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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970426010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897042601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897042601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-26
- Monat1897-04
- Jahr1897
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Universitätsstratze 3 (Paulinum), LouiS Lösche, Katharinenstr. 11, part. und Lönigsplah 7/ nmlgcx Älnzeigen.PreiS^ '1>!e 6 gespaltene Petitzeile -0 Pfg. Neclamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) üO/H, vor den Familiennachrichtea (ügespalten) 40 Größere Schriften laut unsere« Preis« verzeichuiß. Tabellarischer und Zisferusatz nach höherem Tarif. Anzeiger. ÄmlsvlaLt des Lönigkichen Land- und Ämtsgenchtes Leipzig, des Rathes und Nottzei-Ämles der Ltadl Leipzig. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend »Ausgabe: BormittagS 10 Uhr. Marge «»Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets a, die Gr-ehttiort zu richte». Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 26. April 1897. 91. Jahrgang. lor. o.Xol. >. 4o Iren!« veor. r. -ini. end-kr ck.8t»»r. '»oiüo >.kr»o». Ll»-kr. >vt -v räo.td. »oad. Uor»»1d srd.tui lploo icout 0-^-6. !,8oU>» nie Lsö»uk L 104,so. 106,40 SS,60 103,SV iov,io so,80 VS so 32.80 47.80 SS.— 81,20 130,35 108,80 81,75 133,75 »3,70 78- 2^ 1S1,7L 103,SO 138.- 1SOLO 128,20 55.50 184,— 203.50 184.80 173.50 S8.- 188.80 123,10 231.50 64.50 2S7,80 78.— 174,— 134 75 478,— <1ULoo 67,30 L 0o. 388, vsrU 333,7L ! 131,—. u» 331,75, >»kn 71,—. 18S.S5 »1S.80 314,- 31V,SS 82,- 347,— 187.80 148.80 4«^- 151.75 1S8S0 170,50 178,— 103.80 118.75 47,75 Sr.e: t'e,t »ot Mla-so Velrea loco 40,70, 5l^> »ZI. (Vricdz 8,01). uok» V.OS), lUruIsuksI." a»cu -O.-kosläawliter 1" Ii» Srewev. er tu 1-sIprix >r Oioe»«" IW i> , „L»ci»si»" (B4> l»r Xacdu»irt»z<> i rorlr: ,8»vel' , ,.8»»ls" >4 5) ^il>«k»4- <85>, 5>, (3S5>, - (lO bl ,8»x«rii lllor" <3 V); oucü »ct» Lull: tscirll k'Ia.i.cdikk 4«a keiertaxe:: ux xeaommsri, >« o« ii»»tt« T'eolieiir » OetrsiUs, vsi-eu »>Ncl»»tei» Vocvell ilrtt« clool» <1er ic »drelmpott oi»u U» »der d»t 4^ xtixenä« vescduk ider »allerer«,:' »t, »o ai»cdt »ic>, teait, 4«m xex-,u Vater <i»r Via eitere VerU»uui>x xea 41« Vorvocde ixen eteltea »,-ü »rtiicei ia voli^u 1, a»ot» 8ckülle 7 a»cd LIeio 5« - 'retecUea 40 - ,cdta»»tksv aedmeu ; klir StUcUxul 1,rt 41 — 48.5 >a4. 6oa<titioael>« '«a4, »ael» «tvs» 4edur» »a 38 « i—M ^ av4 o», 5 4«r 8»»I« d»d«ll e»dlt o»,a »ui «adarx 42—45 ^ » S»Il« virä »» Mia« verkrecdte, 4erea 8»»Iev>»t« »o» o»ok»«1»»«ell »er. Der krecdr »»»licd Sodlepxen id eiair« kkeaaix« . Ver^acdtaax^u rioocktea »icd 4,e ,ptea. L. Mai4» i 160 kU ta letrle, »icd »at«precd»i>4 edea, »1»adt w»v e V«r7r»cdtaar«L ! a„ j«« »t»« >,8t,-L o^4 jisrdr, oat»a ,ckerL Soldr.) i»rtia,> lric.-V. cköad 8»I1a, , coa» >i4t Reeder Ueber öffentliche Lesezimmer. Deutschland genießt seit Langem den Nuhm, durch sein Schulwesen vorbildlich zu sein für andere Culturstaaten. Aber für die Zeit nach der Schulentlassung ist für einen großen Theil des Volkes eine Lücke in seiner Bildungsent- wickelung geblieben, die die bestehenden Einrichtungen, Fort- bildungs-, Fach- und Gewerbeschulen u. s. w. nicht völlig aus zufüllen vermögen, zumal da dieselben nur in zeitlicher Be schränkung dem BildungSbedürfniß deS Volkes entsprechen können. Dem in den Jahre» nach der Schulzeit viel stärker hervorlretenden Verlangen nach Anregung, Belehrung und guter Unterhaltung vermag nur ein Institut entgegen zukommen, das den verschiedenartigsten Ansprüchen auf Weiterbildung und Vertiefung des vorhandenen geistigen Be sitzes gerecht wird: das öffentliche Lesezimmer. ES bietet Jedem Gelegenheit, die freie Zeit, statt sie in minder- werthigen, oft schädlichen Zerstreuungen zu vergeuden, in einer Geist und Gemülh bildenden Weise zu benutzen und, indem er Kenntniß nimmt von den Fortschritten seiner Zeit und seines Volkes, sich zu einem nützlichen und thäligen Gliede der Gesammtheit beranzubilden. Während andere Nationen, besonders Engländer und Amerikaner, durch äußerst praktische Ausgestaltung des öffent lichen Bibliothekswesens obengenanntem Mangel abzuhelfen suchten und eine vortreffliche Ergänzung der Schule damit boten, hat Deulschland in diesem Puncte leider nicht Schritt gehalten und ist bedenklich hinter den genannten Nationen zurückgeblieben. Zwar an Bibliotheken fehlt eS Deutschland nicht) es genießt »och heute den Ruhm, kaS am besten mit Bibliotheken versehene Land der Erde zu sein. Aber nicht der Bücherrcichthui» entscheidet über den Werth einer Biblio thek, sondern die Benutzung. Wie steht es damit in Amerika und England und wie bei uns? In Nachfolgendem sei in der Bibliothek von Worcester, einer regen Industriestadt von 90 000 Einwohnern im Staate Massachusets gelegen, der Typus der englisch - amerikanischen l'udlio ch-ibrarzi vorgesührt. Im Erdgeschoß des Biblio- IbekSgebäudeS befindet sich der Zeitungssaal, in dem auf schrägen Pulten gegen 150 Zeitungen zu Jedermanns Be nutzung auslicgen. Ein anstoßender Saal enthält über 200 Zeitschriften. Die neuesten Nummern liegen in Fächern geordnet anS; auch ältere stehen aus Wunsch sofort zur Ver fügung. Ein weiterer Raum, der Lese- und Studirsaal, bietet dem, der die Eindrücke der Tageslectüre vertiefen will oder ernste Belehrung sucht, in Regalen an den Wänden einige Tausend Nachschlagebücher aus allen Gebieten des Wissens. Wer aus der Bibliothek Entlehnungen zu machen wünscht, erhält den Katalog und wird in der Bücherausgabe aufs Beste bedient. Die Bibliothek, welche 90 000 Bände besitzt, steht noch mit anderen Instituten gleicher Art i» Verbindung, so daß sie selbst Bücher, die nicht in ihren Räume», wohl aber anderwärts vorhanden sind, schnell und kostenlos beschaffen kann. Mit den Schulen sind Ab kommen getroffen, die daS Entleihen einer größeren Anzahl von Büchern für die Schüler ermöglichen. Das Gebäude liegt an einem verkehrsreichen Ort, bietet freundliche, im Winter gut geheizte und hell erleuchtete Räume mit praktischen Büchergestellen, Arbeitstischen und Lesepulten und ist vom Morgen bis zum Abend geöffnet. In gleicher Weise sind freie Bibliotheken überall im Staate MassachusetS, in ganz Nordamerika ins Leben gerufen worden. Nicht blos große Städte, wie New Aork, Chicago, Boston, sondern auch kleine Städte und Ortschaften besitzen ihre wohlausgestatteten öffentlichen Bibliotheken mit Lese zimmern, so daß Nordamerika, das bis zur Mitte dieses Jahrhunderts fast gar keine Bibliotheken besaß, im Jahre 1891 3803 mittlere und größte Bibliotheken aufweisen konnte. Der praktische Amerikaner hat den Werth derselben längst erkannt und ist deshalb auch zu großen Opfern bereit. In dem vorhin genannten Staate wurden im Jahre 1891/92 zwei und eine halbe Million Mark. daS ist auf den Kopf der Bevölkerung mehr als eine Mark, aufgewendet. Die außerordentlich hohen Mittel werden durch große Stiftungen — in Chicago z. B. zwei Mal zehn Millionen Mark! — und durch die Gemeinde aufgebracht. Man betrachtet in Amerika die öffentliche Bibliothek als eine ebenso werthvolle Einrichtung wie die öffentliche Schule und als noth- wendige Ergänzung derselben, als ein Institut, daS junge Leute vom Müßiggang und damit nicht selten vom Pfade des Lasters abhält und zugleich als daS beste und sicherste Mittel, vor einer schädlichen Halb- und Scheinbildung zu bewahren. Und ebenso denkt man in England. Denn von diesem Lande stammt die Anregung zu einer solchen praktischen Aus gestaltung deS Bibliothekswesens und seiner umfassenden Ausnutzung für die Zwecke der Volksbildung. Bereits im Jahre 1850 wurde aus Ewarl'S Antrag im englischen Parla ment das Gesetz geschaffen, daß jedes Kirchspiel berechtigt sei, durch Abstimmung über die Einrichtung einer Volks- dibliothek zu beschließen und für die Erkaltung derselben eine Steuer von einem Penny auf jedes Pfund Sterling der Einkommensteuer zu erheben. Im Jabre 1852 erfolgte die Eröffnung der ersten öffentlichen Bibliothek in Manchester in Gegenwart der bekannten Schriftsteller Bulwer, Dickens, Tbakeray. Und in rascher Folge kamen nun die Bibliotheks gründungen in ganz England. Auch Edinburg, das sich Jahrzehnte lang gegen die Einrichtung der kublie Ickdrarzi sträubte, besitzt seit 1890 eine solche, die schon im ersten Jahre ihres Bestehens eine großartige Wirksamkeit entfaltete. Außer den Centralstellen findet man in den meisten Städten noch zahlreiche Filialen, z. B. in Birmingham 7 Filialen mit 3000—10 000 Bänden, in LeedS sogar 23 Filialen. Di Benutzung diese. Institute ist eine erstaunlich große. In Manchester wurden im ersten Jahre täglich 400 bis 500 Bände benutzt, 1893/94 zählte man in den Lesesälen 4 Millionen Leser, täglich 6000 benutzte Bände und 50 000 Leser in den Entlehnungslisten. In Cheltenham, einem Orte von 43 000 Einwohnern, zählte man im Jahre 1893/94 täglich 120—140 Besucher im Lesesaal, 140 000 Buch benutzungen im Jahre, auf jeden Entlehner 20 Entlehnungen und auf einen Band der Bibliothek 6—7 Benutzungen. Sämmttiche Votksbibliotheken Englands erreichen zur Zeit 25—30 Millionen Buchbenutzungen; in großen Städten kommen auf jeden Einwohner 1—2 Entlehnungen pro Jahr, auf einen Band 6—8 Benutzungen. Aber das Interesse für die freie Bibliothek und die rege Benutzung derselben finden wir nicht nur in den größeren Städten, sondern auch in kleinen Ortschaften. Gern bewilligt jeder Ort seinen Penny pro Pfund Sterling der Gcmeindeabgaben für die Bibliothek, die für alle Stände des Volkes als ein Segen erkannt ist. So hat England und Amerika in aller Stille einen be deutenden culturellen Sieg errungen, der uns ebenfalls zu rühriger Thätizkeit mahnt. Auch in Australien und dem englischen Südafrika hat die freie Bibliothek und Lesehalle mächtige Erfolge er zielt, und das fortschrittliche Japan hat nach dem Vorbilde Englands seit Anfang der neunziger Jahre eine Bibliotheks steuer eingeführt. Seit einigen Jahren beginnt man sich in dieser wichtigen Angelegenheit auch auf dem europäischen Continente zu regen. Wien entfaltet seit Ende der achtziger Jahre eine lebhafte Thätigkeit. Die Stadtverwaltung stellte für viele Biblotheken Locale zur Verfügung und bewilligte 1889 einen Jahres beitrag von 14 000 fl., der jährlich um 500 fl. steigt. Auch in Graz ist eine öffentliche Bibliothek mit Lesezimmern aus Privatmitteln errichtet worden. In seiner Vaterstadt Zwittau in Mähren hat der New Aorker Ottendorfer eine Bibliothek nach amerikanischem Muster mit einem Aufwand von 200 000 fl. gegründet. Welchen großen Anklang sie gefunden, beweist, daß in dieser Stadt von 8000 Einwohnern daS Lese zimmer im Jahre 1896, im dritten Jahre seines Bestehens, 18 625 Besucher fand und außerdem 55 021 Bände aus der Bibliothek entliehen wurden. Das ergiebt neben dem sehr regen Besuch der Lesehalle auf jeden Einwohner der Stadt jährlich sieben entliehene Bände. Interessant und lehrreich sind die dem Jahresberichte der Zwittauer Bibliothek bei gegebenen Verzeichnisse der meistgelesenen Autoren. Da er giebt sich denn im ersten Jahre außerordentlich starke Nach frage nach den Romanen der Esckstruth, Heimburg, Ebner- Eschenbach, Sudermann's, E. Werner's u. a. Im zweiten Jahre erscheinen in der Reibe der am meisten verlangten Autoren auch Anzengruber, Auerbach, Rosegger; und das dritte Jahr zeigt eine ganz erhebliche Steigerung in der Be nutzung der populär-wissenschaftlichen Werke. Auch in der Schweiz beginnt man mit der Einrichtung von Lesesälen. Die vier in Zürich eingerichteten Lesesäle wurden im Jahre von durchschnittlich 32 000 Personen besucht. Frankreich bat bekanntlich seit 1871 große Anstrengungen gemacht, sein Schulwesen auf eine höhere Stufe zu bringen und auch in dem öffentlichen Bibliothekswesen gleich dem rührigen Dänemark große Fortschritte zu verzeichnen. Aus Schweden sei hier nur die musterhaft eingerichtete Bibliothek von Gotenburg erwähnt. Und was ist in Deutschland geschehen? Hat man hier müßig und selbstgenügsam all' dem nur zugeseben? Man ist auch bei uns zu der Einsicht gekommen, daß öffent liche Bibliotheken nicht bloS Leihanstalten sein dürfen, daß uns vor Allem Räume fehlen, die eine Benutzung der Blicker an Ort und Stelle ermöglichen und zunächst dem Tazes- bedürfniß entgegen kommen müssen, um von der einfachsten Lectüre zu immer werthvollerer hinaufzuführen. Ein großes Lesebedürfniß ist auch in Deutschland vorhanden, das beweist die Thatsache, daß von dem Schauerroman „Der Schinder bannes, der größte Räuberhauptmann des 19. Jahrhunderts", ein Umsatz von zwei Millionen Mark und von dem „Scharf richter von Berlin" ein solcher von drei Millionen Mark erzielt wurde. Die öffentliche Lesehalle aber erscheint dem gegenüber als die geeignetste und wohlfeilste Anstalt, daS Volk zu besserer Leclüre heranzuziehen. Verdienste um die Begründung öffentlicher Lesezimmer in Deutschland hat die „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung" und die „Deutsche Gesellschaft für ethische Cultur". In Berlin rief letztgenannter Verein am 1. Ja nuar 1895 die erste öffentliche Lesehalle iuS Leben. Ueber die Einrichtung und rege Benutzung derselben ist in Nr. 77 dieses Blattes bereits ausführlich berichtet worden. — Im Herbste 1896 errichtete der Berliner Magistrat in der Mohren» straße eine Volkslesehalle. Die „National-Zeitung" berichtet darüber: „Nach einer Mittheilung anS dem Rathbause el» weist sich der Besuch der ersten Lesehalle in der Mohren- straße als ein unerwartet großer und stetig steigender. Ebenso ist die Rückwirkung auf die mit der Lese halle in Verbindung stehende Volksbibliothek nicht auS- geblieben. Die Zahl der die Bücher Entleihenden und der entliehenen Bücher hat sich verdreifacht. Wenn diese Wahrnehmung die städtischen Behörden überrascht, so spricht das nur dafür, daß man die Größe des Lesebedürfnisses denn doch verkannt bat. Es soll mit der Einrichtung weiterer Lesehallen vorgegangen werden. Hoffentlich geschieht es schnell und umfassend und inmitten der Arbeitergegenden. Gerade dort ist das Lesebedürfniß groß und schwerer zu be friedigen. Interessant wäre eS, wenn eine Untersuchung darüber veranstaltet werden könnte, in welcher Weise die jenigen Leute, welche jetzt ziemlich regelmäßig in die Lesehalle kommen, ihre Zeit vorher zugcbracht haben. Man würde höchst wahrscheinlich interessante Tbatsachen fcststellen können, die darauf hinauskommen, daß schon mit den jetzigen unzu reichenden Versuchen mancher wenig empfehlenswerlhen Unter haltung ein Gast entzogen worden ist." In Jena constiluirte sich am 20. Februar 1896 ein „Leseballenverein", der am 1. November desselben Jahres die öffentliche Lesehalle und Bibliothek eröffnete. Acht große, hohe und Helle Zimmer sind in dem Hause am unteren Löbdergraben Nr. 15 für Bibliothekszwecke eingerichtet. Wir finden dort ein Zimmer für Tageszeitungen, zwei für periodische Zeitschriften, das eigentliche Bibliothekzirnmer, ein Bücherlesezimmer mir Nachschlagewerken, ja selbst ein Damen-, ein Rauch- und ein Iugendzimmer. Die ganze Einrichtung ist mit großen Mitteln und im großen Stile ins Leben gerufen. In Frankfurt a. M. hatte bereits am 8. Oktober 1594 der Verein „Freie Bibliothek und Lesehalle" Leseräume mit 40 Sitzplätzen gegründet und bei einer Oeffnungszeit von 6—l/zlO Uhr Abends und Sonntags außerdem von 9 bis 12 Uhr Vormittags bereits im ersten Halbjahr 9308 Be sucher gefunden. Ferner wurden in Stuttgart, Freiburg i. Br., Magde burg, Breslau, Schweidnitz öffentliche Lesezimmer errichtet. Weitere Gründungen sind in Vorbereitung in München, Kiel, Straßburg, ^onn, Düsseldorf, Mainz, Glogau, Görlitz. Aus welchen Ständen sich die Besucher der öffentlichen Lesehalle recrutiren, das sei nachgewiesen an den Erhebungen, die man in Graz veranstaltete. Dort ergab sich folgendes Verhältniß : 28 Proc. Beamte, Lehrer, Officiere, Künstler rc., 20 Proc. selbstständige Gewerbtreibende und Kausleute, 17 Proc. Arbeiter, Gehilfen rc., 22 Proc. Mittelschüler, 8 Proc. Hoch schüler, 5 Proc. ohne Beruf. Sachsen hat noch keine Volkslesezimmer, und Loch ist auch bei uns das Verlangen nach guter Lectüre nicht geringer Feurlletoir. Fahrrad und Nervosität. Eine medicinische Plauderei von vr. weck. Herrmann Bürger. Nachdruck «erböte». „Sagen Sie einmal, Herr Doctor, halten Sie das Rad fahren eigentlich für gesund?" „Lieber Freund, das ist eine ganz verkehrte Frage. DaS ist gerade so, als wenn Sie mich fragten, ob ich zehn Grad Wärme für warm oder kalt Halle. Im Sommer friere ich bei zehn Grad und im Winter ist mir dabei sehr mollig. Und wenn Sie im Restaurant eine Suppe von zehn Grad bekommen, so schimpfen Sie sicherlich: „Die Suppe ist ja eiskalt", während Sie eine Flasche Sect von dieser Temperalur mit der Bemerkung zurückgcben werden: „Kellner, der Sect kommt wohl auS dem Ofen?" Und so ist's auch mit dem Radfahren. Es kann für gewisse Kranke geradezu gefährlich werden, und es kann Kerngesunde, die eS übertreiben, krank machen. Auf der anderen Seite kann es aber Kranke gesund und Gesunde noch gesünder machen. So, nun beantworten Sie sich Ihre Frage selbst!" „Aber liebster Herr Doctor, warum so erregt? Ich meinte ja eigentlich nur, ob Sie glauben, daß da- Radfahren für mich zuträglich ist?" „Aber liebster Herr Fraaer, woher soll ich denn das wissen? Ich bin ja nicht Ihr Hausarzt. Ich müßte Sie zunächst einmal genau untersuchen und feststellen, ob Sie nicht etwas am Herzen haben, eine Verfettung oder Erweite rung, oder eine Lungen-Affcction, oder eine Bruchanlage, oder sonst eine liebenswürdige Krankheit, vou der Sie vielleicht selbst noch nichts wissen. Aber da« ist leider heutzutage das Schlimme und Gefährliche, daß all« Welt die Radelmode mit macht, ohne sich vorher ärztlich untersuchen zu lasten. Und besonders die, die aus Gesundheitsrücksichten radeln! Das geht so, wie mit allen Mitteln, die nickt ausschließlich in der Apotheke gegen Recept zu haben sind. Wenn ein altes Weib sich ein redet, sich irgend eine Krankheit durch Kamillenthee wrg gebracht ru haben, so muß die ganze Bekanntschaft und Verwandtschaft bei jedem Leiden Kamillenthee bis zur Er schlaffung trinke», und die Alte ist beleidigt und entrüstet, wenn das Mittel nicht angewandt wird, und höchlichst ver wundert, wenn eS nichts Hilst. Ebenso ist auch Jeder, dem daS Radfahren vielleicht sein« Hypochondrie oder seine V«r dauuugSbeschwerdrn beseitigt hat, ein begeisterter Apostel der edlen Kunst und rin unbezahlter, aber auch ganz unbezahlbarer Agent der Fahrravhändler. Dann natürlich hält er da« Rad sär ein Allheilmittel. DaS ist ja schließlich bei dem bekannten Begrüßungsrufe der Radler kein Wunder." Sie „Wie mir nach Allem scheint, Herr Doctor, sind selbst kein großer Verehrer der Radelei?" „Sie irren sich, sogar ein sehr großer! Der beste Be weis ist, daß ich selbst radle, und Sie können mir glauben, daß ich mich selbst sehr lieb habe. Ich muß sagen, daß ich zwar stets ganz gesund war, aber so völlig frisch habe ich mich doch nie gesüblk wie jetzt, wo ich jeden Morgen vor der Sprechstunde ein Stündchen radle und am Sonntag auch mal auf zwei bis drei Stunden davonsause." „Nun schön, Herr Doctor, dann glauben Sie aber immer vielleicht noch, daß es nur für Leute empfehleuswerth ist, di», wie Sie, gesund sind. Aber Sie können doch nicht leugnen, daß es auch vielen Kranken oder eingebildeten Kranken ge holfen hat. Namentlich scheint es ja gegen Nervosität oder Neurasthenie, wie man heut ja, glaube ich, sagt, ganz samo« zu wirken." „Fällt mir auch gar nicht ein zu leugnen. Im Gegen- thcil! Gerade da Hilst eS in den meisten Fällen mit ziem licher Sicherheit. Es wirkt ja natürlich nicht gegen die Nervosität selbst, aber es beseitigt die meisten der vielen Ursachen, aus denen die Nervosität bei den Großstädtern Hetvorgeht, und damit auch diese Modekrankbeit selbst. Wenn Sie einen Augenblick Zeit haben, könnte ich Ihnen dafür ein geradezu elastisches Beispiel erzählen." „Bitte, mit dem größten Vergnügen!" „Ja, sehen Sie, es ist so eine Art Geschichte mit der Ueberschrist „Ein theures Recept" oder „Eine nervöse Familie", oder wie Sie sonst wollen. Kennen Sie die Familie des Commerzienrath Müller?" „Leider nicht!" „Na, Sie haben nichts verloren! Unter uns gesagt : eine gräßliche Familie. Der Vater, ein wohlbeleibter Fünfziger, kennt außer der Leidenschaft sürS Jobbern nur noch eine: Esten, und zwar sehr gut und recht viel. Da er aber manch mal deS Guten zu viel thut, so leidet er an VerdauungS- bcschwerden und muß tage- und wochenlang äußerst mäßig leben und darf weder zu gut noch zu viel essen. Dann aber ist er entsetzlich grätig oder, wie er sagt, nervös. Und wenn der Herr Commerzienrath nervös ist, so zittert sein gesammte« Personal und auch die Familie mit Ausnahme der Frau. Diese Frau ist mit ihren 38 Jahren noch immer die „schöne Frau". Zwar kostet es der Kannnersrau ziemlich viel Müh«, vatz die Frau Commerzienräthin ihre schlanke Taille noch immer besitzt. Da» »st rin Leibensgrund. Hauptsächlich aber die unvernünftige Lebensweise. Jede Nacht Gesellschaft, Ball. Tauz bis vier, fünf. Jeden Morgen dis Mittag« 1 Uhr geschlafen, dann ein Paar Stunden zu Toilette gebraucht rc. Von alledem ist sie so nervös, daß sie alle Augenblicke (aber nur am Tage!) in Ohnmacht fällt. Und sie Hai e« dabei gar nicht nöthig, da ihr nie ein Hut oder eine Toilette oder gar die Badereise verweigert werden. Dann lebt im Hause der Bruder der schönen Frau, der sogenannte Proseffor. Er ist der Stolz der Familie, der bei den Familienfesten als Beweis demonstrirt wird, daß Geld und Wiffen wobl vereinbart sind. Alter verschrobener Junggeselle, totaler Bücherwurm. Vor lauter Abgeschlossenheit von der Welt überaus reizbar und nervös. Dann kommt die Tochter deS Hauses, ein kümmer licher blasser Backfisch von 16 Jahren; kennt oder kannte vielmehr den Begriff der frischen Luft nicht. Absolvirte den Schulweg in der Equipage! Na, und so weiter, stets sehr wohlerzogen und blaß. In der letzten Zeit erregte sie höchst unnütz ihre Phantasie durch die heimliche Lectüre verbotenec Bücher. Durch und durch nervös. Schließlich noch der zweiundzwanzigjährige Sohn aus erster Ehe, der Studiosus juriS. Gegenstück von Schwester und Onkel. Denn er ist weder äußerst wohlerzogen, noch im Entferntesten ein Bücher wurm. Gleicht der Mutter darin, daß er bis 1 Uhr schläft. Im Uebrigen: Trinker, Spieler, voll Humor. Natürlich auch total nervös." „Wirklich eine angenehme Familie!" „Ia, Sie können sich denken, welch eine Freude ich dort als Arzt erlebt habe. Schön war eS nicht. Endlich wurde mir die ganze Sache zu dumm und ich griff zu einem Radikalmittel. Ich hielt erst der Familie eine schone Rede, die ich Ihnen nicht wiederholen will, und schrieb dann folgendes, noch nie dagewesenes Recept: Ü.p. Herrenfahrräder 3 Damenfabrräder 2 8. Täglich eine Stunde nach Verordnung zu benutzen. Für Herrn Commerzienrath Müller und Familie. Das war ein theueres Recept. Denn da der Herr Com merzienrath e« für standesgemäß kielt, die Räder aus Eng land zu beziehen, so kostete ihn der Spaß etwas über zwei tausend Mark!" „Nun, und hat eS wenigstens geholfen?" „Glänzend! Die Familie ist gar nicht mehr wieder zu erkennen. Seit der Vater radelt, hat er daS Vergnügen, daß er, da sein gelammter Stoffwechsel und die PrrdauungS- thätigkeit besser geregelt ist, noch mehr essen kann als früher, ohne daß es ihm schadet. Er ist nicht mehr nervös und das Personal zittert nicht mehr. Die Frau muß für ihr Radler- costüm natürlich ihr enge« Corset ablegen, und da ihr da« Costüm brillant steht und sie sehr jugendlich erscheinen läßt, so läuft sie meist bis Abend« ia diesem braune» ungepaazerten Zustand herum. Außerdem findet sie so viel Gefallen am Radeln, daß sie ihm zuliebe zeitiger aufstebt unv auch zeitiger schlafen geht. Vor Allem aber haben st« und ihre Tochter jetzt erst die Scheu vor Lust und Licht abgelegt und sich freuen gelernt an dem lustigen Sonnenschein und au dem freien unbehinderten Genießen der einfachsten Schön heiten der Natur, die überall schön ist für Den, der zu sehen versteht. So blüht auch die blasse Tochter plötzlich auf, die bisher ängstlich vor jedem Sonnenstrahl behütet wurde und meiner Ansicht nach jetzt erst atbmen gelernt hat. Am größten ist der Erfolg bei dem gelehrten Onkel, der noch einmal jung wird, seit er — um einen trivialen Vergleich zu gebrauchen — nebenbei auch im Buch der Natur liest. Er ist so unternehmungslustig geworden, daß ihn die Familie damit neckt, daß er auf Freicrssüßcn geht, oder richtiger radelt. Am geringsten ist der Erfolg bei dem Sohn, der seine nächtliche Lebensweise nicht ändert. Aber daS Radeln bat doch wenigstens auch bei ihm den Erfolg, daß die Schäden, die er seiner Gesundheit zufügt, einigermaßen dadurch compensirt werden, daß er seinen Körper in rationeller Weise kräftigt. Und dadurch ist auch seine Nervosität erheblich ge bessert. Wie Sie sehen, ein Sieg auf der ganzen Linie." „Ich gratulire! Aber noch eine Frage. Wie lautete auf Ihrem Recept der Zusatz „nach Verordnung"? Giebt es denn auch beim Radeln bestimmte Verordnungen?" „O, eine ganze Menge, darunter recht wichtige. Zunächst und hauptsächlich muß man sich vor Uebertreibungen hüten, zu denen unsere sportlustige Zeit, die bei Allem einen neuen Record erzielen will, nur zu sehr neigt. Täglich eine Stunde in mäßigem Tempo oder auch zwei ist geffinv. Wer aber z. B. seinen Ehrgeiz daran setzt, eine bestimmte Strecke schneller zu fahren als ein Bekannter, oder unbedingt lOO üm täglich zurücklegen muß, der »st übel dran. Denn jede übermäßige Anstrengung bringt auf die Dauer dem Körper, namentlich dem Herzen, schwere Schädigung. Und wenn man den Schaden auch zunächst nicht merkt, da ibn der Organismus oft geraume Zeit selbst regulatorisch compensirt, so bleibt er doch bestehen. Ferner ist sehr brachkenswertb die Haltung. Es fährt sich ja bequemer, wenn man vornüber gebeugt sitzt: aber man preßt und schädigt die BaiichinnSketa unv Ein geweide und behindert außerdem die freie Circulation des BlnteS in den großen Gesäßen, die von den unteren Extremi täten nach oben führen. Sehr wichtig ist auch, daß man durch die Nase atbmrt und nicht etwa — wozu forcirtes Fahren stark verleitet — durch den Mund. Denn bei dem Fadren aus den Chausseen wird eine Menge grsandheitS- gesährlicher Staub aufzewirbelt, der durch den besten aller Staubfänger, die Nase, von der Lunge ferngrhalten wird. Ferner — aber ich halte Ihnen da einen medicinischen Vortrag und wollte Ihnen nur di« Geschichte von der durch da» Fabrrad curirleu nervösen Familie erzählen. Entschuldigen Sie." „O, bitte! Ich bi» für unentgeltliche Consultationrn stets dankbar. Hoffentlich erzählen Sie mir bald wievrr einen trhrrrichen Fall au« Ihrer Praxi«." „Mit Vergnügen! Auf Wiedersehen!"
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