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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1897
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189705093
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18970509
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18970509
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-09
- Monat1897-05
- Jahr1897
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1897
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vezA-r-PreiO A» ß« -a-pd-pEo« oder d« tm Ltadt» h«trk mrd de» Vorort» errichteten LuS- aabestellen abgeholt: vierteljithrltch^l4chO, ki poeimaltger tLglicher Zustellung io» Hm» k^0. Dircch di« Poft bezog» für Leotfthlmd uod Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dirrctr tägliche Krruzbaublruduag tu» AoSlaud: moaatlich «ck 7.L0. Lt» vkorgeu-Lu-gab« «rfcheiat um V«? Uhr, Ht» Ib»d^l»»gab« Kocheotag» MU 5 Uhr. I' Nedartio« und Lrpeditiour S»h«m«e»,aße 8. Di» Expedition ist Wochentag» ununterbroch» gs-ffurt vou früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. > Filialen: Vtt« Klemm'» Sortim. (Alfred Hahn), U»t»«rsftkU»ftraße 8 (Paulinum), Laut» Lösch«, Rothariornstr. 14, part. und KönigSpla- ?. MM TaMM Anzeiger. Amtsblatt -es Aömgkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes «nd Polizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen,Preis ' die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclam en unter dem Rrdaction-strich (4 ge spalten) bO^z, vor den Familiennachrichten (k gespalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem PretS- vrrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Atra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen «Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Ab end »Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Au-gabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 234. Sonntag den 9. Mai 1897. 91. Jahrgang. Aus der Woche. Di» Schwierigkeiten, welche den Fortbestand der gegen« wiirtigrn Reich»- und preußischen Regierung au» Gesetz« g«bung»fragen bedrohten, sind behoben. Da» wird von allen Setten bestätigt. Dir Beseitigung de» ß 8 de» vrrutzischen Verein»gesetzt» wird dem Landtage vorgrschlagen und damit, für Preußen, die vom Fürsten Hohenlohe gegebene Zusage erfüllt werden. Und daß e» nicht der Reichs kanzler und preußische Ministerpräsident ist, der zur Zeit die Sache der Militairstrafproceßordnung fördern kann, deuten selbst Blätter vom Schlage der „Franks. Zta." an, indem sie die Reise eines bayerischen Militairjuristen nach Berlin als daS für die Fortsetzung der Angelegenheit bedeutungsvollste Ereigniß auffassen. Wenn also nicht Zwischenfälle persönlicher Natur eintreten, so werden wir dis zum Beginn der künftigen ParlamentSsession zwar nicht von Krisengerüchten, aber von einer RegierungS- krisi» verschont bleiben. Daß bi» dahin die allgemeine Verworrenheit der Lage nicht auf parlamentarischem Wege erhöht werden wird, laßt sich jedoch mit der gleichen Bestimmtheit nicht vorber schen. In der konservativen Partei besteht eine Strömung — und sie scheint, nach Auslassungen der „Kreuzztg." zu schließen, die Oberhand zu habenwelche an die Beseitigung des Ver bot» der Verbindung von politischen Vereinen eine Action anknüpfen will. Da» genannte Blatt erzählt die von uns wiederholt skizzirte Vorgeschichte der zu erwartenden Vorlage in der Hauptiache richtig und führt dabei die bisher nicht veröffentlichte, wenn auch den politischen Kreisen nicht un bekannte Einzelheit an, daß ursprünglich geplant war, neben der Fernhaltung Minderjähriger von politischen Versamm lungen der Staatsgewalt die Möglichkeit zu geben, Ver sammlungen, die dem Kampfe gegen die bestehende Staats und Gesellschaftsordnung dienen, aufzulösen und unter ge wissen Bedingungen von vornherein zu verbieten. DaS ist da« „Umsturzgesetz", über daS in der klerikalen Preffe An deutungen gemacht worden waren. Ob, wie die „KreuzUg." sagt, über ein solches Gesetz oder über eine Reihe von milderen und — materiell genommen — gemein rechtlichen Bestimmungen Vertrauensmänner der beiden konservativen und der nationalliberalen Partei gehört worden sind, fei dahingestellt. Wahrscheinlich ist das Letztere der Fall gewesen und die „Umsturz"-Vorschrist schon im Schoße der Regierung aus dem Elaborat des Ministers deS Innern gestrichen worben. Wie dem aber sei, eS ist richtig und an dieser Stelle schon erwähnt worden, daß die nationalliberalen Vertrauens männer erklärt haben, für das ihnen Vorgelegte nicht oder doch nicht im ganzen Umfange eintreten zu können. An diesem Umstande setzt die „Kreuzztg." -Die Erklärung der nationalliberalen Vertrauensmänner ist also für daS Staats minister,um der Grund gewesen, sich nunmehr auf die Aus hebung des bekannten Verbote» zu beschranken.' Nachdem es die Absurdität ausgesprochen, die Nation-illiberalen ballen in einer öffentlich geführten Verhandlung d,e Mitwirkung «umKampfe gegen den Umsturz nicht versagen können, ohne ihren Charakter als Ordnungspartei zu gefährden, kündigt das Blatt an, die konservative Partei werde auf den Plan des MiniUerS v. d. Recke zurückgreisen, und da sie damit zwar kaum im Abgeordnetenbause, wohl aber im Herrenbause durch- zudringc» hoffen dürfe, so werde „auf das Zustande kommen eine» Gesetzes, da» nichts weiter enthalt al» die Aushebung de» 8 8, kaum zu rechnen sein.' Diese Prognose ist im Zusammenhänge der Ausführungen der „Kreuz,eitung" mehrdeutig. Sie läßt e» im Zweifel, ob da» Herrenhaus auf der Auflosungs-Befugniß, die da» Blatt al« evnäitio sine gun von erörtert, besteben würde, oder ob schließ lich eine Vorschrift, wie die über die Minderjährigen, deren etwaige Vorlegung der Anwendung Les „nichts weiter" ent- gegenstänbe, schließlich zu einer Vereinbarung führen könnte. ES wird sich bald zeigen, ob die konservative Partei in dieser Angelegenheit sachlich oder nach parteipoli tischen Erwägungen vorzugehen gedenkt. Auf dem Boden der Sachlichkeit wird sie ihren Widerspruch gegen die Aufhebung des Z 8 kaum behaupten können. Es wäre zwar unter den heutigen Umständen unverantwortlich, wenn man durch eine VereinSgesetzgebung das „relative Macktverhältniß der Parteien zu Gunsten der Umsturzparlei veischieben wollte". Aber deshalb braucht es keines AeqmvalenteS für die Aufhebung des VereinigungS-Verbot-S. Dieses Verbot behelligt die Socialdemokratie nicht. Der gegen sie wegen Uebertretung des tz 8 kürzlich durchgesührte Proceß hat in allen Punkten und für alle Angeklagten mit Frei- lprechung geendigt. Damit ist nicht dargelhan, daß die Voclatdemokraten daS Verbot nicht übertreten. Sie tkun da- ohne Zweifel, aber man kann eS ihnen und gerade ver möge der unnachahmlichen Eigenart ihrer Organisation nicht beweisen. Wenn der K 8 einen Werth hat, so hat er ihn für die Socialdemokratie; denn die Ordnungsparteien respectiren ihn und werden dadurch in dem politischen Wett bewerb mit der Umsturzpartei benachtheiliHt, so daß also die Existenz deS Verbotes das Machtverhaltniß zu Gunsten der Socialdemokratie gestaltet und die Beseitigung eine von dieser Partei nicht empfundene Behinderung der anderen Parteien aufhöbe. Kann mithin von der Noth- wendigkeit eines Aequivalents nicht die Rede sein, so ist es wohl verständlich, wenn man die Gelegenheit der Auf hebung deS 8 8 benützen will, um eine unvernünftige Be stimmung des preußischen VereinsgeseyeS, die Schülern und Lehrlingen die Tbeilnahme an politischen Versammlungen verbietet, sie anderen gleichaltrigen Personen aber gestattet und überdies veraltete B eschrän kungen enthält, in eine ver nünftige umzugestalten. Ein Widerspruch, der sich gegen eine Aenderung vielleicht auch auf nichtradicaler Seite erheben würde, wäre aber gleichfalls begreiflich und zwar aus der neueren preußischen Polizeipraxiö heraus. Während man bei uns in Sachsen correct und gerecht zwischen der Social demokratie und allen übrigen Parteien unterscheidet, beginnt in Preußen mehr und mehr die Zugehörigkeit zur deutsch konservativen Partei das Kriterium der Nichlzugehörig- kcit zur Umsturzpartei zu bilden. Ist eS doch schon so weit gekommen, daß die Behörden die Ausschließung königstreuer, aber nicht konservativer Wähler aus den Kricgervereinen begünstigen. Angesichts solcher Willkürlich keiten versteht man es, wie die Befürchtung entstehen kann, die Gendarmen würben sich bei der Abschätzung deS AlterS von jui gen Leuten von der polnischen Gesinnung dieser Leute oder ihrer Väter beeinflussen lasten. Können indessen derartige Bedenken überwunden werden, so versteht es sich von selbst, baß die preußische Regierung Anerkennung verdient, weil sie nicht eine Vorlage eingebracht hat, die aussichtslos gewesen wäre und dies hauptsächlich deshalb, weil eine principielle Vereinsgesetzgebung dem Reiche Vorbehalten werden muß. Von diesem Standpunkt au» braucht man nicht weiter in Erwägung zu ziehen, daß Vie ursprünglichen Absichten des Herrn v. d. Necke weiter gingen, als die „Umsturzvorlage" des IahreS 1894, deren Ver schärfungen sich gegen die auf gewaltsamen Umsturz gerichteten Bestrebungen kehrten. Diese Angelegenheit wird den preußischen Landtag, besten zweite Kammern sich noch immer bei der zweiten Lesung des Etats aufhält, voraussichtlich bis über Pfingsten hinaus zusammen halten, den Anderen und sich selbst zur Last gewordenen Reichstag aber sollte die Regierung sobald wie möglich schließen. Merkwürdigerweise jedoch scheint diese Absicht nicht zu bestehen, denn man erscheint jetzt mit einem Nachtragsetat, besten Positionen sehr Wohl schon im Hauptetat hätten siguriren können und deren eine noch zu recht weitschweifigen „Erörterungen" Anlaß geben kann. Daß das Personal deS Reichsversicherungsamtes unzulänglich sei, muß man schon im Herbst vorigen IahreS gewußt haben: auch die Nolhwendigkeit von weiteren Mitteln zur Vorbereitung für die Pariser Weltaus stellung war vorauszufeben. Ein wichtigerer Nachtrags etat, der u. A. die Erneuerung von Artillerie- Material bezweckt, ist bekanntlich noch zu erledigen. Ist das geschehen, so lhäte man gut, die Reichstagsabgeordneten schleunigst ihrem bürgerlichen Berufe wieberzugeben. Un erledigt bliebe dann die Handwerksvorlage, die vielleicht noch einmal ein beschlußfähiges Haus bervorzaubern, aber doch eine Mehrheit, sei es für die Eommisfionevorschläge, sei es für die Regierungsvorlage, kaum finden würde. Für die Regierungsvorlage wird einTheil des Centrums und der Con- servaliven sich nicht zu stimmen getrauen , die Commissions beschlüsse weder der Zustimmung gemäßigter Elemente ent behren, und da sie zugleich von den Antisemiten als nicht weitgehend genug bekämpft werden, so ist ein positive» Er- gebniß nicht abzusehen. Gar nicht zu reden von der Gegnerschaft des Organes des Bundes der Lanbwirtbe, der „Deutschen Tageszeitung". Dieses Blatt, bas erst kürzlich den Seniorenconvent unserer Abgeordnetenkammer censurirt hat, bekundet heute dem Ver treter der sächsischen Negierung in der Commission für die Handwerkervorlage, Herrn Geheimrath vr. Fischer sein allerhöchstes Mißfallen. ES bleibt dem Blatte unver ständlich, daß der Herr Gebeimrath sich veranlaßt fühlte, zu erklären, die sächsische Negierung betrachte unter keinen Um ständen das Gesetz als eine Etappe zum Befähigungsnachweis. Und nun kommt eine ernste Verwarnung. „Es ist schon bas zweite Mal",' so schreibt bie „D. Taaeszlz ", „daß derselbe Herr die sächsische Regierung in einer Weise vertritt, die wir als glücklich nicht bezeichnen können". Unsere Regierung wird begreifen, daß vom sächsischen Publicum wiederholter Tadel aus solchem Munde peinlich empfunden wird, und sic wird nickt umhin können, ihre Bevollmächtigten in Berlin anzu weisen, vor ihrem Auftreten im Bundesrath unv im Reichstag Instructionen von Herrn v. Ploetz und in besten Verhinderung auf der Redaktion der „Deutschen Tagesztg." «inzuholen. Deutsches Reich. * Leipzig, 8. Mai. Von dem Vorstande deS National liberalen Verein- für da» Königreich Sachsen geht un» bie folgende Erklärung zu: 1) Der Vorstand des Nationalliberalen Verein» für da- König reich Sachsen erklärt hiermit, unter voller Wahrung der Selbst ständigkeit der Partei, sein grundsätzliches Einverständniß mit der von dem Senioren-Convent in der Sitzung zu Dresden am 7. April getroffenen Vereinbarung des Zusammengehens der conjervativen, der nationalliberalen und derFort- schrittS-Partei bei den bevorstehenden Landtagswahlen und richtet an die Parteigenossen die dringende Auf forderung, in diesem Sinne zu handeln. 2) Der Vorstand erkennt zugleich die bei dieser Gelegenheit vor genommene Feststellung des Besitzstandes in den einzelnen Wahl kreisen, soweit ein Besitzstand im eigentlichen Sinne vorliegt, als zutreffend an. Hinsichtlich der neugebildeten Wahlkreise, zu denen insbesondere auch der 24. ländliche gehört, hegt er die zu versichtliche Hoffnung, daß eine Vereinbarung über da- Zusammen- Die Große Berliner Kunstausstellung. Nachdruck vrrdotkN. Am Sonnabend, dem 1. Mai, sind die Räume des AuSftellungspalafte» am Lehrter Babnhof den kunstsinnigen Besuchern wieder eröffnet worden. Diesmal ging jedoch die Einweihung, in Abwesenheit der Allerhöchsten Herrschaften, ohne große Feierlichkeit vor sich, und das mit Recht, denn viel Rühmens ist von der 1897 er Berliner Kunstausstellung nicht zu machen. Der Beschickung durch deutsche Künstler bat di» Internationale Kunstausstellung in der sächsischen Hauptstadt sicherlich großen Abbruch gethan, und ferner war vorau»zusrhen, daß, wenn drei Internationale Kunstaus stellungen gleichzeitig in Dresden, Kovenhaaen, Brüssel tagen, hervorragend« Schöpfungen ausländischer Meister sich schwer lich allzurrichlich in der Reichshauptstadt zusammenfinven würden. Da» Ausland kommt daher für Berlin diesmal bedauernSwerther Weise so gut wie gar nicht in Betracht, und auch von Dem, wa» da» Inland eingelirfert — andert halb lausend Nummern verzeichnet der Katalog — ist leider nur Wenige» der Beachtung Werth. Wahrscheinlich, um die durch die anderweitig in Mittel europa stattfiiidenden Kunstausstellungen entstandene Lücke im Bilderbestand weniger fühlbar erscheinen zu lassen, bat man zum Mittel sogen. Sonderausstellungen gegriffen und in einigen Extrasälen eine Zusammenstellung von Werken bekannter deutscher Künstler vorgenommen, denen sich nur zwei in Rom lebende Spanier, Benlliure y Gil unv Villegas, mit gleicher Ehrung anfchließen. So wurden Sonderausstellungen eingerichtet von Karl Becker, dem ehe maligen langjährigen Präsidenten der Akademie, von Ludwig Dettmann, dem Thiermaler Richard Friese, dem Land schaftsmaler Albert Hertel» Franz von Lenbach, Max Liebermann und Paul Mcyerhrim. Wir gestehen, daß wir diese Geparatausstellungen an sich schon nicht lieben; selbst eine annähernde Vollständigkeit von Werken bekannter Maler wird meisten» doch nicht gegeben, der Kunstfreund muß sich mit den zu der Gelegen heit am leichtesten zu beschaffenden Bildwerken begnügen, Minderwertige» wird aus Privatbesitz „bereitwilligst" der Ausstellung überlasten, und betrübt geht Derjenige wieder von dannen, der sich an bekannten Meisterwerken Herz und Sinn erfreuen wollte. Derartige lückenhafte Sonder ausstellungen, zur Ebrung Verstorbener vrranstaltet, mögen ihre Berechtigung haben; gern läßt man sich in solchem Falle, statt der Rede: „Hier habt Ihr des Künstlers ganze» Schaffen", die andere Rede: „Seht, wie der Künstler mit Ernst und Fleiß Redliche» erstrebte, Redliche« schuf" gefallen. Daß aber die „Dutzend-SonderauSstellung" auf der Großen Kunstausstellung noch weniger bieten würde, al» sonst leider der Fall zu sein pflegt, hatten wir nicht erwartet. Die Un mast» verwaschener Skizzen zu längst bekannten Meisterwerken konnte über da» Fehlen letzterer selbst nicht hinwegtrösten. Unter den Bevorzugten gab Lenbach nur vier Bildnisse, darunter «in BiSmarckbildniß (Kniestück in Vorderansicht, mit der Kürassiermütze) und ein prächtiges Profilbildniß des jetzigen Reichskanzlers; Richard Friese eine große Anzahl seiner Sludienblalter zu Löwen, Tigern, Elchen, Elepbanten rc.; Max Liebermann u. a. die in kleinerem Formal gehaltenen „Conservenmacherinnen" und die „Seemannsinvaliden im Garten de» AlrmännerhauseS in Amsterdam". Eine reich haltigere Auslese sieht man von den Composilionen des jetzt siebenundsiebzigjäbrigen bekannten Berliner Costümgenre- malers Karl Becker. Das ist zunächst das in Rom 1847 gemalte Bild: „Apollo unter den Hirten", dem Schick'scken Bilde im Stuttgarter Museum ähnelnd; sodann wird uns von seinen reiferen Schöpfungen eine Anzahl auch durch Reproduclion bekannter Bilder vorgefübrt. So u. a.: „Gnadengesuch beim Togen von Venedig" (1862), „Kaiser Karl V. bei Fugger in Augsburg" (1866; im Besitz der Berliner Nationalgalerie), „Scene aus Figaro s Hochzeit" (1874), „Lachende Erben" (1889), „Don Juan dÄustria als Knabe zum ersten Mal vor Karl V." (1891; im Besitz deS Kunstvereins zu Barmen), sodann eine aus vem Zabre 1893 stammende veränderte Wiederholung deS im Breslauer Museum befindlichen Bilde»: „Othello erzählt der Desdemona seine Abenteuer". Diese beliebten Genrecompositionen des Altmeisters Decker lasten den Mangel an guten Genrebildern neuesten Datums unter den außerhalb der Extrasäle gruppirten Werken um so ausfälliger erscheinen. Außer einem infolge genommener guter Prise zum kräftigen „Halschih" auSbolenven Jungen im Bei sein zweier Alten von einem wenig bekannten Maler, außer einem bereits weit genialer vor Jahren in „Neckerei" zum Vorwurf genommenen Bilde „Scheingefecht" (an der Bude einer venrtianischen Frückteverkäuserin) von Giuseppe Barison aus Triest, außer den zum kläglichen LooS de« Steineklopfens an der Landstraße verurtheilten Frauen (größeres Tempera bild) von Adolf Männchen au« Danzig, haben wir vergebens nach einem Genrebild gespäht, da», nach dem Vorbilde unserer berühmtesten deutschen Genremaler geschaffen, da» Herz de« Beschauer« so recht erfrischt, erbaut und ergreift. Statt Vesten fast überall, wohin man schaut, starren einem die von einer Art farbigen Landregen« übergossenen, jeder gesunden Farbengebung und correcten Zeichnung entbehrenden, unverständlichen,absurden und trivialen Künstlergebilde entgegen. Um so erfreulicher ist e», daß wenigsten» die Land schaftsmalerei vortreffliche Schöpfungen aufzuweisen hat, feien es Berg- und Waldlanvsckaften, Landschaften mit Wild- staffage oder Marinebilver u. dergl. Wir heben als besonders lobenSwerth« Arbeiten bervor: den von dunklen Felsrnastrn umrahmte Esefjord bei Balholm von Th. von Eckenbrechcr, ein von dem bekannten Alpenmaler Otto von Kameke ge malte« Motiv von der Axenstraße, ein liebliches Bildchen „Sommertag in den holländischen Dünen" von Heinrich Petersen-Angeln auS Düsseldorf, ferner Adolf Seel'S reich staffirte» Straßeabild aus Kairo, Mauerreste eines Kalkofen» an der Isar von dem Münchener Meister Joseph Wenglein, endlich der Merkwürdigkeit halber eine Schöpfung deS durch seine Marinebilder sonst bekannten Berliner Maler» Karl Galtzmann, der die-mal eine große Gletschrrlanbschaft, den Buarbrä bei Odde im Hardangergediet, zur Darstellung ge wählt hat. Als vorzüglich gelungen sind zwei Landschaften des Düsseldorfers Heinrich Hartung zu bezeichnen, von denen die eine, „Oberrheinischer Frühling" betitelt, eine Dorfkircke mit sich daranschließender Mauer darstellt, die von blühenden Odstbäumen theilweise verdeckt wird. Diese idyllische Rübe, der Glanz der erwachten Natur, die sonnige Heiterkeit lasten den Blick mit Wohlgefallen auf einem solchen Abbild von Künstlerhand ruben. DaS zweite Bild, eine bereit- 1891 gemalte Harzlandsckast, zeichnet sich ebenfalls durch erquickende Stille und koloristischen Reiz aus, künstlerische Vorzüge, die Karl Jrmer's hier zu nennende Landschaft „Schierke und der Brocken" nicht in gleichem Maße besitzt. Von den zur Aus stellung gelangten Marincbildern erwähnen wir: Letzte Ein- segelung von S. M. Schiff „Niobe" von HanS Bobrdt, Segelregatta nach Travemünde von Henry Enfield, Ausfahrt des Kopenhagener Dampfers auS Warnemünde von Fritz Sturm. Letztere drei Künstler haben auch diesmal bewiesen, daß sie in der naturwahren Wieder gabe des erregten Elementes Treffliches zu leisten ver mögen, ebenso wie auch die bekannten Tbiermaler Kröner, Schmitzberger, Schweitzer u. A. in ihren Landschaften mit Wildstaffage weitere tüchtige Proben ihre» Talentes abgelegt haben. Christian Kröner stellte u. A. eine Hirschtreibjago (,,Jn der Flucht gestreckt") aus, Joseph Schmitzberger einen Trupp Gemsen bei Lawinensturz, Adolf Schweitzer eine Winterlandscbaft mit einem hinter die Treiberlinie geratbcnen stehenden Rehbock; alle drei Gemälde sind erst in diesem Jahre fertig geworden. Die Geschichtsmalerei zeigt sich auf der diesjährigen Ausstellung in einem recht einseitigen Lichte; sie hat fast aus schließlich Begebenheiten aus der preußischen Geschichte zum Vorwurf genommen. Das Gros der fridericianischen, napo leonischen und deutsch-französischen Kriegsbilder wurde durch einige, nicht gerade als Glanzleistungen zu bezeichnende Bild werke vermehrt. So lieferte Erich Mattschaß ein tüchtige- Bild, daS Friedrich den Großen vor der Front seiner Grena diere zur Schlacht bei Leuthen einberreitend darstellt. Rudolf Eichstädt malt mit nur mäßigem künstlerischen Können den Moment, wo Prinz Wilhelm (Kaiser Wilhelm I.) au« dem Treffen bei Bar-sur-Aubc zum königlichen Vater heranreitet, um diesem die Meldung vom Zurückweicken der Franzosen zu überbringen. Artbur Kampf, der bereits manche« vorzügliche Bild au« der Zeit der deutschen Freiheits kriege geliefert, schildert in einer 4 m langen Composition eine Episode aus dem Rückzug der französischen Heere»- krümmer au» Rußland im Jahre 1812. Eine Colonne von nur nothdürftig mit Uniformen und Kellen bekleideten fran zösischen Infanteristen zieht in barter Winterszeit durch den Rundtborweg einer kleinen deutschen Stadt (dem Beschauer entgegen), neugierig, erstaunt und mitleidig von den Be wohnern betrachtet. Mit Bezug auf die vorzüglich charakte- risirten Gestalten hätten wir gerade diesem Geschichtsbilde mehr Lebendigkeit und Beseelung gewünscht: ein wobltbuender Zug, welcher dem Bilde nickt nur seine Eintönigkeit genommen, sondern auch bewiesen hätte, daß man den zum Tode ermatteten Feind nicht ganz so kaltherzig der Heimatb entgegenschleichen ließ, wie eS die Bewohner auf dem Bilde thun. Scenen auS dem deutsch-französischen Krieg, brachten Karl Röchling (die Gardepioniere bei Le Bourget eine Bresche in die Mauer schlagend) und Ernst Henseler (die 5. Division vor Rezonville). Eine Scene aus den Leichenfeierlichkciten des ersten Kaisers führt August Westphalen in einem großen Bilde vor Augen; es zeigt den Moment, wo der auf der Charlottenburger Cbaiissee sich bewegende Trauerconducl mit dem Sarge Wilbclm's I. von den Vertretern der Studenten schaft die letzte Ebrung empfängt. Zum Schluß sind hier noch drei im Auftrage des Kaisers geschaffene Geschichtsbilder zu nennen. Zunächst die beiden von Werner Schuch gemalten, als Reiterbildnisse zu bezeichnenden Werke: der große Kur fürst in der Schlacht bei Fehrbellin und Friedrich der Große zur Recognoscirung reitend. Beide Kriegshelden sind vor trefflich in Haltung und Geberke wiedergegeben; dort die zum kräftigen Dreinschlagen erhobene Rechte, die Gestalt auf mutbigem Nenner, hier der klare, weitschauende Schlacktenblick, die Figur getragen von einem zuverlässigen Grauschimmel. Hoffentlich erscheinen in Bälve Reproductionrn von diesen beiden als Pendants gemalten Bildnissen, die den Camp- bausen'schen, im königlichen Schlosse zu Berlin bewahrten Neiterbiloern Friedrich Wilhelm'» unv Friedrich's II. ehenbürlig an die Seite sich stellen. Was daS dritte im kaiserlichen Auf trag gemalte Bildwerk betrifft, die Jubelfeier im Weißen Saale des Berliner Schlosses am 18. Januar 1896 dar stellend, so müssen wir leider berichten, daß auf Grund der lobpreisenden Zeitungsnotizen unsere Erwartung, ein „grandi oses Kunstwerk" zu Gesicht zu bekommen, getäuscht wurde. Sichtlich haben die Kräfte deS bis dahin selten genannten Malers William Pape zur Erledigung der immerhin heiklen Aufgabe, ein Ceremonienbild berzuslellen, nicht zugereicht. Vor Allem schein! uns in dem Bilde das mit dem Adlerhelm der Garde-du-Corp- bedeckte Haupt des die inhaltsschweren Worte „Ein Reick, ein Volk, ein Gott" sprechenden Monarchen am wenigsten gelungen. Von den übrigen Gattungen der Malerei läßt sich nicht viel Aufhebens machen. Die Bildnißmalerei ist spärlicher als sonst, dock angemessen mit PortraitS beiderlei Geschlechts vertreten; religiöse Bilder siebt man nur wenig», so rin gut gemaltes Bild von Marcus Grönvold, da« in lebens großen Figuren Christus und Maria bei einander sitzend varstellt, diesen als gereiften Mann voller Ernst in eine Schriftrolle vertieft, jene voll Kümmerniß über die zum baldigen Kreuzestod führende SchristweiSheit ihre» Sobnes. Ferner nennen wir eine nach bewährten Mustern gearbeitete Maria mit dem segnenden Kinde, Christus bei Maria und Martha, sowie eine Hochzeit zu Kana von gewaltigen Dimen sionen, die jedoch einen Vergleich mit Paolo Veronese'« bekannten Symposionbildern nicht auShält. Stillleben sahen wir eben falls nur wenige; über ihren Werth schweigen wir. Nur soviel sei über sie gesagt, das glücklicherweise nur Kunstkritiker und Feinschmecker solche Früchte zu Gesicht bekommen; die Marktpolizei würde gegen das Auslesen solcher Waare ohne Bedenken einsckreiten. Auf die zur Ausstellung eingelieferten Werke der plastischen Kunst wollen wir auS Mangel an her vorragenden Leistungen nicht näher »ingehen; einige treffliche Büsten, Gipsmodelle zu bereit« gesetzten Denkmälern u. dgl., da« ist Alles, wa- auck diese Abtheilung der Großen Berliurr Kunstausstellung diesmal bot, F. Sauerheriag.
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