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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.05.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970503023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897050302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897050302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-03
- Monat1897-05
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Bezug-*Prei- t» der Hcmpterpedition oder den im Stadt« bezirk und den Vororten errichteten AuS- oabcstellen abgeholt: vierteljährlich^4.öy. bei twatmaliger täglicher Zustellung hl« Haut «ck ü.blZ. Durch dt« Post bezogen für Deutschland und Oestecretch: vieitellährltch S."-. Direct» täglich, Sreuzbandisnhung in» Sutland: monatlich 7.Ü0. Di» «iortzen-Pu-gahe erscheint uw '/,? Uhr. die hldrod-Autigahe WochenwtzS u« K Uhr. Nrdactiov und Exprdition:. Ä»tzm»n««-OGe 9. DirÄLvrdttjon ist WocheutatzS ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. , ,««>» Filialen: ttto Niem»,'« «Osts«. <Alfred Huhn). Universitätsftraß» 3 (Pgulinum). Laut« Lüsche» tatbarineuslr. 14, Part, und Künigsplad 7. Anzeiger. Ämtsölatt des Königlichen Land- «nd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes «nd Nolizei-Ämtes der Stadt Leipzig. AnzetgenPreiß die 6 gespaltene Petit-eile 20 Pfg. Sieclamen unter dem RedactionSstrich l4ge- fpalten) 50^L, vor -«n Familiennachricht«, (Ogejpaltea) 40A. Größere Schrift»» laut uuierein Prrls- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. i-rtra-Verlagen (gefalzt), nur mit h« Morgen«Ausgabe, ohne Ppfthefördernnz M—, mit Pvskbrförderung 70^-. Annahmeschluß fiir Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. dsiorgea-Ausgabe: NachmiNagS 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halb« Stunde srntzer. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. W. Montag dm 3. Mai 18S7. I . >>!> j ) . EU- — Politische Tagesschau ^ Leipzig. S. Mai. Die innrrpolitische Lilualion ist wshrh-ftig nicht dazu angethan, um von Politikern, die sie einigermaßen zu übersehen vermögen, zu Klopsfechterei,n ausaebeutet zu werden. Herr Richter gehört zu diesen Politikern und kann eS sich trotzdem nicht versagen, das Folgende zu schreiben: „Es ist bezeichnend, daß gegenwärtig die specifisch nationalliberale Presse die Oeffentlich- keil alarmirt durch Andeutungen über das Bestehen einer inneren Krisis, veranlaßt durch die Fragen der Militair- slrasproceßordnung und der Novelle zum Vereins gesetz." Daran ist nur so viel wahr» daß ein Blatt, daS ans jene Bezeichnung Anspruch machen kann, eine von einer Seite, die als sensationslüstern bekannt ist, herrührende Darstellung der Lage veröffentlicht hat, dies jedoch nicht, ohne die Herkunft kenntlich zu machen. Im klebrigen hat die nationalliberale Presse rühmliche Zurückhaltung geübt, (gerade sie ist es gewesen, die cs zuerst als zulässig bezeichnet hat. daß die Angelegenheit des Vereinsgesetzes bis zum Winter vertagt werke. Tie Beweggründe dieser Mahnung zur Geduld waren schwerwiegende. Herr Richter selbst zeigt sich nach dieser Richtung hin resignirt, indem er als feststehend hinnimmt, daß dir VereinSgesetz- ncvelle in dieser Landtagssession nicht mehr zur Vorlage ge langt. Die obenerwähnte Darstellung in einem national- liberalen Blatte ist allerdings nicht durch ein politisches Bedürfniß hervorgerufen gewesen. Sie dürfte zudem insofern unrichtig jein, als in ihr gesagt wird, die national- liberale Partei, über die Annehmbarkeit „einer durch und durch reactionären" Umgestaltung des Vereins- und Ver- sammlungsrechtes in Preußen „sondirt", habe eine Absage ergehen lassen. (rin so beschaffenes Vereiusgesetz war allerdings auögearbeilet gewesen, ist aber alsbald inner halb der preußischen Regierung selbst beseitigt worden. Das Ministerium hat sich dann über eine Vorlage mit nicht sehr tief einschneidenden Verschärfungen geeinigt, und über die etwaige Stellungnahme der Nationalliberalen zu dieser letzteren sind von der Regierung Erkundigungen eingezogen worden. Sie fielen zu Ungunsten des Projekts aus — wahrscheinlich, weil man der Ansicht ist, daß sich rer correcten Durchführung der vorgeschlaaenen Bestimmungen schwer oder gar nicht Überwindliche Hindernisse entgegensteUeii würden, eine An sicht, die wir angesichts der wachsenden Unsicherheit des poli tischen Rechts in Preußen für begründet erachten müssen. Tie Art und Weise, in der staatliche Organe beispiels weise gegen einen Verein, wie der „Nord-Ost", Vorgehen, rechtfertigt die Befürchtung, daß Preußen seinen Bedarf an Beamten, die ohne Gefährdung unentbehrlicher staats bürgerlicher Freiheiten politische Gesetze zur Ausführung bringen können, zur Zeit nicht zu decken vermöge. Die Beseitigung des Verbots der Verbindung von Vereinen ist also bis zur nächsten Session verschoben. Darüber hinaus kann sie aber unmöglich verzögert werden. Ein Münchner Blatt meint zwar, es sei nicht „Noth am Mann", es bandle sich darum, „die einrelstaatliche Gesetzgebung in Einklang zu bringen mit der im Jahre 1900 im ganzen Reiche in Kraft tretenden einheitlichen bürgerlichen Rechlsübung". So ist es denn doch nicht. Fürst Hohenlohe und Herr v. Boelticher haben mit keinem Worte angedeutet, daß sich die Regierungen erst mit dem I. Januar 1900 an das Versprechen, die Ver bindung von Vereinen zuzulaffen, gebunden erachten würden. Im Gegentheil hat der Reichskanzler seinen Widerspruch gegen hi- Aufnahme der rechtlicken Gewährleistung der Ver bindung von Vereinen in das Bürgerliche Gesetzbuch mit der Auffassung begründet, daß die Frage des Lerrinsrechls mit den im Bürgerlichen Gesetzbuch geordneten Materien keinen inneren Zusammenhang habe. Wir glauben. Niemandem wird ein Dienst erwiesen, wenn man durch künstliche Evn- ftructionen die Verpflichtung der preußischen Regierung, den 8 8 des Vereinsgesetzes alsbald zu beseitigen, als zweifelhaft erscheinen zu lassen versucht. Ueber die Frage, ob das Verlangen, den authentischen Wortlaut der vielbesprochenen Depesche -es Kaisers an -en Prinzen Heinrich kennen zu lernen, berechtigt sei oder nicht, hat sich in der Presse ein Streit enlspvnnen, der ziemlich leidenschaftlich geführt wird. Während auf der einen Seite behauptet wird, der angeblich in diesem Telegramm gegen die Mehrheit des Reichstags ausgesprochene Tadel habe doch nur dann einen Zweck, wenn er dieser Mehrheit und ihren Wählern zur genauen Kenntniß komme, und der politischen Folgen des Gerücktes Kälber habe der Reichskanzler die Pflicht, den Wortlaut des Telegramms zu veröffentlichen, bestreiten andere Blätter diese Pflicht und zugleich das Recht des Reichstags, im eignen Namen und dem seiner Wähler irgend eine Auskunft über die kaiserliche Kundgebung zu verlangen. So schreiben die „Berl. N. N.": „Eine kaiserliche Ordre an einen deutschen Truppen theil ist ausschließlich für diesen und nicht für die Oesfenttich- keit bestimmt, an die sie nur durch eine Indiscretion gelangen kann. Daran ändert im vorliegenden Falle der Umstand nichts, daß das Telegramm zunächst an Len Prinzen Heinrich gerichtet war. Aus diesem sehr einfachen Grunde wird unter keinen Umständen irgend welche Richtigstellung oder sonstige amtliche Aeußerung über diesen Gegenstand erfolgen. Wir würden damit glücklich bei der Parlaments-Armee ange- tangt sein. Was denken sich wohl die demokratischen und ultra» invntanen Blätter, die, Las Geschäft der Socialdemokralie betreibend, fortgesetzt um die Wette eine „amtliche" Berichtigung fordern? Die „Köln. Bolksztg." schreibt heute über dieses Thema zwei Spalten voll des hellsten Unsinns über die uncouslitutionelle Handlungsweise des Prinzen Heinrich und dergleichen mehr. Prinz Heinrich ist einfach Soldat und hat als solcher weder „constitutionell", uoch „un- constitutionell" zu handeln, sondern zu gehorchen. Liegt ein kaiserlicher Befehl vor, der Besatzung eines Schiffes von einer kaiserlichen Ordre Kenntniß zu geben, so war dieser Beseht lediglich auSzusührrn. Liegt ein solcher Beseht nicht vor und Prinz Heinrich hat die Ordre aus eigenem Antrieb zur Kenntniß der Lchisfsbesatzung gebracht, so wäre er dafür ausschließlich seinen Vorgesetzten, in letzter Instanz dem Kaiser verantwortlich, weder der Majorität des Reichstages, noch der demokratischen und ultramontanen Presse. Tie politischen Behörden aber ginge die Sache ganz und gar nichts an." Jedenfalls niuß man den Blättern, die eine Pflicht des Reichskanzlers zur Veröffentlichung der kaiserlichen Depesche oder zur Berichtigung der umlaufenden Gerüchte bestreiten, beipslichten. Die Reichsverfassung legt dem Reichskanzler eine solche Pflicht nicht auf. Aber es giebt gar mancherlei, was durch die Reichsversassung dem Reichskanzler nicht zur Pflicht gemacht ist und was dennoch aus praktischen Gründen geübt wird. Und in diesem Falle überwiegen unseres Erachtens die praktischen Gründe, die für eine Veröffentlichung der Depesche oder eine Berichtigung der umlaufenden Gerüchte sprechen, die etwaigen staatsrechtlichen Bedenken gegen irgend eine amtliche Kundgebung über die Sache bedeutend. Wir wollen ganz davon absehrn, daß in der Thal der eigentliche Zweck einer kaiserlichen Auslassung über die Haltung der Reichstagsmehrheil in der Flottenfrage und über eine Folge dieser Haltung verloren ginge, wenn diese Kundgebung mit dem Schleier des Geheimnisses um geben würde. DaS Hauptgewicht glauben wir darauf legen zu müssen, daß eine bedenkliche Abstumpfung gegen politische Kundgebungen des Kaisers in den weitesten Kreisen eintreten würde, wenn diese Kreise sich daran ge wöhnen müßten, daß nur uneontrolirbare Gerüchte über solche Kundgebungen in die Oeffentlichkeit drängen. Daß zwingende staatsrechtliche Gründe die Verweigerung einer Auskunft ver böten, wird die weitaus überwiegende Mehrzahl des Volkes sich nicht einreven taffen; die Verweigerung einer solchen wird von dieser Mehrzahl lediglich als Beweis dafür aufgesaßl werden, daß von einer Auskunft nachtheilige politische Folgen zu besorgen seien und daß der Reichskanzler es des halb vorziehe, die ganze Sache der Gleichgiltigkeit und dein Vergessen anheimsallen zu lassen. Das aber und die Ge wohnheit des Volkes, auf nicht im „Reichsanzeiger" veröffent lichte politische kaiserliche Kundgebungen gar nicht zu achten, um sich nicht daran müde reden zu müssen, kann im Wunsche weder deS Kaisers, noch des Reichskanzlers liegen. Wenn daher der Reichstag aus staatsrechtlichen Bedenken darauf verzichten sollte, eine Auskunft zu verlangen, so sollte unseres Erachtens der Reichskanzler aus eigener Initiative die Genehmigung seines kaiserlichen Herrn zu einer Erklärung nachsuchen, deren Folgen jedenfalls der allmählichen Abstumpfung weiter Kreise gegen politische Aeußerungen des Kaisers vorzuziehen sein werden. Hat nian keine politischen Bedenken getragen, die kaiserliche Verurteilung des Verhaltens der Reichstags- mehrheit beim achtzigsten Geburtstage des Fürsten Bismarck bekannt werden zu lassen, so können solche Be denken im vorliegenden Falle doch nicht ausschlaggebend sein. Ani Donnerstag hat das französische Eabinet M6line sein erstes GeburtSsest gefeiert. Es hat fertig gebracht, waS ihm an der Wiege Niemand voraussagte. eS ist ein volles Jahr alt geworden. An der Lebensdauer der früheren Ministerien gemessen, wäre es nunmehr schon ein ganz ehr würdiger Cabinetsgreis; aber hoffentlich stehen ihm uoch viele Geburtstagssestein Aussicht. Seine Lebenskraslllwächst mit jedem Mondwechsel; der allen französischen Ministerien inne wohnende KraukheitSbacilluS schwächt sich zusehends ab. Der Gründe für diese unerwartete Erscheinung giebt es viele. Zunächst war die allgemeine EabinetSentwickiung aus der schiefen Bahn des Radikalismus unter dem Premierminister Bourgeois beim revolutionären SoeialiSuius angelangt.AlleBe- sitzeudrn — und sie sind zahlreich in Frankreich — griffen besorgt nach ihren Taschen; eine Umkehr lag in der Lust. Als sich daher unter Meline ein Eabinet gebildet, das den radikalen Flügel der Republikaner, der sich durch seinen Bund mit den Socialisten bkoßgeslellt, ausschloß, trat die Rechte in die Bresche ein und stand seitdem unentwegt bei dem Ministerium, das zwar ihren reactionären Grundsätzen nicht entsprach, aber die staatliche Ordnung gewährleistete. Gegen ihren Willen leisteten die Radikalen und Socialisten diesem Zustand der Dinge werthvollen Vorschub; sie suchten durch Rede feldzüge das ruhebebürftige Land im Athem zu erhalten und eröffneten in der Kammer selbst einen unausgesetzten Jnter- pellationensturm, der den Stempel der Unaufrichtigkeit und deS Parteigeistes auf der Stirne trug. Dazu kam noch im October der Zarenbesuch, der äußerlich sehr glänzend ver lief und daS Eabinet auf den Sockel des längst entwöhnten Prestiges bob, und zu guterletzt der Verbleib Frankreichs im Rahmen des europäischen Coneerts, das die Gefahr eines Krieges abwandte und eine Schutzmauer gegen die wüsten Pläne der aus selbstsüchtigen Gründen philhellenischen Oppo- Feuilleton» Sneewittchen. L6j Roman von A. I. Morhtmann. N-chdruck verbotin. Jedes Wort und jeder Ton waren neue Beleidigungen für Eäcilie, die ihm mit ihrem bösen Gewissen machtlos gegen über stand. Sie nabin schweigend den Brief und lqS ihn, während sie mit den Zähnen ihre Lippen blutig nagte. Hätten Gefühle lobten können, Iuanita hätte in diesem Augenblick todt hin- fallen müssen. Als sie mit dem Briefe zu Ende war, gab ihn Eäcilie, noch immer schweigend, zurück. Sie fühlte, daß eS keine Worte gab, um die niederschmetternden Anklagen, die Iuanita'» Zeilen gegen sie erhoben, ohne e- zu wollen, abzuweisen oder auch nur abzuschwächen. Zarnow steckte die Abschrift wieder zu sich. Wieder hafteten seine Augen mit unsäglicher Verachtung auf der ehemaligen Geliebten. „Nun Carilie," sagte er, „erbitte ich mir von Ihrer Güte einen Brief, den ick Fräulein Winkelmann am Sonntag überbrinzen kann. Er soll mir als Einführung dienen." „Sehr gern," antwortete Eäcilie, mühsam ihre Fassung wieder erringend. „Sie werden finden, daß Iuanita dort trefflich aufgehoben ist." „Mit zwei Ausnahmen, die Sie verschuldet haben, Eäcilie. Und oenen müssen Sie jetzt abhelfen. Sie werden Fräulein Winkelmann schreiben, daß Iuanita in Zukunft den besten Musikunterricht erhalten soll, der überhaupt zu haben ist, und daß, so oft sich eine Gelegenheit zum Besuch von Eon- certen oder Theateraufführungen ergießt, Iuanita fi« nicht mehr versäumen darf" „Wenn ich mich nun weigere, mich in dieser auffallenden Weise selbst zu deSavopirrn?" „DaS werden Sie nickt", versetzt« Zarnow ruhig. „Sie haben nicht di» Macht, sich in diesem Puncte gegen meine — sagen wir höflich: Wunsch», obgl»ich ich sag»n könnte: An ordnungen, widerspänstia zu erweisen." Eäcilie fühlte, daß Zarnow R»cht Hab». Si« gab jeden Versuch zum Widerstande auf und ging an ihren Schreib tisch, um sofort einen Brief in dem gewünschten Sinne zu schreiben. Als sie Zarnow das Schriftstück überreichte, hatte sie ihr arg erschüttertes Gleichgewicht wieder gewonnen. „Nun habe ich sebr artig alle ihre Wünsche erfüllt", sagte sie mit liebenswürdigem Lächeln, „und erbitte mir jetzt zur Belohnung, daß Sie mir anvertrquen, was Sie bei Gerard und Iuanita auszurichten haben. Sollte gar . . . ?" Zarnow errieth ihre Gedanken. „O, nicht doch!" lachte er, indem er den Brief in die Tasche steckte. „Sie wissen doch, wie ich darüber denke. Ich bin kein Mann für Iuanita, zumal, seitdem sie Millionairin geworden ist." „Iuanita — Millionairin!" „Freilich. Das war eS, was ich beute Morgen Herrn Gerard mitzutheilen batte und was Iuanita morgen von mir erfahren soll. Das Weitere wird Ihnen Wohl Ihr Herr Gemahl nicht vorenthalten. Denn" — er nahm seinen Hut und seine Handschuhe — „ich muß nun doch bitten, mich zu entschuldigen, wenn ich meine Annahme der liebenswürdigen Einladung rückgängig mache." „Sie wollen doch nicht fortgeben?" rief Eäcilie bestürzt. „Warum denn?" „Ich fühle, daß ich Ihre Gastfreundschaft mit schnödem Undank belohne» aber ich kann nicht anders. Sie werden mir zugeben, daß ich nicht der Gast einer Dame sein kann» der ich gesagt habe, was Sie von mir anhören mußten. Es ist unmöglich." „Welche ThorhritI Was wird Gerard dazu sagen?" „Ich werde mich bei ihm nock besonder» entschuldigen. Einstweilen bitte ich Sie, irgend eine Entschuldigung, gleich viel welche, vielleicht ein plötzliches Unwohlsein oder der gleichen, für mich zu erfinden. Das kann Ihnen ja nicht schwer fallen. Ich gebe mich willenlos Ihrem schärfsten Zorne preis, gnädige Frau, aber ich fühle, daß eS mir un möglich sein würde, an Ihrer Tafel auch nur einen Bissen herunter zu bringen." Er machte ihr eine tadellose Verbeugung und ging. Sie machte keinen Versuch weiter, ihn zu halten, und blieb in einem unbeschreiblichen Zustande von Beschämung und Erbitterung über diese Zusammenkunft, die so ganz ander« verlaufen war, als sie sich auSgemalt hatte, zurück. 17. Eapitek. Der Sonnabend hatte mit Regen und Wind aufgeräumt und der Pfingstsonntag zeigte sich mit wolkenlos blauem Himmel und milder Luft so schön, daß er alle Angst und Verzweifelung der Feiertagsausflügler in Helles Entzücken verwandelte. Nun war allerdings die gesellige Natur deS Menschen, wie sie sich an diesem Freudenfeste des erwachten Lenzes kund- zuthucn pflegt, nicht gerade nach dem Geschmacke Zarnow's, der in den allseitig veranstalteten Ausfahrten der verschiedenen Clubs, Vereine und Gesellschaften alles Andere eher als Freude an der freien Natur sah. Er gedachte den Tag aus eine ihm mehr zusagende Art zu genießen und hatte darum seine ursprüngliche Absicht, den zwei Meilen langen Weg nach Bergedorf mit der Eisenbahn zurückzulegen, ausgegeben, um nicht mit dem Troß der Ausflügler zusammen zu gerathen. ES war noch srüb am Morgen, als er seine Fußwanderung antrat; trotzdem sah er schon an vielen Thüren die grüne» Birkenzweige, das Sinnbild deS Festtages, befestigt, und schon zwei Stuhlwagen mit irgendwelchen Gesangvereinen be gegneten ihm ... er beeilte sich, so rasch wie möglich aus der Hörweite der Gesellschaften zu kommen, deren geräusch volles Wesen ihm in die weihevolle Stimmung des wunder herrlichen Frühlingstages so unharmonisch Hineinklang. Er ging durch das Steinthor, die große Allee und daS Berlinertbor — Len alten, ihm so wohlbekannten Weg. Noch einmal wurde auf dem Fußwege die Erinnerung an seine Jugendliebe wach, als er an dem Hause vorbeiging, wo er damals an dem Regentage Eäcilie zum ersten Male gesehen hatte. Da» Haus war noch dasselbe und die Anlage deS Gartens ebenfalls beinah unverändert geblieben; über die Brüstung der Gartenmauer lehnte sich ein hübsches rosiges Dienstmädchen, einen Strauß Schneeglöckchen in der Hand. „Bekomme ich nicht eins?" rief ihr Zarnow zu, und lachend warf ihm das Mädchen den ganzen Strauß binab. Er dankte mit ein,r Kußhand und schritt weiter. Die kleine anmuthige Episode hatte überraschend schnell die trübsinnigen Gedanken verscheucht, die sich seiner wieder zu bemächtigen drohten. Nun wanderte er auf der um diese Zeit noch verhältniß- mäßig einsamen Landstraße hin, welche durch Billwqrdrr nach den Bierlanden und deren friedlichem Hauptorte Bergedvrf führt. Junge- frisches Grün bekleidete dir Bäume am Straßinrande, in d»n vereinzelt»«, Landhäusern zrigtrn Tulpen 91. Jahrgang. silion bildete. Während der vergangenen zwölf Monate bar das Land die Vorzüge einer beständigen Regierung gegenüber den epileptischen Zufällen einer wechselnden Deputirtenherl- schaft kennen gelernt, und die Wahrscheinlichkeit spricht daher für die Möglichkeit eines zweiten Geburlstagsfeftes. In Athener Berichten vom Ihcssalischen Kriegsschauplätze wird mit ganz besonderem Nachdruck der bisher für die griechischen Waffen günstig verlaufenen Kampf um die Stellung bei Belesiino gedacht. Der neue Ober- commandeur Oberst Smolenitz bat offenbar erkannt, daß Veleslino den Schlüssel zu der griechischen Stellung bei Pharsala bildet und daß dessen Verlust, wie wir schon betonten, gleichbedeutend sein würde mit der Abdrängung des griechischen Heeres von seiner Verbindung mit der See und ernster Gefährdung des Verproviantirungsdiensles. Das Erscheinen deS griechischen Geschwaders vor Volo slebt er sichtlich mit den Operationen des Landheeres in ursächlichem Zusammenhang. Man darf annehmen, daß die Stellung bei Belestino von den Elitetruppen des griechischen Heeres gehalten wird — auf wie lange noch, hängt davon ab, wann Marschall Edhem Pascha den Augenblick für ge kommen erachtet, jene Stellung mit verstärkten Kräften anzugreifen. Einer beschleunigten Kriegführung etwa im Tempo europäischer Vorbilder steht im Orient der außerordentliche Mangel an für militairische Zwecke brauch- baren Verkchrsstraßen im Wege. Das Hexcuischaffen von Verstärkungen, das Evakuiren der Verwundeten, der Nachschub von Proviant und Munition kann einzig und allein auf der Bahnlinie Feredschik - Salynichi geschehen, deren rollendes Material im Vergleich zu jenem der Bahn Muradli- Feredschik ungemeiu dürftig ist. Aus diesem Grunde stauen sich die von Muradli expedirten Transporte in Feredschik auf. von wo sie nur sehr allmählich weiter vorwärts nach der Front dirigirl werden können. Man wird in der Muth- maßung kaum irren, daß ein Hauptgrund der Verzögerung der Entscheidung vor Veleslino in der einstweiligen Unmöglichkeit für Edhem Pascha besteht, dort mit genügenden Elreitksäftcn austreten zu können, eben wegen der Unzulänglichkeit des Etappendienstes. Indeß kann bei dem Eifer und dem guten Willen, der die ganze türkische Heeresleitung und Verwaltung beseelt, die Heranziehung der benöthiglen Verstärkungen doch nur noch eine Frage kurzbemessener Frist sein. — Das neue griechische Ministerium besteht aus Anhängern deS neuen Ministerpräsidenten Ralli und aus Trikupisten. Leider ist der besonnene, kaltblütige Trikupis seinem Lande im letzten Jahre entrissen worden, der nach den unglücklichen, auch von Delyannis im Jahre 1880 angestifteten Versuchen Griechenlands, von der Türkei mit Waffengewalt für die Zugeständnisse an Bulgarien „Eompensativnen" zu verlangen, sehr richtig sagte: „Wir wollen nicht mehr in alte Fehler verfallen. Wir müssen uns sammeln und lieber eine kleine wirthschaftliche als eine große Eroberungspolitik treiben." Der neue Ministerpräsi dent» Deineter Ralli, früherer Gefolgsmann Trikupis' Oppositionsführer in der Deputirtenkammer, entstammt einer angesehenen Familie. Sein Vater war ein bedeutender Rechtsgelehrter und mehrmals Minister, schon unter König Otto. Demeter Ralli vollendete, wje die „Neue Freie Preffe" meldet, in Paris seine juristischen Studien, wurde Professor an der Athener Universität und übt gleichzeitig die Advocatur aus. Früh begann er auch, sich am politischen Leben zu betheilizen; er war früher einer ver bedeutendsten Parteigänger von Trikupis, in dessen Eabinet er auch einmal d»S Justizministerium übernahm. Später trennte er sich von und Aurikel ihre feurig lohende Farbenpracht, die Dornhecken waren hier mit weißem Blüthenschnee, dort mit rosigem Blüthenslor überdeckt; von den Feldern stiegen Lerchen auf und trillerten, zu Häupten des einsamen Wanderers fliegend, ihr anspruchsloses Lied; gelb blühte an ven Rändern der Bäche die Dotterblume, gelb die Primel auf den Rainen und Grasstächen, violett das Veilchen und das Leberblümchen unter den Hecken. Blickte Zarnow nach dem Süden hin, wo die Elbe, ihn« unsichtbar, ihre Wasscrmassen der großen Hansestadt und dem Meere zuwälzte, so lag eS wie ein goldig-grünlicher Schimmer über den Fluren und in den Lüften. Mehr als einmal setzte er sich hin, nicht weil er ermüdet war, sondern um die wundersam: Holdseligkeit des deutschen Frühling» in vollen Zügen mit allen Sinnen in sich aufzunehmen. Er fand einige Veilchen und gesellte sie seinen Schneeglöckchen zu. „Welch ein hübsches Mädchen daS da oben war!" Lackt: er bei sich. „Und wenn ich hinginge und bäte frank und frei um ihre Hand, welch eine gute, treue Frau würde daS liebe Kind mir werden! Wahrhaftig, Frau Eäcilie Gerard, Sie mit allen Ihren Millionen wiegen das arme Kind au» dem Volke nicht auf." Ein Häschen setzte in eilfertigen Sprüngen über seinen Weg: die Spatzen tummelte» sich um kleine, noch nicht rin- aetrocknete Regenpsützen und schnatterten, als wenn die ganze Welt ihnen gehörte. Ein Edelfink schmetterte von einem Zweige, den Zarnow beinah streifen mußte, seinen Lockruf hinaus und ließ sich nicht stören, als jener stillstand, um ihm ruzuschen. Die schwarzen Aeugelchen musterten einige Augen blicke den WanderSmann, dann setzte der Vogel unbekümmert seinen Gesang fort. Wenige Menschen begegneten Zarnow auf seiner stunden langen Wanderung. Es war für die Kirche noch zu früh, und gearbeitet wurde heute nicht. Nur hier und da tauchte ein Bauer auf, der einen Gang durch seine Felder machte. Zarnow war wie allein mit der erwachenden Natur. Dies Gefühl vertiefte sich, als er, nicht weit von Rrinbeck, in eine Waldparcelle eintrat und vom Hauptwege in einen kleinen Seitenpsad einbog, der ihm von früher her wobl b-kannt war. Buchen, Erlen und Eichen wölbt-n sich mir ihrem frischen Laube über ihn, daß er wie unter einem grünen Dome dahinging. Die drolligen Eichhörnchen stoa»n, aufgeschreckt durch seinen Fußtritt, in WindeSril» den nächsten Stamm hinaus, dir Sprchtr strlltrn, indrm »r näher kam,
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