwärts Nachfolge finden. Wogegen wir uns jedoch wenden wollten — und das gewiß im Einverständniß mit Herrn Prof. vr. Bücher —, das ist das Ziehen falscher Schlüsse aus den Bücher'schen Mittheilungen, damit nicht etwa in alle Welt binauSposaunt werde: „In Leipzig haben, wie ein Professor der National ökonomie festgestellt bat, mehr als 60 Proc. der selbstständigen Handwerksmeistern ein nur notbdürftigeS Einkommen." DaS würde ein ganz schiefes Bild von den Erwerbsverhältniffen in unserer Stadt geben, zudem aber auch sehr schädigend wirken. Und das wird Herr Prof. Bücher sicherlich nicht wollen. Deutsches Reich. * Leipzig, 27. April. In Sachen deS Lippeschen Erbfolge streites erfahren wir, daß ein Termin für den Zusammentritt deS aus Sr. Majestät dem König Albert als Vorsitzendem und aus sechs Mitgliedern des Reichs gerichts gebildeten Schiedsgerichts zwar noch nicht be stimmt ist, daß aber der Schiedsspruch voraussichtlich im Monat Juni dieses IabreS erfolgen wird. -2- Leipzig, 27. April. Die von Berliner Blättern ge brachte Meldung der Erkrankung deS Senatspräsidenten am Reichsgericht Or. Kayser an einem schweren Herzleiden, welches die Wiederaufnahme seiner Thätigkeit unwahrschein lich mache, wird durch die einfache Thatsache widerlegt, daß genannter Herr den ibm bewilligten viermonatigen Urlaub nur zum Theil ausgenutzt hat und bereits in sein Amt zurück- F«<eNl«toir. Königin Horlense's Jugend. (Schluß.) Als sich Iosrphine von Barras, der sich verheiratbete, abwandte, überlegte sie einige Zeit, wen sie nun mit ihrer Liebe beglücken konnte. Die Creokin war ein gescheidtes Frauenzimmer und kannte ihre Zeit, sie hatte das Steigen und Fallen so vieler Größen erlebt, daß sie sich schon ein Uribeil zutrauen konnte. Und sie griff zu und griff den Richtigen. Der kleine gelbe, pergamentartige Corse mit seinen glühenden blauen Augen machte von sich reden, ihr schien er ein ausgehender Stern zu sein und richtig, Napoleon ließ sich von der schönen Frau, die schon eine dreizehnjährige Tochter hatte, bethören und in seinem 27. Jahre führte er die 33 jährige Frau, die schon so viel durchgemacht hatte, beim. Hortense war damals 13 Jahre alt und scheint sich erst gegen die Heirath ihrer Mutter gesträubt zu haben. Sie lernte auch ihren Stiefvater erst viel später kennen und hatte dann gerade Gelegenheit, als Napoleon aus Egypten zurück» kehrte und von Iosephine's Untreue überreugt wurde, mit ihrem Bruder zusammen Gnade für die Mutter zu erflehen. Sie wurde auch rückhaltlos gewährt. Hortense war damals eine reizende Erscheinung, ihre schlanke Gestatt, die volle Büste, die geschmeidige Taille, das reiche blonde Haar, daS sie in langen, über den Rücken bängenden Flechten trug, dazu die tiefblauen Augen mit ihrem violetten Schimmer und einem bezaubernden Ausdruck, das gab ein Gesammtbild, wie man e« sich fesselnder kaum denken kann. Die Bewegungen der Gestalt waren elastisch und voll Grazie; Hortense zählte damals siebenzehn Sommer; ihre Hauptschvnbeit lag, nach dem Urtheil Vieler, in dem frischen rosigen Teint, der zu den blonden Haaren so vor trefflich Paßte; leider waren die Zähne etwas lang und etwas hervortretend, wurden auch bald schlecht; ibre Füße waren klein, sie hielt auf elegante« Schuhwerk, ihre Hände blendend weiß, die Nägel srbr lang, von rötblicher Färbung und tadellosem Schnitt. Auf die Pflege ihrer Hände verwandte sie viel Zeit, sie kokettirte gern mit der Schönheit derselben; Hortense hatte ein weicht«, angenehme« Organ, man merkte ihr überhaupt an, daß sie zu gefallen wünschte, daß sie ein liebenswürdiges Wesen zu ibrem Studium gemacht hatte, und war ihr gern dankbar für diese Bemühungen. Im allgemeinen war sie heiter, lachte gern und hielt sich nur über Andere auf. Hortense hatte den Fehler, nicht offen zu sein, sie versteckte meist die Wahrheit, batte viel Sinn für die schönen Künste und ein gewisses Talent für die Landschaftsmalerei, die Musik aber liebte sie ganz besonders und oft faß sie stunden lang an ihrem Clavier, begleitete ihr Spiel auch gern mit Gesang, „phantasirte und componirte", wie die stets schmeichelnden Hofleute sagten; ja man ging so weit, zn be haupten, daß Hortense, falls sie nicht durch die Thaten ihres Stiefvaters auf die Höben der Gesellschaft emporgehoben worden wäre, durch ihre Talente sich emporgeschwungen hätte. Hortense hatte ein an Eitelkeit grenzendes Selbstbewußtsein, welches ihr geschickt zu verstecken nicht immer gelang. Sie hatte außerdem noch ein großes Verdienst, welches darin bestand, daß sie gegen Jedermann nachsichtig war, das ver- binderte allerdings nicht, daß sie manchmal auch maliciöse Bemerkungen machte, denn neben ihrer Gutherzigkeit trat auch eine geistige Begabung auf, welche in der Unterhaltung oft ein scharf treffendes Wort fand, ohne daß dasselbe jedoch allzu boshaft gewesen wäre. ES wurde schon erwähnt, daß Madame Campan großen Einfluß auf Hortense anSübte, den sie, das muß man ihr gerechter Weise nachsagen, in würdiger Weise zu verwertben suchte. Hortense war ja jetzt die Tochter deS mächtigsten Mannes in Frankreich, und der Ehrgeiz beseelte doch auch die Campan, daß sie durch Hortense, so viel an ihr lag, für das Glück deS Vaterlandes wirken wollte. Ihre Briese an Hortense sind bemcrkenSwerth. Am Vorabend der Uebersiedelung in die Tuikerien schrieb Mme. Campan, welche diejenigen ihrer früheren Pensionai- rinnen, welche in der neu sich bildenden Gesellschaft Bedeu tung gewannen, nicht auS den Augen ließ, einen Brief an Hortense. Daß Mme. Bonaparte nicht in der Lage war. ihrer Tochter Lehren der Weisheit geben zu können, ist richtig, Mad. Campan übernahm ohne Weiteres diese Pflicht und schrieb: „Sie werden nun, theure Hortense, die früheren einfachen und angenehmen WohnungSverhältniffe mit einem Palai« vertauschen, welche« daS berühmteste im Universum ist: Grazie und Tugend sind überall an ihrem Platz! Erinne rung und Nachdenken führen uns zu historischen Ereignissen, die uns belehren und die verhüten, daß der Stolz uns nabe, wenn das Glück unS zu Bewohnern so prachtvoller Räume macht: die Wände sprechen zu unS. Man soll den Wegen, die unS daS Schicksal vorzeichnet, schlichten Sinnes folgen, sich aber zugleich auch geistig erheben. Diese Mauern — sie reden von verschwundener Größe, von schrecklichen Unglückssällen. Wieviel Seufzer aus bedrängten Herzen, wieviel bittere Tbränen flössen unter diesen goldenen Dächern! Catharina von Medici mit ihrer arglistigen Politik, mit ihren Festen, hinter denen der Verrath lauerte, konnte dort nur un glücklich sein; Anna von Oesterreich floh diese Mauern, um dem Toben oder besser gesagt, den Verirrungen der Fronde zu ent rinnen: Ludwig XIV. lebte dort, um den Rest seiner Größe binter der Schwächlichkeit seines Charakters verschwinden zu sehen. Das ist es, woran diese Räume Den erinnern, der jie unge trübten Blickes betrachtet." Mit einer schwindelerregenden Schnelligkeit jagten sich die DinerS, Bälle, Feste aller Art, eS gab kaum noch einen Ruhepunct: heute war ein Fest bei Lucian im Plefsis» Chamant, morgen bei Joseph in Mortefontaine, dann kamen wieder die Tuilerien an die Reihe: DinerS bei Mme. de Montesson, DöjeunerS bei Mme. de Vaisnes, der Gemahlin eines StaatSrathS, für welche der erste Consul eine so große Vorliebe hatte. Mitten in diesem Wirbelwinde von Zerstreuungen, in welchem sich ganz Paris zu drehen schien, mitten in diesem Fieber von Lustbarkeiten trifft ein zweiter Brief von St. Ger- main in den Tuilerien ein. „Meine liebe Hortense", schreibt die Campan, „eS ist in dem Strudel der Vergügungen schon Gewohnheit bei Ihnen geworden, sieben Mal in der Decade außerhalb zu früh- stücken, dazu kommt noch in Malmaison der Decade und der Primidi. Da müssen Sie wohl jede weitere Beschäftigung aufgeben, Ihre Lehrer verabschieden? Wenn das so fortgeht, so werden Sie bald den Muth und die Standhaftigkeit nicht mehr haben, diesem gefahrbringenden Wirrwarr, in welchen Sie von Ihrer Mutter selbst, verleitet von dem sehr erklär lichen Wunsche, Sie um sich zu haben, gezogen werden, zu entfliehen. Die Leute, von denen Sie eingeladen werden, bandeln nicht meiner Hortense zu Liebe, sondern auS Eigen-' nutz, weil dies« da« Gestirn de« Tage« ist, eine Bezeichnung, vor der man beinahe erschrickt, weil in ihr der Ausdruck des Verschwindens versteckt liegt." Kaum war Iosephine Frau Bonaparte geworden, so suchte sie auch die Familie Bonaparte, die niemals viel von ibr hielt und die sich von ihr zurückzog, die Mutter Napoleon's konnte sie nicht auSstehen, enger an sich zu knüpfen, indem sie Hortense mit einem Bruder Napoleon's verheirathen wollte. Zuerst kam Ierome, der spätere König Lustik, in Betracht. Da der Junge aber erst 15 oder 16 Jahre war, so sollte die Hochzeit einige Jahre später stattfinden. Diesen Plan vereitelte Lucian, der übrigens von Napoleon's Brüdern seinem Bruder gegenüber daS meiste Rückgrat hatte und dessen Nachkommen einst von der Thronfolge ausgeschlossen wurden; einige Urenkel sind jetzl Weinbändler in Marseitle. Dann mußte schließlich der arme Louis, vielleicht der gut- geartetste Napoleon, daran glauben, obgleich er für Hortense s Cousine, Emilie, schwärmte und sich in Liebe zu ihr verzehr!« und später als er Vergessenheit suchte, sich gesundheitlich gan; ruinirte. Aber zwischen dem Icrome'schen HeirathSproiecte und dev endlichen Heirath mit Louis lagen eine ganze Menge Lieb schaften, die wir natürlich nicht alle aufführen können. Die ernsteste war die mit dem Generaladjutanten Napoleon s, Duroc, die beiden Verliebten sehr nahe ging, bi« schließlich Duroc nach Petersburg versetzt wurde. Nach vielen Stränden und Thränen auf beiden Seiten, mit gegenseitigen Widerwillen wurde am 6. Januar 1802 die Hochzeit zwischen Louis und Hortense gefeiert. Alle Beschwörungen und Fußfälle halfen nichts. Napoleon hatte es so beschlossen und zwischen seinem Beschluß und der Aus führung lag nur eine kurze Spanne Zeit. LouiS hat sich nachher große Mühe gegeben mit Hortense friedlich zusammenzuleben und da« Leben angenehm zu gestalten, insbesondere den Holländern eine gute Ehe zu zeigen, aber in Hortense kreiste zu viel Blut der Mutter, um die Sorglosigkeit und Flatterhaftigkeit aufzugeben. Dann wurde LouiS eifersüchtig und sie warf ihm alle- Mögliche vor, eS war eine Hölle aus Erden. Ihr erster Sohn starb bald, ihr zweiter wurde als Napoleon III., Kaiser der Franzosen. Den Ruhm und die Größe ihre« zweiten Sohne« hat Hortense nicht gesehen, sie starb 1837 zu Aren,»birg.
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