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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970510020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-05
- Tag1897-05-10
- Monat1897-05
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Größere Lchrisleu laut unserem Pr»i«- verzeichaiß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Eptra-Vcilagcn (gesalzt), nur mit d«. Morgen»Ausgabe, ohne PostbewrderunH 60.—, mit Postbeförderung 70.—v —— Annahmeschluk für Anzeigen: Abeud-Ausaabe: vormittag« 10 Uhr. 72orge»-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Sei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 238. Montag den 10. Mai 1897. 81. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Mai. Nach der Kraftanstrengung, die der Reichstag am Freitag gemacht hatte, um Vie zweite Lesung des Margarine gesetze« zu erledigen, ist das HauS am Sonnabend in die alte Schwäche der Beschlußunfähigkeit zurückgefallen. Zuerst kam die dritte Lesung des ÄuSw a n deru ngsgese tz es an die Reihe und führte zu einer längeren Debatte über die vom Centrum beantragten Strafbestimmungen gegen den Mädchenhandel. Anfangs batten die Vertreter der Regierung von der Aufnahme solcher Bestimmungen in daö Gesetz nichts wissen wollen, dann aber hatte sich das Neicksjuslizamt mit dem Centrumsabgcordneten vr. Bachem über den Antrag geeinigt und ihm eine juristisch correcle Form gegeben. Er gelangte denn auch zur Annahme und nun schien der definitiven Annahme des ganzen Gesetzes nichts mehr im Wege zu stehen, als der welfische Abg. v. Hodenberg sich berufen fühlte, das mahnende Gewesen des Reichstags zu spielen und ihm davon abzurathen, der Regierung eine zu große Machtbefugu ß zu geben und ein so wichtiges Gesetz von einem beschluß unfähigen Hause verabschieden zu lassen. Ohne daß aus gezählt wurde, stellte darauf Vicepräsident Schmidt die Be- schlußunfähigkeit des Hauses sest, beraumte die nächste Sitzung auf 3 Uhr an und setzte auf die Tagesordnung die drille Lesung des Margarinegesetzes, von der er hoffte, daß sie das Haus beschlußfähig machen würde. Vergebens wies der Abg. v. Cuny darauf hin, baß erst am Freitag die zweite Lesung des Gesetzes statlgefunden habe und zwischen dieser und der dritten Lesung ein Tag liegen müsse. Es blieb bei der Bestimmung des Wcepräsiventen und die Mehrheit be mühte sich eifrigst, das Margarincgesetz unter Dach und Fach zu bringen. Bei der Eile und Unaufmerksamkeit des Hauses glückte es aber dem Abg. I)r. Barth, einen Antrag vurch- zubringen, welcher der Tendenz des Gesetzes, was den Handel mit Margarine betrifft, zuwiderläuft. Als dies der Abg. Or. Barth unter dem Jubel der Gegner des Gesetzes auSeinandersctzle, war die Bestürzung der Mehr heit natürlich groß. Die von ihr beantragte namentliche Ab stimmung würde zwar die abermalige Beschtußunsähigkeit deS HauseS ergeben haben, aber dieser abermaligen Blamage mochte man sich doch nicht anssetzen nnd benutzte daher eben jene durch den Antrag Barth bewirkte Aenderung als Rettungs anker. Der Abg. v. Levetzow wies nämlich darauf hin, daß diese Aenderung noch nicht gedruckt vorliege und somit die Abstimmung auSgesetzl werden müsse. So wurde die nächste Sitzung auf Dienstag anberaumt und aus die Tages ordnung das Nrlictengesetz und der zweite Nachkragsetat gesetzt. Wann das AuöwanderungSgesetz und das Margarine gesetz zu Stande kommen, wer kann es sagen? In der gestrigen Sitzung des preußischen Abgeord netenhauses wich der Finanzminister 6r. v. Miquel einer Antwort auf die Anfrage deS Abg. Rickert, ob das Vereins- geset; noch in dieser Session zu erwarten sei, aus; nach der ossiciösen „Berl. Corr." erklärte er, er könne und wolle auf die Frage nicht antworten; der Wunsch des Vorredners, bald nach Hause zu kommen, scheine indessen so dringlich zu sein, daß er selbst eine Vorlage in dieser Session nicht mehr wünsche. Diese Aeußerunz, die jedenfalls sensations lüsternen Correspondenten neue Gelegenheit zur Verbreitung von Krisengericklrn liefern wird, wahrscheinlich aber nur auf Meinungsverschiedenheiten im Ministerium über die Frage, ob die Erledigung der Vorlage im Laufe der Session noch zu ermöglichen sein werde, zurückzuführen ist, ist es jedenfalls, was der „Post" Veranlassung giebt, dem Ministerium neue Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der Vorlage :u unterstellen und ibm die Entscheidung für eine Vorlage schärferen Inhalts folgendermaßen ans Herz zu legen: „Die Absicht, io der lausenden Landlagsjcssion eine Novelle zum Brreinsgejrtze vorzulegen, scheint io letzter Stunde auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein. Trifft diese Annahme zu, so dürfte dir Ueberzeugung, daß zur Zeit weder mit einer schärferen noch mit einer schwächeren Vorlage rin positive» Ergebniß zu er ¬ zielen sein würde, dabei eine Rolle spielen. Es ist allerdings sehr wahrscheinlich, daß übereinstimmende Beschlüsse beider Häuser des Landiages nicht herbeizusührrn sein wurden, am wenigsten über die einfache Aufhebung des Vrrbin- dungsverdots des 8 8 des Verrinsgejetzrs, und daß daher die Regierung mit einer beschränkten Vorlage die im Reichstage gegebene Zusage zu verwirklichen nicht in der Lage gewesen wäre. M »liquicl Weisse viäeatur ober eine Vorlage zu machen, welche offenkundig dem von der Regierung in ihrer Gejammtheit an» erkannten Bedürfniß einer Verstärkung der Schutzwehren gegen Mißbrauch des Vereins- und Veriammlungsrecht« zu social- oder nationalrevolutionoiren Bestrebungen nicht entspricht, zweifellos aber zu schweren parlamentarischen Kämpfen führen müßte, mag um so bedenklicher erscheinen, als dabei ohne Zweifel auch zwischen denjenigen Parteien, aus deren Zusammen, wirken unter einander und mit der Regierung im Interesse einer gedeihlichen Fortführung der inneren Politik entschieden Werth zu legen ist, sich scharfe Gegensätze entwickeln würden. Auch mögen Rücksichten der Reichspolitik Mitwirken. Daß und aus welchen Gründen bei voller Anerkennung des Gewichts derarti er Erwägungen zu wünschen ist, daß der Beschluß der Regierung im Interesse ihrer Autorität und des Vertrauens auf die Stetigkeit, Festigkeit und Ent schlossenheit des Regimenls positiv aussällt, ist bereits näher dargelegt." , ... Den Wunsch deS Berliner Blattes nach einem positiven Entschlüsse, V. h. nach Einbringung der Vorlage noch im Lause der Session, tbeilen auch wir. Dagegen können wir nickt anerkennen, daß ter Verzicht auf ein scharfes Vereins gesetz schroffe Gegensätze zwischen den positiv gerichteten Parteien Hervorrufen würde. Die Beseitigung des gegen die Svcialcemvkratie wirkungslosen § 8 des preußischen VereinS- gesetzeS ändert nichts an dem Status quc> gegenüber der Uni- slurzparlei und in der Belassung derselben liegt kein Keim von Gegensätzen. Die „Post" wird zugeben, daß die Mei nungsverschiedenheiten, die über ein Schulgesetz vor 1892 bestanden halten, da« Verhältniß der Parteien zu einander unberührt gelassen hätten, wenn man nicht mit der Zedlitz'schen Action bervorgetrelen wäre. Erst diese Action hat beklagenS- wcrthe Wirkungen geübt. Vostigiu terreutl Die gestrige deutsch-sociale Protest-Versammlung in Dresden ist ausgelöst worden, nachdem das politische Programm der Versammlung vollständig erledigt war. Wir berichten darüber ausführlich an anderer Stelle; hier aber seien einige Worte ter Kritik ter von Herrn Zimmermann ver anstalteten Kundgebung gewidmet. Erinnert man sich, daß das Organ des RetchStagsabgeordnelen Zimmermann, die „Deutsche Wacht", vor der Frage steht, ob eS eingehen soll oder nicht (die nächste Generalversammlung deS Actienunter- nehmenS „Deutsche Wacht" wird hierüber entscheide»), so wird man sich nicht wundern, wenn der Kampf der Deutsch- Oesterreicher gegen ihre Unterdrücker von betheiligter anti semitischer Seite parteipolitisch auSgescklachtet wurde. Ein gar zu starkes Stück aber war die unwahre Behauptung des Herrn RedacteurS Welcker, die liberale reichsdeutsche Presse wage nicht, gegen die Sprachenverordnung zu pro- testiren. Doch dies nebenbei. Weit stärkeren Widerspruch fordert die Entstellung heraus, der nach dem unS vorliegenden Berichte Herr Zimmermann in Bezug auf die Worte Kaiser Wilhelm's II. vom l8. Januar 1896 sich schuldig gemacht hat. Herr Zimmermann bat hiernach den Kaiser sagen lassen: „Aus dem deutschen Reiche ist rin Weltreich geworden. Ueberall im Auslonde ist deutsches Bolksrham vertreten. An die deutschen Reichsiagsabgeordnelen ergeht daher die Mahnung, diese Volks- genossen eng an da« Reich anzugliedern und überall für sie einzu- treten innerhalb und jenseits der Grenzpiäble." (Stürmischer Beifall) AuS diesen Worten erhellt die Absicht, den Anschein zu erwecken, als ob der Kaiser an jenem l8. Januar bei feiner Rede auch der Deutschen Oesterreichs gedacht babe. Vergleicht man den Wortlaut der Kaiserrebe mit dem AuSzuge, den Herr Zimmermann seinen Zubörern bot, so rrgiebt sich auf den ersten Blick, wie schlecht Herr Zimmer mann excerpirt. Der Kaiser sagte laut dem Wipper- mann'schen Geschichtskalrnder wörtlich Folgendes: „AuS dem deutschen Reich« ist rin Weltreich geworden. Ueberall in fernen Theilen der Erde wohnen Tausende unserer Landsleute. Deutsche Güter, deutsches Wissen, deutsche Betriebsamkeit gehen über den Ocean. Nach Tausenden von Mill onen beziffern sich die Werthe, die Deutschland aus der See sahren hat. An Sie, meine Herren, tritt die ernste Pflicht heran, Mir zu helfen, dieses größere deutsche Reich auch sest an unser heimisches zu gliedern. Das Gelöbniß, waS Ich heute vor Ihnen ablegte, es kann nur Wahrheit werden, wenn Ihre von ein- deitlichem patriotischen Geiste beseelte vollste Unterstützung Mir zu Tbril wird. Mit diesem Wunsche, daß Sie in vollster Einigkeit Mir Helsen werden, Meine Pflicht nicht nur Meinen engeren Lands leuten, sondern auch Len vielen Tausenden von Landsleuten im Au Stande gegenüber zu erfüllen, das heißt, daß Ich sie schützen kann, wenn Ich es muß, und mit der Mahnung, die an uns Alle geht: „Was Lu ererbt von keinen Vätern hast, erwirb e«, um es zu besitzen", erhebe ich Mein Glas auf unser geliebtes deutjcbes Vaterland und rufe: Das deutsche Reich hoch! — uad nochmals hoch! und zum dritten Male doch!" Angesicht« dieses Wortlautes ist jeder Zweifel daran aus geschlossen, daß der Kaiser au andere als an Reichsdeutsche nicht gedacht bat. Die Dresdener Versammlung aber bat sich von Herrn Zimmermann verleiten lassen, in einstimmig angenommener Resolution, die „deutschbewußten" deutschen NeichstagSabgeordnelen aufzufordern, „auch im Parlament neuerlich wieder die deutsche Gemeinschaft zu betonen uud an geeigneter Stelle zur Geltung zu bringen, daß das deutsche Volk aufGrund der feierlichen kaiserlichen Kundgebung vom 18. Januar 1896 von Seiten des Reiches einen entschiedenen Schutz aller Deutschen im Aus- lande erwart»". Eine derartige Politik der Einmischung in die inneren Ange legenheiten anderer Mächte kann bas deutsche Reich ohne Gefähr dung seiner eigenen Interessen schlechterdings nicht treiben. Auch wir vernrtheilen die Unterdrückung des Deulschihums in Ocsterreich-llngarn aufs Schärfste und leiben unseren StammcSzenvssen jede moralische Unterstützung; die politische Unterstützung jedoch, die von der Dresdner Ver sammlung so leichthin gefordert wird, müssen wir ihnen ver sagen. Wir sind uns dabei bewußt, im Geist und Sinne deS Fürsten Bismarck zu bandeln, dem es niemals ein gefallen ist, zu Gunsten des im Auslande bedrohten Deutsch- lbumS — mochte es sich um die Deutschen in Rußland, in Oesterreich, in Ungarn oder sonstwo handeln — zu inter- veuiren. Eine solche Jnterventionspolitik, gegenüber dem mit unS verbündeten Oesterreich-Ungarn völlig undenkbar, wird trotz ter Dresdener Resolution im deutschen Reiche keinen Widerhall finden. Als Beweis dafür kann der Umstand gelten, daß außer dem Entrepreneur der Protestkundgebung, Herrn Zimmermann, Prof. Förster der einzige Vertreter deS Reichstages in Dresden gewesen ist. DaS englische Unterhaus batte sich letzter Tage wieder einmal mit der schon vielfach erörterten Frage der gesetz lichen, also zwangsweisen Einführung des acht stündigen Arbeitstags für Bergleute zu beschäftigen. Es handelte sich dabei nicht um eine Vorlage der Regierung, sondern um einen aus der Mitte deS HauseS hervor gegangenen Antrag. Das Cabinet als solches beobachtete eine durchaus neuirale Haltung uud griff weder zu Gunstcu der Forderung, noch zur Bekämpfung derselben in die Debatte ein. Die Discussion endete, wie milgetheilt, mit einem ab lehnenden Beschluß; 186 Stimmen wurde» für, 227 gegen die gesetzliche Statuirung des AchistunrentagS im bergmännischen Betrieb abgegeben. Wie es nach den vor- hergegaiigenrn publicistischen Auslassungen und nach dem Verlauf früherer Abstimmungen vorauSzuseben war, blieben bei der Entscheidung die Parteiverbände nicht intact, wenn auch das Gros der Ablehnenden aus Conservativen und Unionisten und die Mehrzahl der Freunde der Achtstunden- Bill aus Liberalen und Radicalen bestand. Einzelne Confer- vative und Unionisten — von den Letzteren z. B. der Marquis of Lorne, der Schwiegersohn der Königin, und Lord Stanley — traten für den Antrag ein, während der radikale Führer John Morley und die beiden Arbciterdeputirten Wilson und Fenwick ihn bekämpften. Selbstverständlich sind sie warme Freunde und Befürworter einer Beschränkung der Arbeitszeit auf achtstündige Dauer, aber wie viele Gewerk- vereiue und wie die Bergleute von Durham und Nortbumberland wollen sie die Herabminderung deS Arbeitstages der freien Vereinbarung zwischen Arbeit gebern und Arbeitnehmern Vorbehalten wissen. Derartige Dinge sollen durch die Arbeitercorporationen geordnet werden, die an Macht und Einfluß selbstverständlich erheblich verlieren würden, wenn an ihrer Stelle der Staat der Arbeiterinleressen und Arbeiterforderungen sich annähme und durch ein sic volo sic julwcr die Arbeitgeber zur Unterwerfung nötbigte. Bisher bat denn auch die Achtstundenbill im Parla ment — so oft sie dort schon eingebracht wurde — keinen Anklang gefunden. Im Jahre 1892 wurde sie vom Unter bause mit 172 gegen 162, im Jahre 1893 mit 279 gegen 20l und 1894 gar mit 281 gegen 194 Stimmen abgelehut. Tas Schlimmste bei der Sache ist, daß die Arbeiter selbst nicht einig sind. In Lancashire und Aortshlre sind die Berg leute für cie Bill, in Durham und Rorthumberland dagegen. Südwales ist getheilt. Nachdem der erwartete cleus ex mucinuL in Gestalt Englands (Sricchettlauv in seiner ärgsten Bebrängniß nicht zu Hilfe gekommen iil, darf letzteres, wie wir voraussagten, nach der Schlacht bei Pharsala und dem Rückzug aus Vrlrstino uud Volo als überwunden angesehen werden. Griewen- land ist mürbe und wenn es auch weder um Frieden, noch um die Intervention der Mächte bittet, so hat es doch die Bedingung, welche diese auf den Wunsch Deutschlands an eine Mediation ihrerseits knüpften, thatsächlich erfüllt: Die griechische Regierung hat, wie gemeldet, den Mächten die Zurückberus ung von 25 Offic irren und 2 Com pagnien Sappeurs auS Kreta mitgetheilt und die Zusage gemacht, daß die anderen Truppen innerhalb einer kurzen Frist aus Kreta zurückberufen werden würden. Nach dieser Erklärung boten die Mächte ihre Vermittelung zwischen Griechenland und der Türker an, indem sie gleichzeitig verlangte», Griechenland solle tie Wahrnehmung seiner Interessen ohne Vorbehalt in die Hände Europas legen. Die griechische Regierung dringt in de» Vorbesprechungen über den Friedensschluß auf eine Mo difikation dieser Bedingung, denn in Alhen hofft man immer noch, irgend einen Vortheil berauszuschlagen, wenn auch nicht auf Kreta, das man verloren giebt, so doch auf der Balkan halbinsel, wo man die vom Berliner Congreß 1878 ver sprochene Grenze, also hauptsächlich Epirus, zugeslandrii erhallen möchte. Von der Vermitlelnng der Mächte dagegen verspricht man sich weiter nichts, als daß di« türkischen Forderungen ein gewisses Maß nicht überschreiten. Allein vielleicht siebt man in Athen zu schwarz in die Zukunft, denn die bekannten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mächten dürsten sich, wenn es gilt, die Friedensverhandlungen zum Abschluß zu bringe», mit gewohnter Pünktlichkeit einstellen und wer weiß, waS man dann noch zu erleben bekommt. Differenzen schrincii schon in Bezug auf die Kriegsentschädigung Griechen lands zu bestehen. Die Schwierigkeit liegt darin, daß Griechen land zur Zeit vor großer Gelbebbe steht und schwerlich auf dem europäischen Geldmarkt Gläubiger finden wird, die ihm ausreichende Geldsummen für eine solche Entschädigung borgen werden. Ter Gedanke, daß die Mächte ihrerseits eine Bürgschaft für eine internationale griechische Anleihe aufnehmen werden, erscheint unS ausgeschlossen, denn Griechenland hat nach den Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren machen mußten, An spruch aus Treu und Glauben verloren. Die englische Diplomatie bat angeregt, daß Griechenland statt einer Geldrntschädignng seine Flotte an die Türkei abtreten solle. Da« mag immer hin ein Hilfsmittel sein; aber der Werth der griechischen Flotte scheint nach den jüngsten Beweise» ausgesprochenster' Ohnmacht recht fragwürdig zu sein. Griechenland wird also immerhin einen größeren Tbril des von ihm zu tragenden KrirgsentschädiguiigecapitalS der Türkei schuldig bleiben müssen. Da die Großmächte schwerlich zulasten werden, daß Sneewittchen. 82) Roman von A. I. Mordtmaua. Ma<bdr»a verrott«. Al» es wieder Winter wurde, kehrte Anna aus der Tiroler Sommerfrische zurück, in der sie sich erholt batte, denn im Frühjahr war sie eines todten Kindes genesen, und da» batte ihre Gesundheit hart angegriffen. Fast mit Gewalt hatten Paul und vr. Eberhardt es durchsetzen müssen, daß sic aus Hamburg fortging, um sich in der reinen GcbirgS- luft zu kräftigen: sie batte ihren Mann nicht verlassen wollen, und Eberhardt hatte seine Zuflucht zu der scharfen Erklärung nehmen müssen, daß sie ihre Pflicht gegen Paul verletzen würde, wenn sie nicht» thue, um sich ibm gesund zu erhalten. Da« half. Al« aber die schönen Herbsttage vorbei waren, kehrte Anna voll freudiger Sehnsucht und auch körperlich gesund in ihr traute« Heim zurück. Zwischen Gerard« und Paul Mauvillon war seit der verheirathung de« Onkel« der nie sehr lebhafte Verkehr fast ganz eingeschlafen. Maa sah sich nur bei officiellen Ge legenheiten; daran batte Gerard'« Mahnung, doch die alten Geschichten zu vergessen, nicht- ändern können. Zum ersten Male sah Cäcilie ihre Freundin Anna und deren Gatten Paul wieder bei einem Diner, da« Frau Delmar zu Ehren der Verlobung ihrer Tochter Alice mit einem an Gold mehr al« an Intelligenz gesegneten Jüngling gab. Und bei dieser Gelegenheit erfuhr sie etwa«, was ihr einen Stich ins Herz gab. Bevor man sich in» Eßzimmer begab, plauderte Cäcilie mit dem grauhaarigen, stets liebenswürdigen vr. Eberhardt, der bet Girard« w»e brr Mauvillon« Hau«arzt war. Sir fragte ihn, wie Anna'S Gesundheit sich gekräftigt habe, und da Eberhardt sich darüber sehr befriedigt aussprach, fragte sie weiter: „Glauben Sie, daß eS von Bestand sein wird?" „Ganz ruversichtlich. Frau Mauvillon hat eine ungemein kräftige Natur, und ich sehe nicht ein, warum ihre Erholung nicht von Dauer sein sollte." „Ich meine, daß die seelischen Leiden endlich doch auch auf den Körper von Einfluß sein müssen." „Wo solche vorhanden sind, freilich; aber die fehlgrschlagenr Hoffnung auf ein Baby wird ja nicht so schwer aus dem Gemüth der jungen Frau lassen. Das wäre unnatürlich." „DaS meine ich nicht. Ich habe an Leiden anderer Art gedacht." „Dann muß ich mich zu mangelndem Verständniß bekennen. Ich weiß nicht, worauf Sre anspielen." „Sie wollen eS nicht wissen, Herr Dockor," erwiderte Cäcilie in einem Anfluge von Ungeduld. „Sonst kann Jbneu doch nicht verborgen geblieben sein, wa« alle Welt weiß?" „So? Und wa« wäre daS, wenn ich fragen darf?" „Daß die junge Frau von ihrem Manne stark vernach lässigt wird, seitdem er weiß, daß sie ihm da« verwögen nicht zugebracht hat, auf da« er gerechnet halte." „Da scheint mir alle Welt in einem sehr einfältige» Jrrthum befangen zu sein", entgegnete Eberhardt trockrn. „Sehen Sie nur hin!" Paul und Anna waren eben riugetreten und sprachen mit Gerard. Paul hatte Anna'S Hand in der seinigeu, und bei den scherzhaften Uebertreibungen Gerard'S stog «in fröbliche« Lächeln nach dem andern über Anua'S Hlührnde Gesicht«- züge. Cäcilie mußte sich gestehen, daß Beide nicht« weniger al« drn Eindruck eine« unglücklichen oder auch nur gicich- giltigen Ehepaares machten. „Man muß eben den Schein aufrecht erhalten", sagte sie achselzuckend. „Darauf kann man nicht viel geben." „Sie sind im allereotschiedensten, im allervollständigstcn Jrrthum, Frau Gerard", erwiderte Eberhardt. „Und ich bin zufällig in der Lage, zu wissen, in welchem tiefen, un erschütterlichen Boden die innige gegenseitige Liebe dieser Beiden wurzelt." „Wirklich?" fragte Cäcilie spöttisch. „Sollte e« gar eine Liebe«beirath gewesen sein? Da« war mir neu." „Darin baden Sie Recht. Eine LiebeSbeirath war »S nicht, wenigsten« von Seiten de« Herrn Mauvillon nicht. Das weiß za alle Welt, und ick weiß e« auck. Aber ich weiß noch mehr. Und da« will ich Ihnen anvertrauen, damit auck Sie in Ihren Kreisen dazu beitragen, drn boshaften Klatsch über diese Ehe abzusckneiden." „Ich bin wirklick neugierig." „Nun, sehen Sie, wa« Herr Mauvillon an seiner vor- trefflicken Frau hatte, daS ist ibm damals klar geworden, al» sie erkrankte. Und ich muß zu seiner Ebre sagen, daß er au« Besorgniß um sie nickt nur schlaflose Nächte hakte, sondern auck dieser Erkeuulniß gemäß handelte. Er ist gegen mein ausdrückliches Verbot, gegen alle Vernunft in ihr Zimmer gegangen und nicht eher von ihrem Bette gewichen, at« bi« sie genesen war." „Welche romantiscke Geschichte!" „Ja, eine von den romantischen Geschichte«, die dock immer nock mal passirea, und die unS Aerzte immer wieder mit den Menschen aussöhnen, wenn unS über die Gemeinheit und LaS Elend de« Alltagsleben« einmal ein Ekel ankommt. Aber, romantisch oder nickt, wahr ist die Geschickte, und daS ist die Hauptsache. Zwei Leute, die solche Stunden mit einander burchgemacht baden, können sich nie wieder ent fremdet werden. Ick will Jdnen noch mehr verrathen. Ick habe damals Frau Mauvillon aufgegeben. Sie war so gewiß dem Tode verfallen, wie ich hier vor Ihnen stehe; die auf opfernde Pflege ihre« Gatten ist eS einzig und allein, die sie dem Leben erhalten hat." „Welche Uebertreibung!" „Keine Spur — da- ist buchstäblich wahr. Frau Anna Mauvillon würde beule nicht so frisch und lebensfroh vor Ihnen stehen — hören Sie nur, wie echt und fröhlich ihr Lacken klingt! — wenn nickt die auf ihrem Krankenbett ihr geworbene Gewißheit, daß ihr Mann sic doch lieb habe, allen Lebensmutb von Neuem in ihr entfacht hätte. So etwas webt zwischen zwei Menschen ein unzerreißbares Band." Er verbeugte sich und wankte sich ab, um die Beiden, von denen er eben gesprochen batte, zu begrüßen. Unzufrieden und nnßmutbig sah ibm Cäcilie nach. Sie empfand daS Glück Paut's wie ein weiieres Glied in der Kette widriger Vorgänge, die alle Dinge anders gestaltet, als sie geplant und gewünscht batte. Juanita, die verhaßte, batte daS Glück an der Seite bes Mannes gefunden, dem sie selbst untreu geworden war; Zarnow batte sie in Juanita'S Armen ver gessen; das Werkzeug, daS ihr zur Racke an Paul dienen sollte, war ibm zum Segen geworden. Nichts war ihr zum Guten ausgeschlagen. Mitten im Glück stand sie einsamer uno verlassener, atS sie jemals in den Tagen der Armuth gewesen war. Nichts von Alledem, was sie früher zu den Erfordernissen einer idealen Gestaltung de« Daseins gerechnet batte, fehlte ihr. Sie führte eine zufriedene Ebe, sie war frei von der schäbigen Sorge um das tägliche Brod, sie konnte Reisen macken, wann und wohin sie wollte, sie konnte Theater, Coricerte uud Gesellschaften besuchen, soviel ihr Herz wünschte, sie war unbestritten eine Königin der Gesellschaft — und doch war sie nicht zufrieden. Die konnte sich Einem vergleichen, dem zum Gastmable deS Lebens die köstlichsten Speisen auf getischt wurden und der alle Gerichte auf der üppigen Tafel verachtete, weil er vergeblich nach dem einfachsten Gewürze, daS ihm fehlte, suchte — dem Salze. Wenn sie grübelnd fragte, waS ihr fehlte, schweiften ihre Gedanken wohl über das Weltmeer dahin, wo unter wehenden Palmen Zarnow
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